Ein unruhiges Erwachen
Ich kenne die Geschichte. Naja, jeder kennt die Geschichte, denn in den Schulen wird sie den Kindern schon früh gelehrt. Doch kaum ein Lebender kennt sie so gut wie zum Beispiel ich. Kein Mensch dieser Stadt und dieses Landes hat sie so oft hören müssen wie ich. Immer und immer wieder wurde sie mir erzählt: die Geschichte vom Aufstieg des Sakiko-Clans und dem Ende der Kyofu-Dynastie durch den Fall des Chiyo-Clans vor 20 Jahren. Der Beginn eines neuen Zeitalters, wie man mir immer sagte.
Doch außer den zahlreichen Büchern über die Heldentaten von Yusei Sakiko gibt es dafür wenige Beweise und da ich damals noch nicht geboren war bin mir nicht einmal sicher, ob das alles auch so stimmt. Irgendetwas muss ja dran sein, wenn man es schon den Kindern in den Kopf pflanzen lässt. Wie auch immer, dadurch wurde jedenfalls eine neue Ära eingeleitet, die „Ära des Friedens und Wohlstandes für das große königliche Reich Rikuota“, wie Gelehrte es immer nennen. Bisher habe ich davon jedoch noch nichts gesehen. Es leben noch immer tausende hungrige Männer, Frauen und sogar Kinder in den Gassen von Rikuyosai, aber Hauptsache die riesige Stadtmauer ist nach der Belagerung von damals vollständig repariert. Ich weiß es, denn ein Mädchen aus der Stadt erzählte es mir einmal. Ich kenne ihren Namen leider nicht aber sie war sehr nett zu mir. Und aus ihrem Mund klangen die Worte glaubwürdiger als die aus den Büchern.
Soviel dazu, vielleicht sollte man es einfach in „Ära einer erfolgreichen Belagerung“ nennen.
[…]
Es war spät am Morgen, als der blondhaarige durch ein wiederholtes Klopfen aus dem Schlaf gerissen wurde.
„Yuki-sama, sind Sie wach?“
Die Stimme, welche hinter der Schiebetür zu ihm drang, war dem Jungen sehr bekannt. Es war einer der zahlreichen Bediensteten des Hausen, in dem Fall die für ihn persönlich zuständige Dienerin Miu.
„Ihr Bruder wünscht Sie in 5 Minuten im Lehrzimmer zu sehen. Er klang nicht sehr erfreut, Sie sollten ihn besser nicht warten lassen..."
