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Ich hasse dich, verlass mich nicht

Lavi x Yuu
von

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Zwischen Waffenstillstand und Schicksal

Am nächsten Tag waren Allen und Lenalee von ihrem Auftrag zurück und hatten Komui Bericht erstattet. Dieser nickte nachdenklich. Irgendetwas war faul und keiner, auch er selbst nicht, hatte eine Idee oder nur ansatzweise eine Spur, was das sein könnte. Er sah seine Schwester seufzend an: „Erst das mit Kanda und jetzt seid ihr schon die dritte Einheit, die von einem falschen Alarm zurückkehrt. Ich bin so langsam mit meinem Latein am Ende.“
 

Doch Allen war, wie so oft, zwar besorgt, aber optimistisch: „Mach dir keine Sorgen, es ist nicht das erste Mal. Interpretiere da nicht mehr hinein, als nötig.“ Auch Lenalee stimmte dem Weißhaarigen zu: „Ich denke, er hat Recht. Immerhin haben wir auch nichts gefunden, das irgendwie mit Mugen oder Kanda zu tun haben könnte.“ Sie stockte. „Wo wir gerade dabei sind: wie geht es ihm eigentlich und wo kann ich ihn finden?“ Ihr Bruder sah auf und seufzte noch intensiver: „Ihm geht es wirklich gut, er ist kerngesund. Aber gestern haben wir ihn mit dem Orden und seiner Aufgabe als Exorzist konfrontiert... aber nichts. Nada. Als ob es Kanda nie gegeben hätte!“ Er wischte sich genervt mit der Hand über das Gesicht. „Statt dessen geht er mit Lavi im Wald planschen...“
 

„Bitte WAS?“ prustete Allen völlig ungläubig los. Irgendwie sah der Anblick zu komisch aus, so dass Lenalee wieder anfing zu kichern. Während der junge Exorzist beleidigt die Arme verschränkte, nickte Komui seiner Schwester zu und lächelte: „Die beiden haben nur noch Flausen im Kopf, ob ihr es glaubt oder nicht. Ich habe die beiden heute in den Trainingsraum neben der Sporthalle geschickt, alleine um sie mit etwas Sinnvollem zu beschäftigen.“ Die junge Frau nickte lächelnd: „Gut, dann werden wir sie mal dort suchen gehen. Komm, Allen.“
 

Sie zog ihren sprachlosen und noch immer verdatterten Freund aus dem Büro ihres Bruders und schleifte ihn ohne Rücksicht auf Verluste hinter sich her, die Treppe zum Keller hinab und den langen dunklen Flur entlang, der zur Sporthalle führte. Schon von Weitem konnte sie heiteres Lachen hören, doch sie ging davon aus, dass eine Klasse gerade in der Halle ihr Unwesen trieb. Der Weißhaarige lief mittlerweile wieder aus eigenem Antrieb, schüttelte jedoch noch immer ungläubig den Kopf und murmelte: „Ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Ihr übertreibt bestimmt immens, das geht überhaupt nicht.“
 

Seine Freundin wollte ihm gerade antworten, als sie die Tür zum Trainingsraum öffnete und wie angewurzelt stehen blieb. Das laute Kichern verstummte und Lavi und Yuu sahen sie ertappt an, während sie zwischen einer Unmenge aus Schaumstoffbällen standen und gerade dabei waren, sich mit ihnen zu bewerfen. Allen rieb sich die Augen, sah sich das Bild noch einmal an, rieb wieder, schaute, rieb und schaute erneut. Verlegen grinste der Rotschopf: „Wir... testen die Geräte auf ihre Tauglichkeit...“ Yuu ließ den Ball in seiner Hand mit hochrotem Kopf hinter seinem Rücken verschwinden und lächelte entschuldigend. Ein paar Sekunden herrschte absolute Stille und die beiden Erwischten befürchteten schon eine gehörige Standpauke, als die Dunkelhaarige plötzlich herzhaft anfing zu lachen und prustete: „Du bist ein miserabler Lügner, Lavi! Aber ihr seht einfach zu ulkig aus!“
 

Und als die beiden in ihr Lachen einstimmten, versagte Allens Gesichtsmuskulatur ganz. Völlig perplex betrachtete er diese surreale Szene und war fix und fertig mit den Nerven. Was zum Geier war hier nur los?
 

Nachdem die Bälle wieder alle an ihren Platz geräumt waren, saßen die Vier auf einer Bank und Lenalee nutzte diese Chance ohne Umschweife: „Ach, Kanda?“ Yuu sah auf: „Ja?“ Sie lächelte warm: „Ich wollte mich noch entschuldigen bei dir, weil ich neulich so unhöflich war.“ Sein erwidertes Lächeln wirkte zwar ein wenig gequält, aber er nickte ihr freundlich zu: „Du brauchst dich nicht entschuldigen, so langsam weiß ich, wieso hier so einige ziemlich verhalten auf mich reagieren. Wenn sich einer entschuldigen muss, dann bin das wohl ich.“ - „Einigen wir uns doch einfach auf einen Waffenstillstand...“ Sie hielt ihm ihre Hand entgegen, die er freudig schüttelte und mit strahlende Augen hauchte: „Gerne.“
 

Mit einem lauten „RUMMS“ lag Allen plötzlich auf dem Boden und jaulte: „Wann wache ich endlich auf? Oder ist das hier ein schlechter Scherz?“ Er knurrte. „Und noch etwas... AUA!“ Alle kicherten ausgelassen, als er sich wieder richtig hinsetzte und Kanda misstrauisch musterte: „Das ist mir unheimlich...“ Yuu sah ihn entschuldigend an und lächelte: „Das habe ich schon ein paar Mal in den letzten Tagen gehört, Allen.“ - „ALLEN? Seit wann nennst du mich ALLEN?“ Mit einem vergnügt unschuldigen und fragenden Blick sah der Japaner ihn an: „So heißt du doch, oder nicht?“ Lavi grinste breit: „Ja, so heißt er, Yuu-chan. Aber du hast ihn immer Moyashi genannt.“ Der Schwarzhaarige hob eine Augenbraue: „Bohnenstange???“
 

Allen verschränkte sauer die Arme und knurrte: „Ja, Bohnenstange!“ Doch als Yuu ihn sanft anlächelte und leise „Entschuldigung.“ murmelte, ließ seine Anspannung nach und er sah den ehemaligen giftigen Schwertkämpfer versöhnlich an: „Du... entschuldigst dich dafür?“ - „Natürlich, ist ja nicht sonderlich höflich so etwas zu sagen. Wenn du magst schließen wir doch auch einfach einen Waffenstillstand, was meinst du?“ Zögerlich griff der Weißhaarige nach der Hand des Japaners, schüttelte sie dann jedoch und hauchte, von der Tatsache umgehauen, dass sie wirklich gerade Körperkontakt hatten: „Einverstanden.“
 

Den Nachmittag verbrachten die vier damit, Yuu noch ein wenig über den Orden und ihre bisherigen Abenteuer zu erzählen. Es wirkte manchmal so, als lese man einem kleinen Kind ein Abenteuerbuch vor, so gespannt lauschte der Schwarzhaarige den Geschichten. Doch nichts von dem Gehörten kam ihm auch nur ansatzweise bekannt vor. Und trotzdem genoss er die Zeit, da es spannend war zu erfahren, was für ein Mensch er einmal war. Er lernte seine „alte“ Seite ein wenig neu kennen, da er bisher immer dachte, er sein nur ein unhöflicher Sturkopf gewesen. Doch die Tatsache, dass er gleichsam ein begnadeter Schwertkämpfer war, ließ ihn sein altes Ich ein wenig versöhnlicher betrachten und empfand sogar ein wenig Respekt.
 

Am Abend hatten sich alle zurückgezogen und hingen ihren Gedanken nach. Lenalee saß auf ihrem Bett und kämmte sich die Haare, während sie den Tag noch einmal Revue passieren ließ. Es war ein toller Tag gewesen, so viel Spaß hatte sie schon lange nicht mehr gehabt. Sie war froh darüber, dass sie sich mit Kanda versöhnt hatte und musste sich eingestehen, dass sie ihn sogar mittlerweile richtig gern hatte. Leise kicherte sie, als sie sich noch einmal an das Bild erinnerte, das sie vor sich hatte, als sie den Trainingsraum betraten. Vielleicht war dieses ganze Durcheinander ja gar nicht so schlecht, wie ihr Bruder glaubte. Vielleicht war es eine Chance für einen Neuanfang...
 

Allen lag in seinem Bett und hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt, während er in Gedanken seine Zimmerdecke anstarrte. Er konnte es noch immer nicht ganz glauben, dass er Stunden mit Kanda verbracht hatte und die beiden statt zu streiten miteinander gelacht hatten. Und so merkwürdig ihm das erst erschienen war, so gut tat es ihm jetzt. Konnte es an einem solchen Yuu Kanda wirklich etwas Schlechtes geben, das viele in große Sorgen stürzte? Konnte man nicht einfach diese Tatsache annehmen und aus ihm einen netten Exorzisten machen? Konnte diese neue Situation wirklich einfach so schön sein, wie sie sich anfühlte oder war sie wirklich zu schön, um wahr zu sein?
 

Seufzend schloss der Weißhaarige die Augen. Er fasste einen Entschluss. Der „neue“ Kanda sollte seine Chance kriegen, alleine schon, weil er sich so aufrichtig und nett entschuldigt hatte. Und er hatte auch schon eine tolle Idee, wie er dem Schwarzhaarigen sein Entgegenkommen zeigen könnte...
 

Auch Lavi und Yuu waren bereits zu Bett gegangen. Mit ineinander verschränkten Händen schlief der Japaner bereits friedlich neben dem Größeren. Liebevoll sah der Rothaarige seinen besten Freund an und lächelte. Es musste alles sehr anstrengend für Yuu sein, das wusste Lavi genau. Zärtlich strich er ihm eine Strähne aus dem Gesicht und hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn. Wie gerne würde er dem Kleineren sagen, was er fühlte, doch er traute sich einfach noch nicht. Viel zu groß war seine Angst noch, dass es ihm über kurz oder lang die Freundschaft kosten könnte. Sowohl zu dem „neuen“, als auch zum „alten“ Kanda. Und dafür war die gemeinsame Zeit im Moment einfach viel zu schön und zu kostbar, um sie leichtfertig aufs Spiel zu setzen.
 

Während seine Augen zufielen und er in den Schlaf sank, widersprach er seinem Freund innerlich allerdings noch einmal. Nicht Yuu war der glücklichste Mensch auf Erden, das war eindeutig er, Lavi, selbst. Mit der zierlichen hellhäutigen Hand in seiner eigenen schlief der Rotschopf schließlich lächelnd ein.
 

Während sich das Loch in seiner Brust schloss und er trocken einfach nur „Che!“ von sich gab, fiel ihm erst auf, dass er mit dem Fremden nicht alleine war.
 

Um ihn herum sahen ihn einige bekannte und weniger bekannte Gesichter an: Lavi, Allen, Lenalee, Komui, Miranda, Tapp Dopp und noch einige mehr, die er gerade nicht zuordnen konnte. Ihre Blicke waren besorgt und sie traten näher an ihn heran. Was wollte dieser Haufen von ihm? Fasste Allen ihn gerade wirklich an der Schulter an? Was sollte der Mist hier?
 

Mit einem geradezu tödlichen Blick strafte er die Bohnenstange und fauchte: „Fass mich nicht an, Moyashi!“ Allen hielt inne, sah ihn aus traurigen Augen an: „Aber Yuu...“ WAS? Wer hatte ihm das Recht gegeben ihn SO zu nennen? Wollte er ihn etwa wieder ärgern? Wütend schnaubte der Schwarzhaarige: „Baka, ich bin KANDA! Hast du das vergessen?“
 

Die Blicke der Leute um ihn herum änderten sich schlagartig, als wäre ihnen ein Licht aufgegangen. Wer hatte denen denn in den Kaffee gespuckt? Wieso konnten die ihn nicht einfach in Ruhe lassen? Er hasste es, so angestarrt zu werden. Er hasste es besonders von IHNEN angestarrt zu werden.
 

Und endlich wichen sie unter seinem kalten und bedrohlichen Blick zurück. „Geht doch.“ murmelte er, während er sich umsah. Irgendetwas fehlte ihm noch, seine Hand spürte, dass dort etwas hingehörte, doch er fand es einfach nicht. Wütend fauchte er: „Wo ist es?“ Wieder die weinerliche Stimme der Bohnenstange: „Das wissen wir nicht, Yu... Kanda.“ Er packte den Kleineren am Kragen und keifte ihn wütend an: „Wie, ihr wisst es nicht? Was soll das heißen?“ Angst flammte in den Augen des Weißhaarigen auf, die nach einigen Sekunden in blanke Wut umschwenkte: „Hör auf Kanda! Himmel, du bist so ein Idiot! Ich dachte, wir wären jetzt Freunde!“ - „Falsch gedacht!“
 

Allen riss sich aus seinem Griff und sah die anderen wütend an: „Ich habe es euch doch gesagt, dass er uns nur hintergeht! Verschwinden wir von hier. Soll er doch alleine sein, wenn er unbedingt will.“ Ein letztes Mal sah er den Japaner wütend an: „Ich hasse dich, Kanda!“
 

Yuu verschränkte die Arme und wandte den Blick ab. Wovon redete der Kurze nur wieder? Als ob es eine Neuigkeit wäre, dass alle ihn hassten. Dass jeder Mensch sich von ihm abwandte. Dass jeder ihn alleine ließ. Dass er selbst dafür sorgte, der wohl einsamste und stärkste Mensch dieser Welt zu werden. Es kümmerte nicht, wie er sich fühlte, es durfte weder ihn noch andere kümmern. Das war doch ganz normal.
 

Er spürte, wie einer nach dem anderen verschwand, sich in Luft auflöste. So war es doch besser. Besser für ihn, für die anderen, für seine Aufgabe. Es war sein Schicksal und er maß sich nicht an, dieser Bürde zu widersprechen. Er war nicht in der Position über den Verlauf der Dinge zu entscheiden, er musste sie hinnehmen wie sie waren. Und sein Schicksal bedeutete eben auch Einsamkeit.
 

Erschöpft blickte er wieder nach vorne und stockte. Was wollte der dumme Hase denn noch hier? Innerlich seufzte der Schwarzhaarige, es hätte ihm klar sein sollen, dass Lavi sich mal wieder quer stellen würde. Weniger wütend, als vielmehr von einer tiefen Traurigkeit erfüllt murmelte er: „Verschwinde, baka usagi.“ Die Antwort, die er bekam, war gleichzeitig standhaft, entschlossen, wütend, besorgt und unendlich liebevoll: „Nein, Yuu-chan.“



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