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Geteiltes Leid

Seto und Mokuba
von

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Eine unschöne Nachricht

„Geschwister sind schon was doofes.“, sagte Yamato, ein Junge aus meinem Kindergarten. Ich bewunderte ihn. Er schien immer über alles bescheid zu wissen und stets drückte er seine Überlegungen auf eine Art und Weise aus, die vollkommen logisch schien. So auch jetzt…

„Mit Geschwistern musst du alles teilen.“, erklärte er und setzte sich auf einen Holzbalken des Klettergerüstes. Es war ziemlich hoch, doch er schien keine Angst zu haben, hinunter zu fallen. Wie mutig.

Ich stand wie immer mit ein paar anderen Jungs um ihn herum und lauschte seinen Worten. Er wirkte dabei immer so erwachsen.

„Du musst mit denen dein Spielzeug teilen, deine Schokolade, einfach alles. Du kriegst weniger Geschenke zum Geburtstag, weil sich deine Eltern auf einmal nicht mehr so viel leisten können. Überhaupt kümmern sie sich weniger um dich, gerade wenn du jüngere Geschwister hast. Dann zählt für die nur noch dein jüngerer Bruder oder deine Schwester.“

„Hast du denn Geschwister?“, fragte ich. Ich wollte wissen, ob er aus Erfahrung sprach, ob es wirklich so war. Er musste es ja wissen.

„Nein.“, entgegnete er, „Und ich bin ziemlich froh darüber.“

Da musste ich ihm recht geben. Auch ich war im Grunde froh, ein Einzelkind zu sein. Es gab andere Kinder in meinem Alter, die wünschten sich einen Bruder oder eine Schwester. Doch so wie es Yamato darstellte, bedeutete dies nur Einschränkungen. Alles klang nachvollziehbar und logisch.
 

Ein paar Stunden später holte mich Papa vom Kindergarten ab. Ich fand es schade, wieder gehen zu müssen, mochte ich doch all die anderen Kinder und spielte gerne mit ihnen. Nun, ich würde am nächsten Tag ja wieder da sein…

Papa kam auf mich zu mit einem strahlenden Lächeln und drückte mich an sich, was mich wunderte. Papa war eigentlich immer gut gelaunt und freute sich, wenn er früher mit der Arbeit Schluss hatte und mich abholen konnte – genauso wie ich mich freute, ihn zu sehen. Doch an diesem Tag war es anders. So gut gelaunt hatte ich ihn noch nie gesehen. Er schien sehr in Eile und vergaß sogar beinahe, mir meine Jacke vom Haken zu geben, an den ich aufgrund meiner Größe ja noch nicht herankam. Auch musste ich ihn, als er bereits die Tür öffnen wollte, daraufhin weisen, dass wir noch gar nicht gehen konnten, weil ich meine Schuhe noch nicht anhatte.

Schließlich nahm er mich auf den Arm und meinte: „Seto, du brauchst keine Schuhe. Ich werde dich tragen.“ Und mit diesen Worten nahm er meine Turnschuhe in seine freie Hand. „So sind wir auch viel schneller zuhause.“

Es dauerte nicht lange und wir gelangten zu dem kleinen, leicht abgenutzten und in die Jahre gekommenen Mehrfamilienhaus, das unser zuhause darstellte. Als wir unsere kleine Wohnung im ersten Stock betraten, lief mir Mama über den Flur entgegen. Ihr strahlendes Gesicht stand dem von Papa in nichts nach.

„Oh, Seto!“, rief sie und umarmte mich, „Endlich hat sich unser Wunsch erfüllt; schon seit Jahren probierten wir…“, sie stockte mitten im Satz und beugte sich dann zu mir hinunter. Mit ihren blauen Augen blickte sie mich an und verkündete: „Seto, freu dich, bald bekommst du einen Bruder oder eine Schwester.“

Für einen Augenblick wurden meine Glieder steif. Hatte ich richtig gehört? Ich? Geschwister?

„Ist das wirklich wahr?“, rief ich aus, „Kein Scherz?“ Ich hatte gehört, dass Eltern sich in dieser Hinsicht auch irren konnten. Einem Mädchen aus meinem Kindergarten wurde auch gesagt, dass sie bald ein Geschwisterkind haben würde. Doch dann hatte es sich als Irrtum herausgestellt.

„Natürlich ist es wahr!“, entgegnete Mama, scheinbar erstaunt über meine Frage, „Oh, ich freu mich ja so, Seto!“ Abermals drückte sie mich an sich. Doch ich konnte ihre Umarmung nicht erwidern. Vor meinem Auge sah ich alle Befürchtungen, von denen Yamato heute gesprochen hatte, wahr werden. Ich sah ein schreiendes Baby, ich sah mich, wie ich meine Eltern fragte, ob sie mit mir spielen würden und durch eine barsche Antwort abgewiesen wurde, weil sie keine Zeit hatten und sich um meinen Bruder oder meine Schwester kümmern mussten. Ich sah, wie mir all die Spielsachen weggenommen wurden, mit der Erklärung, dass ich doch mittlerweile zu alt wäre und sie bei meinem Geschwisterkind deshalb besser aufgehoben wären. Nein, oh nein! Ich wollte ein Einzelkind bleiben! Warum denn Geschwister? Sie brachten nur Probleme! Es war doch so viel schöner mit Mama und Papa alleine!

„Seto, was ist mit dir?“, fragte mich Mama und musterte mich. „Freust du dich denn nicht darüber?“. Erst jetzt wurde ich mir bewusst, dass ich die ganze Zeit ohne zu blinzeln nach vorne gestarrt hatte.

Freuen? Ich wusste nicht, was ich erwidern sollte.

Verdrießlich stapfte ich an Mama vorbei und verschwand in meinem Zimmer, die fragenden Blicke, dir mir folgten, nicht beachtend.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  usagi_san
2012-01-26T16:07:08+00:00 26.01.2012 17:07
heyhey^^

das is mal wat feines, das jemand sich mal gedanken darüber macht, wie es gewesen sein könnte, als seto erfahren hat, das er ein geschwisterchen bekommt. und das sogar aus seiner sichtweise erzählt =3

ich finde die idee wirklich gut, und werde auf jedenfall weiterlesen =)

LG usagi^^


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