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Dilector Diaboli

von

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4. Kapitel
 

 
 

 

Lange hatte ich mir mit dem Fällen einer Entscheidung Zeit gelassen. Dabei wusste ich, dass mein Weg längst vorgezeichnet war und für mich kein Rückzieher infrage kam, wenn ich denn wollte, dass es meiner Mutter besser ging.

Mir war schmerzlich bewusst geworden, dass Cari mich in der Hand hatte, mit mir spielte wie mit einer Marionette, die nach seinem Gusto mit den Armen und Beinen wackelte, solange er an den rechten Fäden zupfte. Allerdings fühlte sich meine Untertänigkeit ihm gegenüber sowie die Hingabe, welche ich ihm entgegenbrachte, mit jedem Tag besser an, traf ich ihn doch weiterhin in meinen Träumen und ließ mich zu ihm fallen, in seine dunklen Abgründe und perversen Sünden.

Ich hätte lügen müssen, hätte ich behauptet, dass er nicht zu einem wichtigen Teil meines Lebens geworden war. Ja, momentan stellte er gar meine schwarze Sonne dar, um die ich Tag wie Nacht meine Bahnen zog, die meine intimsten Gedanken bevölkerte und alles andere zu überschatten wusste. Die Eishockeymannschaft, der ich angehörte, verspielte einen Sieg nach dem nächsten, und dies nur aufgrund meines Kopfes, der stets in den Wolken hing und alles andere für unwichtig erklärt hatte außer dem attraktiven Teufel.

Aber ich ahnte bereits, dass mein Leben nie wieder so sein würde, wie es vor der Begegnung mit ihm war. Schließlich dürstete ihm nach nichts Geringerem als meiner Seele, der stärksten Macht auf Erden, meiner ureigenen Lebensenergie. Ich würde ihm mit meinen Versprechen erlauben, auf ewig über sie verfügen zu dürfen, sie zu manipulieren, wie es ihm beliebte und sie womöglich sogar aus meinem sterblichen Körper zu reißen, wenn es für ihn so weit war, das Zeitliche zu segnen.

Doch dann begriff ich, dass mein Geist mir schon jetzt nicht mehr gehörte. Dass Cari mich längst auf wunderschöne Art und Weise krank gemacht hatte.

Ein Sklave war ich nur mehr seit der ersten Sekunde unter seinen Blicken. Sein fanatischster Jünger. Und nichts weiter als teuflisches Eigentum, dem keine Alternative mehr blieb.

 

 

Nie mehr hatte ich Gottes Boden betreten wollen. Und doch hatte mich das Schicksal erneut hierher geführt, an diesen längst geschändeten Ort mit den zum Dunkel bekehrten Engeln, deren Seelen in Statuen gefangen gehalten wurden und dem Ganzen ebenso wehrlos wie ich gegenüberstanden. Nein, nicht das Schicksal hatte es gewollt, dass ich mich ein zweites Mal in den nun unheiligen Hallen einfand, sondern ganz allein die Verkörperung der Sünde, welche mein Erscheinen offensichtlich mit purer Gewissheit herbeigesehnt hatte.

So, wie ich mit bangem Herzen und dem Gefühl der Endgültigkeit den ersten Fuß auf den blütenweißen Marmor setzte, erhob der in seine schwarze Kutte gekleidete Mann seine Arme und zeigte mir somit eindrücklich, was ihm seinen Namen verliehen hatte.

Crow. Die Krähe. Jene Karte, die dem Tarot zu fehlen schien, und die demjenigen, dem sie gelegt worden wäre, bei weitem nicht so wohlwollende Dinge mit auf den Weg gegeben hätte wie all die anderen Figuren, der Narr, der Hierophant und der Eremit. Doch auch wenn sie mir Licht, nichts als Licht versprochen sowie mich dazu ermutigt hatten, meinen innerem Gott Ausdruck zu verleihen, so war mir doch klar geworden, dass auch sie nur Besessene darstellten, die dem Satan dienten und ihm mich ausgeliefert hatten.

Ihm, meinem Verderben.

Und gleichzeitig meiner Erfüllung.

 

Der Zeremonie sollte selbstverständlich vor den Augen der Gemeinschaft jener Stockholmer Satansjünger seinen Lauf nehmen, die ich bereits am Heiligen Abend mehr oder minder hatte kennenlernen dürfen. Im Grunde stellten sie eine gesichtslose Masse dar, ohne Identität, und nun fragte ich mich auch nicht mehr, weshalb sie derart uniform wirkten und nie ihren Blick hoben, sondern immer nur ihr Gebet sprachen, tagaus, tagein ihrem Herren huldigten. Weil auch sie seinen Manipulationen zum Opfer gefallen waren. Weil auch sie ihm ihre Seelen verschrieben hatten. Ausgeschaltet hatte er sie, wie Automaten, ihnen das Gewissen genommen sowie ihren eigenen Willen.

Doch ich würde keiner von ihnen werden. Ich würde mein Ich weitestgehend behalten dürfen. Weil er es liebte. Weil ich seine größte Sünde war. Und womöglich seine einzige Schwäche.

 

Mit jedem Schritt, den ich auf meinen Herrn zumachte, fühlte ich mich befreiter von meinen Zweifeln. Es war, als würde er sie mir aus meinem Hirn saugen, genau wie die Erinnerungen an meine Liebe zu Emelie und jegliche Reue, die ich wegen all meiner Fehltritte empfand.

Leichtigkeit durchflutete mich, Leichtigkeit in meinen Gliedern sowie in meinem Herzen, gemischt mit dem demütigen Gefühl der Ehrfurcht und dem warmen der immerwährenden Treue.

So wie ich schließlich vor ihm stand, senkte ich ergeben mein Haupt.

"Gebieter", hauchte ich und empfing zugleich seine Segnung, indem er die gespreizten Finger seiner Hand über meinen Scheitel hielt.

"Mögen deine Schönheit und deine Herrlichkeit für immer mit dir sein, Kind der Dämonen."

Begleitet von dem feierlich flackerndem Licht der Kerzen trat ich zu ihm auf das Podest empor und ließ meine Blicke flüchtig über sein Gesicht huschen, wobei sich der ernste Ausdruck seiner blassen Augen auf meine Netzhaut brannte und ich dort noch immer ihr Abbild trug, als mein Herr erneut das Wort ergriff.

"Enthülle nun deine körperliche Pracht, Jünger."

Trotzdem sich die Blicke aus tausend tote Augen auf mich gerichtet hatten, zögerte ich nicht und kam dem Wunsch meines Gebieters nach, streifte meine Kleidung ab und entblößte somit meine nackte Haut. Dennoch fühlte ich mich auf wundersame Weise nicht einmal nackt, wahrscheinlich, weil zwischen Cari und mir ohnehin nie eine Barriere bestanden hatte, die uns zu trennen wusste, seinen Körper und meinen Körper sowie seinen und meinen Geist. In meiner Ohnmacht waren wir miteinander verschmolzen, und dass ich mich ihm ohne Klamotten am Leib präsentierte, fühlte sich wie das Natürlichste auf der Welt an. Nur die züngelnden Flammen hüllten mich in ihr warmes Licht und malten verführerische Schatten auf meine blasse Haut.

"Nun knie nieder, wenn du keine Zweifel mehr an deiner Liebe zu mir hegst, Jamie Anderson."

Nun begannen sich die Szenen aus meinem Traum einmal mehr in blanke Realität zu wandeln. Ich, zu den Füßen meines Gebieters hockend und mich fühlend wie ein Wesen, dem man die Menschlichkeit entzogen hatte und von dem nicht mehr als der animalische Teil seiner Selbst übrig geblieben war. Unterschwellige Lust kroch in mir empor, kaum, dass ich meine Position eingenommen hatte, ein dumpf pochendes Gefühl, das mich umso heißer durchströmte, desto sicherer ich die Blicke der Anwesenden auf mir ruhen wusste. Noch nie in meinem ganzen Leben hatte ich solch einen Stolz auf meine eigene Person empfunden, ebenso wenig auf meinen nackten, so makellosen Körper, denn mein Herr hatte mir mein herrlich blühendes Selbstbewusstsein geschenkt, in jenem Moment, in welchem er mich zu seinem Liebling erwählte. Sollten sie mich doch alle ansehen und sich an meine Stelle wünschen, die ihnen selbstverständlich nicht gebührte, derer nur ich allein gewachsen war aufgrund der diabolischen Reize meines Körpers, welcher nun genau wie meine Seele seinen Besitzer finden sollte.

Gar weiches Leder schmiegte sich um meinen Hals, gearbeitet zu einem schwarzen Band mit silberner Schnalle und großem Ring an der Front, in welchen Cari eine Kette hakte, so wie ich sein Geschenk brav und ohne jeglichen Protest empfangen hatte. In dieser Position verharrten wir eine Weile und blickten uns in die Augen, Herr und Sklave, Meister und Bediensteter, Teufel und Mensch. Nichts weiter trennte unsere Seelen mehr bis auf ein kleines Detail, das mich für immer als sein Eigentum zeichnen würde.

"Sprich nun deinen Schwur", bat mich Cari, und ich begann daraufhin monoton zu psalmodieren, mittels Worten, die ich aus meinen Gedanken las wie aus einem Buch.

 
 

"Mein großer Gebieter, mein hoher Herr,
 

sollst du auf ewig mein Licht im Dunkeln sein, meine Dunkelheit im Licht.
 

Vereint ist mein Ich mit deiner abtrünnigen Magie, welche mich an dich schweißt.
 

Sei meine Versuchung, mein Glück und mein Verderben in Ewigkeit, so wie ich der Sklave deiner Macht, der Untertan deiner Entscheidungen und der Diener deiner Lust sein werde.
 

Shemhamforash."
 

 
 

Meine ehrerbietenden Worte sollten reich belohnt werden.

Als ich geendet hatte, schob mein Herr behutsam seine Hand unter mein Kinn und hob es empor, aber nicht in dem Ansinnen, sich an meinen schönen Zügen zu weiden. In der freien Hand hielt er einen Stab, ähnlich einer Zigarette, nur wurde diese nicht aus Eisen gefertigt und ließ sich nicht mit einem gemurmelten Zauberspruch entzünden, damit ihre Spitze genau wie die dieses Instrumentes ein rötliches Glühen aussandte.

"Hiermit beschließe ich es", entschied er, woraufhin ich meine Augen schloss und es tapfer über mich ergehen ließ, wie er meine Stirn mit einem aus drei gezackten Linien bestehenden Zeichen versah. Der Schmerz war präsent, riss jäh an meinen Nerven, doch ich wusste ihn zu ignorieren, floss durch meine Adern doch nichts mehr weiter als die mir einverleibte dämonische Kraft, die jegliche Angst und auch das kleinste Hadern ausgelöscht hatte.

Einfach alles, was früher einmal menschlich gewesen war.

 



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