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Werbung, und nix als Werbung - die kleine Yu und die braune Schokokugel Essen, Süßigkeiten

Autor:  Yu_B_Su
Hallo, nach dem leicht persönlich angehauchten, etwas sentimentalen letzten Eintrag :-D hier wieder was Amüsantes übers Essen (ich glaube, deshalb bin ich auch so ein WA-Fan - alles Neue ausprobieren :-D)

Werbung, und nichts als die Werbung oder Das Märchen von der kleinen Yu und dem braunen Schoki-Kügelchen

„1-2-3 bitte an 4-5-6, bitte!“, hallte die Lautsprecherdurchsage durch den Supermarkt. Schön, dachte ich, ‚Flotti-Flott an eine Kasse!’ wäre noch besser! Aber so sind Supermärkte um sechs Uhr abends in der Großstadt: voller Menschen – Teenies, die eine „gute Zeit“ haben wollen, Arbeitnehmer, die ihren wohlverdienten Feierabend zum mittwochlichen Wochenendeinkauf nutzen, Mütter, denen kurz vor dem Losbacken einfällt, dass sie die Eier vergessen haben und alte Omis, die gerne mit der Kassiere-rin plauschen. Und mittendrin stand ich. Ich, die eigentlich gar nicht hier sein sollte, weil sie zu den Cleveren gehört, die erst kurz vor Ladenschluss hineinstürmen, ihren Zettel abarbeiten und nach fünf Minuten wieder draußen sind – wenn alles gut läuft und die Kasse funktioniert. Aber der alltägliche Gruppenzwang trieb mich dazu, meinen hart erarbeiteten früheren Feierabend mit Einkaufen um sechs Uhr abends zu verbringen. Und nun stand ich an der Kasse, vor mir noch gefühlte 100 Leute, eigentlich nur 5, darunter eine 2-kindliche Kleinfamilie, ein alter Opi und ein superverliebtes Pärchen, das wahrscheinlich für alle Bekannten und Verwandten einkaufen wollte; ich stand also da und meine Laune war so am Boden, dass man sie hätte mit einem Wischmob aufwischen und in die Kanalisation kippen können. Gelangweilt scannte ich das Folterinstrument der Süßwarenindustrie ab und registrier-te das Übliche: orange-rote Freunde, von denen man sich gerne die Fettzellen küssen lässt, weiße Knusperkugeln, die uns keinen Schnee sondern den Südseetraum par exellance, seit neustem sogar in SloMo (Slow-Motion), versprechen, goldene Edelkügelchen, die James Bond so gern zum Frühs-tück isst wie wir ihn, und so weiter.

Plötzlich blieb mein Blick an einem kleinen Etwas hängen: es war viereckig und braun und glänzte anmutig im Kunstlicht. Sofort durchdrangen meine Ohren zarte Klavierklänge, ausgelöst durch eine auf Schoko-Tasten hüpfende Schokokugel, die ein Bad in Schokolade nahm und schließlich ihre voll-endete Gestalt zeigte: ein dunkel-schokoladiges Etwas, das aussah wie eine aufgeblasene Rumkugel. Ja, es war Werbung, die uns wieder zum Kauf irgendwelcher Luxusgüter für die Unterschicht verfüh-ren wollte; ja, in Wirklichkeit gibt es kein Schokoklavier, und ja, eine Tafel Zartbitter täte es auch, aber wie gern, WIE GERNE würde ich, anstatt genervt an der Kasse im Supermarkt zu stehen, Klavierspie-len können? Ich würde auf meinem schokoladigen Klavier eine Sonate von Beethoven oder, noch besser, das Thema aus Forever Love spielen, oder beides, und nach getaner Arbeit in ein Meer aus flüssiger Schokolade fallen, und umhüllt von Zartbitter und Vollmilch in die wohlig-warme, ewige Glückseligkeit gleiten? Ha… Und KLIPP-KLAPP, Falle zugeschnappt, braunes Zauberkästchen aufs Förderband gelegt. Verstand Schachmatt, Seele hat gewonnen! Aber nur bis zum Bezahlen – wo ich psychosomatisch beim Blick auf den Kassenzettel einen Hustenanfall bekam, der mit einem einfachen Hüstel-Hüstel anfing, sich über ein Lautsprecher übertönendes HUUUST-HUUUST steigerte, bis er damit endete, dass ein Kunde den Notarzt rufen wollte, weil ich so tödlich klinge, und die Kassiererin in Erwartung meines Mittagessens eine 10-ct-Plastiktüte über ihren Kopf zog. Sicher, ein Schokokla-vier einschließlich der Rechte für die drei Töne ist teurer als die paar Models für den Küsschen-Spot, und im Vergleich zur Resteverwertung der Kirschparlinen ist dieser Spot der Mercedes unter den Wer-befilmchen, aber DAS war echt zuviel!!! Mein Anstand hinderte mich daran, das braune, teure Ding der unschuldigen Kassiererin vor die Füße zu werfen.

Naja, dachte ich, mal sehen, ob das Zeug wenigstens hält, was es verspricht – was eigentlich? – und ich öffnete die Plastikfolie um das Kästchen. Doch meine Seele schlug Alarm: sowas isst man nicht bei einer Heißhungerattacke auf dem Weg zur Bahn, sondern würdevoll bei einem Tässchen Kaffee! - warum auch immer. Ich ging also genervt nach Hause, schaltete die Kaffeemaschine an und platzierte das braune Kästchen liebevoll auf einer grünen Serviette, die zufällig auf dem Tisch lag. Irgendwann ertönte das erlösende „Pieps!“ und ich bemerkte, dass ich das Wichtigste nicht da hatte: Kaffee. We-der in Pulverform, noch als Bohne, noch als Bohne in Schoki, noch als Likör. Nix mit würdig. Zigaret-ten waren nicht da und würden auch niemals da sein, weil Rauchen der Gesundheit schadet; war ein Gedanke wert, immerhin. Ein gutes Gläschen Rotwein wäre auch passend, aber Alkohol schadet auch der Gesundheit; immerhin, war ein Gedanke wert. Mir gingen langsam die Ideen aus. Frustriert durch-wühlte ich meine Einkaufstasche – Apfel- und O-Saft in Kombi mit allem, was weder süß noch sauer ist, geht nicht – RAUS! Milch – schmeckt nur kalt, Schokolade nur zimmertemperiert – RAUS! Mine-ralwasser – billig, einfach, unwürdig – RAUS! Schließlich fiel mir ein Päckchen Pfefferminztee in die Hände und meine Seele gab Ruhe.

Da saß ich nun, die Tasse Pfeffi vor der Nase, mit der braunen Zauberschachtel. Ich öffnete sie be-hutsam und zum Vorschein kamen vier kleine, braune Goldkugeln, alle liebevoll verpackt in bronzig-brauner Alufolie mit einem Röckchen ausgestattet, sie sahen einfach niedlich aus. So niedlich, dass ich sie nicht ihrer vorbestimmten Bestimmung zuführen konnte, ohne daran zu denken, was aus ihnen hätte werden können: als Zimmerdeko hätten sie sich gut geeignet, das Highlight an jedem Weih-nachtsbaum wären sie geworden, als Tischtennisbälle hätte sie eine gute Figur gemacht, als Ohrring wären sie der Hingucker der nächsten Party, und als Türknauf würden sie jeden IKEA-Schrank ver-schönern. Halbiert als Hawaii-Oberteil für Barbie, als Schlammhaufen für Bob den Baumeister, als Rolle unter dem Bürodrehstuhl … Mir fielen so viele Dinge ein, die rund waren. Rund wie diese Kugel. Ich packte sie unter Knistern aus und betrachtete sie. Sie sah wirklich aus wie eine aufgepustete Rumkugel. Ich atmete tief ein, biss hinein – und erschrak: denn statt dem nussigen Innenleben des goldenen Bruders kam unter der dunklen Nougatcreme eine dunkelbraune Kugel zum Vorschein. Vor-sichtig beleckte ich das Innenleben mit der Zunge – mein Speichel blieb dran kleben, aber keine Schokolade an meiner Zunge. Das musste sie sein, die 60%-ige Keimzelle der Kugel, hart wie Stein, bitter wie Ohrenschmalz, gar-nicht-schmelzend wie mindestens 60%-ige Zartbitter-Schokolade. Nach einigem Zögern genoss ich die Kugel und bewunderte die feinen Linien, deren filigranes Muster wirk-lich edel war und mir verdeutlichte, dass man mit Schokolade Zeichen setzen konnte.

Unter Knustpern und Mmhhh… ging es zu Ende. Ich kippte meinen Tee runter und als ich fertig war und immer noch den bitteren Geschmack im Mund hatte, fing ich an nachzudenken…

Ja, es ist etwas Besonderes; ja, es ist der Mercedes unter den Luxusgütern für die Unterschicht; ja, es sieht schick aus, und es schmeckt gut, ist aber nix im Vergleich zum güldenen Brüderchen; aber auch ja, eine Zartbittertafel täte es auch, wenn man die 40 g auf eine Tafel hochrechnet, dann kann man sich von dem Geld eine teure Edeltafel aus dem Supermarkt oder sogar dem Schokoladen-Fachgeschäft kaufen.

Was bleibt, ist der coole Werbespot, auf dem die Schokokugel auf den Schokotasten des Schokokla-viers hüpft und schließlich in einem Schokoladenbad landet.