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Das Dämmern der Morgenröte

Die Anfänge des Bundes der Morgenröte
von

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Die unhöfliche Bekanntschaft

Dumpf hörte man das Brettern von Holz und riesige Leinentücher peitschten die Luft, nachdem sie ausgeschlagen und mit raschelnder Hektik ausgebreitet wurden. Langsam nahm man immer mehr Leute war, wie sie auf den Hof spazierten und miteinander redeten.

Der Herbstmorgen füllte sich mit Leben.

Das sanfte Licht des Morgens war mit leichten Schleiern bedeckt und fiel durch die vielen Gläser auf die durchsichtigen Gardinen des hölzernen Wohnhauses indem Leonard schlief.

Eine frische Luft wehte sachte durch das gekippte Fenster und nur am Rande bemerkte er, das es recht kühl war. Mit seinem friedlich schlafenden Gesicht der Sonne ausgesetzt, schien es, als kitzelten ihn die Strahlen.

Er verzog dabei leicht missfallend sein Gesicht.

"Mmmhh" gab er als leises Stöhnen von sich.

Daraufhin drehte er sich unwillkürlich von seiner Seitenlage auf den Rücken und öffnete vorsichtig wie langsam seine Augen.

Die Sonnenstrahlen waren sanft, doch die empfindlichen, hellen Augen schienen trotzdem leicht zu stechen. Leonard fühlte sich von ihnen belästigt.

Mit kleiner Mühe hob er seinen Arm vor sich und legte mit seinem Handgelenk einen dünnen Schatten auf die Stirn.

Seine langen blonden Haare waren über der Schulter verstreut auf seinem Kissen, als die etwas kürzeren im Gesicht lagen und eine Hälfte davon abdeckten.

Doch all seine Bemühungen des Ignorierens würde Leonard wohl leider nicht daran hindern können, aufzustehen.

Er saß sodann in seinem Bett auf und schob langsam die gefütterte Decke von sich. Eine Weile dauerte es einen klaren Blick zu erfassen und rieb sich dabei die Augen.

Dann stand er auf, wobei er unweigerlich auf seine Hausschuhe tappte, die er sich am vorherigen Abend zurecht gelegt hatte.

Sonst liefe er planlos wie Barfuss durch seine kleine Wohnung.

Heute jedoch wachten seine Sinne wohl gleichzeitig mit seinem Körper auf, was nicht allzu oft geschieht.

Leonard musste sich immer eingestehen, dass er kein Morgenmensch war.

Nur sein Pflichtbewusstsein nicht den ganzen Tag sinnlos zu verschlafen, schaffte es, ihn aus den weichen Federn seines Bettes zu reißen.

Die Holzdielen knarrten bei jedem Schritt, den er durch das Haus tat.

Es war zwar nicht das größte Häuschen, doch es hatte ein ordentliches, gemütliches Aussehen.

Und er hatte alles, was er brauchte in einem Raum. Nur das Bad wie die Latrinen befanden sich getrennt neben dem Eingang.

Sein noch ungeordnetes Bett lag gegenüber einem Fenster an der Ecke.

Links neben dem Bett war ein Schreibtisch an die Wand gestellt, auf dem eine kleine Kerze in einem Halter stand.

Ein Buch lag offen darauf, was darauf hindeuten könnte, dass er vor dem Schlafengehen etwas liest.

Daneben lehnte ein kunstvoll verzierter, hölzerner Schrank an, der aber an den Türrändern ein wenig splitterte.

Die rechte Seite des Schreibtisches besetzte ein kleines, ebenfalls hölzernes und sauber abgestaubtes Bücherregal mit einigen Büchern geschmückt, darunter Kochbücher und antike Geschichten;

Legenden über Kriege und Kulturen der Laguz und Beorc.

Laut verkündete die Turmuhr die Uhrzeit mit einem mahnenden Schlagen, dass es bereits acht Uhr morgens war.

Um zehn begann seine Schicht als Ladenaushilfe, erinnerte er sich.

‚Moment, wenn ich mich recht entsinne, ist heute Samstag.

Der Laden ist bereits durch jemand anders besetzt’ fiel es ihm ein.

„Nun, scheint als hätte ich etwas mehr Zeit“ murmelte er leise, doch munter zu sich selbst und sichtlich erleichtert, wobei er mit einem leicht heiteren Schwung seine Sachen zusammensuchte um sich anzuziehen.

Und zu richten. Unmöglich konnte er, wie er gerade aussieht, mit seinem halb offenen Schlafhemd, leicht verwuschelten Haaren und der Knielangen Hose auf die bereits belebte Straße gehen.

Leicht schmunzelte Leonard bei dem willkürlichen Gedanken, wie komisch es doch für die Leute aussähe, wenn jemand halbnackt in der Stadt herumlief.

Die Anziehsachen hatte er sich ebenfalls am Abend davor zurechtgelegt, eine Gewohnheit die der ordentliche junge Mann vertrat, damit er morgens alles schnell zur Hand hatte.

Auch, damit er pünktlich seiner derzeitigen Arbeit nachgehen konnte.

Sein bereits aufgeknöpftes, weißes Hemd ersetzte er durch ein langärmliges dunkelblaues, fast Schwarzes.

Eine weiße, lange Hose angezogen folgte seine hell- und dunkelblaue Tunika darüber, die etwas länger als das schwarze Unterhemd in zwei gespalten über den Hosentaschen endete.

Zwei weiße Gürtel legte er nun über seine Hüfte und zog sie an der Schnalle fest an.

Daran hängte er einen kleinen Sack mit Goldmünzen.

Vielleicht würde er ja gute Angebote auf dem Markt finden.

Seine starken, ledernen Armschoner über den fingerlosen Handschuhen aus Stoff angezogen, folgten seine Lederstiefel.

Nachdem er nun fertig gekleidet war, ging er in das kleine Bad um sich seine Zähne zu putzen und die Haare wieder in Ordnung zu bürsten.

Er warf einen flüchtigen Blick in den Spiegel und war dabei den Raum zu verlassen. Doch dann drehte er sich nochmals um, als er in das große Halbfass, das ihm als Badewanne diente, hineinsah.

Von dem Regenwetter vor drei Tagen war das Fass nun etwas mehr als die Hälfte gefüllt.
 

„Scheint als bräuchte ich nicht all zuviel Wasser zu holen. Am besten drehe ich die Regenrinne wieder nach draußen, es kommt mir vor, als regnet es in den nächsten Tagen sowieso nicht mehr…“

dachte er sich dabei, als er den kleinen Teil der Rinne aus dem kupfernen Anker zurück in das höher liegende einhakte.

Mittlerweile genervt davon, jeden Morgen für den Waschgang einige Eimer aus dem Fluss schöpfen zu müssen, hatte er sich dabei ein ausgeklügeltes System ausgedacht.
 

Er nutzte einfach das Regenwasser, das sonst immer in der Rinne auf den Boden abgeleitet wurde.

Dazu sägte er einen Teil von ihr heraus und baute ein Gestell mit Einbuchtungen an, damit er sie nach Bedarf entweder durch das kleine Fenster in seiner Wanne leitete, oder die Regenrinne anschließend wieder in ihre ursprüngliche Halterung zurücklegen konnte.

Und damit es auch von kleinen Steinchen und anderem gefiltert war, montierte er davor ein kleines Gitter an um sicher zu gehen, dass das Wasser indem er sich wusch sauber war.
 

Leonard blickte aus dem kleinen Fenster vom Bad aus und sah eines der Besatzungstruppen Begnions patroullieren. Die Leute, die sich am Brunnen versammleten um miteinander zu reden, gingen flüchtig auseinander.

'Scheint, als wollten sie uns auch noch die Versammlungsfreiheit nehmen...Ihnen muss Einhalt geboten werden.'

Als er den gerüsteten Soldaten sah, fiel ihm etwas ein

‚Ich war schon eine Weile nicht mehr beim Trainieren…Ich denke, es wird wieder Zeit.’

Motiviert über die unerwartete Freizeit legte er sich die Schnallen mit dem Köcher um die Brust, den Gürtel mit dem Schulterschutz über sie. Pfeile wie Bogen verstaute und versteckte er in einem Tuch.

Ein kleines Döschen mit roter Farbe, wie eine große Flasche Wasser und einige belegte Brote, die er sich für seine freie Zeit bereithielt, legte er in seine kleine Umhängetasche dazu und lief los.
 

‚Vielleicht sollte ich mich ein wenig auf dem Markt umsehen, ich habe mir einiges zusammengespart.

Neue Eisen-Pfeile wären gut zu gebrauchen…’

Lebendig riefen die Verkäufer in die Menge, Menschen bauten ihre Stände auf und Marktfrauen gingen mit ihren Körben umher; in allem herrschte ein fröhliches Treiben.

Er atmete zufrieden die laue Morgenluft ein.

Heute war wirklich ein schöner, sonniger Herbsttag.

An einer eher abgelegenen Stelle des Marktplatzes lenkte ein leises Kichern und Tuscheln sachte seine Aufmerksamkeit auf zwei Mägde, die sich augenscheinlich über etwas amüsierten.

Da es nicht seine Sache war, drehte er seinen Kopf wieder zurück auf den Weg vor sich und ignorierte deren Anliegen. Solange es keine Soldaten mit einbezieht, ist alles in Ordnung.

Dann vernahm er ein kleines Plätschern aus der Richtung der beiden jungen Frauen.

Er erwartete nicht viel zu sehen, wobei er vorsichtig seine Augen zurück zu ihnen wandte.

Dann auf den Fluss.

Ein leicht verdutzter Gesichtsausdruck schlich sich auf seine Züge, als er nun auch seinen Kopf hindrehte.

‚…Ist das Jemand im Fluss?’

dachte er sich, als er seinen Augen nicht ganz traute.

Tatsächlich.

Einige Minuten zuvor hatte er sich in seinem Haus darüber lustig gemacht, wie es wäre wenn jemand halb unangezogen durch die Stadt lief, und nun hatte er es vor sich stehen. Die Situation wäre nur zu amüsant gewesen, wäre es nicht so frisch.

Er fragte sich, ob sich die Person bei dieser Waschaktion im Freien nicht erkälte.

Der Sommer war doch schon seid einigen Monaten vorbei.

‚Das war also der Grund für das Gemunkel der Mägde.

Nicht weiter verwunderlich…

Wie kann man sich nur so schamlos in der Stadt und das vor allen Leuten waschen? Und das bei so kühlen Temperaturen wie diesen?’ dachte er sich, als er den jungen Mann mit freiem Oberkörper in dem kleinen Fluss stehen sah.

‚Ich sollte weiterlaufen...’ dachte sich Leonard.

„Ja…die Muskeln, aber schau dir mal diese Narben an!“ flüsterte das Mädchen aufgeregt zu ihrer Begleiterin.

Daraufhin richtete auch er wieder seinen Blick auf den Jungen zurück.

Er hatte wahrlich viele Narben, und das nur auf seinem Rücken. Aber nach seinem Körper zu beurteilen, war er durch die Erfahrungen nicht schwächer geworden.

Wie die beiden jungen Frauen schon sagten hatte er ein durchtrainiertes Auftreten.

‚Vielleicht ist er ja ein Soldat Begnions in Ausbildung.

Die sind bekannt für ihre hohe Motivation immer früher als ihre Kommandeure auf zu sein. Doch auch diese sollte man in ihren Fähigkeiten nicht unterschätzen.

Ich sollte mich wieder auf meinen Weg machen, er könnte herausfinden dass ich eine Waffe mit mir trage…’ überlegte er, als er unter seinem rechten Arm geklemmt seinen Bogen wie die Pfeile fester hielt. Der Köcher auf seinem Rücken ist wohl ein Anhaltspunkt genug ihn als Bogenschützen identifizieren zu können.

Er setzte wieder zum Laufen an.

‚Außerdem fällt mir ein, wäre es besser ich wechsle meinen Trainingsort…’ ging es ihm durch den Kopf als er an den auszubildenden Soldaten im Fluss dachte.
 

Eine grobe dreiviertel Stunde musste er laufen, bis er den besagten Ort erreichte.

Es war ein Wald am Rande der Stadt.

Die wenigsten Besatzungstruppen trauen sich hinein, da sie wilde „Halbmenschen“, wie die Leute die Laguz nannten, antreffen könnten und wurde deshalb stets gemieden.

Bei dem Gedanken konnte Leonard nur müde seinen Kopf schütteln.

Er hatte keinen Grund sich zu fürchten. Es war vollkommen unlogisch, dass sie die Menschen ohne Grund attackierten.

Auch all die Gerüchte, dass die Laguz Menschen fräßen sind total unbegründet, niemals hatte man einen verstümmelten Körper gefunden.

Auch wenn eine Hälfte von ihnen ein Tier ist, ist die andere immer noch menschlich. Leonard hatte jedoch noch nie einen getroffen.

Seine Gedanken schweiften um die Laguz, als er immer tiefer in den Wald vordrang. Sein neuer Ort sollte abgeschieden sein.

Mit seiner roten Farbe aus dem Döschen malte er auf dem Weg etwas auf die Bäume.

‚Hmm, das sollte reichen...

Hier war ich wirklich noch nie, dieses Gebiet scheint abgeschieden genug.’

Noch nie befand Leonard sich so tief im Wald.

Alles erschien so ruhig und friedlich. Die Vögel, die vor einigen Monaten noch fröhlich sangen, sind größtenteils in den Süden geflogen.

Alleine ein sanftes Geräusch des Windes und Laubs war überall um ihn herum zu hören, als der exotische Schnee aus orangenen, gelben wie auch roten Flocken als Blätter zu Erde fiel um den bereits Gefallenen zu begegnen.

Leonard seufzte, als er diesen Anblick genoss.

Bilder wie diese faszinierten seinen Geist.

Unweigerlich fiel er dabei wie so oft in eine gedankliche Trance, als sich sein Körper innerlich entspannte. Er dachte nach.
 

‚Ein so wundervolles Schauspiel spielt sich Jahr für Jahr vor unseren Augen ab. Wie nur kann es sein, dass etwas geboren wird, um so schnell dahin zu gehen? Doch kurz vor ihrem Vergehen erstrahlen die Wälder in ihren Schönsten Farben...

Zu Leben, um zu sterben.

Aber vergeht es in deren besten Glanz um sich zu verabschieden, als sei der Tod ein Fest...’
 

Oft verleiteten ihn inspirierende Orte dazu, die alltäglichen Dinge zu hinterfragen.

Er dachte darüber nach, wie ein solches Spektakel in den Augen anderer aussah.

‚Dinge, die jedem anderen für verständlich und „normal“ scheinen, sind für mich manchmal unweigerlich wie ein Paradox.

Leben um zu sterben um dann wieder zu leben; ein irrer Kreislauf, der den Sinn des Todes hinterfragt...’

Auf einmal fühlte er sich, als erdrücke ihn etwas.

So viel wie er nachdachte kam er auf keinen logischen Gedanken.

Was ist der Sinn dahinter?

Doch dann fühlte er sich als sei die Last von ihm genommen zu sein, da er begriff.
 

‚Nur wenn vergeht kann Neues entstehen.

Und nur deswegen ist es so schön.

Erst, wenn man sieht, wie groß der Unterschied zwischen besitzen und verlieren ist, bemerkt man, wie wertvoll es einem war...

Wahrlich…der Tod als ein Fest für das Leben.’
 

Ein bittersüßes Gefühl überkam ihn, als er alleine in dem bunten Feld des Blättermeeres stand.

Bilder und Gedanken der Vergangenheit durchliefen seinen Kopf, als in ihm eine Traurigkeit aufstieg. So schnell wrchselten sich die Emotionen in den sonst so gefassten jungen Mann ab, dass es ihn leicht verwirrte.

Er schüttelte dann den Kopf und atmete tief ein.

Der erdige Geruch von feuchten Blättern stieg sanft in seine Nase.

Dann schloss er langsam seine Augen um dieses Gefühl, das ihn ihm aufsteigte wie der sanfte Duft der Erde zu huldigen.

Das Gefühl des Nichts.

Keine Meinung des ewigen Zwiespalts drohte seine Seele auf eine Seite zu zerren.

In dem Paradox von Tod und Leben zu stehen war, als gäbe es keinen.

Wie in einem sicheren Spalt zwischen den ständig aneinander reibenden, feindlichen Seiten fühlte er nun zu stehen.

Er hatte sich dem einfach hingegeben.

Es gibt Leben und Tod und es ist, wie es ist.

Nun fragte er sich, hatte er nur einen Umweg getan um sich dieser Erkenntnis klar zu werden?

Besitzen die Menschen, die alles akzeptieren wie es ist, ständig dieses befreiende Gefühl? Gedanken invasierten ihn wieder wie eine Kette einer Ameisenstraße.

Er schüttelte sachte ein weiteres Mal seinen Kopf.

Aus seiner Trance öffnete er die Augen, weit fokussierten sie ein nicht existierendes Ziel. Die Leere stand in ihnen wie geschrieben.

‚Wenn es ist, wie es ist, dann lass es sein. Die Zeit bleibt nicht stehen, genieße was du tust.’ war das, was die Kette nun unterbrach.

Seine Mundwinkel zogen sich hoch zu einem sanften Lächeln.
 

Eines von Leonards Charakterzügen war die, alles mit anderen Augen sehen zu wollen.

Momente wie diese widerfahren ihm ständig, denn immer suchte er eine Antwort für die Dinge, die er sah und manchmal verband er etwas Unbegreifliches an ihnen. Aber so sehr in diese Eigenschaft auch bindet, erleichterte sein vorrausschauender Charakter ihn viele Dinge im Leben, die es zu ordnen gilt und führt ein übersichtliches Leben.

All seine Gedanken wichen nun, als in ihm die Motivation stieg wie selten zuvor.

Es wird Zeit, dass er mit seinem Training anfing.
 

Als er dann an einer Lichtung ankam, stand ein einzelner riesiger Baum vor ihm.

Die Lichtung war riesig und um den Baum herum stand kein weiterer.

‚Dieser Ort ist perfekt...

Und der Baum mit seinem dicken Stamm bietet einen perfekten Halt für meine Pfeile! Eine Schande, dass ich diesen Ort nicht schon früher gefunden habe...’ dachte er sich.

Doch war er mehr als zufrieden.

Er begutachtete den Stamm des Baumes von allen Seiten.

Vielleicht befand sich ein Nest darin.

Als er aber nichts gefunden hatte, holte er sofort seine kleine Dose mit der roten Farbe, strich sich damit auf die Finger und malte kleine Punkte auf die raue Rinde.

Dies sollten seine Ziele sein. Er legte seinen Beutel mit dem Trinken und Essen vor den Baum und lief mit seinem Bogen zwanzig Schritte nach hinten. Dann blieb er stehen.

Sogleich holte er mit seiner rechten Hand einen Pfeil hinter seinem Rücken aus dem mit Pfeilen beladenen Köcher hervor, legte ihn mit einer geschickten Handbewegung auf und peilte sein Ziel an.

Leicht schloss er dabei die Lider in Konzentration.

Dann schoss er ab.

Mit einem hölzernen Laut fand der Pfeil sein Ziel. Er bedeckte mit seiner Spitze den gesamten, kleinen roten Punkt den er gemalt hatte.

Selbst aus einer solch großen Entfernung traf er sein winziges Ziel.

Sichtlich unzufrieden begutachtete er das Ergebnis.

‚Scheint, als sei ich ein wenig aus der Übung…Ich sollte mich mehr auf die Kraft konzentrieren.’

Somit legte er auch einen zweiten Pfeil an und schoss ihn daraufhin mit weiter ausgedehnter Sehne ab.

Ein weiteres Mal traf er den roten Punkt exakt, ein wenig tiefer jedoch lag die Spitze in der Rinde vergraben.

‚Nun sollte ich alles geben!’ dachte er sich entschlossen als er nun auch seinen dritten Pfeil auf das letzte Ziel visierte.

Langsamer jedoch als zuvor legte er den Peil auf seine Hand.

Nun holte er mit aller Kraft aus, die er in seinem linken Arm mustern konnte und ließ den Pfeil los.

Die Luft peitschend schlug die Sehne zurück und der Pfeil zerschnitt mit seiner Kraft ein fallendes Blatt auf dem Weg als dieser beim Auftreffen einen stärkeren Laut von sich kam.

Einige weitere Blätter fielen dabei vom großen Baum.

Überrascht, wie tief der Stahlpfeil in das Holz gedrungen war, wollte Leonard das wiederholen und reichte hinter seinen Rücken.

Ein weiteres, lauteres Rascheln erfüllte auf einmal den Platz.
 

„Wer ist da?“
 

So schnell wie der Pfeil sein Ziel fand, sprang Jemand hinter dem Baum hervor.

Schwert in beiden Händen haltend schrie er diese Worte erstmals ins Leere, bevor der Schwertkämpfer seinen Blick zu Leonard wandte.

Sichtlich überrascht darüber einen Bogenschützen vorzufinden, lockerte er seine Haltung für einen kurzen Moment.

Doch noch viel überraschter war Leonard über den unerwarteten Besuch, als er in seiner Haltung erstarrte.

‚...Jemand hier?? Warte, das war doch der Kerl, der sich im Fluss gewaschen hat! Er muss mir wohl gefolgt sein…’ war Leonards einzige Schlussfolgerung.

‚Also muss er doch ein Soldat Begnions sein.

Doch wo ist seine Rüstung? Weiß er nicht, dass er jederzeit eine leichte Beute für Bogenschützen ist?’

Die beiden starrten sich eine Weile an.

Sichtlich angespannt über die Situation ließ der Gegenüber seine Waffe sinken. Seine Chancenlosigkeit schien ihm wohl erst jetzt klar zu werden.

‚Er erschien mir so friedlich am Fluss, doch wenn er einer von Begnions Besatzungstrupp ist, muss ich ihn wohl oder übel erschießen.

Er wird mich ansonsten verraten und töten lassen.

Vielleicht aber…’
 

„Bist du ein Soldat Begnions?“ rief Leonard laut, jedoch mit gefasster Stimme zu ihm herüber.

Sein Gegner darf nicht merken, dass er ebenfalls so angespannt wie die Sehne seines Bogens war.

Ein wenig langsamer glitt er mit seiner Hand weiter zu dem Köcher.

Leonard musste bereit dafür sein, wenn er zustimmte.

Dann haltete er seine Bewegung.

‚Es kann auch sein, dass er keiner ist.

Dass er nur Jemand wie ich auch ist, der einen sicheren Ort zum Trainieren im Wald sucht...’

Er wollte ihn wirklich nicht umbringen.

So etwas tat er nur, wenn dringendste Notwendigkeit bestand.

Leonard hoffte einzig auf eine Bestreitung.

Weitere Sekunden zogen sich hin wie eine Ewigkeit, wobei sich die beiden immer noch voller Erwartung anschauten.

Es schien, als debattierte der braunhaarige Schwertkämpfer, was für eine Antwort er geben sollte. Kampfeslaunisch schien er jedoch nicht, als sein Schwert mit der Spitze den Boden berührte.

Leonard durchdachte die Situation, in die sie sich befanden.

Sagte er zu, würde Leonard sich als einen Bogenschützen aus Begnion abgeben und den Myrmidonen Näheres befragen. Antwortet er überzeugend, dann würde er ihn erschießen.

Auf einmal richtete der Schwertkämpfer das Gesicht wieder zu dem Schützen und verzog dabei eine entschlossen aggressive Miene.

Nun hielt Leonard den Pfeil griffbereit zwischen Zeige- und Mittelfinder.

Merkte er denn nicht, dass es Selbstmord war sich ihm stellen zu wollen?

Doch das, was ihn am Meisten überraschte waren seine kommenden Worte.
 

„Niemals diene ich so einem Schandfleck auf unserem Land!“

rief er ihm zu, sichtlich empört über seine Frage.

Durch den Ruf durchfuhr ihn Adrenalin wie ein Blitz, dann ebbte die Spannung ab. Die Hand ließ den Pfeil entgültig los.

‚Einen Mut hat er, etwas solch Beleidigendes über die Soldaten zu sagen.

Was, wenn ich selbst einer aus dem Schützentraining gewesen wäre?

Jeder aus dem Besatzungstrupp hätte sich so was nicht gefallen lassen und ihn auf der Stelle umgebracht. Und das riskiert er seiner Meinung willens...

Also ist er ebenfalls ein Bürger Daeins…’

Erleichtert über seine Antwort ließ er seinen linken Arm nun wieder sinken.

Er musste ihn glücklicherweise doch nicht umbringen.

Verwundert über Leonards Reaktion richtete auch er sich aus seiner Kampfhaltung auf.

Also war auch der Schütze kein Soldat Begnions gewesen…

Sichtlich erleichtert gab der Schwertkämpfer ein lautes Seufzen von sich und steckte sein Schwert zurück in die Scheide.

‚Es scheint, als baue er wohl recht schnell Vertrauen auf, dass er so einfach sein Schwert wegsteckt...Ich sollte ihn Näheres befragen’

„Was machst du hier im Wald?“ rief er ihm zu, eine Spur Forderung, aber auch Neugier in seiner Stimme.

Immer noch standen die beiden einige fünfzehn Meter voneinander entfernt.

Nicht lange wartete Leonard und er antwortete ihm.

„Ich habe einen neuen Platz zum Trainieren mit meinem Schwert gesucht.

Aber ich habe nicht erwartet, dass bereits jemand anders vor mir hier war.

Tut mir Leid, dass ich dich erschreckt habe!“ rief er ihm noch mit leicht erhobener Stimme zu, ein fast unverkennbares, verlegendes Lächeln zierte sein Gesicht. Dann drehte er sich weg, um langsam wieder weiterzulaufen.

‚Ein Trainingsplatz für sein Schwert...’ ging es dem Bogenschützen dabei durch den Kopf als er an die Worte des jungen Mannes dachte.

‚Moment. Dann müssen die großen Kratzer an den dicken Bäumen anderer Plätze wohl von ihm und seinen Schwerthieben stammen!’

Leonard erinnerte sich, in was für einem Zustand er einige andere Orte bei seiner Suche vorgefunden hatte. Regelrechte Verwüstungen sah er, tiefe Kratzer waren in den bereits gefällten Stämmen eingeschlagen.

Wenn der Myrmidone trainierte, dann wohl mit vollem Einsatz.

‚Ein eigenartiger Schwertkämpfer…’ dachte sich Leonard, als er ihm hinterher sah. Eine kleine Weile und er war nicht mehr hinter den farbig belaubten Bäumen zu sehen.

Anscheinend suchte er sich nun einen anderen Trainingsplatz.

Zufälle gab es...
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

„Man, das war aber irre...“ seufzte Edward ein weiteres Mal erleichtert, als er an einen Baum lehnte um sich dann in das Laub abzusetzen.

Es raschelte leise, als es wie ein weiches Kissen nachgab.

Er hätte dabei sein Leben lassen können!

Ein Zufall wie dieser eben ereignete sich recht selten. Es war gefährlich, zugegeben, doch leicht lächelte er bei dem Gedanken an die Situation doch.

Im Nachhinein war es sogar ein wenig lustig.

‚Irgendwie war es klar, dass ICH in so eine Lage kommen musste...’

Er dachte nach. Wie eine kleine Begegnung im Wald nur eine solch innerliche Furore aufbringen konnte.

Früher schienen solche Reaktionen absurd gewesen. Aber durch den Krieg vor drei Jahren und der Anspannung durch die Besatzungstruppen sind die Sinne der Kämpfer immer noch besonders aufgespitzt.

Man muss nahezu überall mit einem Kampf rechnen, besonders als Jemand, der sich den Willen der Soldaten entgegenstellt.

Nur bei der Frage des Bogenschützen sträubten sich ihm seine Nackenhaare.

Wie er die Soldaten doch verabscheute! In diesem Moment hatte er einfach nur gedacht:

‚Wenn ich schon sterben sollte, dann wohl mit einer fetten Beleidigung an sie!’

Nun musste er glucksen.

Wie das wohl bei seinem Gegenüber ankam? Dem Anschein nach sehr überzeugend, als er seine Hand wieder sinken ließ.

'Es ist gut zu wissen, dass ich nicht der Einzige bin, der heimlich trainiert, um sich den Soldaten begnions irgendwann mal entgegenstellen zu können...Ich frage mich, wieviele Bürger Daeins das ebenfalls tun?'

Eine Weile noch verharrte Edward in seiner sitzenden Position und dachte nach.

Das würde ihn aber nur aufhalten besser zu werden und erinnerte sich an sein eigentliches Vorhaben. Sofort stand er auf.

„Nun! Genug herumgetrödelt, Zeit für mein Training!“ sprach er motiviert zu sich selbst.
 

Kampfschreie verbanden sich mit dem sanften Wind und dem Rascheln der Blätter. Der sonst so ruhige Wald war gefüllt mit hölzernen Schlägen.

Schweiß rann ihm sein Gesicht herunter, als er keuchend mit gebeugten Beinen in seiner Angriffspose stand, das Schwert in beiden Händen haltend und auf sein Ziel vor sich gerichtet. Er holte ein weiteres mal aus.

„Hyaaaaaah!!!“ schrie er und verpasste dem Holz einen weiteren, kräftigen Hieb.

Das Laub, das sachte vom Wind abgetragen wurde, fiel wie Regen von den Bäumen.

Eines blieb in seinen ungeordneten Haaren stecken.

Er stand in der angespannten Haltung und versuchte seinen Atem zu regulieren.

Dann ließ er die Spannung fallen.

„Zeit für eine Pause...“

Er griff nach seinem Beutel an dem Baum.

Als er einen Apfel, ein Stück Brot wie etwas zu Trinken herausholte, lehnte er sich wie zuvor an ihn zurück und blickte in den Himmel.

Der Himmel hatte ein klares Blau mit Schäfchenwolken, die langsam vorbeizogen.

Er hatte gar nicht bemerkt wie schnell die Zeit vergangen war, als er dem Sonnenstand zufolge nach einer Uhrzeit absuchen wollte.

‚Ungefähr zwei Uhr Mittags...Meine Göttin, die Zeit fliegt vorbei!

Ich denke, ich sollte mich wieder auf den Weg zurück machen...

Am Abend hat der Alte wieder eine Lieferung vom Großgrundbesitzer.

Ich sollte ihm helfen, schließlich bin ich sein Glücksbringer! Hehe...’ ging es Edward verschmitzt durch den Kopf und dachte dabei an gestern zurück.

Vielleicht erwarteten ihn seine Enkel bereits. Ein Lächeln machte sich in seinen Zügen breit als er an diese angenehme Zeit mit dieser Familie dachte.

Er sollte gehen.

Nun stand er wieder auf und packte seine Sachen zurück in den kleinen Beutel.

Er war dabei zu laufen.

Dann blickte er um sich.

Wie ein Bleiklumpen fiel ihm etwas in die Magengegend, als er auf einmal etwas wichtiges realisierte.
 

„...Wo bin ich?“
 

Vollkommen verwirrt darüber, wo sich der Ausgang befände, drehte er sich in alle Richtungen um, ob er nicht einen bekannten Baum sähe.

„Oh...Mist verdammter!“ fluchte er, als er sich weiter verzweifelt umsah. Diesmal war er zu tief in den Wald gelaufen. Was aber sollte er nur tun?

‚Na, ich laufe einfach umher, vielleicht finde ich einen meiner früheren Trainingsplätze wieder und erinnere ich mich ja...’ dachte er sich, als in ihm durch diese simple Lösung Optimismus aufstieg.

Und so startete er seine planlose Wanderung durch den bunten Herbstwald.
 

Friedlich hörte man hier und dort regelmäßig ein Blatt fallen.

Es erschien so ruhig...

Doch innerlich war Edward mittlerweile vollkommen aufgewühlt.

‚Wo um der Göttinnen Namen befinde ich mich nur??? Ich weiß nicht wo ich bin! Aarrgh! Was soll ich tun?’
 

/Sssommp/
 

Er erschrak leicht.

Und wieder war dieses Geräusch zu hören. Kann es sein...

‚Ich muss wohl im Kreis gelaufen sein, wahrscheinlich ist der Bogenschütze immer noch am Trainieren...

Moment! Der Bogenschütze!’
 

Bei dem Gedanken weiteten sich seine Augen leicht und rannte mit neuer Hoffnung dem Laut entgegen.

‚Ich kann ihn fragen, ob er eine Ahnung hat, wie man hier wieder rauskommt! Sicherlich weiß er es. Ha, genauso mach ich’s!

An dem großen Baum angekommen lief er dem Schützen ungeniert entgegen.

„Hey, Bogenschütze! Ich wollte fragen ob du- WOAH!“

Reflexartig über den unerwarteten Besuch richtete der Schütze seinen Pfeil in Edwards Richtung und schoss ihn ab.

Noch am Rande bemerkte er in dieser minimalen Zeitspanne, wer ihn da ansprach und zwang sich die Richtung zu ändern.

Nur knapp verfehlte er den Myrmidone dabei, der sich ebenfalls überrascht zur Seite duckte und auf sein Gesäß fiel.

Seine Backe wurde durch die schiere Luft gestriffen, als ein Teil seiner Haare von der Kraft durchschnitten wurde.

Geschockt blieb Edward erstmals im Laub sitzen, als er seinen Kopf langsam und ungläubig zu dem Schützen vor sich drehte.
 

„Was sollte das denn werden??“ rief er ihm bei dieser Aktion willkürlich und mit großen Augen zu.

‚Wollte er mich nun doch umbringen?’ langsam zweifelte er an seiner Idee zurückgekommen zu sein...

‚Der Göttin sein Dank ich hab ihn verfehlt!’ dachte sich Leonard erschrocken, als er mit leichter Sorge zu ihm herabsah.

Auf seine Aussage hin fand er keine Antwort, er selbst hatte nun die Selbe im Kopf.

Aber war er nicht irgendwie selbst daran schuld, wenn er sich unerwartet an einem Schützen beim Training heranschleicht?

Er war viel zu unvorsichtig! Doch er hatte nichts desto trotz ein schlechtes Gewissen.

Fast hätte er ihn umgebracht! Trotzdem hatte der Schütze das Gefühl, als müsste er sich für seine unbedachte Aktion entschuldigen.

„Es tut mir Leid. Ist alles mit dir in Ordnung? Ich hatte nicht mit dir gerechnet...“ entgegnete er ihm.

Er debattierte, ob er zu ihm laufen sollte oder nicht. Die Begegnung war einfach zu plötzlich. Wieder Mal.

„Ja, halb so wild...“ antwortete Edward leise wie abwesend und stütze sich mit dem Arm auf die Knie um aufzustehen.

Nun erfüllte eine peinliche Atmosphäre die Luft, als eine Stille zwischen ihnen einkehrte.

Keiner der beiden Seiten hatte im Moment mehr etwas zu sagen.

Edward schien wie weggetreten, wahrscheinlich stand er noch ein wenig in dem leichten Schock fast getötet worden zu sein.

Leonard fühlte sich schuldig für sein Schweigen, und tat dem Schwertkämpfer den Gefallen ihm zuvorzukommen.

„Was war es, wofür du mich aufsuchen wolltest?“ fragte er Edward vorsichtig.

Nun schaute der Myrmidone zu ihm auf, als er sich an seine missliche Lage erinnerte.

„Nun...“ Peinlich berührt spürte er, wie sich seine Wangen ein wenig aufwärmten und legte eine Hand hinter seinen Kopf.

„Ich wollte fragen ob du weißt, wie man hier wieder aus dem Wald kommt.

Ich, ähm...habe den Weg verloren...“ Von so einem simplen Grund noch mehr verlegen, dachte er daran die Situation dringender zu beschreiben, als er aufgeregt fortfuhr

„Bereits einige Stunden irre ich hier umher und hab Nichts gefunden, was mir 'nen Hinweis geben konnte, Nichts erkannte ich wieder! Normalerweise passiert mir das nicht, aber ich war noch nie so tief in den Wald gelaufen...Na ja, da hatte ich mir gedacht,...dass du den Ausweg kennst...“ beendete er seine Anfrage nun etwas leiser.

Eine weitere Stille folgte.

‚Er läuft so tief in den Wald hinein und hat nicht einmal vorgesorgt, später den Ausweg zu finden? Dieser Kerl ist echt verantwortungslos...’ ging es ihm verdutzt, dann einfach nur belustigt durch den Kopf.

Leonard musste schmunzeln. Er konnte so was einfach nicht verstehen, da er nie so ungeplant vorging.

Doch um den Jungen nicht weiter verlegen zu machen, versteckte er es, indem er eine Hand vor seinen Mund legte. Man nahm an, er dachte über den Ausweg nach.

All das war einfach genauso unbegreiflich wie amüsant.

Er riss sich wirklich zusammen nicht zu lachen.

Er lenkte seine Emotionen in Gedanken um. Leonard blickte in den Himmel.

‚Es ist schon spät, ich denke ich sollte mich auch wieder zurück auf den Weg machen. Damit zeige ich dem Myrmidonen auch die Richtung zur Stadt, ich kann ihn unmöglich hier zurücklassen’

Er hatte keine Zweifel daran, dass ihm der Schwertkämpfer freundlich gesinnt war.

‚Nachdem er mir nun bereits zweimal eine Blöße gezeigt hat...’ Er kann kein Feind sein.

Dafür ist er viel zu lebensmüde.

Leonard hatte das Gefühl, als könnte er ihm vertrauen.
 

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„Siehst du die Markierung hier? Die habe ich mir provisorisch mit roter Farbe gemacht, sie zeigen die Richtung zurück an“ sprach Leonard zu seinem temporären Weggefährten, wobei er das Wort „provisorisch“ ein wenig und fast unbemerkt betonte.

Doch Edward fiel es nichtsdestoweniger auf und gab ihm als Antwort nur ein verlegendes Grinsen. Er hätte ebenfalls Hinweise machen sollen.

Dann blickte er neugierig auf das Gemalte, auf das Leonard seinen Finger gehalten hatte.

„...Punkte? Aber wie sollen die denn eine Richtung anzeigen?“

„ Man muss vorsichtig sein, was man auf die Bäume aufbringt, man kann nie wissen, wann sich die Soldaten ebenfalls daran machen, diesen Wald nach Aufständischen abzusuchen.

Normale Richtungspfeile würden die Trainingspositionen nur verraten und wir wären ein leichtes Ziel.

Um das zu vermeiden habe ich mir einen kleinen Code ausgedacht“ sprach er, als er mit seiner Erklärung fortfuhr.

„Ein hohler Kreis“ dabei deutete er auf den Stamm vor ihnen „bedeutet „nach links“, ein ausgefüllter Kreis „nach rechts“, ein horizontaler Strich „gerade aus“ und ein vertikaler „falsche Richtung“, dann sollte man wieder zurücklaufen.“

Edward war leicht erstaunt über seine vorausdenkende Art.

Wie er sich kannte, hätte er sicherlich banal Pfeile auf die Bäume gemalt, und damit er sie auch nicht übersieht, ebenfalls extra groß und in einer auffälligen Farbe.

‚Hier trainieren zwei aufständische Bürger Daeins.

Kommt und überrascht sie, sie würden sich über euren Besuch freuen!’ wäre das Einzige, was gefehlt hätte mit Schildern anzuhängen.

Falls er überhaupt so weit vorrausdachte, Schilde anzubringen.

Dem Bogenschützen hinterher trottend, versuchte Edward ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Eine Weile liefen sie in Stille, nur das Rascheln des Laubes mit jedem deren Schritte begleitete die Beiden.

Edward fühlte sich bei der Schweigsamkeit seines Gefährten ein wenig unwohl.

Er sollte die träge Atmosphäre ein wenig auffrischen.

„Und wie lange trainierst du bereits mit deinem Bogen hier im Wald?“

Überrascht über die unerwartete Frage wandte Leonard seinen Kopf zu dem Schwertkämpfer.

„Nun, in diesem Wald seid bereits zwei Jahren“

„In diesem? Gab es denn einen anderen Wald?“ entgegnete Edward ihm.

„Ja, genau gegenüber diesem Wald hier, aber seid nun die Soldaten Begnions den anderen gelegentlich für deren Trainingseinheiten gebrauchten, wurde es zu riskant und ich wechselte die Seite.“

„Dann wird es wohl nicht lange dauern und sie werden auch unseren Wald einnehmen...“ dachte er laut mit einer kleinen Spur Bitterkeit in seiner Stimme. Er brauchte sein regelmäßiges Training und dieser Wald war einwandfrei dafür geeignet.

„Das jedoch bezweifle ich. Sie fürchten sich zu sehr davor, als dass sie auch diesen betreten würden“ sprach Leonard skeptisch.

„Sie fürchten sich vor diesem Wald?“ entgegnete er ungläubig.

‚Was gibt es denn hier zu fürchten?’ ging es Edward durch den Kopf, erstmals ein wenig spöttisch.

Doch dann fühlte er sich nach einigen Gedankengängen selbst eingeschüchtert, wobei er sich die verrücktesten Geschichten in seinem Kopf ausmalte.

‚Vielleicht leben hier unruhige Seelen toter Menschen, die in dem Wald gestorben sind, weil sie nicht mehr aus ihm herausgefunden haben und nun in ihrer Zwischenwelt herumirren um verlorene Wanderer in den Wahnsinn zu treiben!...’

Eiskalt fuhr ihm ein Schaudern den Rücken runter als er daran dachte, was er ohne seinen Begleiter getan hätte.

Leonards Worte waren es, die ihn wieder aus den Horrorfantasien auf den Boden der Tatsachen holten.

„Sie fürchten die Laguz.“

„Die Laguz?? Was sollten die uns schon machen? Man sind die Soldaten feige.

Als ob sie jemals einen Menschen fressen würden...“

Das Gespräch kam ins Rollen.
 

Und so redeten sie über die Soldaten, die Kultur der Laguz und tauschten Meinungen darüber aus, wie sie lebten und was an den absurden Gerüchten der Soldaten wahr war.

Leonard war überrascht, was für ähnliche Meinungen sein Gefährte vertrat, wobei sie sich lebendig unterhielten. Ihre unterschiedliche Art ließ die Unterhaltung aufleben, Leonards braunhaariger Weggefährte fragte, er antwortete, und er gab eine Meinung. Dann ein neues Thema.

Schnell verging die Zeit, als sie auf einen Landweg traten.

Sie weigerten sich augenscheinlich die Diskussion abzubrechen und liefen zusammen in die Stadt. Normalerweise war Leonard Fremden gegenüber reservierter, doch das neugierige Wesen des Myrmidonen machte ihn gesprächiger.

„Du scheinst einiges über die Geschichten von Laguz zu wissen...“ war das Einzige, was Edward nach einer der interessanten Erzählungen des Bogenschützen antworten konnte.

Auf einmal bemerkte er.

Die Beiden redeten mittlerweile so offen miteinander, und er kannte noch nicht einmal den Namen seines Gegenüber.

Noch bevor der Schwertkämpfer diese Frage aussprechen konnte, fiel ihm der Schütze in seine Gedanken als ob er sie gelesen hätte.

„Es ist unglaublich unhöflich von mir.

Ich bezweifle, dass ich mich bereits vorgestellt habe.

Mein Name ist Leonard.“

Selten gab er Jemandem so schnell die Chance einer Kameradschaft, da er dachte, Freundschaften würden ihn in seinem Tun ablenken.

Nicht dass er sich bei Leuten unwohl fühlte, es war das Gefühl des übermäßigen Verlangen, da er einige schlechte Erfahrungen in kurzer Vergangenheit gemacht hattte. Außerdem ist es äußerst schwierig in Zeiten des Krieges so schnell Kameradschaften zu schließen.

Doch sein Gegenüber schien eine Ausnahme zu sein.

‚Seine offene Art ist frei von irgendwelchen Feindseligkeiten.

Ich denke, dass ich mir bei ihm keine Gedanken machen muss, dass er mir in jeglicher Hinsicht etwas Schlechtes möchte.

Er erscheint vertrauenswürdig.’ ging es Leonard bei seinen Worten durch den Kopf.

Dass aber Edward bis jetzt nicht darauf kam sich vorzustellen, war auch von seiner Seite unhöflich gewesen.

Große Höflichkeitsfloskeln waren einfach nicht seine Art, als er auch bei den Leuten in der Stadt oder im umliegenden Dorf nicht viel zu reden hatte um sich mit ihnen anzufreunden.

Er war jedoch unendlich erleichtert, dass er sich ihm, nach all dem was sich in dem Wald ereignet hatte, immernoch so freundlich gab.

Um ehrlich zu sein, hatte er nicht damit gerechnet, dass der anfänglich so ernste und reservierte Bogenschütze auch eine etwas lebendigere Art hatte.

Ein erfreutes Lächeln zierte sein Gesicht, als er seine Hand ausstreckte.
 

„Ich bin Edward! Schön, dich kennen zu lernen!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Toja_Satsuma
2009-10-24T15:12:52+00:00 24.10.2009 17:12
als erstes, du hast einen klasse Stil.
Wenn ichs so lese bereue ich's, Edward und Leonard im Spiel verloren zu haben.
Hoffe du schreibst weiter
LG
Toja_Satsuma


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