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Kalkórov

Winter
von

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Der Thronsaal in Kalkoróvs Hauptstadt war zu dieser Zeit häufig mit Menschen und anderen Bewohnern des Königreiches gefüllt, die, wären es andere Zeiten, ihn nie von innen gesehen hätten. Denn seit dem ersten König war das Volk nicht mehr durch die steinernen Bögen und die schweren Eichentüren gewandelt um Hilfe und Rat zu erbitten. Doch Sitten konnten und mussten sich in manch einer Zeit ändern.

Die kahlen Steinwände des Saales wurden von mehreren kleinen Öfen erhellt und beheizt. Den Winter hielten sie nicht fern, dennoch hinterließen sie ein Gefühl von Geborgenheit und Wärme. Doch in diesen Tagen konnte auch das tröstliche Knistern der Öfen die Königin nicht beruhigen. Denn immer mehr wandelte der Winter durch die Wälder Kalkoróvs. An sich war das nichts ungewöhnliches, denn der neue Winter brach an und mit ihm die Zeit der langen Dunkelheit, doch für gewöhnlich hielt sich der Winter in Kalkoróv und wandelte nicht durch die Ebenen Larudiens oder durch die Wälder Lándas. Unruhig schritt die Königin nun durch den Saal und erwartete Meldung aus Naraak. Sollte der Winter auch dort bereits anwesend sein, so musste sie ernsthaft überlegen, wie sie Handeln sollte. Sie sah aus einem der Fenster. Das bunte Glas verzerrte das Bild der Außenwelt und ließ die dunklen Nadelwälder nicht mehr allzu bedrohlich aussehen.

„Königin Julia von Kalkoróv?“ Die Königin wandte sich der Stimme zu und sah sich die junge Frau vor sich genauer an. Die braunen Haare waren in einen lockeren Zopf geflochten, zwar fielen dabei ein paar Strähnen in ihr Gesicht, verdeckten aber keinesfalls die stechenden, grünen Augen. Ihre Mandelform ließ auf eine Herkunft nahe Naraak schließen. Auch ihre Kleidung sprach für diese Herkunft. Sie trug die dunkle Kluft der Nomaden, die mit allen Arten von Lederbändern an Armen und Beinen stramm gezogen wurde. Julia lächelte. „Die Botin aus Naraak. So sagt was ihr zu sagen habt und begebt euch dann auf euer Zimmer um euch auszuruhen, die Reise und der Winter werden euch erschöpft haben.“ „Zweifelsfrei bin ich diese Temperaturen nicht gewöhnt und ich danke für euer Angebot einer Unterkunft, allerdings wäre es für mich angenehmer, meine Katze bei mir zu haben, denn auch sie ist diese Temperaturen nicht gewöhnt“, bat sie indirekt. Die Königin nickte und deutete mit einer Hand auf einen der Wachposten an der Tür. „Lasst ihre Gefährtin herein bringen“

Dankbar nickt die Botin und verneigt sich: „So ist es wohl an der Zeit mich vorzustellen und meine Neuigkeiten mit euch zu teilen. Ich bin Asami, aus dem Clan der Lúz, der Schatten. Wie ihr sicher bereits wisst, schickte man mich um Meldung über den Winter und seine Ausbreitung zu machen.“ Asami sah aus einem der bunten Fenster und seufzte. „Leider kann ich euch keine guten Nachrichten bringen. Zwar hat sich der Winter in der Wüste noch nicht eingenistet, so wie in großen Teilen der anderen Königreiche, aber wir spüren ihn bereits. Es wird Tag um Tag kälter“, in die letzten Worte legte sie die Klage der Menschen Naraaks und sah die Königin mit stechenden Augen an. Natürlich war die Königin Kalkoróvs sich bewusst, dass die Menschen der anderen Reiche sie verantwortlich machten. Es war schließlich ihre Aufgabe gewesen den Winter in den Bergen zu behalten. Sie seufzte und strich mit den Fingern an dem bunten Glas entlang. „Verzeiht mir Asami aus dem Clan der Lúz. Wir werden uns darum kümmern.“ Asami nickte, fixierte die Königin aber weiter mit den Augen. "Ich möchte wirklich nicht unhöflich euch und eurer Gastfreundschaft gegenüber erscheinen, aber dennoch würde ich mich wohler fühlen, wenn ich jetzt schon abreisen könnte“, erklärte Asami. Wieder seufzte Julia und nickte resigniert. „Nun wenn das so ist, dann sollt ihr eine Begleitung aus den Reihen der Meinen bekommen, Asami von den Lúz“, antwortete die Königin und sah aus einem der bunten Fenster, an das sie heran getreten war, während Asami ihr die Lage Naraaks erklärt hatte. „Wenn es euch nichts ausmacht, Herrin, so würde ich meine Begleitung gerne selbst auswählen", bat Asami und deutete eine Verbeugung an. Obgleich Asami die Königin für das Problem mit dem Winter verantwortlich machte, so wusste sie dennoch, dass sie nur aufgrund ihrer eigenen Gefühlslage die Regeln am Hofe nicht vernachlässigen durfte.

Die Königin sah Asami eine Weile an, nickte und machte eine verwerfende Handbewegung. „Wie ihr wünscht. Ich werde einige meiner Leute auf dem Hof versammeln lassen. In ein paar Stunden sollten sie bereit sein euch gegenüber zu treten.“ Damit wandte sie sich wieder dem Fenster zu und fuhr mit den Fingern über das bunte Glas. Erneut verneigte Asami sich und wandte sich zum Gehen. Ihre Schritte hallten in dem riesigen Saal und ließen ihn größer erscheinen als er es wirklich war. Sie drehte sich noch einmal um und betrachtete die Wände, an denen das Feuer tanzt, als wolle es sie verabschieden. Asami lächelte. Es war ein kleines Lächeln und von solch einer kurzen Dauer, dass es vermutlich niemand bemerkt hatte. Als sie die schweren Eichentüren aufschob, legte sie den Kopf schief, als sie eine junge Frau neben ihrer Katze sitzen sah. Die hatte es sich in einem der vielen inneren Gärten des Schlosses gemütlich gemacht. Und streckte sich auf dem Gras aus. Das Licht, das aus den Dachfenstern herabfiel schillerte auf dem schwarzen Pelz der Katze und in den braunen Locken der jungen Frau. Asami war sich nicht sicher, wer diese Frau war und ob sie sich der Gefahr bewusst war, die von der Katze ausging.

„An eurer Stelle wäre ich vorsichtig, sie könnte euch eures Armes entledigen und das mit nur einem Bissen“, riet Asami der jungen Frau und ließ sich neben ihr im Gras nieder. Es war ein Rätsel für Asami, wie die Menschen hier an diesem kalten Ort so wunderschönes grünes Gras heran ziehen konnten.

Die junge Frau nickte, strich aber weiter durch das Fell der Katze. Diese hatte ihre gelben Augen geöffnet und sah zwischen Asami und der jungen Frau hin und her. Noch eine Weile beobachtete Asami sie, bevor sie eine Augenbraue hochzog. „Wie, bei allen Göttern seid ihr auf die Idee gekommen, eine riesen Katze zu streicheln?“, fragte sie und sah der jungen Frau in die Augen. Sie verzog das Gesicht und grinste, wie es sonst nur kleine Kinder taten, wenn sie von ihrer Mutter bei etwas erwischt wurden, was sie besser nicht hätten tuen sollen. „Nun ihr Fell sah unglaublich weich aus. Und meine Finger sind nur das harte und stumpfe Fell der Wölfe und Kampfhunde hier aus Kalkoróv gewöhnt“, erklärte sie und fuhr mit ihren Fingern durch das weiche Fell der Katze. „Und wegen der Klauen und Zähne solltet ihr euch keine Sorgen machen, ich richte die Wölfe und Hunde für die Armee ab“, fügte sie hinzu, sah aber nicht von dem Fell auf. Asami nickte. Sie hatte schon von den Wölfen und Hunden der Armee Kalkoróvs gehört. Angeblich waren es riesige Biester, größer als ihre Katze selbst. Gefährlich machte sie aber die Tatsache, dass sie nur auf ihren Herren hörten und eher starben, als ihn zu verlassen oder zu fliehen. Eine Eigenschaft, die auch die riesen Katzen Naraaks besaßen. Dennoch konnte Asami an den Armen und Händen der Frau Spuren und Narben von Klauen und Zähnen erkennen. Sie fragte sich, ob es nur eines dieser Biester gewesen war oder mehrere. „Nur der Vollständigkeit halber“, murmelte Asami und neigte den Kopf, „Asami aus dem Clan der Lúz, von Naraak. Und das ist meine Gefährtin, Manou.“ Als sie ihren Namen hörte, stellte die Katze ihre Ohren auf und legte den Kopf schief.

Die junge Frau lächelte und neigte den Kopf ebenfalls. „Saíla von Kalkoróv“, antwortete sie, griff mit der einen Hand nach Asamis und mit der andern nach ihrem Ellbogen. Saíla zog Asami zu sich und Asami erwiderte den Griff mit einem breiten Grinsen. Diesen Griff kannten nur die Krieger Tamrás. Und so sehr sie sich während der Kriege zu hassen gelernt hatten, so wahrte man doch den Respekt vor einander.

„Ihr seht nicht aus wie eine Kriegerin“, wunderte Asami sich und zog eine Augenbraue hoch. „Ich wurde dazu ausgebildet, aber das war nicht mein Weg“, erwiderte Saíla und zuckte mit den Schultern. Eine Weile saßen sie so in dem überdachten Garten und ahnten nichts von alldem, was noch kommen würde. Denn wenn Asami oder Saíla gewusst hätten, was kommen würde, so wären sie zweifelsfrei von Anfang an andere Wege gegangen. Aber es ist wahrlich noch zu früh um von solcherlei Dingen zu sprechen.
 

Irgendwann erhob Asami sich und mit ihr Manou. Saíla sah zu ihr hoch, bevor sie sich ebenfalls erhob. „Möge Euer Weg Euch sicher in Eure Heimat zurück führen“, murmelte Saila und verbeugte sich, bevor sie in einem der Gänge verschwand. Asami seufzte und sah aus einem der bunten Fenster. Es hatte begonnen zu schneien und allein bei dem Gedanken an die weißen Flocken lief Asami ein Schauer über den Rücken. So sehr sie sich auch kühles Wasser gewünscht hatte, als sie durch die Wüste gezogen war, so sehr verabscheute sie den Schnee. Und je länger sie in diesem Land aus Eis und Schnee war, desto mehr wünschte sie sich die trockenen Wüsten Naraaks wieder. Tatsache war, dass so sehr sie es auch versuchte, ihr keine Art der Beschäftigung einfiel und so endete ihre Suche nach einer Beschäftigung damit, dass sie durch die Gänge des Schlosses streunte und sich umsah. Allerdings bemerkte sie schnell, dass die Wärme, die im Thronsaal geherrscht hatte keines Falls in den Gängen herrschte, denn in den Gängen von Kalkoróvs Palästen fanden sich nur vereinzelt Öfen. Die Tatsache, dass man hier fast ausschließlich Felle trug, machte es auch nicht erforderlich, alle Gänge zu heizen. Zudem waren viele Häuser in Kalkoróv niemals beheizt, weshalb die Menschen hier die Kälte gewöhnt waren. Brennholz war teuer und nicht jeder konnte es sich leisten und so wählten viele Menschen dickere Felle an ihrer Kleidung als dieses Geld zu verschwenden. Nur war Asami es nicht gewöhnt und sie wünschte sich jetzt gerade nichts mehr als ebenfalls einen Pelz wie ihre Katze zu tragen. Und auch wenn es nicht ihre Art war sich der Artige Dinge zu wünschen, so würde sie jetzt alles für einen Pelz tuen, denn sie war sich sicher, dass wenn sie sich nicht bald aufwärmen würde, ihre Hände und ihre Nase abfrieren würden.

Als Asami in den Innenhof des Palastes trat, hatten sich bereits einige Männer und Frauen in schweren Eisen- und Stahlrüstungen versammelt. Asami besah sich jeden einzelnen von ihnen, blieb aber auf der Erhöhung stehen. Letztlich war es ihr egal, wer mit ihr reiste. Denn sie verstand die Männer und Frauen des Nordens nicht, sie waren ihr zu sehr auf die körperlichen Stärken konzentriert und schienen nie mehr zu tun, als das wofür man sie bezahlte. Es sei denn es ging um ihre Familie, und diese Eigenschaft schätzte Asami sehr, denn im Zusammenhang mit ihrer Familie würden sich die Männer und Frauen des Nordens mit drei ausgewachsenen Schneebären schlagen. Tatsache war, dass es diesen Zusammenhalt in den einzelnen Clanen und Familien in Naraak nicht gab. Oft schon gab es Kriege innerhalb der Familien, nur aufgrund von Verrat der Familie. Natürlich blieben auch die Lande Kalkoróvs von solcherlei Kriegen nicht verschont, doch nahmen sie andere Ausmaße an, da sich hier oft ganze Clane gegenüber standen.

Um in der Geschichte fortzufahren, sollten wir uns wieder Asami zuwenden. Sie wusste um die einzelnen Clane und Familien und erkannte in der Menge die einzelnen Gruppen. Zwar trug keiner von ihnen das Wappen eines Clans, doch verriet ihre Körperhaltung, wer von ihnen zu wem gehörte. Asami erkannte sogar, wen die einzelnen Gruppen akzeptierten und wen nicht, aber das war wahrlich nicht schwer. Denn hier griff das alte Sprich Wort des "tötenden Blickes". Asami seufzte. Wenn sie ehrlich war, so wollte sie lieber keinen von diesen Kriegern mitnehmen. Denn Tatsache war, dass auch ihre Katze nicht allzu begeistert war, sie hatte sich in einer lauernden Haltung hingekauert und zeigte ihre Zähne. Asami sah sie noch eine Weile an, bevor sie ihr durch das schwarze Fell strich. „Interessant. Du scheinst auch niemanden von ihnen zu wollen“, murmelte Asami und sah noch einmal in die Menge der Krieger. „Oder hast du dich schon entschieden?“, fragte sie und sah in die gelben Augen ihrer Katze. Manou sah sie weiter an, entspannte sich und zeigte ihre langen Zähne auf eine Art, die einem Lächeln gar nicht so unähnlich sah. „Nun, bis jetzt hat uns wohl noch niemand bemerkt, wir könnten also noch verschwinden. Vorausgesetzt, du weißt wo sich deine Wunschbegleitung aufhält“, flüsterte Asami, behielt aber die Krieger im Auge. Langsam drehte sich ihre Katze um und trottete auf die schwere Tür zu, durch die sie gerade noch in die Kälte getreten waren.

Asami seufzte. Schon wieder. Wenn das so weiter ging, so dachte sie, dann würde es nicht mehr lange Dauern und sie käme gar nicht mehr aus dem Seufzen heraus.

Die Begleitung, die ihre Katze als solche akzeptiert hatte, befand sich offensichtlich nicht unter denen, die sich bereit erklärt hatten mit ihr zu reisen. Das machte diese Angelegenheit für sie nur etwas komplizierter, als sie es sowieso schon war. „Du machst es mir wirklich nicht leicht, Sarljane“, grinste Asami und sah sich nach jemandem um, dem sie sagen konnte, dass sie keinen der Krieger mitnehmen würde. Sie sprang von dem kleinen Vorbau auf dem sie gestanden hatte und lief durch die Gruppen der Krieger, um sich einen General oder einen andern hohen Offizier zu suchen.

Nach ein paar Minuten gab sie es auf und setzte sich auf den Boden. Keiner der Krieger schien sich daran zu stören, dass sie zwischen ihnen hergelaufen war. Allerdings schienen sie sich allgemein nicht für sie zu interessieren, da Asami fast einen Kopf kleiner war als der kleinste von ihnen. Und das war offenbar der Grund, aus dem sie ignoriert wurde. Diese Ignoranz war eine Angewohnheit, die Krieger Kalkoróvs sich über die Jahrhunderte, die sie in ihren Hallen aus Eis und Schnee verbracht hatten, angeeignet hatten. Überrascht legte Asami den Kopf in den Nacken und blinzelte der Sonne entgegen. Sie hätte überall mit der Sonne gerechnet, aber nicht hier, wo der Winter diese Lande doch zu seiner Heimat auserkoren hatte. Und erst jetzt, wo ihr die wärmenden Strahlen ins Gesicht fielen, bemerkte sie, wie sehr sie ihre Heimat und deren warme Sonne vermisste. Denn selbst wenn die Strahlen es hier im Norden schafften, sich durch die Wolkenmasse zu kämpfen, so wärmten sie doch nur ein wenig und glänzte viel mehr auf dem Schnee, als irgendeine Form von Wärme auf der Erde zu hinter lassen. Wobei nicht einmal Asami sagen konnte, dass der frische Schnee nicht wunderbar glänzte. Jetzt wo sie den glänzenden Schnee betrachtete, verstand sie die Sagen und Märchen, die ihr hier schon von Feen und Zwergen im Schnee erzählt wurden. Denn so wie er jetzt glänzte konnte es sich nur um Magie handeln, da war sie sich sicher.

Asami wandte ihren Blick wieder Manou zu, die zwischen den Kriegern unruhig auf und ab ging. Sie lächelte und zog sich ihren Umhang enger um die Schultern als sie aufstand. Denn trotz der Märchen war der Schnee kalt, bitter und die Ernte des Winters.

Sie bedeutete ihre Katze mit einer Handbewegung, dass sie voran gehen solle. Manou legte den Kopf schief, sah Asami für eine Zeit lang an, als wolle sie prüfen, ob sie es ernst meinte und trottete dann in Richtung des Palastes zurück. Geduldig setzte sich Manou vor die große Eichentür, durch die sie gerade erst in die Kälte heraus getreten waren und wartete darauf, dass Asami sie ihr öffnete. Bevor sie gegen die Tür drückte, strich Asami vorsichtig mit der Hand über das grobe Holz und zog sie überrascht zurück, als sie an einem Splitter hängen blieb. Kurz starrte Asami auf ihre Fingerkuppe und drückte einen Tropfen Blut heraus. „Rajé“, murmelte sie und stieß die Tür vorsichtig auf. Als der Spalt gerade breit genug für Manou war, schlüpfte sie hindurch und verschwand in den dunklen Gängen des Schlosses. Obgleich man es nicht mehr als Spalt bezeichnen konnte, denn Manous Schultern reichten bis zu Asamis Brust, und allein Manous Größe ließ auf ihr Gewicht schließen.

Asami kam es vor als ob Manou mit der zunehmenden Länge der Gänge immer schneller und schneller wurde, fast so, als ob sie es kaum noch erwarten konnte ihren Auserwählten zu finden. So kam es, dass Asami irgendwann aus dem entspannten Gehen in einen schnellen Lauf und von dem schnellen Lauf ins Rennen verfiel. Allerdings schlitterte sie alle paar Meter entweder gegen eine Wand oder lief in eine der Kammerzofen, die ebenfalls durch die Gänge eilten, dies aber mit einer höheren Präzision zu meistern schienen als Asami selbst. Mehrere Male schnaubte sie eben deswegen verärgert und lief noch schneller hinter ihre Katze her, selbst wenn sie ihre liebe Mühe hatte mitzuhalten. Letztlich stand sie schwer atmend vor einer riesigen, rot angestrichenen Tür. Sie war so hoch, dass Asami den Kopf in den Nacken legen musste, um den oberen Türrahmen überhaupt zu sehen.

Wann war der Gang so hoch geworden, fragte sie sich und fuhr mit den Augen die prachtvollen goldenen und silbernen Verzierungen der Tür nach. Sie wirkten wie Ranken, die aus den Scharnieren der Tür zu entspringen schienen und über das ganze Holz gewachsen waren. So eine Schmiedekunst hatte Asami noch nie gesehen und als sie die Hand danach ausstreckte, viel ihr auf, dass die Tür nicht einmal aus einfachem Holz gefertigt war. Es war glatt und glänzte mit der Farbe. Solch ein Holz wurde nicht einmal für die Tür am Thronsaal verwendet, nein, diese Tür war nur aus schwerem Holz und einigen Stahlscharnieren gefertigt gewesen. Und selbst im schwachen Schein des Feuers schienen die Rangen zu schimmern und zu glänzen, als würden sie von Tageslicht beschienen werden.

Im Gegensatz zu Asami, die immer noch die Tür anstarrte, hatte sich Manou vor die Tür gelegt und wartete darauf, dass ihre Gefährtin bald damit fertig wurde eine Tür anzustarren. Mit einem leisen Brüllen machte sie auf sich aufmerksam und erhob sich, als Asami sie grinsend ansah. „Lavan de, Sarljane“

Die Tür gab keinen einzigen Laut von sich, als Asami sie vorsichtig öffnete und sich nicht ganz sicher war, was oder wer sich hinter dieser Tür verbarg. Denn wenn sie schon wertvoller aussah als die des Thronsaals…

Was sich ihr hinter der Tür bot, wollte sie allerdings nicht glauben. Sie sah nur auf Bücherregale, die so hoch wie die Decke des Raumes waren und die rote Tür winzig erscheinen ließen, denn das Licht der Fackeln erreicht die Decke nicht mehr. Der Saal war gefüllt mit Bücherregalen, da war Asami sich sicher, denn sie roch neben dem beißenden Geruch des Feuers, das alte Papier der Bücher und eben dieser Geruch schien den des Feuers schon fast zu übertünchen. Das Leder der Einbände hingegen roch sie überhaupt nicht, sein Geruch schien schon von dem des Papier und dem des Feuers geschluckt worden zu sein.

Manou reckte den Kopf in die Luft, schnupperte und trottete in Richtung einer schmalen Gasse zwischen den Bücherregalen los. Plötzlich schien sie es nicht mehr besonders eilig zu haben.

Vorsichtig wand sie sich durch die engen Wege und schien genau zu wissen, wohin sie wollte. Asami hingegen trottete hinter ihr her und besah sich die Decke. Irgendwo musste es eine Art Abzug geben, denn sonst würden erst die Menschen und dann das Feuer hier drin ersticken. Mehrere Male versuchte sie den Weg des aufsteigenden Rauches mit ihren Blicken zu verfolgen, aber er verlor sich jedes Mal in der Dunkelheit. Es war nicht einmal zu erkennen, ob sich der Rauch in einem stillen Wind bewegte. Offenbar sollte das Feuer nur die unteren zwei Meter des Raumes beleuchten.

Als Asami den Blick wieder nach vorne richtete, kauerte Manou sich gerade mit gebleckten Zähnen auf den Boden und pirschte weiter durch die engen Gänge. Asamis Augen verengten sich zu schlitzen, auch sie duckte sich und zog einen glänzenden Dolch unter ihrem Umhang hervor.

Denn ihr müsst wissen, die Katzen in Naraak werden so ausgebildet, dass sie ihre Herren im Notfall beschützen können. Und dazu zählt auch, dass sie rechtzeitig eine Gefahr erkennen konnten.

Zwar ließen sich die Katzen trotzdem streicheln und waren in einem gewissen Maße friedlich, hatten aber offensichtlich ein Gespür für jene, die ihnen nichts Gutes wollten.
 

Aus eben diesem Grund schlich Asami hinter Manou her und hielt einen Abstand von ein paar Metern.

Augenblicke nachdem Manou um eine weitere Ecke verschwunden war, ertönte ein Knurren, das Asami das Blut in den Adern gefrieren ließ. Es musste von einem riesigen Tier stammen, so tief wie es war.

Im schlimmsten Fall einer der riesigen Hunde ohne seinen Besitzer, dachte Asami und schielte um die Ecke. Und tatsächlich stand ihrer Katze ein riesiger Wolf gegenüber. Die Zähne gebleckt und die Ohren aufgestellt, sah er aus als würde er sich jeden Moment auf Manou stürzen wollen. Und sollte es zu einem Angriff seitens des Wolfes kommen, wusste Asami, dass sie und Manou wirklich schnell sein mussten, denn in Größe und Gewicht überragte der Wolf sie. Immerhin reichten seine Schultern etwa eine Handbreit über Asamis Kopf hinweg und dementsprechend massig war sein Körper gebaut.

Und trotz ihrer Abneigung dieser Tiere gegenüber musste Asami sich unweigerlich eingestehen, dass der Wolf auch noch deutlich besser auf die hiesigen Wälder vorbereitet war, denn sein Fell hatte die Farbe der dunklen Kiefernrinde in den Wäldern, wobei ihn, aufgrund des Schnees, nicht einmal die weiße Schnauze hätte verraten können.

Asamis größtes Problem waren allerding die großen Fangzähne, an denen nun der Speichel herunter tropfte. Aber sie konnte sich durchaus das Blut an ihnen vorstellen und sie legte keinen Wert darauf, ihr eigenes oder das ihrer Katze an ihnen zu sehen. Innerlich verglich Asami deshalb die Fangzähne mit der ungefähren Länge ihres Zeigefingers und stellte erschrocken fest, dass die Zähne länger und dicker sein mussten.

„Karáv, was fällt dir ein, Gäste unseres Landes und viel wichtiger unserer Königin anzuknurren und zu bedrohen?!“

Asami wandte ihren Blick erst in die Richtung aus der die harsche Stimme gekommen war, ließ ihn dann aber wieder zu dem Wolf huschen. Der hatte sich winselnd auf den Boden gelegt, die Ohren angelegt und den Schwanz eingezogen. Als die Gestalt zu der Stimme um eine der vielen Ecken kam, konnte Asami nichts von ihr erkennen, da ihr gesamter Oberkörper mitsamt ihrem Gesicht von einem Stapel Büchern verdeckt wurde. Die Bücher wankten gefährlich in den Armen der Gestalt und einige von ihnen drohten herunter zu fallen. Aber kurz bevor das erste Buch fallen konnte, ließ die Gestalt den Stapel auf einen der vielen Tische fallen, wo er schließlich doch umfiel.

„Ich dachte, ich hätte euch besser erzogen, Karáv“, flüsterte die Gestalt und drehte sich zu Asami um. „Es tut mir wirklich leid“, murmelte sie und verbeugte sich. Asami grinste, als sie sie erkannte. „Frau Saíla! Euch hätte ich hier nicht mit so einem Hund erwartet“, grinste sie und deutete auf Karáv. Er bleckte die Zähne und ließ noch einmal ein tiefes Grollen aus seiner Kehle hören, bevor Karáv Saíla mit der Schnauze vorsichtig an den Bauch stupste. „Ist in Ordnung, Junge“, murmelte sie und strich mit ihrer Hand durch das Fell an seiner Seite. Erstaunt darüber, wie schnell sich der Wolf beruhigt hatte, trat Asami ein paar Schritte näher an den Wolf und seine Besitzerin heran. Als sie in Saílas Reichweite war, drehte der Wolf sich wieder zu ihr um und bleckte die Zähne. Halbherzig hob Asami die Hände und sah zu Saíla, die mit der Zunge schnalzte. „Ich wusste ja, dass ihr die Tiere für die Armee abrichtet, aber, dass sie so gut auf euch hören, hätte ich nicht gedacht“, gestand Asami und trat ein paar Schritte zurück. Sie gestattete Karáv den Triumph ihres Rückzugs. Saíla trat vor Asami, sodass sie auf sie herunter gucken musste, denn Saíla war in etwa einen Kopf größer, als Asami. Jetzt setzte sich auch Manou mit aufmerksamem Blick neben Asami und verfolgte jede von Saílas und Karávs Bewegungen. Einen Moment blickte Saíla noch auf Asami herab, bevor sie sich umdrehte und sich daran machte, die Bücher auf dem Tisch zu sortieren. Manou folgte ihr auf dem Fuße. Als Saíla sich auf einen Stuhl fallen ließ, saß Karáv rechts und Manou links von ihr und wie um ihren Besitzanspruch gelten zu machen, rieb die Katze ihren großen Kopf an Saílas Schulter. Asami beobachtete das Ganze eine Weile, versuchte sich dann aber auf die Bücher zu konzentrieren.

Das Feuer der Fackel zuckte und wurde kaum merklich höher, spendete jetzt aber genug Licht, damit sie die Einbände lesen konnte. Saíla schien die Veränderung nicht zu bemerken, oder es interessierte sie nur einfach nicht.

Einige der Bücher waren so dick, dass Asami glaubte, dass mehrere Bücher in ihnen zusammen gefasst seien mussten, andere hingegen bestanden lediglich aus ein paar zusammen gehefteten Blättern und konnten kaum mehr als Bücher bezeichnet werden. Was allerdings auf den Einbänden stand, konnte sie zwar erkennen, aber keinesfalls lesen oder gar verstehen. Denn die Einbände waren mit merkwürdigen Zeichen beschriftet, die sie noch nie zuvor gesehen hatte. Und selbst als Asami eines der Bücher in die Hand nahm und durchblätterte, wurde sie nicht schlauer. Sie runzelte die Stirn.

„Runen. Nur noch wenige können sie noch lesen. Eurem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, könnt ihr es nicht. Aber das ist nicht schlimm, angeblich stammen sie aus der Zeit der vier Könige“, murmelte Saíla und nahm Asami das Buch aus der Hand. Sie nickte und nahm ein anderes Buch in einem bunten Umschlag in die Hand und hielt es Saíla vor die Nase. „Was ist das?“, fragte sie und das Feuer der Fackeln wurde wieder heller. Es knisterte lauter und qualmte weniger.

Saíla sah von ihrem Buch auf und legte den Kopf schief. „Ein Märchenbuch“, erklärte sie und ihre Augen begannen zu glitzern. Allerdings wandte sie sich sofort wieder ihrem Buch zu. Asami schnaubte und knallte die flache Hand auf den Tisch. „Ihr sitzt hier und lest Märchenbücher! Während sich da draußen der Winter auf die Felder, Wiesen und Wälder legt!“, Asami war lauter geworden, als sie es gewollt hatte, aber Saíla war nicht einmal zusammen gezuckt. Sie seufzte, als Asami die Arme vor der Brust verschränkte und schnaubte. Das Feuer, das vorher noch für ein warmes und wolliges Licht gesorgt hatte, warf jetzt dunkle Schatte auf Asamis Gesicht und loderte gefährlich hoch auf. Karáv stellte die Ohren auf, bleckte die Zähne und knurrte, Manou tat es ihm nach und kauerte sich neben Asami auf den Boden. Natürlich spürten sie die plötzlich Spannung in der Luft und ich bin mir sicher, dass jeder von euch sie ebenfalls gespürt hätte.

Saíla jedenfalls spürte sie, zog aber nur die Braue hoch und sah Asami an. „Und was wollt ihr jetzt hören? Was sollte ich eurer Meinung nach tun?“

Asami grinste, denn Saíla hatte ihr mit eben dieser letzten Fragen den Weg geöffnet, sie mit in die Wüsten zu nehmen. Denn sie musste ehrlich sein, bis jetzt hatte sie noch keine Idee gehabt, wie Saíla zu überreden war, mit zu kommen, da sie sich offensichtlich nicht freiwillig gemeldet hatte. „Ihr könntet mich in meine Heimat begleiten“, antwortete Asami. In diesem Moment sah sie einer Katze, die ihre Beute in die Enge getrieben hatte so ähnlich, das Saíla sich mit zusammengezogenen Brauen ansah. „Und ihr glaubt, das würde etwas ändern? Wenn ich mit euch kommen würde? Was würde das am Eis des Winters ändern? Glaubt ihr es würde verschwinden? Sich vertreiben lassen, nur weil jemand aus den kalten Landen anwesend wäre?“, knurrte sie und Asami hörte die Bitterkeit aus ihren Worten heraus. Offenbar hatte sie sich bereits um eine Lösung bemüht und war gescheitert.

„Nein, aber vielleicht könntet ihr helfen. Niemand in den Wüsten vermag sich gegen den Winter zu schützen. Ihr hingegen lebt in ständigem Eis. Wir bräuchten nur…“ „Und warum nehmt ihr dann keinen Architekten oder einen Schneider, einen Schmied! Ja, einen Schmied! Warum mich?“, Saílas Stimme war zum Ende hin leiser geworden und sie sah Asami jetzt aus stechenden blauen Augen an.

Sie erinnerten Asami an den Himmel in Naraak.

Am liebsten hätte Asami Saíla am Kragen gepackt und geschüttelte, bis sie die Sache nicht mehr so trocken sah. Allerdings besann sie sich mit einem Blick auf den riesigen und noch immer aufmerksamem Wolf etwas bessern und ballte ihre Hände zu Fäusten. Das Feuer der Fackeln knisterte unheilvoll und leckte gefährlich hoch an der Steinwand.

„Würdet ihr mit jemandem eine solche Reise antreten, dem euer Hund keine zwei Meter über den Weg traut und ihn eher zerreißen würde, als ihm den Rücken zuzukehren?“ Asamis Stimme klang um einiges ruhiger, als sie sich fühlte. Saíla sah von ihrem Buch auf und versuchte etwas in Asamis Augen zu erkennen. Eine Weile sah sie Asami so an und Asami war sich sicher, dass die junge Frau mit ihren blauen Augen bis in ihre Seele starrten konnte.

Saíla wandte ihren Blick von Asami zu Manou und von Manou zu den Fackeln. „Macht euch für eine längere Reise bereit, Karáv. Ich denke wir werden in die Wüsten reisen.“

Sie strich mit ihrer Hand durch das Fell des Wolfs und erhob sich. Karáv tat es ihr gleich. „Ich werde morgen früh bereit sein“, erklärte sie Asami ruhig. „Warum erst am Morgen? Braucht ihr so lang?“, witzelte Asami mit einem katzenhaften Grinsen. Saíla schüttelte den Kopf und sah noch einmal zu den Fackeln: „Nein, aber die Nächte sind kalt und unbarmherzig. Ich möchte es ungerne darauf anlegen zu erfrieren“, murmelte Saíla und neigte den Kopf, bevor sie mit Karáv hinter einem der Regale verschwand.

Am nächsten Morgen, hatte sich die Kälte der Nacht noch nicht verzogen und der Himmel war von dicken, tiefhängenden Wolken bedeckt.

Asami schmiegte sich enger in ihren Pelzmantel, als sie den kalten Wind durch den Stoff spürte. Die Wolken erinnerten sie an einen grauen durchscheinenden Stoff, hinter dem sich irgendwo der blaue Himmel befinden musste, aber sie hatte ihn seit ihrer Ankunft in Kalkoróv nicht mehr gesehen und fragte sich so langsam, ob er in diesem Land aus Eis und Schnee überhaupt existierte.

Asami zuckte, als eine kalte Schnauze an ihre Hand stupste. „Mal, Sarlja“, murmelte Asami und steckte ihre Hand in die Manteltaschen.

„Ich denke nicht, dass Karáv euch verstanden hat, Asami. Für gewöhnlich sprechen wir nicht mit der südlichen Zunge zu unseren Wölfen“

Als sie sich umdrehte, hätte ihr Herz beinahe einmal ausgesetzt, als sie den riesigen Wolf vor sich bemerkte. Er stupste ihr mit der Schnauze spielerisch in den Bauch und leckte ihre Wange ab. Asami wich ein paar Schritte zurück und sah den Wolf ungläubig an. Manou hingegen bleckte die Zähne und fauchte, bis Asami die Hand hob. „Mal, Sarljane“, murmelte und sah hinter den Wolf zu Saíla. Diese grinste Asami an und zog ein paar Riemen an Karávs Sattel fest. Nachdem sie sich noch einmal alles prüfend angesehen hatte, schwang sie sich mit einer ruckartigen Bewegung auf den Rücken ihres Wolfes und sah Asami erwartungsvoll von oben an. „Ihr könnt doch auf eurer Katze reiten“, fragte sie und legte den Kopf schief. Asami sah sie eine Weile an, schwang sich dann selbst auf den Rücken Manous.

„Es kommt ganz darauf an, ob ihr mit unserem Tempo mithalten könnt“, grinste Asami.

Ihr müsst wissen, dass die Wölfe Kalkoróvs zwar ausdauernder, aber keinesfalls schneller als eine der Katzen waren. Was auch nicht weiter verwunderlich war, wenn man ihren Körperbau betrachtete. Während die Wölfe eher groß und breit gebaut waren, war eine Katze wie Manou eher schmal und wendig. Umso mehr wunderte es Saíla, dass Asami wirklich auf ihr reiten konnte.

Das war einer der Gründe, aus dem sie den Sattel und das Gepäck, das auf Manous Rücken verschnürt war, so misstrauisch ansah. Nicht nur, dass der Sattel einen großen Teil von Manous Rücken einnahm, auch vor und hinter ihm waren mehrere kleine Taschen und zusammengerollte, bunte Decken fest gezurrt.

„Ihr solltet vielleicht vorgehen, immerhin weiß ich nicht wo eure Heimat liegt“, murmelte Saíla und sah aus den Augenwinkeln zu Asami herüber. Sie lächelte leicht und nickte. „Da habt ihr Recht. Ich nehme mal an, dass ihr noch nie in Karzéhan ward?“

Saíla blinzelte ungläubig. „Ihr meint die Stadt aus Sand?“, fragte sie und hörte sich an wie ein aufgeregtes Kind. Asamis Lächeln wurde breiter und sie nickte. „La haran“, raunte sie Manou ins Ohr.

Manou schien zu wissen, wohin sie wollte, denn sie machte sich nicht die Mühe langsam zu laufen, sondern spurtete sofort in Richtung des Haupttores. Einen kleinen Moment lang war Asami sich nicht sicher, ob Karáv mithalten konnte. Aber als sie den Kopf drehte, lief er ein Stück hinter ihnen her und Asami erkannte, dass er den Abstand nicht hielt, weil er zu langsam war, sondern um zu sehen in welche Richtung sie wollten. Mit einem Schnalzen von Saíla holte er allerdings auf.

Saíla deutete nach vorn, nachdem sie den riesigen Steinbogen des Tores durchquert hatten. „Dort hinten liegt die äußere Mauer. Wir werden langsamer reiten müssen, damit die Wachen uns erkennen.“

Asami nickte und zügelte Manous Tempo. „Was haben die Worte von vorhin eigentlich bedeutet? Dieses Sarlan oder so“, fragte Saíla. Asami legte den Kopf schief und strich sich ihre Haare aus dem Gesicht. „Ihr meint Sarlja und Sarljane? Das bedeutet Katze und Kätzchen“, erklärte sie. Saíla runzelte die Stirn. „Und la haran?“ „Nach Hause. Damit meine kleine Manou weiß wohin sie muss. Ich selbst könnte mir den Weg niemals ohne Karte merken. Aber unsere Sarljan haben ein Gefühl dafür“, erklärte sie weiter und sah wieder nach vorne. Mittlerweile konnte sie hinter den Schneewehen die äußere Mauer sehen. Sie zog sich wie ein schwarzes Band durch die weiße Landschaft und begann am einen Ende des Horizonts und endete am anderen. Asami wollte gar nicht wissen, was es für eine Anstrengung gewesen sein musste, so etwas mitten in eine Schneewüste zu bauen. Und je näher sie kamen, desto höher wurde sie, bis Asami schließlich den Kopf in den Nacken legen musste, um den oberen Rand zu sehen.

„Wer da?“, erklang es von oben. Da Asami wusste, dass sie nicht gefragt wurde, überließ sie das Antworten lieber Saíla. „Saíla aus Kalkoróv und Asami von den Lúz aus Naraak. Wir reisen in die warmen Lande“, rief sie hoch und wartete, bis das schwere, schwarze Tor sich öffnete. Vorsichtig tapste Manou durch das Tor und Asami stutzte, als sie die äußere Seite der Mauer sah. An ihr befand sich eine etwa handbreite Eisschicht. Fragend sah sie zu Saíla. „Die Eisschicht, die ist noch relativ dünn. Aber das ist der Grund für die äußere Mauer, natürlich war sie uns in früheren Kriegen auch immer eine große Hilfe, aber hauptsächlich dient sie dazu die schlimmsten Winde des Winters fern von den Dörfern zu halten. Deshalb gibt es außerhalb von ihr auch kaum noch Siedlungen“, murmelte sie und besah sich die Eisschicht.

Asami wurde mulmig zumute, denn wenn diese Eisschicht als dünn galt, dann hatte der Winter, wenn er den komplett entfesselt würde, eine größere Macht, als sie zunächst alle angenommen hatte und sie war sich nicht sicher, ob Kalkoróvs Männer und Frauen das auch wussten. Asami hörte Saíla seufzen. „Ich sehe euch ja förmlich an, wie ihr euch sorgt. Es besteht kein Grund zur Sorge. Der Winter würde nie absichtlich auf den Kontinent losgelassen werden. Jeder König und jede Königen muss einen Schwur auf die Großen Vier ablegen. Niemand in Kalkoróv würde es wagen, so einen Schwur zu brechen“, sagte Saíla und lehnte sich in ihrem Sattel zurück, während sie Karáv kraulte. Asami nickte, war aber nicht besonders überzeugt und wandte den Blick wieder nach vorn. „Es sieht nach einem Sturm aus“, bemerkte sie. Saíla sah in den Himmel und nickte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hey da :)
Erstmal schön, das ihr den Weg zu meiner Fanfic gefunden habt! Allerdings habe ich eine Frage, wollt ihr eine Art Wörterbuch-Kapitel für die südliche Zunge haben? Sie wird nämlich noch öfter vorkommen, die Fanfiction ist ohne die entsprechenden Übersetzungen nicht schlechter zu verstehen, aber vielleicht interessiert es euch ja :) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: Futuhiro
2013-11-27T17:59:23+00:00 27.11.2013 18:59
Wouw, ich bin platt.
Ich mag die Story bisher total. Die dahintersteckende Idee ist toll, die Charaktere sind genial, die ganze Welt ist so unglaublich durchdacht und detailreich ... und der Sprachstil, Wahnsinn.
Ich freue mich auf mehr, ich bin gespannt. ^^
Antwort von:  NebelWolke
27.11.2013 20:20
Schön dass es dir gefällt :)
Am liebsten würde ich dich umarmen :D fühl dich einfach mal geknuddelt!
Antwort von: Futuhiro
27.11.2013 20:33
Danke schön. XD
Geschichten auf so hohem Niveau finde ich hier selten. Ich hoffe, es bleibt so genial. ^^


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