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Mein einzigartiger Engel

Kratos x Raine x ?
von

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Die Wahrheit hinter der Fassade

Der Abend war bereits angebrochen, weswegen Yuan und Genis allein in der Küche saßen und über Raine und den geheimnissvollen Mann sprachen. Genis hatte erst vor wenigen Minuten erfahren, dass es sich bei diesem Richter um Samiel Selia handelte, nach dem Raine und Kratos gemeinsam gesucht hatten. Deswegen war ihm auch das Gesicht so bekannt vorgekommen, aber er fragte sich nun schon, warum seine Schwester und der Mann draußen vor dem Teich saßen und dort ihre Unterhaltung abhielten. Nun, vielleicht wollte sich Richter nicht vor allen Anwesenden erklären, aber er machte wahrlich ein Geheimnis aus seiner Vergangenheit.
 

"Ich mag ihn nicht, Genis. Ich spreche offen und ehrlich zu dir und wenn du nach meiner Meinung fragst, wird uns dieser Kerl noch einige Probleme einhandeln" murmelte Yuan und starrte stumm auf die Tischplatte. Er konnte nicht mal erklären, warum er den Langhaarigen nicht mochte, aber er hatte einfach ein ungutes Gefühl und Kratos war im Moment nicht hier, um die Situation im Auge zu behalten.
 

"Mh... Du meinst, er könnte ein Störfaktor werden?" erwiderte Genis fragend und neigte seinen Kopf ein wenig, während er die Zimmerdecke musterte. In diese Richtung hatte er noch nicht gedacht, aber er vertraute seiner Schwester und würde sich nicht einmischen. "Wir müssen meiner Schwester vertrauen, Yuan. Glaub mir, sie würde niemals leichtfertig ihr Vertrauen schenken" lächelte er zuversichtlich, doch der Ältere schien die gesamte Situation ein wenig anders zu sehen. "Außerdem vertraue ich Kratos und auf seine Rückkehr" fügte der Jüngere noch hinzu. "Unterschätze niemals das gebrochene Herz einer Frau, Genis und nun werde ich zuhören" entgegnete Yuan und lauschte den Worten, die er durch die geschlossene Haustür sehr wohl hören konnte.
 

Raine saß schweigend neben den Langhaarigen, starrte schon seit geraumer Zeit in ihre Tasse mit dem warmen Kaffee und lauschte der Stille. In ihr keimten Fragen auf, auf die sie sich Antworten wünschte, aber so lange Richter schwieg, denn seither hatte er noch kein einziges Wort über die Lippen gebracht, würde sie vermutlich weiterhin ihren Fragen erlegen sein. Warum war er überhaupt zu ihr gekommen? Wollte er ihr wirklich die Wahrheit erzählen? Raine wusste es nicht, seufzte leise aus und blickte nun zum Sternenhimmel auf.
 

"Sie sind die erste Frau, die mir keine Vorwürfe gemacht hat". Unerwartet und in einem leisen Ton gab Richter diese Tatsache zu, spürte nun ihren Blick auf sich ruhen und fuhr mit seiner Erzählung fort. "Sie sind auch nicht die erste Forscherin, die nach mir gesucht hat". Die grünen Augen waren starr auf die Wasseroberfläche gerichtet und schienen ganz weit weg zu sein, jedenfalls hatte Raine ein seltsames Gefühl, als sie den Mann neben sich musterte. In seinen und auch in ihren Adern floss das gleiche Blut und allein wegen dieser Tatsache fühlte sie sich ihm näher. Hätte er einen Grund, ihr eine Lüge zu erzählen? Konnte Raine den Worten des weitaus älteren Halbelfen ihren Glauben schenken? Die junge Professorin wusste einfach keine Antworten auf ihre Fragen und blickte nun ebenfalls auf die Wasseroberfläche, während sie seinen Worten lauschte.
 

Richter zog das Bild hervor, welches Raine noch vor wenigen Stunden besessen hatte und betrachtete nun erneut seine Mutter. Obwohl er nicht mit ihr Blutsverwandt gewesen war, schimpfte er sie seine Mutter und bis zum heutigen Tag hatte auch er nicht aufgehört sie zu lieben, obwohl er die Menschen so sehr hasste. "Auf diesem Bild war ich erst elf Jahre alt und ich erinnere mich noch sehr genau an diesen Tag. Bis zu jenem Tag habe ich noch geglaubt, ich wäre ein menschliches Kind". Raine warf nun wieder einen prüfenden Blick zu Richter, welcher ihr diese Geschichte ohne einen Hauch von Gefühl erzählte. Irgendwie hatte die junge Halbelfe schon Angst vor den weiteren Verlauf seiner Geschichte, aber der Langhaarige fuhr unbeirrt fort.
 

"Einige Tage nach der Aufnahme dieses Bildes... Ich wendete unbewusst Magie an. Ich war so stolz auf mich selbst gewesen, dass ich meinen Eltern demonstrierte, dass ich Magie beherrsche, aber mein Vater schlug mich an jenem Tag das erste Mal, ohne mich überhaupt aufgeklärt zu haben". Raine's Hände verkrampften sich um ihre Tasse und nun konnte sie sich vage vorstellen, warum er so verbittert wirkte. Der Beginn seiner Hölle, obwohl er doch nichts Böses im Sinne gehabt hatte.
 

"Mein Vater sperrte mich bald darauf ins Kellergeschoss. Ich habe einige Monate in absoluter Dunkelheit und der eisigen Kälte gelebt. Dank meiner Mutter lebe ich noch, denn sie brachte mir bei Nacht etwas Essbares, einige Kerzen und viele Bücher. Ich sollte wissen, wer meine Vorfahren sind" fuhr Richter fort und blickte kurz zu Raine, welche mit einem traurigen Gesichtsausdruck in ihre Tasse sah. Ob Raine seinen Worten überhaupt ihren Glauben schenkte? Nun, er überließ es ihr und wenn sie seiner Geschichte keinen Glauben schenken wollte, wäre das ihr Problem.
 

"Es vergingen einige Monate, wie ich schon sagte und ich lernte meine Magie zu nutzen. In einer Nacht ließ meine Mutter die Tür offen und bis zum heutigen Tag frage ich mich, ob sie mir die Flucht aus der Hölle ermöglichen wollte. Ich ging fort, aber ich hinterließ ihr eine blutige Nachricht in der Sprache der Elfen und...". Richter machte eine Pause, in der er das Bild zurück in seine Manteltasche steckte und im gleichen Moment ein Taschentuch suchte, welches er der jungen Frau neben sich schließlich reichte. "Ich..." wendete Raine ein, doch Richter ließ ihr keine andere Wahl und drückte ihr das Taschentuch in die Hand.
 

"Es vergingen einige Jahre, in denen ich von einer Stadt zur nächsten Stadt reiste. Es gab keinen Ort für mich und dann erfuhr ich von Exire. Die Stadt der Halbelfen". Raine wischte sich die Tränen aus den Augen, während sie ihren Kopf senkte. Diese Geschichte rührte sie, auch wenn sie sein Leid nur vage nachempfinden konnte. Jedoch wusste sie, wie es war, von Stadt zur Stadt zu ziehen und nirgendwo ein Zuhause zu finden. "Bevor ich zu Exire aufbrach, bin ich zurück zum Anwesen, um wenigstens ein letztes Mal meine Mutter zu sehen. Die schwere Eingangstür war aufgebrochen worden und ich hörte Stimmen. Fremde Stimmen und meine Mutter, deren verzweifelte Schreie mich in manchen Nächten verfolgen".
 

Richter sah zum Himmel auf, betrachtete für einen kurzen Augenblick die Sterne und seufzte bedrückt. Warum erzählte er überhaupt seine Vergangenheit? Warum verwendete er so viele Worte, obwohl er doch eigentlich ein sehr schweigsamer Zeitgenosse war? Jeder Mensch und Halbelf hatte bisher gesagt, er wäre so schweigsam, kaum umgänglich und wenn er dann doch eine Antwort gab, waren es nur wenige Worte mit den nötigen Informationen. Nochmals seufzte er leise aus, ehe er im nächsten Moment eine zittrige Hand auf seiner Schulter spürte. Trost, dachte er sich. So etwas war ein Fremdwort für ihn, aber er begrüßte die zittrige Hand, welche er nun sanft mit seiner behandschuhten Hand umfasste.
 

"Ich bin unbemerkt ins Anwesen und sah meine Mutter auf dem Boden. Ein dreckiger Mensch, ein Dieb, beugte über ihr und verging sich an ihr. Das erste Mal fühlte ich eine unbändige Wut in mir. Weitere Diebe waren in der ersten Etage und plünderten die kostbaren Gegenstände meiner Familie. Mein Vater, er... Er lag bereits erstochen auf der Treppe und ich... Obwohl ich diese Wut in mir spürte, fühlte ich gleichzeitig auch Mitleid. Er war schließlich mein Vater, auch wenn er mich wie ein Verbrecher ins Kellergeschoss gesperrt hat". Raine rutschte nun näher an Richter heran, hob ihre rechte Hand und entfernte, nach einem prüfenden Blick in seine Augen, die Brille und legte sie neben sich ab. Im Moment waren all ihre Ängste und ihre Bedenken, gar ihr Misstrauen gleichgültig, da der Langhaarige neben ihr saß und aus glasigen Augen zu ihr blickte. Er schien ihre Geste nicht zu verstehen, doch als Raine ihre Arme um ihn legte, ließ er seinen Kopf auf ihre Schulter sinken, während er einen leisen Seufzer ausstieß.
 

"Ein erstickter Schrei holte mich aus meiner Starre. Durch finstere Magie tötete ich jeden einzelnen Dieb und ließ mich anschließend neben meine sterbende Mutter auf die Knie sinken. Dieser dreckige Hund hat ihr ein Messer ins Herz gerammt und ich... Ich war naiv und entfernte es aus ihrer Brust. Ich wusste nicht, wie ich mich fühlen sollte, aber... Als ich meiner Mutter in die müden Augen sah, legte sie ein liebevolles Lächeln auf. Ein letztes Lächeln für ihren geliebten Sohn" fuhr der Langhaarige leise fort. Er hatte diese Geschichte in der Vergangenheit so oft erzählt, um seine Unschuld zu beweisen, aber bisher war ihm keine Person begegnet, die ihm das Gefühl gab, seinen Worten zu glauben. Warum ausgerechnet diese Frau? Wieso fühlte sich diese tröstende Umarmung nur so befreiend an? Richter wusste es nicht und biss sich auf die Unterlippe, um einen leisen Schluchzer unterdrücken zu können.
 

"Ich kann diese Gefühle nur vage nachempfinden, aber auch ich habe vor langer Zeit noch einen Groll gegen die Menschheit gehegt. Mittlerweile weiß ich jedoch, dass es auch sehr nette Menschen gibt, denen ich vertrauen kann. Lloyd Irving ist einer dieser Menschen" erwiderte Raine nach einigen Minuten der Stille und fuhr mit ihrer Hand durch sein langes Haar. Kein Wunder, dachte sie sich insgeheim, denn bei dieser Vergangenheit, bei solch einem Erlebnis, hätte sie sich vermutlich ebenso entwickelt. Diesen Schmerz, den Raine aus seiner Stimme hatte hören können und diese grünen Augen, welche mit jeder weiteren Minute mehr Traurigkeit offenbart hatten. Ja, sie konnte Richter auf eine seltsame Art und Weise verstehen.
 

"Warum sind Sie so freundlich zu mir, Raine?" erwiderte der Langhaarige und spürte deutlich die zierlichen Finger, welche immer wieder durch sein Haar fuhren. Fragend und dennoch mit einer gewissen Vorsicht, sah er ihr in die Augen versuchte ihre Beweggründe zu erforschen und begegnete schließlich ihrem aufrichtigen Lächeln. "Weil ich verstanden habe, warum Sie mir mit diesem Verhalten begegnet sind. Es mag stimmen, dass ich mir das Treffen mit Samiel Selia etwas ruhiger vorgestellt habe, aber...". Raine konnte ihren Satz nicht beenden, zu erschrocken war sie im Moment und blickte zu Richter auf, welcher mit einem wütenden Gesichtsausdruck über ihr beugte.
 

"Sprechen Sie diesen Namen nicht aus" knurrte Richter und behielt die junge Halbelfe im Auge, soweit er sie ohne Brille erkennen konnte. Raine erkannte ihren Fehler, blickte nun zu ihren Handgelenken, welche von ihm festgehalten wurden und sah schließlich erneut zu ihm auf. "Beruhigen Sie sich. Ich will Ihnen nichts Böses, Richter" sprach sie sanft auf ihn ein und nur zögerlich entließ er ihre Handgelenke aus seinem eisernen Griff und senkte seinen Kopf, weswegen ihm sein rotbraunes Haar ins Gesicht fiel und seine Augen verdeckte. Erneut hatte er überreagiert, obwohl er sehr wohl wusste, dass Raine nichts Böses von ihm wollte. "Sie müssen nicht so höflich und förmlich zu mir sein" murmelte er leise und tastete nach seiner Brille, welche neben Raine auf dem Rasen lag und die er sich nun wieder aufsetzte.
 

Die Professorin legte ein zaghaftes Lächeln auf, wollte schon zu einer Antwort ansetzen, doch ein verdächtiges Geräusch erweckte ihre Aufmerksamkeit, weswegen sie ihren Kopf leicht neigte und Yuan erblickte. Seine rechte Hand hielt er auf Richter gerichtet, welcher nun ebenfalls aufblickte, jedoch keine weiteren Anstalten machte, sich von Raine zu entfernen. "Steig langsam von ihr runter und behalte deine Hände bei dir" zischte Yuan und sammelte bereits das nötige Mana in seiner Handfläche. Natürlich hatte er jedes einzelne Wort verstehen können, aber das dieser Kerl nun über Raine beugte, gefiel ihm einfach nicht. Er hatte Kratos sein Wort gegeben und wenn er einen Artgenossen töten musste, würde er es ohne mit der Wimper zu zucken tun.
 

"Yuan, was soll das?" murrte Raine, setzte sich so weit es ihr möglich war auf und erblickte nun auch ihren kleinen Bruder, welcher scheinbar mit der gesamten Situation überfordert zu sein schien. Der Langhaarige strich sich einige Haarsträhnen hinter sein linkes Ohr und erhob sich, nicht ohne der jungen Professorin die Hand zu reichen, um ihr beim Aufstehen zu helfen. "Ich muss mich für sein Verhalten entschuldigen, Richter" murmelte Raine und warf einen wütenden Blick zu Yuan. Sie konnte schon auf sich alleine aufpassen, auch wenn ihre Lage eben sehr hilflos ausgesehen haben musste.
 

"Nicht der Rede wert. Ihr Mann ist eben besorgt um Sie" erwiderte Richter und richtete seinen Mantel, ehe er sich zum Gehen wendete. Es war bereits sehr spät geworden und bis nach Triet war noch ein weiter Weg. In diesem Dorf schien es kein Gasthaus zu geben, also blieb ihm keine andere Wahl. "Aber... Nein, er ist nicht mein Mann und außerdem... Wo wollen Sie hin? Wohnen Sie in der Nähe?" widersprach Raine seinen Worten und legte nun ihre Hand auf Yuan's erhobenen Arm, während sie ihn erneut mit einem wütenden Blick strafte.
 

Richter blieb auf der letzten Stufe stehen, wendete sich nochmals der jungen Halbelfe zu und ergründete ihre blauen Augen. "Ich nächtige überwiegend in einem Gasthaus, weil ich keinen festen Wohnsitz habe". Yuan murrte etwas Unverständliches in sich hinein, wendete sich nun Genis zu und flüsterte ihm einige Worte ins Ohr. Der junge Halbelf nickte verstehend und sah dem Älteren hinterher, da er nun einige Dinge sofort in Angriff nehmen wollte. Neben Richter blieb Yuan nochmals stehen, studierte ihn einige Sekunden und lief schließlich in die Richtung des Waldes. Raine seufzte bedrückt, denn natürlich hatte sie die Anspannung in der Luft bemerkt, auch wenn sie Yuan's Beweggründe nicht wirklich nachvollziehen konnte.
 

Schließlich schüttelte die junge Halbelfe ihren Kopf und wendete sich wieder dem Langhaarigen zu. "Sie können diese Nacht bei uns verbringen. Bis zum nächsten Gasthaus würden Sie einige Stunden brauchen". "Aber Raine..." murmelte Genis erschrocken, denn seine Schwester konnte doch unmöglich einen Fremden in ihr Haus lassen. Die Raine, die er kannte, würde niemals einem Fremden so freundlich entgegen kommen. Wo war seine misstrauische Schwester? "Es ist in Ordnung, Genis. Richter ist ein Halbelf und ich zweifel an, dass er seinen Artgenossen etwas antun will" erwiderte Raine, denn sie fürchtete sich nicht vor ihm. Nein, er hatte ihr die Wahrheit über sich erzählt und schien, in gewisser Hinsicht, eine kluge Person zu sein.
 

Richter ließ sich ihren Vorschlag einige Minuten durch den Kopf gehen, denn offensichtlich war die junge Frau die einzige Person, welche keine Bedenken hatte. Der junge Halbelf schien ihr kleiner Bruder zu sein und genauso offensichtlich erschien es dem Langhaarigen, dass der Kleine ihm misstraute. Wahrscheinlich wollte er einfach nur seine Schwester beschützen, auch wenn er keinerlei böse Absichten hegte. Warum denn auch? Was hätte Richter davon, wenn er zwei seiner Artgenossen etwas tat? Er würde sich nur in neue Schwierigkeiten bringen, auf welche er liebend gern verzichten konnte.
 

Genis blieb auch weiterhin misstrauisch, da er Yuan nun doch allmählich beipflichten musste. Dieser Mann war ein Störfaktor und nur deswegen hatte Yuan vorhin zu solchen Mitteln gegriffen. Er blieb sonst auch immer die Ruhe selbst, aber scheinbar wollte Yuan seine Schwester so lange beschützen, bis Kratos wieder bei ihnen war. Schweigend hob er die beiden Tassen vor dem Teich auf und ging anschließend ins Haus. Bei ihm würde dieser Richter mit Sicherheit nicht schlafen, also durfte er sich eine andere Raststätte suchen.
 

"Sofern ich nicht störe" erwiderte Richter schließlich nach langer Überlegung und erklomm die wenigen Stufen, trat an Raine heran und betrachtete ihre derzeitige Miene. "Lassen Sie diese Förmlichkeiten, Raine" fügte er noch hinzu, vielleicht ein wenig zu ruppig, da die junge Professorin nun wütend zu ihm aufblickte. "Bitte... Wenn du dann mein Haus betreten würdest..." murrte Raine, sichtlich erbost über sein Benehmen und deutete zur offen stehenden Haustür. Sie würde ihn mitten in der Nacht auf die Straße setzen, wenn er sich nicht zu benehmen wusste.
 

Auf Richter's Lippen erschien ein amüsiertes Grinsen, kam ihrer Aufforderung allerdings nach und betrat nun das bescheidene Haus. Er ließ seine Augen durch die Räume schweifen und erblickte nun den Jungen, dessen Trotz er deutlich in den Augen erkennen konnte. "Hast du Hunger?" wollte Raine wissen, immer noch wütend und wartete auf eine vernünftige Antwort. "Nein, du musst mich nicht bekochen" gab er gehässig zurück und fing mit Leichtigkeit ihre Hand ab, welche sein Gesicht hätte treffen sollen. "Haben wir etwa eine cholerische Ader?" grinste er fragend und entließ ihr Handgelenk aus seinem Griff. Wütend, so erschien es ihm, stapfte Raine den Flur hinunter und blieb kurz bei ihrem Bruder stehen. "Er schläft bei dir im Zimmer, Genis. Gute Nacht" befahl sie und ging nun in ihr eigenes Zimmer. Warum hatte sie ihm bloß angeboten, diese Nacht bei ihnen zu bleiben? Vermutlich aus reiner Nächstenliebe, oder?
 

Genis hatte gar keine Zeit bekommen, um seiner Schwester zu widersprechen, weswegen er nun Richter argwöhnisch musterte und sich wünschte, bei seinem besten Freund schlafen zu können. Widerwillig holte er die Matte, eine Decke und ein Kopfkissen, legte die Matte neben sein Bett und warf die restlichen Klamotten einfach auf den Boden, ehe er sich auf sein Bett setzte. Mit wachsamen Augen beobachtete er Richter, welcher sein Schwert ablegte und kurz darauf eine weitere Waffe. Beim genauerem Betrachten erkannte Genis, dass es sich um eine Axt handeln musste, aber er schwieg und beobachtete den Langhaarigen auch die nächsten Minuten.
 

"Hast du ein Problem mit mir, Kleiner?" ertönte die Stimme des Älteren, da er die neugierigen und auch wachsamen Blicke auf sich spürte. "Ja... Du hast meine Schwester angefasst. Bilde dir bloß nicht ein, dass du Chancen bei ihr hast. Sie hat schon einen Freund" erwiderte Genis und sah den Älteren feindselig an. Richter zuckte mit seinen Schultern, denn solche Gefühlsdinge erweckten nicht sein Interesse. Genauso wenig Interesse hatte er an Raine, also musste der Kleine nicht den Beschützer spielen.
 

"Hey... Hast du mich verstanden?" murrte Genis und begann allmählich, sich selbst zu entkleiden. Sicher, er hatte den Kerl belogen, aber er wollte eben nicht, dass er seine Schwester berührte. Yuan war seiner Meinung und der Halbelf würde Lloyd noch einweihen, soweit er das verstanden hatte, ebenso würde er Kratos kontaktieren. "Du nervst, Kleiner. Sei still und leg dich schlafen" murrte Richter ebenso und legte sich, nur noch in einer Shorts bekleidet und seine Brille ablegend, auf die Matte und deckte sich mit der Zudecke zu. Er war müde, denn sein Tag war anstrengend genug gewesen, aber dieser Junge hielt einfach nicht seinen Mund. "Du bist unverschämt, weißt du das eigentlich? Ich heiße Genis und nicht 'Kleiner'".
 

Richter erhob sich murrend, denn noch eine Minute länger in diesem Zimmer und er würde den Jungen nur unnötig anschreien. Er lud sich seine Klamotten auf die Arme, ergriff die Matte, die Decke und auch das Kopfkissen, ehe er sich der Zimmertüre zuwendete und diese umständlich mit seinen Ellenbogen öffnete. Er ignorierte die Rufe des jungen Halbelfen und warf die Tür hinter sich zu, nur um eine Tür weiter die Klinke zu betätigen und mit lauten Schritten das Zimmer der Professorin betrat. Wütend warf er ebenfalls die Tür zu, breitete anschließend die Matte neben ihrem Bett aus und ignorierte ihre Blicke.
 

"Richter...". "Nein, sei einfach still und lass mich in Ruhe" unterbrach er Raine und legte sich hin, seinen Rücken ihr zugewendet. Die junge Halbelfe legte ihr Buch auf den Nachtschrank, blickte noch einige Minuten zu ihm hinab und löschte schließlich das Licht. Richter war wütend, weil Genis offensichtlich nicht hatte den Mund halten können. Warum? Er konnte auch sehr umgänglich sein, jedenfalls war er bei der Erzählung ruhig und friedlich gewesen.
 

Ein leiser Seufzer entwich ihren Lippen, während Raine die Zimmerdecke musterte. "Kratos..." dachte sie sich insgeheim und blickte erneut zur Matte hinab. Wie sehr sie sich im Moment wünschte, der Braunhaarige würde neben ihrem Bett liegen und mit ihr einige Worte wechseln. Nun, da die Nacht angebrochen war, spürte sie deutlich die Einsamkeit, welche sich wie ein Schleier über sie legte und ihr erneute Tränen in die Augen trieb.
 

In ihrer Trauer vertieft, bemerkte sie nicht die Regung neben ihrem Bett. Erst als die Matratze neben ihr nachgab, öffnete Raine ihre Augen und sah Richter an, welcher sich neben ihr aufs Bett gesetzt hatte. "Ich wollte nicht so grob sein. Ich muss mich wohl schon wieder bei dir entschuldigen" murmelte er, denn er hatte nicht beabsichtigt, sie nun derart zu verletzen. Die junge Professorin schüttelte jedoch ihren Kopf, konnte nun einen Schluchzer nicht mehr unterdrücken und wendete ihre Augen von ihm ab. Sie schämte sich, weil sie vor einem Fremden weinte. Am liebsten hätte sie Richter aus ihrem Zimmer geschickt, aber nicht mal das konnte sie.
 

Richter erhob seine rechte Hand und strich ihr vereinzelte Tränen von der Wange. Im Moment fühlte er sich vollkommen überfordert, denn wenn Raine nicht wegen seiner Art in Tränen ausgebrochen war, musste es einen anderen Grund geben. Was vermochte eine Frau derart traurig zu machen, dass sie selbst vor einem Fremden, denn in ihren Augen war er sicherlich ein Fremder, weinte? "Ich habe kaum Erfahrung im Umgang mit Frauen und... Kann ich dir irgendwie helfen?". Raine wusste auf seine Worte keine Antwort, weshalb sie sich auch weiterhin in Schweigen hüllte und seine zaghaften und auch vorsichtigen Berührungen zuließ. Er bemühte sich wirklich, wollte sie vermutlich trösten und dennoch blieb er weiterhin vorsichtig. Warum? Wie konnte ein Mann so seltsam sein? In einem Moment war er unausstehlich und im nächsten Moment so fürsorglich und so sanft wie ein Lamm.
 

Schweigend sah Richter weiterhin zur Professorin hinab, zog seine Hand zurück und hob die Decke an. "Die Matte ist unbquem" kommentierte er sein Vorhaben, während Raine ihm ihren Rücken zuwendete und ihn gewähren ließ. Natürlich hätte sie ihn nicht in ihr Bett lassen sollen, aber ein kleiner Teil in ihr beruhigte sich nun und verdrängte die Einsamkeit. "Richter..." murmelte Raine leise, kaum hörbar und dennoch schien er seinen Namen deutlich vernommen zu haben. Er rutschte ein wenig näher, wollte er nicht mitten in der Nacht aus dem Bett fallen und dabei soviel Krach veranstalten.
 

"Danke..." fügte die junge Halbelfe leise hinzu und ließ ihre Augenlider sinken, während sich ein kleines Lächeln auf ihren Lippen bildete. Richter erwiderte nichts und legte nun seinen Arm zögerlich um sie, während er ihrer ruhigen Atmung lauschte. Er wusste nicht, ob er nun einen Fehler beging, aber die junge Frau in seinen Armen schien nun beruhigt, weswegen auch er nun in Ruhe einschlafen konnte, ohne sich noch weitere Gedanken zu machen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  xXSakuraHarunoXx
2010-11-06T16:30:47+00:00 06.11.2010 17:30
tolles kapi freue miech auf´s nächstes^^.was hatt er in´s iren bett zu suchen aber ich finde es toll das er sie anvertraut hatt^^.


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