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I'll be yours

von

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Erkenntnis

Nachdem Herbert ihm die Meinung gesagt hatte ging Alfred auf den Friedhof, dort hatte er durch Zufall einen leeren Sarg entdeckt. Er konnte und wollte nun nicht den Tag neben Herbert verbringen. Und er war sich sicher, dass Herbert ihn auch nicht mehr bei sich haben wollte. Nachts ging er in die hintersten Ecken der Bibliothek um Herbert möglichst nicht zu begegnen. So vergingen einige Wochen. Anfangs hatte Alfred versucht die Zeit sinnvoll zu nutzen und las Bücher, doch nach ein paar Tagen hatte er es wieder aufgegeben. Er konnte sich einfach nicht auf den Inhalt konzentrieren. Immer wieder sah er Herberts wütendes, verletztes Gesicht vor sich. Und wenn er es endlich schaffte das Bild vor seinem inneren Auge zu verdrängen sah er Herbert lächelnd vor sich. Seine leuchtenden Augen wenn er Alfred mit Begeisterung den atemberaubenden Ausblick über die Landschaft zeigte, den man vom dem höchsten Turm des Schlosses hatte. Oder sein Lachen, wenn sie sich eine erbitterte Schneeballschlacht lieferten. Anfangs hatte Herbert immer gewonnen, unter anderem auch weil Alfred sich nicht getraut hatte ihm ernsthaft entgegen zu treten. Doch das hatte sich mit der Zeit gelegt.

Alfred erinnerte sich daran als Herbert ihm den Sonnenaufgang zeigte. Sie waren nicht weit von der Gruft entfernt um sich schnell in die sichere Dunkelheit flüchten zu können. Es war ein winziges Fenster durch das wenig Licht fiel, doch der Anblick war einfach nur atemberaubend. „Herbert, das ist wunderschön!“, hatte Alfred sprachlos gehaucht. „Ja, das ist es wirklich.“ In diesem Moment hatte Alfred sich zu dem anderen umgewandt und begegnete einem Blick voller Liebe, der sein untotes Herz erwärmte. Und er galt ihm. Er war drauf und dran in diesen blauen Augen zu versinken. Es waren nur Sekunden, dann schien Herbert aus seinen Gedanken zu Schrecken und packte Alfreds Hand und stürmte mit ihm zur Gruft. Beinahe hätten sie die Zeit vergessen. Zu ihrem Glück war der Graf schon mit Sarah in ihrem Sarg verschwunden.

Nachdem Herbert den Deckel Sargs über ihnen geschlossen hatte kicherte er leise: „Puh, das war knapp.“ Alfred schmunzelte und nickte. „Einmal hat mein Vater mich erwischt, als ich den Sonnenaufgang betrachtet habe und dann fast zu spät in die Gruft kam. Das hatte gehörigen Ärger gegeben. Ich musste zuvor durch das halbe Schloss hetzen bis ich in der Gruft war. Ich war noch ein Jungvampir und hatte mich noch nicht ganz damit abgefunden nie wieder einen Sonnenaufgang sehen zu können. Mein Vater war außer sich vor Sorge und hätte mich am liebsten in der Gruft festgebunden. Die folgenden Wochen hatte er immer penibel darauf geachtet dass ich immer frühzeitig in meinem Sarg war.“ Mit großen Augen hatte Alfred ihm zugehört. „Wir sollten jetzt aber wirklich schlafen.“ Flüsterte Herbert und schloss seine Augen.
 

Wehmütig dachte Alfred daran zurück. Die ganze Zeit kreisten seine Gedanken um Herbert. Auch am Tag wenn er dann alleine in dem ungemütlichen Sarg auf dem Friedhof lag. Eine kleine Stimme in seinem Kopf flüsterte ihm zu, dass es mit Herbert an seiner Seite viel gemütlicher wäre. Alfred hatte bis dahin nie so nah neben einer anderen Person geschlafen. Er hatte sich schnell daran gewöhnt neben Herbert zu schlafen und später auch mit diesem zu kuscheln. Nun vermisste Alfred dessen Nähe. Doch er wollte es nicht wahrhaben. Wäre Herbert eine Frau wären sie mit ziemlicher Sicherheit schon längst ein Paar. Aber so? Sie waren beide Männer, das ging doch nicht! Das durfte man nicht. So hatte er es von klein auf gelernt. Ein Mann gehörte zu einer Frau und nicht zu einem anderen Mann. In Gedanken sagte Alfred sich das immer wieder vor. Doch eine kleine Stimme in seinem Unterbewusstsein flüsterte ihm immer wieder zu: „Bist du dir da sicher?“ Anfangs bejahte er diese Frage immer, aber mit der Zeit wurde seine Überzeugung immer schwächer, bis sie gänzlich verschwand.

Stimmte es? Konnten nur Mann und Frau zusammen sein? Und galt dies nicht nur für Menschen? Aber hatte er in seinem Studium nicht gelernt, dass es immer wieder gleichgeschlechtliche Paare gab? Wenn auch nur heimlich, da dies von der Gesellschaft nicht akzeptiert wurde. Waren es vielleicht doch nur die Moralvorstellungen der Menschen? Galten diese überhaupt noch für ihn, wo er doch kein Mensch mehr war? Als Mensch trank man auch kein Blut, als Vampir schon. Wenn ein Mensch einen anderen tötete wurde er bestraft. Wenn ein Vampir einen Menschen tötete wurde der Vampir nicht von anderen Menschen bestraft, schließlich brauchten sie das Blut als Nahrung. Galt das auch für die Liebe? Durfte er nun lieben wen er wollte, egal ob Mann oder Frau?

Gerne hätte Alfred jemanden gefragt, doch er wusste nicht wen. Fragen über Fragen und keine Antwort. Der Graf schien offensichtlich keine Probleme damit zu haben, dass sein Sohn die Gesellschaft anderer Männer bevorzugte. Lag es also nur an seinen anerzogenen Moralvorstellungen? Alfred konnte nicht sagen wie viele Tage und Nächte er schon damit verbracht hatte darüber zu grübeln was richtig und falsch war. Und ob es überhaupt ein Richtig und Falsch gab. Irgendwann beschloss er, dass es keinen Wert hatte und lenkte seine Gedanken in eine neue Richtung.
 

Konnte er sich vorstellen einen Mann zu küssen? Herbert zu küssen? Alfred hatte noch nie jemanden geküsst, aber wieso sollte es anders sein als wenn er eine Frau küssen würde? Mit gewissem Schrecken musste er feststellen, dass er die Frage recht leicht mit „ja“ beantworten konnte. Er konnte sich tatsächlich vorstellen Herbert zu küssen! Und dann? Könnte er mit ihm schlafen? Alfred schob diesen Gedanken rasch zur Seite. Er war sich nicht einmal sicher ob das überhaupt möglich war. So ging er zur nächsten Frage über: konnte er sich vorstellen Herbert zu lieben? Wäre er eine Frau hätte Alfred diese Frage sofort bejaht. Wieso also jetzt nicht? Ihm fiel nicht auch nur ansatzweise ein Grund ein, wieso nicht. Wenn er an Herberts leuchtende Augen dachte, sein strahlendes Lächeln oder dieser Blick voller Liebe und Zuneigung der er ihm manchmal schenkte wurde Alfred ganz warm und ihn überkam ein Gefühl tiefster Zufriedenheit und Glück. Dann fühlte er sich sicher, auch wenn Herbert gar nicht in der Nähe war. Wenn er ihn vor seinem inneren Auge sah legte sich unbewusst ein kleines, glückliches Lächeln auf Alfreds Lippen. Bei Sarah hatte er nie so gefühlt. Diese Erkenntnis traf ihn unerwartet. Plötzlich hatte Alfred das Gefühl, dass die Antwort auf all seine Fragen zum Greifen nah war. War es tatsächlich so einfach?
 

Ganz langsam sickerte die Erkenntnis bis zu seinem Bewusstsein durch.

Sofort sprang Alfred von seinem Stuhl auf, so schwungvoll, dass dieser umfiel. Aber das war ihm egal, er bekam es nur am Rande mit. Alfred stürmte durch die endlos vielen Gänge des Schlosses auf der Suche nach Herbert. Als er ihn endlich sah rannte er strahlend auf ihn zu: „Herbert!“ Der Angesprochene drehte sich zu Alfred um: „Keine Sorge, ich bin gleich weg, dann kannst du das Bad haben.“ Verwundert schaute er Herbert an, bis ihm klar wurde wo er gerade stand, vor der Tür zu Herberts Badezimmer. „Oh…“

Herbert war im Begriff zu gehen, da hielt Alfred ihn am Arm fest: „Herbert, warte. Ich muss dir etwas sagen!“ Er blieb zwar stehen, drehte sich jedoch nicht um. Er ertrug den Gedanken nicht in Alfreds strahlende Augen zu sehen und zu hören, dass dieser ein nettes Mädchen kennen gelernt hatte.

Doch Alfred redete unbeirrt weiter bevor ihn der Mut verließ. „Herbert, ich bin verliebt! Weißt du auch in wen?“ Die erwartete Reaktion blieb aus, stattdessen bekam Alfred nur ein leises „nein“ als Antwort. Energisch drehte er Herbert zu sich um, er wollte ihm schließlich in die Augen sehen wenn er es ihm sagte. Seufzend drehte Herbert sich zu ihm um. Auch wenn er das Gefühl hatte gerade seinem Henker gegenüber zu stehen. Alfred lächelte ihn breit und glücklich an. Dann sagte er die Worte, die Herbert nicht mehr glaubte je aus dessen Mund zu hören: „Ich liebe dich.“



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