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Die unerträgliche Schwere des Sterbens

von

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soucit

Das stete, monotone Ticken einer kleinen Uhr auf dem Kaminsims war das einzige Geräusch, das sie hörte, seit sie in dem fensterlosen Zimmer war. Sie wagte nicht, selbst Laute zu verursachen, aus Furcht, er käme dann zurück. Lieber verhielt sie sich mucksmäuschenstill und zögerte ihr unvermeidliches Ende hinaus. Wie so oft in den letzten Minuten, oder waren es Stunden?, sah sie sich im Raum um, um zu verhindern, dass ihre Gedankengänge in unappetitliche Zukunftsaussichten abtauchten.

Das Zimmer war nicht hässlich, nur nicht wirklich ihr Stil. Der graue Stein, aus dem der Kamin bestand, war mit diversen Meißeleien verziert, kunstvoll und doch recht schmucklos. Es erinnerte schwach an Weinreben, die sich in die Höhe rankten. Auf dem Kaminsims stand nur die Uhr, aus schwer aussehendem, dunklen Holz mit golden schimmernden Ziffernblättern. Darüber hing ein stilles, unmagisches Landschaftsbild eines Seeufers in den Bergen.

Sie stand vor einem bequem aussehenden Sofa, das so groß war, dass ihre Beine, wenn sie direkt an der Rückenlehne säße, nicht mal mit den Knien an die Kante reichen würde, und der Stoff war angenehm dunkelblau. Damit passte er gut zu dem dunklen Holzfußboden und den Wänden, die unten ebenfalls holzgetäfelt, oben in schönen Blautönen gestrichen waren. Es gab ein großes Regal mit Schrankebenen. Sie sah auf den Brettern viele, sehr alt wirkende Bücher und kämpfte seit Längerem mit dem Drang, einfach hinzugehen, sich eines zu nehmen und dann darin zu versinken, bis ihre Zeit gekommen war. Doch sie war eine Gryffindor, was für eine Schande wäre es, dem Tod nicht hoch erhobenen Hauptes gegenüber zu treten. Ihm furchtlos mitteilen zu können „Ich habe auf dich gewartet“, um dann das grüne Licht des Todesfluches zu empfangen. Ja, sie würde nicht feige untergehen.

Sofort wandten sich ihre Gedanken wieder ihren beiden Freunden zu. Ron und Harry. Nicht viele Freundschaften waren auf dem Sieg über einen Troll aufgebaut, ihre hielt wegen eines solchen nun schon über vier Jahre. Wie es den beiden wohl ging? Hoffentlich hatte man ihnen nicht auch etwas getan. Gerade Harry, ihn brauchte die Welt doch. Aber sie schien alleine hergebracht worden zu sein, zumindest hatte sie niemanden sonst gesehen, und so musste sie annehmen, dass es ihren Freunden und deren Familien gut ging. Gewiss waren sie schon auf dem Weg, sie zu retten. Bis dahin würde sie kämpfen wie das Wappentier ihres Hauses.

Mit einem langen Knarzen, das ewiges Ungeöltsein der Türscharniere bewies, schwang die schwere Eichentür auf und offenbarte das größte Ungetüm, das es jemals in der magischen Welt gegeben hatte, den schlimmsten Schwarzmagier aller Zeiten.

Sie konnte nicht anders als schwer zu schlucken, als sein Blick auf sie fiel. Diese kalten, roten Augen waren zum Fürchten. Nebenbei stellte sie fest, dass er sich wohl umgezogen hatte. Statt seiner simplen, schwarzen Robe trug er ein weißes Hemd und eine schwarze Hose, darüber einen dunklen Umhang, sowie dunkle Stiefel. Natürlich, der dunkle Lord. Ein höhnischer Teil ihres Gehirns lachte darüber, dass einer, der so viel Wert auf seine slytherinsche Abstammung legte reichlich sparsam mit der Farbe Grün umging.

Kurz musterte Voldemort sie abschätzend, dann wies er mit der Hand auf das Sofa hinter ihr.

„Setz dich“, meinte er knapp und klang dabei sehr angespannt.

Völlig verdutzt kam sie nicht auf die Idee, zu widersprechen. Mit allem hatte sie gerechnet, den Cruciatus gefürchtet, auf den schnellen Avada gehofft, doch eine Aufforderung, sich zu setzen, war keinesfalls unter den von ihr erwogenen Optionen gewesen.

Er nahm ihr gegenüber in einem dunklen Ohrensessel Platz. Nur ein niedriger Couchtisch trennte sie jetzt noch voneinander. Dennoch saß sie direkt am Sofarand, bereit, jederzeit aufzuspringen, wenn nötig. Auf keinen Fall würde sie sich die Blöße geben, bis an die Rückenlehne zu rutschen und damit ihre Furcht preiszugeben.

Die Uhr tickte weiter. Voldemort hatte sich mit den Ellenbogen auf den Sessellehnen abgestützt, die Hände vor dem Mund ineinander verschränkt, und ein enormes Interesse an der Oberfläche des Tisches entwickelt. Irgendwo in sich schrie etwas nach einer Folter durch Ungewissheit, doch sie würgte es ab. Was auch immer der Grund für sein Verhalten war, sie wollte wissen, was dahintersteckte und da konnte sie keine nagenden Zweifel in ihrem sowieso schon arg strapazierten Gehirn brauchen.

„Du fragst dich, weswegen du hier bist.“

Er stellte ihr keine Frage, er sprach eine Tatsache aus. War das die Legilimentik, von der sie bereits gelesen hatte, oder lediglich Beobachtungsgabe? Nein, dazu war es zu offensichtlich, jeder hätte sich das gefragt, wäre er in ihrer Situation gewesen. Also war das eine Einleitung. Abwartend schwieg sie, damit er bald weitersprach.

Er ließ die Hände auf die Armlehnen sinken und lehnte sich zurück, die Augen leicht geschlossen.

„Ich hatte mir das erstaunlicherweise einfacher vorgestellt“, murmelte er abwesend.

Ein Stich der Furcht durchzuckte sie, als in ihr ein Gedanke aufkam, worauf er anspielen könnte. Wie hatte sie undankbares, egoistisches Gör nicht daran denken können?

„Haben Sie meinen Eltern etwas getan?“ entfuhr es ihr, mit einer viel zu piepsigen Stimme.

Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als der eindringliche Blick seiner Augen, die fast aufzuleuchten schienen, sie fixierte. Augen, die schon so viele Tode beobachtet hatten, vielleicht dem Tod selbst gehörten. Er, Voldemort, der Tod... oh, hoffentlich nicht für ihre Eltern!

„Mr und Mrs Granger erfreuen sich derzeit noch bester Gesundheit. Sie interessieren mich nicht“, sprach er leise.

Ihre Hände begannen zu zittern und sie verschränkte sie in ihrem Schoß. Sein Interesse galt ihr. Nicht, dass damit in dieser Situation nicht zu rechnen gewesen wäre, doch es bestätigt zu bekommen machte es nicht besser, ganz im Gegenteil. Lag es an ihrer Freundschaft mit Harry? Ihren Noten? Ihr Stolz hoffte auf Letzteres, während sie sich geistig eine dumme Nuss schalt. Als könnte der Dunkle Lord mit ihren Noten etwas anfangen.

Auf einmal zog er seinen Zauberstab aus dem Umhang und bevor sie verschreckt zurückweichen konnte, allen guten Vorsätzen zum Trotz, hatte er ihn geschwungen und ein einsames Blatt Papier segelte aus der Luft hinab auf den Tisch zwischen ihnen. Verblüfft besah sie es. Das war ihre Geburtsurkunde. Zaghaft schielte sie zu ihm hoch und sah, wie er ihr... ihren Zauberstab anbot!

Ihr Herz begann zu rasen wie Schnatzflügel und ihr Mund wurde trocken. Zauberstab, Kampf, Flucht...

„Schlag dir das aus dem Kopf.“

Wie ein geschlagenes Kind zuckte sie zusammen. Statt, dass sie ihren Zauberstab annahm, sah sie ihn an. Was wollte er von ihr?

Er wies mit dem Holz auf das Papier.

„Ich nehme an du kennst einen Zauber, der die Wahrheit auf dem Papier offenbaren wird.“

Sie nickte nur blöde vor sich hin. Das wurde langsam wirklich absurd. Wenn er es denn so wollte... besser, als getötet zu werden, wie sie sich ein wenig schamvoll eingestand.

Zunächst wandte sie einen Zauber an, der die Echtheit des Dokuments bescheinigte. Als klar war, dass es in der Tat eindeutig ihre Geburtsurkunde war, sprach sie den Zauber „Aparecium“ und das Blatt wurde weiß.

Als hätte sie sich daran verbrannt fiel ihr der Zauberstab aus der Hand und kam klappernd auf der Tischplatte auf. Weiß. Nicht existent. Es gab ihre Geburtsurkunde nicht, es gab sie nicht...

„Warum hat dann der Echtheitszauber funktioniert?“ flüsterte sie, sicher, dass sie mehr nicht zustande bringen würde.

Voldemort wirkte fast gruselig zufrieden und hatte anscheinend bereits mit dieser Frage gerechnet. Gelassen entgegnete er: „Das war ein Teil des Zaubers, den du mit dem Enthüllungszauber außer Kraft gesetzt hast. Diese Urkunde hätte jeder Prüfung standgehalten, da Aparecium nicht in das gewöhnliche Prüfzaubersortiment gehört.“

Was für eine erschöpfende Antwort, dachte sie, sich mit allen Mitteln davon abhaltend, in Tränen auszubrechen.

„Es gibt... mich nicht?“ fragte sie mit belegter Stimme und spürte den altbekannten Frosch in ihrem Hals, der der stete Begleiter ihrer Tränen war.

„Da du ja wohl anwesend bist erübrigt sich diese Frage“, antwortete Voldemort.

Hätte ihr jemand zuvor gesagt, er beherrsche Sarkasmus... doch sie konnte den Gedanken nicht zuende führen. Dicke, heiße Tränen kullerten aus ihren Augen und die Wangen hinab. Sie war nicht Hermione Jane Granger. Ihr Leben war eine Lüge.

Plötzlich kam ihr etwas in den Sinn. Was interessierte das denn Du-weißt-schon-wen? Es sei denn...

„Sagen Sie nicht, jemand aus Ihrem Gefolge-“

„An solche Albernheiten solltest du gar nicht erst denken“, unterbrach er sie.

Wenigstens etwas. Keine Todesser als Eltern. Das hätte ihr gerade noch gefehlt. Doch die Frage blieb, was es ihn scherte. War sie trotz allem muggelgeboren, dann war ihr Tod sicher und das hier nur eine lustige kleine Folter für sie gewesen. Bei stinknormalen Mittelstandszauberereltern brauchte es ihn nicht zu interessieren. Und wenn es keine Todesser waren...

„Jemand aus dem Orden?“ fragte sie zaghaft, unsicher, ob er ihr antworten würde.

Seine Stirn legte sich in Falten und er presste die Lippen zusammen.

„Nein.“

Alle Vorsicht vergessend sprang sie auf.

„Was soll das denn alles? Ich bin keine Granger, meine wirklichen Eltern sind weder Todesser noch im Orden noch sonst irgendwer! Fehlt nur noch, dass Sie mir weismachen wollen, Sie wären mein Vater!“

Er schwieg und sah sie ungerührt an. Hermione fiel in Ohnmacht.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich habe mir die Freiheit genommen, einfach mal diese Erklärung für "Aparecium" zu erfinden, einfach weil es sich anbot. Nicht, dass es eine große Rolle spielen würde, da der Zauber den ganzen Kram quasi nur einleitet, aber ich wollte nur kurz darstellen, dass ich mir bewusst bin, dass es eventuell ganz anders ist mit dem Ding. Nur, wie gesagt, es bot sich an. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  _Delacroix_
2014-06-17T16:14:01+00:00 17.06.2014 18:14
*lol*
Ich mag deine Legende. Die ist echt witzig und der Prolog verspricht tatsächlich mal ein interessantes AU. 
Das Erste seit... sagen wir längerem.
Bin sehr neugierig wohin uns die Story führen wird.
Antwort von:  SnoopFroggyFrog
25.07.2014 16:36
Ups, ich hatte hier ja gar nicht geantwortet... o.o

Dankeschöööööön! <3 Hoffe, du verfolgst es weiter - das nächste Kapitel wartet auf Freischaltung. :3


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