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Felidae

Tagebuch des Professor Julius Preterius
von

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17. März 1980

Alles läuft prächtig - ein bißchen zu prächtig. Lediglich noch einige Untersuchungen über die extravasale Blutgerinnung, dann können wir mit den Tierversuchen beginnen. Rosalie meint, ich sei überarbeitet und müsse mir zumindest an den Wochenenden Ruhe gönnen. Die Gute kann sich einfach nicht vorstellen, daß die Arbeit, von der man besessen ist, mit dem herkömmlichen Begriff der Arbeit nichts gemein hat.

Es ist jetzt ein Uhr nachts, und ich sitze immer noch in meinem hübschen, mit Rosalies Stiefmütterchen geschmückten Büro. Die anderen sind schon längst weg. Das einzige im Gebäude brennende Licht ist die antike Leselampe auf meinem Schreibtisch. Ich habe mir ein paar Gläser Rotwein genehmigt und komme langsam ins Philosophieren. Meine Gedanken schweifen ab zu Robert und Lydia und zu den glücklichen Sonnentagen, als sie unbeschwerte Kinder waren. Ich liebe sie immer noch mit der ganzen Inbrunst meines Herzens, obwohl sie uns nur zu den Weihnachtsfeierlichkeiten die Ehre eines Besuches erweisen und gelangweilte Miene zum langweiligen Spiel machten. Es ist ein blödes und deprimierendes Spiel. Wir haben uns gänzlich entfremdet und haben uns außer ein paar armseligen Belanglosigkeiten nichts zu sagen. Sogar mein überraschender Aufstieg scheint sie nicht besonders zu interessieren. Lügen, Nichtigkeiten und Kälte prägen das Verhältnis zwischen meinen Kindern und mir. Ist das der Lauf der Welt? Müssen dieses Schicksal alle Menschen teilen, die sich einst Kinder wünschten und nun voll Bitternis feststellen müssen, daß sie nur Fremde zur Welt gebracht haben?

Die einzigen Freuden, die mir geblieben sind, sind meine Arbeit und Rosalie. Oder gehört Rosalie auch in die Abteilung »Täuschungen, die das Leben schrieb«? Ist sie nicht vielmehr eine liebgewordene Gewohnheit, von der man nicht abzulassen vermag, weil man sich sonst verschämt eingestehen muß, daß sie nichts anderes als eine Gewohnheit ist und man jahrelang zu viel Aufhebens darum gemacht hat? Ich hoffe nicht.

Ich hatte nie eine leidenschaftliche Beziehung zu Frauen. Weder habe ich sie verstanden, noch haben sie mich sonderlich fasziniert. Nicht einmal als junger Mann. Die erste Frau, die mit mir Freundschaft schloß, habe ich geheiratet. Der Zugang zu einem Teil des Lebens, welcher von Dichtern als der beschrieben wird, für den sich überhaupt zu leben lohnt, blieb mir verschlossen. Was also habe ich aus meinem Leben gemacht?

Ich muß mit dieser demoralisierenden Grübelei aufhören. Sie führt zu nichts. Es ist spät. Morgen Vormittag werden die Tiere angeliefert, und ich muß dabei sein, wenn sie eintreffen. Ich hatte Experimente an Schimpansen beantragt, doch wie erwartet, wurden sie mir nicht genehmigt. Primaten dürfen erst in der letzten Phase des Projekts zum Einsatz kommen, war die fadenscheinige Begründung. Ignoranten! Sie weigern sich immer noch, zu erkennen, daß hier etwas Bahnbrechendes entsteht.

Aber ich muß Ruhe bewahren und eigentlich froh sein, nicht an Mäusen experimentieren zu müssen, die wegen ihrer dünnen Haut für meine Zwecke reine Zeitverschwendung wären.



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