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Die unerträgliche Schwere des Sterbens

von

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Das Alte und das Neue

Blinzelnd öffnete Hermione die Augen. Über sich sah sie eine getäfelte Decke und im Augenwinkel das Blitzen eines kristallenen Lüsters, der von dort herunterbaumelte. Irritiert setzte sie sich auf und sah zur Seite. Dort saß Voldemort, das Kinn auf eine Hand gestützt, und beobachtete sie ungerührt. Ihr fiel wieder ein, was eben passiert war.

„Nein“, flüsterte sie und starrte ihn mit schreckgeweiteten Augen an.

Er fuhr sich mit einer Hand über den kahlen Schädel.

„An der Realität kann ich nichts ändern.“

Er klang selbst so bitter, wie sie sich fühlte. Immerhin, er wollte sie offensichtlich nicht, also brauchten sie nur wieder auseinander zu gehen und niemand würde etwas erfahren.

„Hören Sie, ich gehe einfach mit meinen Eltern wieder nachhause und wir behalten das Ganze für uns, ja? Sie brauchen sich nicht mit mir abzugeben, wenn Sie das nicht wollen.“

Ihre Stimme hatte einen fast schrillen Ton angenommen. Panik breitete sich zunehmend in ihr aus und kalter Schweiß trat ihr auf die Stirn. Das durfte nur ein Traum sein, ein geschmackloser Albtraum durch irgendetwas Falsches zum Abendessen. Ja, das war es.

„Ich habe keinen Bedarf daran, dich aus deinem Leben herauszureißen. Im Gegenteil.“

Ihr Mund klappte auf, als ihr klar wurde, was er wollte. Harry. Sie sollte ihm Harry verschaffen. Nein, niemals!

„Ich werde Ihnen nicht helfen, Harry zu töten!“ fauchte sie. Nein, egal, was irgendein dämlicher Zauber enthüllte, sie würde ihre Freunde nicht verraten.

Er kniff die Augen zusammen und sie zuckte zurück.

„Was ich plane und was nicht geht dich nichts an. Tröste dich damit, dass du mir gleichgültig bist, wenn es dir hilft.“

Damit stand er auf, strich sich die Kleider glatt und trat zur Tür. Nebenbei fiel ihr auf, dass er wohl auch ihren Zauberstab wieder eingesteckt haben musste.

„Wir haben noch das Wochenende vor uns, um über die Angelegenheit zu sprechen. Ich schlage vor, dass du dich erst einmal mit der Realität anfreundest und dir überlegst, wie du weitermachen willst. Natürlich wirst du nichts ohne mein Einverständnis erledigen.“

Damit verschwand er, die Tür sanft hinter sich schließend, und ließ sie alleine mit einem Kopf voller Hochgeschwindigkeitsgedanken zurück.

Wie war das möglich? Sie - Voldemorts Tochter! Wie war das möglich?! Ihre Eltern hatten ihr immer erzählt, wie es während der Schwangerschaft... nein, er konnte ihre Gedächtnisse verändert haben. Sicher hatte er das. Nur, wozu? Wozu hatte er sie einem fremden Paar, überdies Muggeln, untergeschoben? Hatte ihre Mutter da nicht etwas einzuwenden gehabt? Vielleicht war sie tot. Bei dem Gedanken wurde ihr ein wenig übel, mehr noch beim Gedanken an diesen ihren leiblichen Vater. Mit ihm konnte, wollte sie nichts zu tun haben, lieber orientierte sie sich nach einem... Familienmitglied... das ihr sympathischer war und das hoffentlich nicht mordend durch die Lande zog. Ob er ihr sagen würde, wer ihre Mutter war? War das der Grund für seine Bitterkeit, hatte es was mit ihrer Mutter zu tun? Nun, das Mindeste, was sie ihm unter dieser Hypothese anrechnen konnte, war, dass er nicht ihre Mutter in ihr zu sehen schien und in einem gewissen Rahmen wohl fair mit ihr umging. Keine Folter, keine Strafen, dafür war er geduldig gewesen und hatte sich nicht einmal aufgeregt, als sie ohnmächtig geworden war.

Unwillig schüttelte sie den Kopf. Was dachte sie denn da? War doch klar, dass Du-weißt-schon-wer sich nicht so verhalten würde, wie sie es sich aufgrund von Geschichtsbüchern und den Berichten von Harry ausgemalt hatte. Ihre... Eltern verhielten sich auf der Arbeit und zu ihren Angestellten schließlich auch anders als zuhause oder im Gespräch mit Freunden. Das musste der Grund sein, dass sie nun einfach jemand war, dem er nicht als Feind begegnen brauchte, sodass er den Sadismus beiseite lassen konnte. Bei einer Begegnung auf dem Schlachtfeld hätte die Angelegenheit gewiss anders ausgesehen.

Sie erhob sich und schritt das Regal ab, dabei die Buchtitel begutachtend, um den Kopf frei zu bekommen. Die Nähe von Büchern half stets dabei, sie zu beruhigen. Ob es der Geruch war, das Aussehen oder die generelle Atmosphäre, die Bücher einem Raum verliehen, es ließ ihr Herz ruhig und gleichmäßig schlagen und leerte ihren überforderten Kopf.

Ich schlage vor, dass du dich erst einmal mit der Realität anfreundest und dir überlegst, wie du weitermachen willst, hallten seine Worte in ihren Gedanken wider. Mit der Realität anfreunden, dachte sie bitter, das stellst du dir so einfach vor. Deine Version dieser... absurden Ereignisse wäre sicher, wenn Dumbledore dir eröffnen würde, er wäre dein Vater. Und weitermachen, wie weitermachen?, dachte sie mit zunehmender Verzweiflung. Ihre Freunde würden sie hassen. Alle würden sie hassen, abgesehen von den Slytherins, mit denen wiederum sie nicht viel anfangen konnte. Sie wäre eine Bedrohung für seine Sicherheit, man würde vielleicht versuchen, sie zu entführen, um was auch immer mit ihm zu erreichen, das würde er doch hoffentlich nicht wollen? Aber was, wenn er ihr darum verbat, weiter nach Hogwarts zu gehen? Alles nur das nicht!

Nein, Hermione, du bist eine Idiotin!, schrie sie ihrer Furcht in Gedanken entgegen. Was dachte sie denn für einen Blödsinn zusammen? Wenn sie schon so intelligent war, die beste Schülerin ihres Jahrgangs zu werden, dann hatte sie auch genügend Grips, um ruhig zu bleiben und die Sache so objektiv wie möglich zu betrachten. Was weißt du, Hermione?, fragte sie sich selbst.

Ich bin Voldemorts Tochter. Der Gedanke ließ sich beunruhigend einfach denken. Egal jetzt. Sie war Voldemorts Tochter. Wer wusste das denn? Nur sie und er, wie es schien. Selbst, wenn ihre Eltern etwas mitbekommen hätten oder noch würden, so würde er ihnen sicher eher das Gedächtnis verändern, um das Geheimnis zu wahren und gleichzeitig keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Überhaupt würde er doch keine Aufmerksamkeit wollen, also brauchte keiner die Wahrheit zu wissen. Auch ihre Freunde nicht.

Sie würde ihre Freunde belügen. Ihr Mund wurde trocken. Das war nichts, was sie wollte, aber was blieb ihr denn anderes übrig? Ron war schon von seiner Familie quasi dazu erzogen worden, andere Familien zu pauschalisieren, auch wenn sie sich nicht sicher war, inwieweit das auf wen anderes als die Malfoys zutraf. In jedem Fall würde Ron zunächst von ihr weichen und was danach käme vermochte sie nicht vorauszusagen.

Und Harry? Harry würde sie hassen. Nicht wegen ihr selbst, sondern einfach nur wegen ihrer Abstammung. Wozu er doch jedes Recht hatte, Merlin, ihr Vater hatte seine Mutter getötet und dasselbe bei ihm versucht! Schlimm genug, dass das Wissen, unter demselben Dach wie ein mehrfacher Mörder und Terrorist zu sein, ihr keine Panik einflößte, wo sie nun relativ sicher war, nicht auf seiner Abschussliste zu stehen. Aber dann noch von Harry zu erwarten, dass er sie trotz dessen weiter als Freundin sah, wenn er es jemals erfahren sollte, dazu war sie nicht imstande. Harry hatte jedes Recht, ihn zu hassen und ihm den Tod zu wünschen, nichts anderes taten sein Vater und sein Pate und das hatten sie an ihn weitergegeben. Wäre er ohne die beiden aufgewachsen, er hätte gewiss eine andere Einstellung zu dem ganzen Sachverhalt entwickelt oder entwickeln können, aber so, wie die Realität nun einmal aussah, gab es keinen Grund für ihn, sie auch nur noch zu tolerieren.

Sie durften es nicht erfahren. Lügen, das war ihr zuwider, aber ihre Freunde, die wollte sie um keinen Preis verlieren! Sie müsste sich zwischen ihren Prinzipien und ihren Freunden entscheiden. Unmöglich. In jeder anderen Situation, sicher, würde sie ihre Prinzipien, ihre ethischen Grundsätze zuvorderst anstellen, doch das hier... das hier war so dermaßen bar jeder Vorstellung, es war die sprichwörtliche Ausnahme von der Regel. Eine absolute Ausnahmesituation. Nun ihre Realität.

Sie schauderte und lenkte sich ab, indem sie einen dicken Wälzer aus dem Regal zog. Staub kitzelte sie an der Nase und sie unterdrückte ein Niesen. Nicht, dass er dann zurückkäme, um nachzusehen, was los war, auch wenn sie hoffte, dass Trivialitäten wie Niesen ihn nicht jucken würden.

Fasziniert betrachtete sie das Buch. Es war in dunkelblaues Leder geschlagen und mit Goldfarbe waren einige Sternenkonstellationen auf den Einband gemalt. Der Titel lautete „Schicksal oder Vorsehung - Der feine Unterschied zwischen Wahrsagen und selbsterfüllender Prophezeiung“. Als Autor war eine Jocasta Lympsham angegeben.

Sie rümpfte ein wenig die Nase. Wahrsagen. Das Fach war albern und sinnlos obendrein. Es überraschte sie, ein solches Buch im Besitz eines so unbestreitbar intelligenten Kopfes vorzufinden. Andererseits, vielleicht war das nicht sein Haus, sondern gehörte einem seiner Anhänger? Ergäbe sogar Sinn, auch, wenn ihr keine Begründung einfiel, mit der er die dann eigentlichen Hausbewohner dazu gebracht hatte, einige Ecken hier zu meiden oder eventuell gleich für eine Weile zu verschwinden. Bestimmt war es nicht sehr fair zugegangen.

Sie hätte keinen Grund nennen können, weswegen sie das Buch trotz all ihrer Ressentiments gegen Wahrsagen aufschlug, wenn sie jemand gefragt hätte, doch sie tat es und als sie die Seiten an einer willkürlich gewählten Stelle auseinander zog traf sie noch ein wenig Staub, der sich zwischen dem Papier eingenistet hatte. Nahezu sofort musste sie niesen und zuckte zusammen. Furchtsam atmete sie so flach, wie sie vermochte, und lauschte nach etwaigen Schritten, die in die Richtung dieses Zimmers kamen. Nichts. Dennoch schlug ihr das Herz bis zum Hals und sie konnte sich nur mit Mühe dazu bewegen, etwas auf den Seiten wirklich zu lesen.

...Selbsterfüllung, die sich dadurch auszeichnet, dass sie von den beteiligten Menschen geformt wird. In der Selbsterfüllung spielt die Wahrsagerei keine Rolle außer die, die Möglichkeit zu präsentieren. Nichtsdestotrotz besteht keine direkte Verbindung zwischen selbsterfüllender Prophezeiung und Seherkunst, denn wo Letztere von magischen, stellaren, natürlichen und sozialen Faktoren beeinflusst wird, dort ist die selbsterfüllende Prophezeiung gemacht von den Menschen, durch die sie entstehen könnte oder entstanden ist. Als solches besitzt diese Prophezeiung keinen endgültigen, über allen Dingen notwendig stehenden Charakter und kann damit nicht in das Fachgebiet der Wahr-

Da war doch ein Geräusch gewesen? Angestrengt starrte sie zur Tür, gleichzeitig hoffend und fürchtend, sie würde sich öffnen. Hoffend, da sie sich dann nicht mehr vor seiner Rückkehr ängstigen musste. Fürchtend, da sie nicht abzuschätzen vermochte, was weiter geschehen würde.

Minuten vergingen, in denen nichts passierte. Schließlich riss sie ihren Blick von der Tür und versuchte, sich wieder aufs Buch zu konzentrieren.

...ist der selbsterfüllende Aspekt nicht weniger eine Frage verschiedener Faktoren als...

Was? Für einen Moment musste sie ihre Gedanken ordnen, bis ihr auffiel, dass sie in der falschen Zeile wieder angesetzt hatte. Nach einigem Suchen fand sie ihren Ausgangspunkt wieder.

-sagerei gezählt werden. Die Wahrsagerei, deren grundsätzlichste Eigenschaft es ist, dass sie in den allermeisten Fällen erst nach dem Eintreten des Vorausgesagten eine Bedeutung einnimmt, ist im offenen Volksmund stets verschrien, hinter vorgehaltener Hand stets so respektiert wie gefürchtet. Konträr zu den Ansichten der Masse beschäftigt sie sich allerdings nicht mit vorsätzlicher, schamloser Betrügerei, noch mit anbetungswürdigem, gottesgleichem Weltverständnis. Die gespaltene Meinung der Bevölkerung ergibt sich aus der Tatsache, dass nicht wenige Aussagen über die bevorstehende Zukunft, wie unmittelbar sie auch immer sei, im ersten Moment verlacht wurden, bevor sie dann doch eintrafen, was grundsätzlich eine Abwehrhaltung erzeugt, durch das Bedürfnis des Menschen, Recht zu behalten. Die Richtigkeit von Voraussagen stellt in dem Sinne also eine unbewusste Bedrohung für den Durchschnittszauberer dar.

Tatsächlich setzt sich das Wahrsagen aus mehr zusammen als aus Glück, das auch nicht selten unterstellt wird, und einem wahren inneren Auge. Anders als die meisten Zweige der Magie schließt sie auch nichtmagische Faktoren in ihren Arbeitsprozess mit ein. Die Kombination aus nichtmagischen Faktoren(Umwelteinflüsse, z.B. Wetterveränderungen, saisonale Aktivitäten von Tier und Mensch, einschneidende Eingriffe in die Umwelt durch natürliche Vorgänge oder menschliche Absicht; Soziale Einflüsse, z.B. Kenntnis des Charakters eines Menschen, der Mentalität eines Dorfes/Landes/einer Institution, Kenntnis des menschlichen Verstandes und seiner häufigen, unverständlichen Irrwege) und magischen Faktoren(magisch, z.B. Berechenbarkeit von in gewissen Situationen angewandten Zaubern, der Verträglichkeit von Zaubern, der Magie in situationsbeteiligten Pflanzen, Tieren, magischen Wesen und Menschen; stellar, z.B. Kenntnis des Einflusses von Mond- und Planetenphasen auf dafür leichter empfängliche magische Sinne, des Einflusses auf die planetaren Umstände und die Umwelt, sowie des direkten Einflusses auf Magie durch Filterung(dadurch Verstärkung oder Verringerung von Zaubern), Widerspiegelung magischer Zustände und Einwirkung durch stellare Eigenmagie) wirkt im besten Falle befremdlich auf das unwissende Gemüt, im schlimmsten antagonistisch, nicht selten aufgrund eines Gefühls von Minderwertigkeit gegenüber dem großen Wissen und den groß erscheinenden Fähigkeiten des Sehers.

Die selbsterfüllende Prophezeiung unterscheidet sich von Wahrsagerei, wie weiter oben schon erwähnt, durch die Beteiligung spezifischer Menschen. Anders gesagt ist die Möglichkeit, die eine Vision eines Sehers über zwei oder gelegentlich auch mehr Menschen ausspricht, eben eine Möglichkeit, die ganz speziell auf die Relation der beteiligten Individuen zugeschnitten ist. Durch diese Sonderstellung erhebt die s.P. schon aus ihrer Natur heraus keinen Anspruch auf Wahrheit, sondern nur auf die Möglichkeit, die einzutreten vermag. Dadurch entspringt auch die Bezeichnung "selbsterfüllend", da eine Prophezeiung, die sich selbst erfüllt, eben eine Prophezeiung ist, die aus sich selbst heraus in Kraft gesetzt wird, also durch eine oder mehrere der Personen auf die sie sich bezieht.

Natürlich ist der selbsterfüllende Aspekt nicht weniger eine Frage verschiedener Faktoren als übliche Wahrsagerei, doch lässt sich die Differenz ganz eindeutig darin feststellen, dass die jeweiligen Faktoren, die hier Wirkung finden, aus der Natur der Beteiligten entspringen. Die sozialen Faktoren spielen die wahrscheinlich größte Rolle, da sie uns Menschen entscheidender prägen als wohl alles andere, doch wirken stellare Faktoren nicht selten mit, durch ihre Beeinflussung der für sie empfänglichen Magiersinne(Als Beispiel sei Frecklork de Blingreen genannt, dessen außerordentlich feinen Sinne ihn zu jeder Vollmondnacht von einem bescheidenen Bibliothekar in einen unkontrollierten, genusssüchtigen und sich dem Veitstanz hingebenden Tanzgreif verwandelten). Auch die Umwelt wirkt mit, beispielsweise durch Wetterfühligkeit manches Magiers, eventuell eine Winterdepression oder die Frühjahrsmüdigkeit.

Es folgt in jedem Falle: Die sich selbsterfüllende Prophezeiung ist ihr ganz eigener Zweig der Magie und separiert von der Seherkunst zu betrachten.

Die Frage nach Vorsehung oder Schicksal...


Nachwort zu diesem Kapitel:
Bear with me, aber erfundene Sachtexte kommen sicher noch ein paarmal vor. Ich pass aber auf, dass sie nicht nochmal so endsviel Platz einnehmen, versprochen. :'D Komplett anzeigen

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