Zum Inhalt der Seite

Zwei Seiten einer Medaille

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Vor drei Jahren:
 

Music Heroes. Das Spiel, der Second Life Spiele. Komm in die Welt. Schlüpfe in das Leben eines Musikers. Spiele dein Lieblingsinstrument und gründe mit anderen Begeisterten deine eigene Band. Stürmt die Charts und erlebt den Ruhm, den ihr euch schon immer erträumt habt.
 

Mir war langweilig. Ich wollte etwas Neues ausprobieren und erneut flackerte diese Werbung über meinen Bildschirm, weil meine Schwester es mal ein wenig ausprobiert hatte. Sie hatte mir damals den Grund dafür genannt, aber ich hatte ihn wieder vergessen. Es war für mich nicht wichtig, warum sie etwas tat. Eigentlich nervte sie mich eh nur.
 

Ein Schnauben entwich mir und ich wollte gerade die Werbung wegklicken, als ich stoppte. Erneut lief sie ab. Ich las alles noch einmal, doch dieses Mal erreichten mich die Worte. Wie oft hatte ich mir schon gewünscht Schlagzeug zu spielen, aber ich durfte nicht. Was ist aber, wenn ich das dort konnte? Vielleicht würde es ja wirklich Spaß machen und wenn das Spiel wirklich doof war, wie meine Schwester behauptete, dann konnte ich immer noch damit aufhören. Aber meistens stimmte das sowieso nicht.
 

Kurzerhand klickte ich darauf und begann mir einen Avatar zu erstellen. Ich ließ ihn mir ziemlich ähnlich werden. Nur ein wenig längere Haare. Ja, das wäre schon cool. Mein Vater war ja immer dagegen, aber jetzt konnte er nichts sagen.
 

Ein breites Grinsen legte ich auf meine Lippen, weil es sich für mich wie ein kleiner Sieg anfühlte. Es war perfekt. Diese kleine Welt war hell und freundlich. Um mich herum wuselten lauter kleine Avatare und ich spürte, wie ich mich verloren fühlte.
 

Wo blieb das Tutorial? Wer konnte mir sagen, wo ich hin musste? Was musste ich jetzt tun? Es vergingen Minuten und es passierte nichts. Keiner half mir und ich starrte nur auf meinen kleinen Avatar, der fröhlich auf und ab wippte. War das wirklich der Ernst dieses Spieles? Echt jetzt? Kein Wunder, dass es meine Schwester blöd fand! Scheinbar hatte sie direkt mal Recht!
 

Gerade wollte ich mich ausloggen und es ad Acta legen, da blieb neben mir ein braunhaariger Junge stehen und es öffnete sich ein Chat-Fenster: „Du wirkst verloren. Kann es sein, dass du neu bist?“
 

Ich traute meinen Augen nicht. Auch sein Avatar hüpfte mit einem grenzdebilen Dauergrinsen auf und ab, während sich schon eine neue Nachricht ankündigte. „Hallo? Bist du vielleicht afk?“
 

Afk? Was bedeutet denn das? Auch für Kino? Abseits für Kicker? Allein für Kinder? Irgendwie ergaben diese Übersetzungen alle keinen Sinn, wodurch ich mir einen Ruck gab, um ihm schließlich zu antworten.
 

„Ähm, keine Ahnung, was das bedeutet. Aber ja, ich bin neu hier. Ich warte noch auf mein Tutorial.“
 

Sein Avatar begann plötzlich zu lachen. Wie war denn das möglich? Sofort begann ich den Bildschirm abzusuchen, doch bevor ich zu einem Ergebnis kam, erreichte mich eine neue Nachricht: „Das gibt es hier nicht. Hallo? Fürs Leben gibt es auch keine Gebrauchsanweisung. Wie ich sehe, hast du als Lieblingsinstrument das Schlagzeug angegeben. Das trifft sich echt gut! Wir suchen noch einen Drummer! Magst mitkommen? Dann stell ich dir die anderen vor! Bewegen tust du dich mit den Pfeiltasten auf deiner Tastatur. Neben dem Nummernblock.“
 

Also jetzt kam ich mir wirklich selten dämlich vor. Natürlich wusste ich, wo die Pfeiltasten waren und am Liebsten hätte ich ihn geantwortet und wollte gerade tippen, als sein Avatar schon davon eilte. Ich kam gar nicht dazu, sondern stürzte ihm sofort hinterher. Er führte mich an einigen Häusern vorbei.
 

„Das sind alles Bandhäuser. Ab einen bestimmten Level kann sich jede Band eines bauen. Vorher muss man schauen, wo man unterkommt oder checkt in der Herberge ein. Keine Angst. Wir haben schon eines. Eigentlich waren wir lange sehr erfolgreich hier. Aber dann sind der Drummer und unser Gitarrist abgehauen. Einfach so. Na ja, jetzt haben wir ja dich gefunden und einen Gitarristen finden wir bestimmt auch ganz schnell.“ Erneut lachte sein Avatar und ich versuchte herauszufinden, wie er das anstellte, doch als ich ihn das fragen wollte, hätte ich ihn beinahe verloren. Dafür war später auch noch Zeit.
 

Die Häuser waren wirklich sehr unterschiedlich. Von quietschpink und puderrosa bis hin zu total düster und gruselig. Ich wusste nicht auf was für ein Haus ich hoffte, doch ich wollte weder das Eine noch das Andere und musste erst noch überlegen welches davon schlimmer sein würde.
 

„Dein Name ist Gabriel? Sehr interessanter Nick und es wundert mich, dass er noch nicht vergeben war. Hat das eine Bedeutung? Ach ja, die Namen siehst du, wenn du mit der Maus auf die Avatare gehst.“
 

Ich wollte antworten, doch es ging nicht. Erneut begann sein Avatar zu lachen und langsam begann ich das auch zu hören. Ich wusste, dass es Einbildung war, doch irgendwie konnte ich mich nicht dagegen wehren.
 

„Du kannst auch Doppelklick auf mich machen, dann verfolgt dein Avatar meinen automatisch.“ Endlich mal eine brauchbare Erklärung. Sofort tat ich, was er verlangte und ich konnte ihm antworten.
 

„Ich mag den Namen und die Engelsfigur dahinter einfach. Wie kamst du auf deinen Nick?“ Er wirkte sehr nett auf mich und so wollte ich das Gespräch durchaus weiter ausbauen.
 

„Tayaka? Zufall. Ich hatte schon so viele Namen ausprobiert, die mir gefallen hätten und irgendwann habe ich nur noch irgendwas aneinander gereiht, was gut klang. Das war der erste Name, der funktioniert hat. Na ja, du hast Glück. Bist gerade nach einer großen Ausmistaktion gekommen. Deswegen war der Name wahrscheinlich schon wieder frei gewesen.“
 

„Kann durchaus sein. Wie hättest du dich denn gerne genannt?“
 

„Ich? Öhm, das weiß ich gar nicht mehr. Akiko glaub ich.“
 

„Bevorzugst du die japanische Kultur?“
 

„Nur bedingt. Aber ich finde den Klang ihrer Namen schön.“
 

Sein Avatar grinste ein wenig breiter und dann fiel mir ein, dass ich ihn ja deswegen fragen wollte. Jetzt konnte ich ja endlich.

„Wie machst du das? Also, dass sich dein Avatar verändert.“
 

„Mit Kurztasten. Du kannst im Menü ein paar Kurztasten aussuchen und unter anderem darauf Emotionen speichern. Das erkläre ich dir alles später genauer, wenn es dann auch um das Spielen und so geht.“
 

„Okay. Danke, dass du mich angesprochen hast. Ich wollte eigentlich schon gehen.“ Ich spürte, wie meine Wangen wärmer wurden und plötzlich zuckte ich erschrocken zusammen.
 

„Was spielst du da, Bruderherz? Ist das nicht, dieses Music Heroes? Ist doch total öde!“ Meine Schwester beugte sich über meine Schulter und ich fühlte mich auf seltsame Weise ertappt, wodurch mir erst einmal die Worte fehlten.
 

„Na ja, versuch dein Glück, aber du wirst das auch noch rausfinden.“ Sie klopfte mir nur kurz auf die Schulter und verschwand dann wieder. Ich ignorierte die Chartsmusik, die aus dem Fernsehr dröhnte und das aufgebrachte Schnattern ihrer Freundinnen. Ob das Spiel auch auf den Smartphone lief?
 

„Na, da kam ich ja gerade rechtzeitig. Drummer sind nämlich richtig schwer zu finden. Gitarristen gibt es wie Sand am Meer. Jeder will einer sein. Aber eine Band braucht nicht allzu viele.“ Sein Avatar seufzte und er lief dann weiter. Schließlich kamen wir bei einem Haus an, das eher unscheinbar wirkte. Seine Fassade war weiß und das Dach mit schwarzen Ziegeln bedeckt. Auch der Zaun drum herum wirkte sehr unauffällig. Nur die Fenster und die Tür waren in einem sehr alten, gothischen Stil gehalten. Viele Verschnörkelungen und dunkle Muster. Der Türklopfer war ein Ziegenschädel, doch Tayaka trat einfach ein und so folgte ich ihm. In ein Leben, das mich vor der Wirklichkeit ein wenig retten sollte...



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück