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Bauchgefühl

Ein Ass im Bett
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Dieses Kapitel entstammt nicht dem ursprünglichen Plan zu "Bauchgefühl", sondern hat sich ganz spontan eingeschlichen. Hierzu geht der Dank an lady_j, denn ihr letzter Kommentar hat mich auf eine gute Art nachdenklich gestimmt. Das half mir nicht nur beim nächsten Kapitel (das dann hoffentlich bald kommt), sondern führte auch zu diesem kleinen Seitensprung.
Fürs Schreiben ließ ich diesmal im Hintergrund ein Cello Konzert laufen, dass die liebe FreeWolf für mich gefunden hat. Sowieso auch an die ein ganz liebes Danke, weil ich von Saiteninstrumenten echt gar keine Ahnung habe, aber sie mir half, dass ich mich beim Schreiben nicht ganz wie ein Volldepp anstelle. ♥
ich empfehle übrigens reinzuhören. öwö Komplett anzeigen

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2007-03-11

Die Fenster seiner Wohnung waren zum Westen hin ausgerichtet, sodass die weißen Wände jeden Tag von der untergehenden Sonne in leuchtendes Rot getaucht wurden. Inzwischen war der Abend so weit vorangeschritten, dass die spärlichen Sonnenstrahlen nicht mehr genügten, um die Zimmer auszuleuchten. Für gewöhnlich schaltete Yuriy die Stehlampe neben seinem Sofa ein, um in Ruhe sein Buch weiterzulesen. Dieses Mal war es ihm kaum bewusst, dass er im hinteren Teil seines Wohnzimmers bereits im Dunkeln saß.

Seine Lider waren gesenkt und er blickte wie in Trance auf die Saiten seines Cellos. Die dunklen Töne vibrierten in seinem Brustkorb und zogen ihn in die Komposition von Dvořák hinein. Zwischen seinen Brauen bildete sich eine tiefe Falte der Unzufriedenheit darüber, dass ihm die Läufe nicht so schnell von der Hand gingen, wie er es von sich erwartete.

Seit seinen Jahren in der Abtei spielte er. Wie beim Beybladen hatte er stets nach Perfektion gestrebt und war in der Zeit nach der Abtei bis er sich selbstständig ein Cello kaufte ruhelos gewesen. Zu Beginn waren Betreuer und Therapeuten seiner Obsession gegenüber skeptisch und befürchteten Rückfälle in alte Muster. Es fiel ihnen schwer zu begreifen, dass es aus dieser Zeit etwas geben sollte, dass es zu bewahren galt. Die Bedenken verstummten ihm gegenüber als sie ihn spielen sahen.

Ein dumpfes Poltern führte dazu, dass er beim nächsten Lagenwechsel daneben griff. Yuriy blinzelte, bemerkte die Finsternis in seinem Zimmer, doch sah trotzdem davon ab, das Licht einzuschalten. Um aufzustehen, müsste er das Cello zur Seite legen. Nachdem er einmal tief durchgeatmet hatte, legte er den Bogen an die Saiten und überlegte, ob er von vorne beginnen sollte.

Erneut hörte er ein Knarzen, schloss die Augen und spielte weiter. Seine Finger drückten krampfhaft auf die Saiten, während die Töne unsauber klangen. Missbilligend verzog er den Mund. Tief in sich wusste er, dass er Musik nicht erzwingen konnte, selbst wenn er diese Phrase sonst mit einem Augenverdrehen als romantisch abtat. Mit einem Schnauben blies Yuriy sich eine vorwitzige Haarsträhne aus dem Gesicht und führte beharrlich den Bogen. Wenn er spielte, schaffte er es, seinen Kopf zu leeren.

Während einer kurzen Pause drang eine weibliche Stimme mit verzückten Lauten an sein Bewusstsein und er rutschte mit dem Bogen ab. Zischend stieß er die Luft zwischen den Zähnen aus und fluchte innerlich über die dünnen Wände.

Noch ein drittes Mal setzte Yuriy den Bogen an die Saiten, verharrte in dieser Position, ohne zu spielen, und wartete. Seine Wirbelsäule fühlte sich auf seinem Rücken an wie eine glühende Naht. Die Hitze konzentrierte sich in seinem Nacken und erschwerte es ihm, sich auf die Noten und Griffe zu konzentrieren.

Es war Yuriy ein Rätsel. Sie lebten schon zwei Jahre in diesem Block und es war nicht das erste Mal, dass er Fetzen davon mitbekam, was Boris über ihm so trieb. Die Tatsache, dass er sich an kein konkretes Mal erinnern konnte, zeigte ihm, wie leicht es ihm bisher gefallen war, diese irrelevanten Dinge auszublenden, wenn er gerade ein Buch las oder am Cello spielte.

Yuriy hob den Kopf zum Fenster und bemerkte dabei, wie steif sein Nacken inzwischen war. Seine Schultern waren vollkommen verspannt. Das Brennen in seinem Nacken verblasste, er senkte den Blick auf die Saiten und spielte. Die Klänge füllten seine Brust und betäubten das Ziehen in seinem Bauch.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Kapitel in denen Yuriy alleine ist, bleiben recht kurz un knackig. Ich hoffe, es ist alles nicht zu subtil oder abstrakt. Lieben Dank an alle Leser, dass sie sich die Arbeit machen, über mein Geschreibsel nachzudenken, um zu verstehen. Ich weiß, dass ich euch viel abverlange. ♥

Anm.:
1) Für den Schein lernten alle Kinder in der Abtei ein Musikinstrument (oder durften malen).
2) Yuriy spielt Cello - gerne. Wäre er romantischer Natur, das Cello wäre seine erste Liebe.

PS: Ich las das erste Mal Yuriy an einem Cello spielen in Saitenspiel und kann es mir seit dem nicht mehr wegdenken. ♥

PPS: Ich muss an dieser stelle noch verewigen, was der wundervolle Kommentar von FreeWolf zu diesem Kapitel war: "Ich liebe es, dass deine Rückenschmerzen es bis zu Yuriy geschafft haben".

Geteiltes Leid ist halbes leid oder so, gell? Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  WeißeWölfinLarka
2020-06-22T13:03:28+00:00 22.06.2020 15:03
Ich bin deiner Einladung gefolgt und habe beim Lesen das Cello Konzert gehört. (Nun, ok, ich woll-te, aber es hat mich doch eher abgelenkt als dass ich mich auf deine Worte konzentrieren konnte, also ha b ich es VORM Lesen gehört, um in Stimmung zu kommen – denn scheinbar passiert ja ir-gendwas mit dem Cello =) als es sanfter wird, gings dann auch besser mit dem Lesen. Und du hast nicht zu wenig versprochen – es passt wirklich sehr gut zu diesem Kapitel!)

Ich mag diese kleinen Impressionen, wie die Erwähnung von konzentrierten Falten in Yuriys Gesicht beim Spielen. (das hat Wolfi bei „Zum Anbeißen“ auch so gut hingekriegt!) Ebenso so Kleinigkeiten wie nervige Haarsträhnen, die weggepustet werden müssen. : )

Als es polterte, wusste ich gleich, dass es Boris sein musste. Aber ich habe gedacht, dass der … Mö-bel verrückt oder anderes dummes Zeug macht, was fallen lässt, so was. Aber spätestens bei jauchzenden Frauentönen wurd mir klar, was er da wohl „treibt“.
Die Frage ist – und das wissen wir ja jetzt nicht, weil wir nur Yuriys Innenleben kennen, ob Boris das aus Frustration macht, weil er Yuriy irgendwie nicht haben kann, oder um ihm absichtlich eifersüch-tig zu machen?
Letzteres scheint ja auch zu funktionieren, also… irgendwie. Denn es wurmt Yuriy offensichtlich, da er nicht so recht spielen mag, rauskommt, und allein die Hitze, die in ihm aufsteigt und seine ganze Verspannung, das spricht Bände für seine unausgeglichene Gefühlslage über das, was in der Woh-nung über ihm abgeht.

Es frustriert mich übrigens, dass so viel Zeit zum letzten Kapitel vergangen ist. Also… hat es eine Aussprache gegeben? Ich bin versucht zu behaupten, dass nicht, denn sonst hätte Boris sich keine Frau angelacht? Bzw. es würde Yuriy nicht so nahe gehen? Fast drei Monate nach dem letzten Kon-takt zwischen beiden – mir fehlt da was, ich muss MEHR wissen! MEHR!

Wunderbare Sätze
• Seine Wirbelsäule fühlte sich auf seinem Rücken an wie eine glühende Naht.

Abschließend möchte ich noch anmerken, - auch weil du es im Nachwort selbst ansprichst - dass du zwar kurze Kapitel schreibst, aber die sehr auf dem Punkt liegen? „Bauchgefühl“ ist wirklich eine Geschichte, bei der man sagen kann: „In der Kürze steckt die Würze“ :)
Ach und du hast dieses Kapitel geschrieben, als du von Rückenschmerzen geplagt warst? VOR dei-ner neuen Matratze? Ich find’s gut, lass die Charaktere mitleiden, dann tut’s dir selbst nur noch halb so weh. >:)
Ach ja, und das Headcanon, dass alle Abteischüler ein Instrument können müssen, zur Tarnung, Yes, ich bin sehr dafür und voll dabei. (Saitenspiel ist der Hit, schön, dass du das auch so klasse fan-dest und die Cello-Idee für Yuriy übernommen hast. Ich kann mir auch kein besseres Instrument für ihn vorstellen.)

Antwort von: Norrsken
19.12.2020 22:38
Ich bin gerade etwas froh, dass ich das Cello Stück verlinkt habe, denn ich hatte es nicht gespeichert. Hff.
Es ist ein sehr einnehmendes Stück, da kann ich verstehen, dass du es dir beim Lesen nicht die ganze Zeit anhören konntest. Es freut mich aber sehr, dass es dir passend erscheint! :D Das Lob geht natürlich an den Finder FreeWolf.

Kleine Impressionen sind total mein Ding. :) Also ich denk beim Schreiben leider zu selten dran, aber ich liebe es, diese aufzunehmen. Natürlich muss die erzählende Figur auch passen. Yuriy ist da ja zum Glück sehr dankbar mit seiner Detailverliebtheit.

Also ... ich denke nicht, das Eifersucht die richtige Beschreibung ist, wieso Yuriy sich daran stört, dass er das mitbekommt. Letztendlich ist Sexualität bis hierhin ein Thema mit dem er sich nicht gerne beschäftigt. Es fällt nur immer schwerer dem Thema aus dem Weg zu gehen?
Dass es Boris ist, ist fix auch ein Ding dabei.

Wenn es eine Aussprache gegeben hätte, hätte ich sie geschrieben. xD So ein Ereignis lasse ich nicht aus, wenn es stattgefunden hätte. Das wäre aus technischer Sicht ein sehr schlechter Zug beim Schreiben. Also es tut mir leid für den Frust, aber ja. Die Jungs reden nicht. xD

Die Headcanon dieses Kapitels sind alle bei lady_j abgekupfert. Sie war eindeutig eine sehr treibende Kraft für dieses Kapitel.
Von:  LittleLionHead
2020-04-25T07:13:02+00:00 25.04.2020 09:13
Mir gefällt dieser kleine Einblick in Yuriys Verbindung zur Musik sehr. Ich finde, du beschreibst sehr gut, was ihm sein Cello bedeutet und wie fragil dennoch der Zustand ist, den er durch das Spielen hervorrufen möchte. Die Frustration, die die ständige Ablenkung hervorruft, machst du auch für mich als Leser körperlich wahrnehmbar. Ich kann das gut nachvollziehen - dieses physische "Ich raste gleich aus" kenne ich auch von mir. Und dann ist da ja noch dieser Herzschmerz, den du wunderbar zwischen den Zeilen verbaut hast und damit genau das Medium gewählt hast, das Yuriys Gemütszustand perfekt wiedergibt.
Antwort von: Norrsken
04.05.2020 20:26
Ganz lieben Dank für deinen Kommentar. x3
Ich freu mich sehr, dass dir die Darstellung von Yuriy und der Musik gefällt :>
In meinem Kopf kann er in der Regel sehr gut in die Musik versinken (und in Zahlen), aber zum Zeitpunkt dieses Kapitels hat der dafür einfach nicht die Verfassung wie du auch so schön festgestellt hast.
Dass du von Herzschmerz sprichst finde ich spannend, weil es beim Schreiben gar nicht meine Idee war. Mich fasziniert es zu lesen, wie andere es wahrnehmen. Darf ich neugierig fragen, woran du den Herzschmerz fest machst? :3
Von:  Mitternachtsblick
2020-04-24T06:38:25+00:00 24.04.2020 08:38
„Seine Wirbelsäule fühlte sich auf seinem Rücken an wie eine glühende Naht.“ —> so viel Liebe für diesen Satz. Der ist mich wirklich total angesprungen, was für ein kräftiges Bild.
Ich freue mich ja auch sehr über Cello-Yuriy, den ich auch bei Saitenspiel kennengelernt hab (Jay hat da echt bleibenden Eindruck hinterlassen <3) und der auch hier so wundervoll funktioniert. Was genauso gut funktioniert ist wieder dieses Zusammenspiel aus Innen und Außen. Er ist eindeutig in Unruhe, unterdrückt zwar, was ihn stört, so weit, dass nicht einmal darüber geschrieben wird bis zum Satz „Sie lebten schon zwei Jahre in diesem Block usw“. Aber man spürt es trotzdem an der Spannung, die es ihm unmöglich macht, richtig zu spielen und daran, dass er kein Licht aufdreht. Am liebsten würde er sich in seiner Bubble aufhalten und an nichts denken, aber es holt ihn dennoch ständig etwas (=Boris und seine Trulla) wieder raus und das ist halt schon sehr bezeichnend auf mehr Ebenen als der offensichtlichen.
Der Text ist total dicht, er wird immer dichter, je länger man drüber nachdenkt. Ich glaube, es war gut, dass du das Kapitel eingeschoben hast, auch wenn wir natürlich alle der Aussprache entgegen fiebern. XD
Antwort von: Norrsken
04.05.2020 20:21
Vielen lieben Dank für deinen Kommentar! ♥ (und sorry, wür die späte Rückmeldung °w°)

Ich freue mich sehr, dass dir dieser Satz so gut gefällt. Es gibt nur selten Sätze, die mir selber sehr gut gefallen und die ich dann auch auf biiegen und brechen verwenden will. Dieser war einer davon. xD Also Yay!
Wenn ich nicht so viel Angst vor Musik hätte und wenigstens etwas Ahnung von Instrumenten, dann würde ich gerne soo viel mehr Cello!Yuriy schreiben. Haw. (wobei ich auch mehr Zeit und Ausdauer bräuchte, ugh) Hier kam mir das Cello aber wirklich gelegen. B3
Ich bin sehr erleichtert, dass man auch ohne direkte Benennungen merkt, dass Yuriy angespannt ist. Ich drück mich gerne davor und verlass mich darauf, dass Leser mitdenken. Mit dir als Leser habe ich da einen Jackpot gezogen. ♥

Letztendlich bin ich auch sehr zufrieden, dieses Kapitel noch eingeschoben zu haben. C:


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