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Angel Hunter

Der Pfad der Rache
von

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Auf Messers Schneide

Am nächsten Morgen sprang Aika ungewöhnlich flott aus dem Bett. Sie zog sich schnell einen Jeansrock und eines ihrer Lieblingsshirts an, machte Kaffee und eilte hinunter zu Omi. Wieder öffnete er verschlafen die Tür.

„Hey Aika, es ist erst acht Uhr, was machst du um diese Zeit schon auf den Beinen?“ „Wenn du meine Probleme hättest würdest du auch unter Strom stehen, oder etwa nicht? Ist ne Mail gekommen?“ Sie trat an ihm vorbei in die Wohnung. Omi schaltete den Laptop ein und las ihr vor, was er mit Manx besprochen hatte:
 

„Hallo Omi! Gut das ihr euch sofort an mich gewand habt. Team Angel Hunter bekommt sofort eine neue IP und E-Mail Adresse.

Ihr werdet die Herausforderung annehmen. Die Mission werden Silberian, Balinese und Team Angel Hunter übernehmen. Abyssinian gibt Rückendeckung und Bombay stellt den Fluchtwagen. Der Auftrag, lautet wie folgt:

Findet heraus woher Schwarz die E-Mail Adresse bekommen hat und kehrt lebend zurück. Sollte sich die Gelegenheit ergeben einzelne Personen auszuschalten, erhaltet ihr volle Handlungsbefugnis, aber riskiert bitte nicht zuviel. Manx“
 

„Wir sollen nur zu viert kämpfen?“ Aika hatte sich auf Omis Bett gesetzt.

„Das ist der Auftrag, ich kann dir nur sagen was ich weiß.“ Omi rieb sich die müden Augen.

„Na dann, viel Spaß in der Schule!“ Aika verabschiede sich und ging wieder in ihr Apartment. Dilara saß bereits am Frühstückstisch. Sie drehte sich zu ihr. „Ich dachte schon, du wärst heut Nacht einfach verschwunden. Was war denn gestern so wichtig?“ Aika ließ sich auf den Stuhl ihr gegenüber fallen. „Wir haben übermorgen einen Auftrag. Es geht darum, herauszufinden wie unsere Feinde an die geheime E-Mail Adresse gekommen sind.“

„Aha, so sehen also eure Aufträge aus. Ich dachte, wir bekommen nen Brief und dürften dann Takatori Junior auseinander nehmen. Na ja, auch gut, dann bleibt mir ein wenig Zeit zum shoppen. Ich brauch unbedingt Klamotten!“

„Und mit wessen Geld willst du einkaufen gehen? So weit ich weiß, darfst du alte Konten nicht mehr benutzen, das könnte jemanden auf unsere Spur locken.“ Aika hob ihre Kaffeetasse zum Mund.

„Ich dachte, du könntest mir derweil aushelfen, schließlich sind wir ein Team!“ Dilara strahlte sie an.

Aika prustete in ihren Kaffee: „Ich glaub mein Schwein pfeift! Das ist sauer verdientes Geld und du willst es für Klamotten ausgeben?!“

„Nicht nur für Klamotten, wir brauchen unbedingt ein paar Möbel, die hier sind absolut altmodisch!“ Dilara nippte an ihrem Kaffee.

„Waaaas?! Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul!“, an Aikas Kopf pulsierte eine Ader. „Sei doch froh, so ist es kein Verlust für dich!“, trällerte ihr Gegenüber.

„Weißt du was, verdien dir dein Geld selbst! Gleich heute! Ab neun im Blumenladen.“

„Soll ich etwa im Wrestling-Outfit Rosen verkaufen?“ Dilara blickte sie fragend an.

„Ist ja gut, ein paar Yen kann ich mir abzwacken… Aber die sind nur geliehen!“ Aika stand auf, ging zu einem Bild an der Wohnzimmerwand, schob es zur Seite und legte einen Tresor frei. Sie gab eine Zahlenkombination ein. Mit einem Klicken sprang die gepanzerte Tür auf. Aika holte ein Bündel mit Scheinen heraus und verschloss alles wieder.

„Hier“, sagte sie, bevor das Geld durch die Luft direkt in Dilaras Hände flog.

„Danke schön! Ich komm dann später nach!“

„Mach das. Da hast du ne Visitenkarte.“ Aika nahm ihre Lederjacke vom Hacken an der Garderobe.

„Ich geh jetzt arbeiten. Der Zweitschlüssel zur Wohnung liegt auf meinem Nachtkästchen. Ach, fast hätte ich’s vergessen. Es ist kalt draußen und falls du keine warme Jacke hast, kannst du die rote hier an der Garderobe benutzen. Ciao, bis später!“ Die Tür fiel ins Schloss.

„Genial“, dachte sich Dilara, ich hab nen Haufen Geld, ne Wohnung und einen Shoppingmarathon vor mir!“ Sie hüpfte ins Bad, um sich schick zu machen.
 

Aika war derweil im Blumenladen angekommen. Sie zog ihre Schürze an, da ging das Rolltor auf. Aya und Yoji betraten den Raum.

„Du schon hier? Nervös oder was? Das kann ich ändern!“ Yoji schlang die Arme von hinten um Aikas Bauch und knuddelte sie liebevoll.

„Es ist wirklich beruhigend, in den Arm genommen zu werden“, dachte Aika und lehnte sich an seine Brust.

Aya zog eine Augenbraue nach oben. „Sollen wir Fieber messen? Ich glaub, sie ist krank.“

„Bist du scharf auf Doktorspielchen mit Ai-chan?“ Yoji grinste ein wenig dreckig.

Aika räusperte sich. „Kommt Ken heute nicht?“

„Doch, aber zuerst geht er mit der Neuen zum Einkaufen.“ Yoji legte den Kopf an ihren Hals.

Aika seufzte: „Ich weiß nicht, wie das enden soll.“

„Omi hat uns, bevor er zur Schule gegangen ist, über unsere Mission aufgeklärt. Ist von eurer Seite alles klar?“ Aya nahm seine Schürze.

„Ich denke schon. Aber wir sollten jetzt den Laden öffnen, es ist neun Uhr“ Aika entzog sich Yoji.
 

Minuten später war der Laden mit überwiegend Mädchen gefüllt, die noch schnell vor der Schule einen Blick auf die Jungs werfen wollen. Aber auch einige Jungs waren gekommen. Sie hielten sich in Aikas Nähe auf. Keine Besonderheit, bis plötzlich Geschrei die friedliche Stimmung unterbrach. Viele der Schüler waren bereits zum Unterricht gelaufen, nur noch ein paar die scheinbar eine Freistunde hatten hielten sich noch im Kitten in the house auf. Aika war allein im Verkaufsraum, weil Yoji und Aya die Lieferungen fertig machten.
 

Der Lärm wurde von einem Mädchen verursacht, das gerade mit vor Angst geweiteten Augen hereingestürmt war. Hinter ihr betraten vier große Schlägertypen den Blumenladen. Einer von ihnen, mit ungepflegten, blond gefärbten Haaren blökte: „Komm her und lass dir zeigen, wo mein Hammer hängt, damit du endlich zur Besinnung kommst!“

Das rothaarige Mädchen lief direkt in Aikas Arme. „Bitte hilf mir! Die wollen mich…“ Tränen rannen über ihr Gesicht und Aika bemerkte, dass ihr Rock zerrissen war.

„Renn durch diese Tür da und hol die zwei Typen, die da sind!“ Sie stellte sich den Schlägern in den Weg.

„Was willst du, blonde Pussi?! Bist nicht von hier, oder? Hm. Wie ist es wohl, so ne Ausländerin flachzulegen? Habt ihr Lust, Jungs?“ Der Anführer blickte über die Schulter. Dann ging er Lippen leckend zu Aika. Sie schlug ihm ins Gesicht, was ihm nichts auszumachen schien. Plötzlich war Aika von den vier schrankgroßen Typen umringt. Zwei packten ihre Arme und Beine, so dass sie sich nicht mehr wehren konnte, während die anderen zwei anfingen, sie zu begrabschen.
 

Aika rammte dem Kerl mit der komischen Frisur, ihr Knie zwischen die Beine, vorauf dieser wutenbrannt schrie: „Du blondes Miststück! Ich wollte eigentlich zärtlich sein, aber du bevorzugst anscheinend die harte Tour!“

Er machte seine Hose auf und warf Aika mit Hilfe seiner Freunde auf die Theke. Gerade als seine Finger unter Aikas Rock glitten, um ihren Schlüpfer zu zerreißen, wurde er von Aya weggestoßen.

„Ihr Drecksäcke! Finger weg von ihr!“ Yoji stürzte sich ins Gefecht. Aika war von zweien der Kerle befreit. Ihre Arme befanden sich jedoch noch in den Haltegriffen. Sie schwang sich nach oben und verpasste ihnen einen Fußkick mitten ins Gesicht. Daraufhin stolperten die Kerle aus dem Laden. Yoji schmiss den dritten raus. Aya schlug wie ein Irrsinniger auf den Anführer ein. Seine Nase schien gebrochen zu sein. Der Kerl war am Ende, doch er hörte nicht auf, ihn zu schlagen.

Aika hielt seinen Arm auf. „Es ist gut, Aya. Er hat bekommen, was er verdient hat.“

Ayas Augen funkelten voller Zorn und Angst, als er Aika ansah. Dann umarmte er sie. „Gott sei Dank ist dir nichts passiert!“ Auch Yoji war zu ihnen gekommen. Aika entspannte sich langsam. Es war doch ein kleiner Schock gewesen. Da fiel ihr das Mädchen wieder ein. Es stand in der Tür zum Lager.

Aika ging zu ihr. „Alles in Ordnung?“

„Ja, dank euch schon. Wie kann ich mich nur bedanken?“ Ihr langes rotes Haar schwang leicht hin und her, als sie sich verbeugte.

„Wir haben gern geholfen, du brauchst uns nicht zu danken“

„Darf ich dich heut Abend zu mir einladen?“ Das Mädchen senkte leicht errötend den Blick.

„Na gut. Wie heißt du eigentlich?“ Aika schaute sie lächelnd an.

„Rika. Hier das ist meine Visitenkarte. Komm bitte um halb acht Uhr zum Abendessen.“ Sie überreichte ihr ein Kärtchen.

„Bis dann!“, trällerte Rika und küsste Aika flüchtig auf den Mund. Hoch rot stammelte diese: „Ja, bis später…“

Yoji blinzelte skeptisch. „Was war denn das?“ Aika drehte sich um. „Wieso klopft mein Herz so?“
 

Derweil einige Kilometer entfernt in Tokios Einkaufsmeile Ginza:
 

„Wie sehe ich aus, Ken?“ Dilara stand in kecker Pose vor der Umkleide. Sie trug eine dunkelblaue Jeans, die von einem Gürtel gehalten wurde, dessen Schnalle ein großer mit Strasssteinen besetzter Schmetterling zierte.

Außerdem hatte sie ein rosa Kapuzenshirt mit der Aufschrift „Sweety“ an.

„Super! Du siehst einfach zum Knuddeln aus!“ Kens Wangen hatten die Farbe von Dilaras Oberteil angenommen.

„Gut, dann lass ich’s gleich an! Vielen Dank, Ken, dass du mit mir shoppen gegangen bist!“ Dilara küsste ihn auf die Wange.

„Tu ich doch gerne!“ Kens Augen glänzten, als er die zwanzig Tüten hinter ihr her zur Kasse trug. Dilara blickte auf ihre Armbanduhr. „Au weia, wir sind ziemlich spät dran! Es ist schon halb fünf! Wir sollten zum Blumenladen gehen!“

„Du hast Recht, die anderen werden bestimmt sauer sein, dass sie alles allein machen mussten“, keuchte Ken hinter ihr her.
 

Eine halbe Stunde später betraten sie den Laden. Aika war immer noch beim Ausfahren der bestellten Blumen. Dilara atmete auf. „Dann hat sie nicht bemerkt, dass wir zu spät dran waren. Ihr verratet doch nichts?“ Ihr Blick fiel auf Aya und Yoji.

„Wir schweigen wie zwei Gräber“, versicherte letzterer.

„Sehr gut! Ach ja, kein Wort davon, dass ich ihr ganzes Geld verprasst hab.“

Yoji hätte beinahe seine Sonnenbrille fallen lassen. „Was hast du?! Oh Gott, sag ihr das bloß im richtigen Moment!“

„Wann ist der richtige Moment?“, fragte Dilara.

„Wenn wir nicht anwesend sind“, sagte Aya trocken.

Sie fing an zu kichern. „Du kannst ja richtig lustig sein.“

„Das war mein Ernst. Aika zu verärgern ist lebensgefährlich!“ Aya räumte einige Tontöpfe ins Regal.

„O.K. sie ist ein wenig aufbrausend, aber kann sie denn so schlimm sein?“ Sie bemühte sich um Blickkontakt, doch Aya wich ihr aus.

„Ich kenn da noch jemanden…“ Yoji setzte eine Unschuldsmiene auf. „Heute Morgen ist ein Mädchen in deinem Alter hier hereingestürzt und hat Zuflucht vor ein paar Schlägertypen gesucht, die sie vergewaltigen wollten.“

„Was?! Wie geht’s denn hier zu?!“ Dilara stand das pure Entsetzen im Gesicht.

„Ist dem Mädel etwas passiert?“, fragte Ken besorgt.

„Lasst mich zu Ende erzählen. Aika hat sich den vier Schränken entgegengestellt und das Mädchen zu uns auf den Hof geschickt. Als wir ankamen, hatten diese Dreckssäcke mein armes Schätzchen ganz schön in der Mangel. Einer von ihnen, anscheinend der Anführer der Gang, wollte ihr gerade an die Wäsche. Du hättest unseren Rotschopf sehen sollen. Ich dachte, der Kerl überlebt’s nicht. Wenn du mich fragst, die zwei haben mehr gemeinsam, als sie zugeben…“ Yoji steckte sich mal wieder eine Zigarette an.

„Schlägt sie mich auch halb tot, wenn ich das mit dem Geld beichte?“ Dilara wirkte unsicher.

„Heute noch nicht, wenn du nach sieben Uhr das Haus betrittst.“ Aya wendete sich ihr zu. „Da ist sie bei der Kleinen eingeladen, weil sie ihr geholfen hat.“

„Was haltet ihr davon, wenn wir uns heute Abend bei mir treffen, zum Kennenlernen und Spaß haben?“ Yoji grinste.

„Super Idee! Was denkst du, Ken?“ Dilara glühte ihn an. Ken, von so viel Flirtatmosphäre eingelullt, schmolz dahin. „Nett, dass du mich fragst. Natürlich hab ich Lust mitzukommen!“ Yoji zog eine Augenbraue nach oben.
 

Aya flüsterte im Vorübergehen. „Schon wieder Pech…“

„Wenn du wüsstest“, murmelte er.

Aya blieb stehen. „Wenn ich was wüsste?“

Yoji hauchte ihm ins Ohr: „Mein zuckersüßes Geheimnis!“

Aya drehte sich um und fing an, einige Blumensträuße zu machen.

„Warum schmerzt mich dieser Gedanke so? Wenn Aika so dumm ist, auf diesen Casanova hereinzufallen. Weshalb komme ich überhaupt darauf, dass sie etwas damit zu tun hat?“ Aya schmiss den Strauß zur Seite. Er nahm seinen Mantel und verließ den Laden mit den Worten: „Ich mach für heute Schluss, die Neue kann ja aushelfen.“

„Hey! Wo willst du hin?!“, rief Ken ihm nach. Keine Antwort. Auf dem Weg nach draußen wäre er beinahe mit Aika zusammengestoßen, die gerade von ihrer Liefertour kam. Für einen kurzen Moment trafen sich die Blicke der beiden. Aika merkte, dass etwas nicht stimmte.

„Gehst du schon? Schade“, sagte sie und Aya verspürte den Drang stehen zu bleiben, aber er ging weiter.

Aika trat in den Laden. „Hi Leute! Was war denn mit dem los?“

„Schön, dass du wieder da bist! Wir haben das Moped gar nicht gehört.“ Ken tat so, als hätte er schwer gearbeitet und Dilara hatte beim Anblick ihrer Partnerin die Einkaufstaschen in die hinterste Ecke gekickt.

„Das konntet ihr auch nicht hören, weil das Mistding schon wieder abgeratzt ist! Wer sein Moped liebt, der schiebt…“ Aika ging zum Tresen. „Ach, noch eine Stunde, dann ist Feierabend“, seufzte sie.

„Macht dir die Arbeit hier Spaß?“, wand sie sich zu Dilara.

„Ja, ich freu mich schon auf nächsten Montag!“, schwindelte sie.

„Äh, haben dir die Typen nicht mal ne Schürze gegeben?“ Aika musterte sie skeptisch. „War keine mehr da“, zog sich Dilara aus der Affäre. Ihre Partnerin zuckte mit den Schultern.

„Ich bin heute Abend nicht da, kommst du irgendwo unter, oder bleibst du allein daheim?“, fragte Aika.

„Yoji hat uns zu sich eingeladen! Ich werde nicht allein sein, mach dir keine Sorgen!“, sagte Dilara fröhlich.

„Lass dir nen Tipp geben. Wenn du deine Grundsätze nicht über den Haufen werfen willst, halt Abstand zu Yoji. Er bespringt alles, was nicht bei drei auf den Bäumen Schutz sucht!“ Aika warf ihm einen viel sagenden Blick zu. Ken und Dilara hielten dies für einen Scherz und lachten. Yoji tat das zwar auch, aber in seinen Augen las Aika stummes Einverständnis, Stillschweigen über ihren Ausrutscher zu behalten.
 

Eine knappe Stunde später schlossen die vier den Laden zu und gingen nach Hause. Aika schloss die Apartmenttür auf.

„Ich geh duschen, du kannst ja derweil deine neuen Sachen einräumen. Dein neues Outfit steht dir übrigens sehr gut. Der Gürtel ist wirklich cool!“ Sie verschwand im Bad. „Sie hat nicht nach ihrem Geld gefragt.“ Dilara atmete auf. Das prasselnde Geräusch von auf Fliesen schlagendem Wasser drang durch die Badezimmertür. Sie packte ihre neuen Klamotten aus und legte sie farblich sortiert in den Wandschrank. Ein eigenartiges Gefühl machte sich in ihr breit. Eine Mischung aus Heimweh und Ungewissheit. Es war nicht einfach gewesen, hier her zu kommen und jetzt arbeitete sie tatsächlich für eine Organisation gegen Takatori. Was war von Aika zu halten? Sie wussten bis jetzt fast gar nichts voneinander. Dafür wusste sie umso mehr von Ken. Er war wirklich ein netter Junge und er sah dazu noch gut aus.
 

„Ich sehe, du bist schon fertig“, riss Aika Dilara aus ihren Gedanken. Sie stand nur mit einem Handtuch um den Körper mitten im Wohnzimmer.

Dilara wurde rot. „Kannst du dir was anziehen?“

„Oh, entschuldige, ich habe nicht gewusst…“ Aika krallte sich ein weinrotes Glitzertop, eine schwarze, bestickte Schlaghose und ihre gleichfarbige Unterwäsche. Mit allem verschwand sie wieder im Bad und kam erst eine Dreiviertelstunde später mit trockenem Haar, angezogen und geschminkt wieder heraus.

Aika nahm ihre schwarze Lederjacke: „Ich fahre jetzt. Schönen Abend noch.“ Sie griff nach ihren Motorradhelm. Dilara, die ein wenig fernsah erwiderte: „Dir auch!“
 

Eine Viertelstunde später hatte sie die Wohnsiedlung gefunden, in der Rika wohnte. Aika stellte ihre Ninja direkt vor dem Haus ab.

„Rika Kazama“, kontrollierte sie das Namensschild. Kurz nachdem Aika die Klingel gedrückt hatte, öffnete das Mädchen. Sie wirkte wie verwandelt. Ihr Gesicht schien älter und Rika war aufreizender gekleidet. Der köstliche Duft von Essen stieg Aika in die Nase. „Hallo, schön, dass du gekommen bist“, begrüßte Rika sie.

„Danke für die Einladung“, lächelte Aika.

„Komm doch rein!“ Die beiden durchquerten einen langen Gang mit einigen Türen, bevor sie in der Küche standen.

„Ich weiß gar nicht, wie meine Retterin heißt“, merkte Rika an.

„Aika.“

„Aika“, wiederholte sie, „ein schöner Name. Lass uns essen, ja?“

Minuten später saßen die beiden Mädchen an einem Tisch im abgedunkelten Esszimmer, vor Platten gefüllt mit allerlei internationalen Köstlichkeiten wie Sushi, Pizzastückchen, Nudeln mit scharfer Soße und Reis mit Curry. Einige Kerzen sorgten für gemütliche Stimmung.

„Du hast dir so viel Mühe gemacht, wegen mir?“ Aika konnte es kaum fassen.

„Aika-san hat mir das Leben gerettet, ich bin ihr wenigstens ein Festmahl schuldig“, antwortete Rika unterwürfig.

„Danke. Ich wünsche dir guten Appetit.“ Aika erhob ihr Weinglas.

„Ich dir auch.“ Rika prostete ihr zu.
 

Zur gleichen Zeit betrat Dilara Yojis Wohnung. Ken saß bereits bei seinem Mitstreiter und Freund auf der Couch.

„Hallo Kleines!“ Er umarmte sie.

„Hi!“ Dilara drückte ihn.

„Willkommen in meinem bescheidenen Heim!“ Auch Yoji begrüßte sie.

„Kommt denn dieser Aya nicht?“, wollte Dilara wissen.

„Nein, er hält sich so weit wie möglich aus den zwischenmenschlichen Dingen raus. Für ihn sind wir nichts weiter als Kollegen. Egal. Lasst uns etwas Spaß haben. Wollen wir Karten spielen?“

„Welches Spiel?“, fragte Ken.

„Wie wäre es mit Watten?“ Dilara sprang zwischen den beiden Jungs auf die Couch.

„O.K, wir sind dabei!“ Ken fing an zu mischen.

„Um was spielen wir?“, fragte Yoji.

„Um einige persönliche Infos. Wer verliert, bekommt eine Kennenlern-Frage gestellt.“ Dilara sortierte ihre Karten und setzte ein Pokerface auf.
 

Einige Kilometer entfernt waren Rika und Aika mit dem Essen fertig.

„Vorzüglich“, schwärmte letztere.

„Danke“ Die Gastgeberin lief rot an.

„Sag mal Rika, wohnst du ganz allein hier?“, fragte Aika interessiert.

„Ja, seit ich in der Oberstufe bin. Also seit fast zwei Jahren.“

„Dann bist du ja älter als ich!“

„Hm, ich bin 18, wie alt bist du? Ich hatte dich mindestens in meinem Alter geschätzt.“ Rika schaute in Aikas Augen.

„Ich werde übermorgen 17“, antwortete diese.

Rika lachte. „Schon komisch, wie sehr wir uns verschätzt haben. Ich dich älter und du mich jünger…“

Aika kicherte, sie schien ein wenig beschwipst vom süßen Wein zu sein. Rika sprang auf: „Was hältst du von ein wenig Musik?“ Sie wartete die Antwort erst gar nicht ab und schaltete die Stereoanlage an. Ein langsames Stück erklang.

„Komm tanz mit mir!“ Rika zog Aika von ihrem Stuhl. Sie drehten sich laut lachend im Walzerschritt.

„Mm. Du riechst verdammt lecker!“ Rikas Nase berührte Aikas Hals.

„Hast du immer noch Hunger?“, scherzte sie.

„Oh ja sehr großen sogar!“ Rika drückte ihre Lippen auf die der perplexen Aika.
 

„Ha, gewonnen!“, freute sich Dilara. Ken und Yoji machten leidende Gesichter. „Das Glück ist dir heute gut gesonnen. Der vierte Sieg in Folge! Sag mal, schummelst du?“ Ken nahm sie in einen neckenden Schwitzkasten.

„Gnade! Gnade! Ich gebe meine Frage an dich ab!“, lachte Dilara.

„Guter Deal“, grinste Ken und löste den Griff. Yoji blies den Rauch seiner Zigarette in den Raum. „He Ken, ein bescheidener Tipp: Wenn du mit jemanden flirtest, sorg dafür, dass diejenige am Leben bleibt und würg sie nicht!“

Ken und Dilara liefen rot an. „Ist es denn so offensichtlich?“, fragte sie.

Yoji lächelte verschmitzt: „Nicht nur ich bin durchschaubar wie Glas, Ken!“
 

Aika lag in Rikas Armen. „Wir sind völlig betrunken“, gluckste sie.

Rika strich ihr eine blonde Strähne aus dem Gesicht. „Ich glaub, ich hab mich in dich verknallt…“

„Ich bin doch ein Mädchen, warum solltest du dich in mich verknallen?“ Aika blickte in die grünen Augen Rikas.

„Weiß nicht, ich kann mich nicht daran erinnern, jemals einen Kerl geliebt zu haben.“ Sie küsste Aikas Stirn.

„Was tu ich hier nur? Erst Yoji und dann so was? Darf ich so egoistisch sein? Meine Aufgabe ist eine Gefahr für alle Unwissenden, ich sollte sie nicht Gefahr bringen… Andererseits, warum soll ich mich nicht auch mal gehen lassen?“ Sie spürte, wie Rikas Hände sich an ihrer Kleidung zu schaffen machten.
 

Es war spät geworden. Dilara hatte ihren Kopf an Kens Schulter gelegt und lauschte gespannt Yojis Erzählung über den Tag seiner Rekrutierung. Ken selbst schien völlig abwesend zu sein. Er spielte mit den Spitzen ihres langen Haars und hatte diesen glasigen Blick. Als Yoji aufhörte zu sprechen, fragte Dilara: „Hat man Asuka wieder gefunden?“

„Ich glaube nicht. Aber ich hab sie sterben sehen, so bleibt wenigstens eine Gewissheit, sie ist sicher im Himmel, falls es so etwas gibt.“ Dilara bemerkte den Schmerz in seinen Augen.

„Es ist schon halb eins, wir sollten wohl besser gehen. Morgen müssen Vorbereitungen getroffen werden und in der Nacht zum 13. geht’s mal wieder gegen Schwarz.“ Ken blickte in die Runde.

„Du hast Recht, es ist Schlafenszeit“, stimmte Yoji ihm zu. Sie verabschiedeten sich und gingen in ihre Wohnungen. Dilara wunderte sich, weil Aika noch nicht zurück war.

„Muss ich eben allein hier bleiben…“ Sie legte sich ins Bett.
 

Am nächsten Morgen hatte Aika immer noch kein Lebenszeichen von sich gegeben. Nach dem Frühstück lief Dilara zu Ken hinunter. Als sie in seiner Wohnung stand, erzählte sie: „Aika ist gestern nicht nach Hause gekommen. Ist das normal? Weißt du, wann sie wieder kommt?“

„Sie ist nicht zurück? Hoffentlich ist nichts passiert!“ Ken öffnete die Wohnungstür und die beiden gingen erst zu Yoji und da er auch nicht wusste, wo das zweite Angel Hunter Teammitglied geblieben war, noch zu Omi.

„Aika ist verschwunden? Hat sie irgendwas gesagt, bevor sie gegangen ist?“ Er wirkte besorgt.

„Nein, wir hatten gehofft, Aika hätte vielleicht bei dir angerufen oder so.“ Ken raufte sich die Haare.

„Es gibt nur eine Möglichkeit, die wir nicht nachgeprüft haben, weil sie so unwahrscheinlich ist: Aya.“ Yoji zündete sich seine Morgenzigarette an.

„Fragen kostet nichts“, meinte Omi und stiefelte die Treppe nach oben. Aya öffnete mit mürrischem Gesichtsausdruck die Tür: „Was gibt’s?“

„Aika ist verschwunden. Hat sie sich bei dir gemeldet?“, fragte Omi.

„Nein, hat sie nicht. Sonst noch was?“

„Nein, danke für die Auskunft“

„Bitte, schönen Tag noch.“ Aya schloss die Tür vor Omis Nase.

„Mann, hat der eine Laune!“ Er ging zu den anderen.

„Aya hat auch nichts mitbekommen.“ Dilaras Blick fiel auf den Siedlungseingang. Eine giftgrüne Ninja brauste hinein.

„Ich glaube, das ist sie“, sagte Dilara. Minuten später kam Aika die Treppe hinauf geschlichen. Sie wurde bereits erwartet.

„Wo hast du denn gesteckt, Schätzchen?“ Yoji musterte sie.

Aika blickte ihn aus müden, mit Augenringen umrandeten Glubschern an: „Kein Kommentar! Ich bin müde. Wo ist mein Bett?“

Erleichtert atmeten ihre Gefährten auf. „Heut Nacht um dreiviertel zwölf treffen wir uns im Laden. Eine Besprechung steht an. Danach machen sich die vier auf den Weg zum Tempel“, unterrichtete Omi Aika.

Diese nickte zustimmend und ging die Treppe zu ihrer Wohnung hoch. Dilara wollte ihr folgen, doch Omi hielt sie auf: „Mit euch hab ich jetzt was zu besprechen. Wir gehen jetzt alle zu Aya.“
 

Aika torkelte in die Wohnung, schmiss die Tür hinter sich zu und ließ sich auf die Couch fallen. Sie dachte an Rika und die Nacht, die sie verbracht hatten.

„Ich hab ihr zwar gesagt, dass das eine einmalige Sache war, glaube aber nicht, dass sie diese Tatsache akzeptiert. Es steht mir nicht zu, ihr Leben zu gefährden. Ich werde bis zum Ende meiner Rache allein bleiben müssen“, dachte sie.

Irgendwann übermannte Aika die Müdigkeit uns sie schlief ein.
 

Selig schnarchend fand Dilara Aika auf der Couch vor.

„Mein Gott, was hat die heute Nacht nur gemacht?“ Sie setzte einen starken Kaffee auf. Mittlerweile war es vier Uhr nachmittags. Dilara trug zwei große Tassen voll mit dampfendem, heißem Inhalt ins Wohnzimmer, dann weckte sie Aika.

„Du siehst besser aus als vorher. Hast du gut geschlafen?“

„Mehr oder weniger“, gähnte ihre Partnerin.

„Nach deinem Schnarchen zu urteilen, sehr gut“, feixte Dilara.

„Weshalb hast du mich geweckt?“

„Erklär mir, was wir heute Nacht genau machen, mit was ich kämpfen soll und auf was ich achten muss!“ Sie setzte sich in einen Sessel.

„Na gut. Ich hab noch zwei Großkaliber Pistolen hier, mit denen kannst du dich verteidigen. Hast du schon mal geschossen?“ Aika trank vorsichtig ein wenig Kaffee.

„Ja, mein Bruder hats mir beigebracht.“

„Super. Punkt zwei betrifft die Schwarz-Kerle. Pass vor allem auf den kleinsten namens Nagi auf, er kann per Telekinetik Dinge bewegen. Schau niemals in die Augen von dem Mann mit den orangen Haaren, er liest deine Gedanken und wird versuchen, dich zu kontrollieren, außerdem bewegt er sich unglaublich schnell. Der Kerl mit der Augenklappe verspürt keinen Schmerz; Kratzen, Beißen oder Ähnliches funktioniert nicht. Halte ihn dir anders vom Leib. Ihr Anführer ist Brad Crawford, er kann kurze Spannen in die Zukunft sehen. Zu deinem Nachteil, er wird keine Gelegenheit auslassen, seine Fähigkeit einzusetzen und deine Bewegungen vorherzusehen. Nimm dich in Acht vor denen, Fehler oder Missachtung sind absolut tödlich!“

„Hört sich ziemlich schräg an.“ Dilara wirkte etwas ungläubig.

„Das ist es auch, glaub mir. Wenn du die Chance hast, einen dieser Mistkerle abzumurksen, dann tu es ohne zu zögern, die nehmen keine Rücksicht auf dein Leben, also sei nicht übermäßig emotional. Damit wären wir bei Punkt drei. Ein altes Sprichwort sagt so ziemlich alles über unseren Beruf aus: Rache ist ein Gericht, das am besten kalt serviert wird. Halt dich dran, sonst überlebst du nicht lang genug in diesem Geschäft. Wichtig ist außerdem, dass wir rausbekommen, woher die unsere E-Mail Adresse haben.“ „O.K. Verstanden. Was hast du jetzt vor?“, fragte ihre Partnerin.

„Ich werde noch ein bisschen vor mich hindösen, bis wir uns im Laden treffen, was machst du noch?“ Aika stellte die leere Tasse auf den Tisch.

„Ich geh mit Ken ins Kino und danach etwas essen“ Dilara war wieder einmal rosa angelaufen.

„So. Du magst Ken sehr, nicht? Dann wünsch ich dir viel Spaß!“, Aika grinste wissend. „Äh, ja… Ich mag ihn sehr gern. Ruh dich aus. Bis später!“
 

Dilara kam um halb zwölf zurück. Aika stand bereits in voller Montur vor dem Spiegel. „Wow! Du bist eine richtige Erscheinung! Ein weiblicher Terminator!“ Aika hatte eine schusssichere Weste über ihrem schwarzen Outfit angezogen und an ihrem Oberschenkel war per Riemen, von denen einer am Gürtel festgemacht war, ein Holster befestigt. Ihre kniehohen Stiefel, die langen Bikerhandschuhe, Wakizashi und Katana auf dem Rücken sowie die drei Jagdmesser an ihrem Gürtel und der lange schwarze Mantel, taten ihr übriges.

„Deine Weste liegt auf deinem Bett, mach dich bereit. Einige Minuten später stand auch Dilara in Arbeitskleidung im Wohnzimmer. Sie trug schwarze Turnschuhe und im Gegensatz zu Aika, die ärmellose Rollis bevorzugte, hatte Dilara ein T-Shirt an und eine schwarze Strickjacke mit weißen Streifen darüber. Ihre Holster trug sie wie Lara Croft um die Oberschenkel geschnallt. „Bin soweit! Wie sehe ich aus?“, fragte Dilara.

„Wie ein Profigangster“, scherzte Aika, um die Anspannung zu lockern, „Lass uns gehen“
 

Im Blumenladen warteten die Weiß-Männer.

„Hi Leute!“ Aika rollte die Garagentür zu.

„Guten Abend, Schätzchen!“ Aika musste zugeben, dass Yoji einfach sexy aussah, wenn er seinen Mantel halb ausgezogen und um die Hüfte hängen hatte. Durch sein enges schwarzes Shirt zeichneten sich dann die Muskeln ab. Aya hingegen hatte seinen Mantel an der Garderobe hängen und lief ebenfalls im T-Shirt rum. Omi benutzte seine Hosenträger wie immer nicht zum eigentlichen Zwecke, sondern um cool auszusehen und Ken zog seine geliebte braune Lederjacke bei jedem Auftrag an.

Yoji jedenfalls klebte mit seinem Astralkörper an Aika und Ken begrüßte Dilara innig, obwohl sich die beiden erst vor einer Viertelstunde getrennt hatten.

Omi begann die Besprechung: „Lasst uns bitte noch mal durchsprechen, was heute getan werden soll und welche Notfalllösungen es gibt.“

„Wir treffen Schwarz in diesem Tempel und versuchen herauszufinden, was sie wollen und woher sie die E-Mail Adresse von Team Angel Hunter haben“, fasste Aika den Auftrag zusammen.

Omi nickte: „Richtig. Balinese, Silberian, Angel und Rose werden Pershas Befehl ausführen. Abyssinian und ich stehen in Funkkontakt mit euch. Gibt’s Probleme, holen wir euch raus. Abyssian wird in der Nähe bleiben. Soweit alles klar?“

Omi sah fragend in die Runde. „Wer sind diese ganzen Typen? Balidings und Silberdas?“ Dilara blickte nicht ganz durch.

Aika erklärte es ihr. „Das sind unsere Codenamen. Ich bin Angel, wie du weißt. Yoji ist Balinese, Ken Silberian, Aya Abyssinian und Omi ist Bombay.“

„Dann bin ich Rose?“, freute sich Dilara.

„Bedank dich bei Manx, sie hat deine Rosenohrringe bemerkt“, grinste Aika.
 

Sie hörten, wie es Mitternacht schlug. Plötzlich begann Dilara zu singen: „Happy birthday to you!“

Auch Ken, Omi und Yoji stimmten mit ein. Aika starrte ungläubig in die Runde.

„Ihr habt an meinen Geburtstag gedacht?“ Aya zog einen kleinen Kuchen unter dem Tresen hervor. Omi lachte über beide Ohren: „Wir dachten, du solltest nicht gehen ohne deinen Geburtstag ein wenig gefeiert zu haben!“

Aika hätte beinahe angefangen zu heulen: „Ihr, ihr seid wirklich schlimm! Danke! Vielen Dank!“

„Lass uns etwas vom Kuchen essen, wir haben nur ne halbe Stunde Zeit, dann müssen wir los“, meinte Ken, nachdem ihr alle gratuliert hatten.
 

Dreißig Minuten später saßen Aika und Dilara auf der Ninja und brausten neben dem von Aya gefahrenen Auto her in Richtung Yokohama. Beim Tempel angekommen, sprangen Ken und Yoji aus dem Auto. Aya wechselte aufs Motorrad und fuhr mit Omi, der sich hinters Steuer des Autos geklemmt hatte, davon.

Aika hatte genau wie Yoji einen so genannten Knopf im Ohr. Langsam näherten sich die vier dem Tempeleingang.

„He! Hier sind wir!“ Schuldigs Stimme drang aus der Dunkelheit. Aika drehte sich um. Die vier Schwarz-Mitglieder standen hinter ihnen.

„Wie konntet ihr Kontakt mit uns aufnehmen?“, rief sie ihnen entgegen.

„Maya war so nett, die E-Mail Adresse aufzuschreiben, damit war es kinderleicht, an eure IP zu kommen!“, lachte Crawford.

„Mistkerl!“ Aika stürzte mit gezogener Katana auf ihn zu. Doch wie aus dem Nichts schossen einige Ziegelsteine auf sie hernieder, die scheinbar aus der brüchigen Tempelmauer stammten. Dilara zog ihre Pistolen.

„Oh, wen haben wir den hier?“ Plötzlich stand Schuldig neben ihr.

„Pass auf, Rose!“ Ken schmiss sich gegen den Feind. Yoji versuchte derweil vergeblich, Farfarello mit seinem Draht zu erwischen.

Aika hatte es endlich geschafft, zu Crawford vorzustoßen, als sie ein weiterer Stein am Hinterkopf traf. Sie stürzte zu Boden. In ihrem Schädel pochte es wie von Sinnen.

Brad hob sie hoch. „Immer noch so stur wie zuletzt!“ Aika spuckte ihn an.

„Miststück!“ Er schlug sie nieder. Dilara schoss auf Schuldig, konnte ihn jedoch nicht erwischen. Wie aus dem Nichts stand er wieder vor ihr, eine Haarsträne um den Finger gewickelt. „Bist du der Ersatz für Cat? Eigenartig, sie hatte auch schwarzes Haar!“

Dilara kam der Akzent in dem Schuldig sprach sehr bekannt vor, er hörte sich genauso an, wie der von Aika.

Ken nutzte die Unaufmerksamkeit des Deutschen, um ihm einen Hieb mit dem Bukuk zu verpassen. Schuldigs Arm blutete. Er warf Ken zu Boden. Nagi hatte Yoji mit dessen eigenem Draht erwischt, zog langsam zu und betrachtete das Ganze genüsslich.
 

Aika konnte sich von Crawford befreien. Sie warf ein Messer in Yojis Richtung, das knapp an Farfarellos Ohr vorbeizischte und den Draht zerschnitt. Keuchend fiel Yoji um. Crawford lachte. „Lassen wir die Puppen tanzen! Schnappt sie euch, Leute!“

Eine Bande Yakuza mit Schwertern stürmte aus den Hecken. Dilara erschoss zwei von ihnen. Aika erreichte gerade noch rechtzeitig ihr Katana, steckte es ein und zog ebenfalls ihre Pistole. Wenn das Magazin leer war, halfen nur noch die Klingen.

„Wie viele sind denn das noch?!“, rief Ken, dessen Gesicht mit Blut bespritzt war. Schwarz hatte sich etwas zurückgezogen und beobachtete alles.

„Aus dem Weg, Angel!“, schrie Yoji, der mit einem kräftigen Zug an seinen Drähten drei Mann auf einmal zerlegte.

„Wir sollten Deckung suchen!“, kam es aus ihrer Richtung. Dilara war gerade die Munition ausgegangen und sie hatte gerade keine Zeit zum Nachladen.

„Scheiße! Sie hat Recht!“, rief sie, während ihre Pistolen als Schlagwerkzeuge herhalten mussten.

Ken schrie: „In den Tempel!“ Angel Hunter und die Weiß-Männer rannten unter dem Doppelbalken hindurch.

Aika warf sich hinter eine Säule im Eingangsbereich: „Sie kommen noch nicht hinterher! Lauft weiter hinein! Ich warne euch, wenn sich was tut!“ Yoji nickte.
 

Eine Zeit lang herrschte Stille. Aika warf vorsichtig einen Blick aus ihrem Versteck. Sie kroch zum Eingang, stellte sich mit dem Rücken an die Wand und blickte um die Ecke. Sofort schlugen einige Kugeln hinter ihr ins Holz.

„Shit, wir kommen hier nicht raus!“, dachte Aika. Auf einmal durchdrang Crawfords hämische Stimme die Stille: „Sieh mal an, wen haben wir denn hier, Fujimija-san!“

Aikas Herz machte einen Aussetzer. Die hatten Aya!

„Wir haben ein Problem! Sie haben Aya!“, rief sie ins Innere des Tempels.

„Verdammt!“, hörte Aika Kens Stimme aus dem Dunkel. „Ich geh raus! Bleibt auf jeden Fall hier! So sterben höchstens zwei vom Team!“

Aika machte sich bereit. Sie hörte, wie Dilara einen Aufstand machte und von den Weiß Jungs gebändigt wurde. Rose musste noch lernen, wie dieses Geschäft lief, wenn ein Opfer nötig war, um andere Leben zu retten, stellte man sich.
 

„Ich komme raus! Keiner schießt, verstanden?!“ Aika blickte wieder um die Ecke, bevor sie hinaus ging. Der Anblick, der sich ihr bot, übertraf alle Vorstellungen.

Aya kniete, von zwei Yakuza Kerlen kampfunfähig gemacht, vor Crawford. Aika griff an ihren Rücken und zog Katana sowie Wakizashi. Ein kurzer Blick genügte ihr, um festzustellen, dass sich außer Schwarz noch zehn Yakuza Männer anwesend waren.

„Du bist hoffnungslos unterlegen, gib auf, Angel!“ Nagis Gesichtsausdruck war kälter denn je. Aika senkte den Kopf und warf ihre Schwerter in die Luft. Mit einer einzigen Handbewegung schleuderte sie die beiden übrigen Jagdmesser nach zwei Yakuza. Die Klingen verfehlten ihr Ziel nicht. Das alles geschah so schnell, dass Aika die geworfenen Schwerter wieder auffangen konnte. Die Mafia Kerle waren einen Moment verunsichert, so dass es ihr gelang, anzugreifen.

Aika warf sich zu Boden und drehte sich im Capoeira Stil, was die Yakuza einige Gliedmaßen kostete. Nur noch einer stand zwischen ihr und Aya, der drei Meter entfernt am Boden kniete. Seltsamerweise beobachteten Schwarz den Kampf, ohne ihre überlegene Position auszunutzen. Der Yakuza griff sie an. Das Gefecht dauerte nur zwanzig Sekunden, bevor die Katana ihn von Kopf bis Fuß spaltete. Aika war blutverschmiert und zitterte vor Anstrengung.
 

Jetzt erst griff Crawford ein. Er hielt seinen Revolver direkt auf Ayas Brust. „Keine Bewegung, sonst ist er tot! Keine Sorge, ich treffe auf diese paar Meter genau sein Herz!“ Aika ließ ihre Waffen sinken. „Was habt ihr vor?“

„Oh, wir wollen uns ein wenig amüsieren. Tut uns bitte einen Gefallen und sterbt nicht so schnell!“ Crawford lachte laut auf.

Aika ging in die Knie. „Machst du schon schlapp oder was?!“, rief Schuldig.

Angel hatte einen Plan. Im nächsten Moment hatte sie mehrere kleinere Steine vom sandigen Boden aufgehoben und alle auf einmal gegen Schwarz geworfen. Crawford, der nur kurz unkonzentriert war, wurde hart am Kopf getroffen, worauf er die Waffe von Aya abwandte.
 

Aika nutzte ihre kleine Chance und stürmte nach vorn. Die zwei Yakuza standen noch, als Schwarz sich wieder gefangen hatte. Aika kniete vor Aya, den Kopf an seiner Schulter. Ihre Hände hielten immer noch Wakizashi und Katana, die vibrierend in den Brustkörben der Yakuza steckten. Ihre Herzen schlugen, weshalb die Schwerter leicht pulsierten. Aika legte die Zeigefinger auf die Klingen, worauf die Yakuza Schergen tot zusammenbrachen. Aya konnte Angels Parfüm riechen, ihr Atem ging schnell und ihr Herz schlug so stark, dass er es spüren konnte. Ein Klicken sagte ihnen, dass Crawfords Revolver schussbereit auf sie zeigte.
 

„Grandiose Vorstellung! Bravo!“ Er klatschte, indem er mit der freien Hand auf seinen Unterarm schlug. „Nur Schade, dass es euch nichts nützen wird! Waffen fallen lassen!“ Aika gehorchte. Sekundenbruchteile später wurde sie von zwei starken Armen gepackt und hochgehoben. Es war Schuldig, der hinter ihr gestanden hatte. Aya wurde von Farfarello gezwungen aufzustehen. Sein Messer lag an der Kehle des Weiß-Mitglieds.

„Ich stelle dir jetzt einige Fragen, Angel und du wirst sie wahrheitsgemäß beantworten, sonst passiert das!“ Crawford schlug seine Faust in Ayas Magen. Dieser krümmte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht. Angel blieb kühl. „Glaubst du, ich nehme Rücksicht auf ihn? Wenn mir von oberster Stelle der Befehl gegeben würde, ihn zu töten, würde ich es ohne zu zögern tun!“
 

„Ich spüre deine Angst, mich kannst du nicht täuschen!“ Schuldig war in ihre Gedanken eingedrungen. Crawford nahm Ayas Kinn zwischen Zeigefinger und Daumen.

„Du kannst niemanden leiden sehen, deshalb erledigst du deine Opfer, sofern sie nichts Direktes mit deiner Rache zu tun haben, meistens schnell und ohne ihnen ins Gesicht zu sehen, hab ich Recht?“ Er drehte das Gesicht von Angels Mitstreiter in ihre Richtung. „Sieh ihn dir genau an. Blicke in seine hübschen Augen. Willst du, dass ich ihm wehtue?“ Schuldig zwang Aika, in Ayas purpurne Augen zu schauen. Sie sah seinen Trotz, die Wut, aber auch Angst, Verzweiflung und Flehen.

„Zufrieden?“, blaffte Aika.

„Wer gibt euch die Aufträge?“ Crawford schlenderte zwischen den beiden auf und ab. Angel schwieg. Schuldig wollte ihre Gedanken lesen, sie dachte aber nur an einen Strand. „Du bist gerissen, Baby“, sprach er leise in ihr Ohr.

„Willst du nicht antworten?“, fragte Crawford, der seine Jacke ausgezogen hatte. „Dann schau dir die Konsequenzen an!“ Er rammte sein Knie mit voller Wucht an Ayas Brust und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht. Aika musste hinsehen, Nagis Kraft hinderte sie daran, die Augen zu schließen.
 

Crawford wandte sich wieder ihr zu. „Wer zur Hölle ist euer Auftraggeber?!“

„Schmier dir deine Fragen sonst wo hin, ich werde dir keine einzige beantworten, du Schwanzlutscher!“, schrie Aika ihn an.

„Wie du meinst, vielleicht wirst du deine Ansichten ändern, wenn ich mit dem kleinen Fujimiya hier fertig bin!“ Mit diesen Worten prügelte Crawford Aya fast bis zur Bewusstlosigkeit.

„Weißt du, warum ich sein Gesicht verschont habe?“, fragte er keuchend. „Damit du ihm in die Augen sehen kannst!“, lachte Crawford.

Aya hing in Farfarellos Armen, ein Blutrinnsal lief aus seinem Mund. Crawford packte ihn am Haarschopf und zog sein Gesicht hoch, so dass er Aika ansah. Sie versuchte, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten, aber Schuldig hatte seine Chance gewittert.

„Willst du uns nicht sagen, dass wir aufhören sollen? Beantworte einfach die Fragen, dann erlauben wir ihm einen schnellen, vielleicht schmerzlosen Tod…“
 

„Halt deine Klappe! Halt deine verdammte Fresse!“ Angel schrie Schuldig auf Deutsch an. „Oh, du bringst mich auf eine Idee! Deine Eltern starben ja in einem brennenden Haus, soll Fujimiya verbrennen? Soll ich ihn anzünden? Willst du ihn schreien hören?“

Aika wurde mit Bildern aus vergangen Tagen konfrontiert. Schuldig wusste, dass er gewonnen hatte. Er spürte, wie sie zusammensank und ließ sie los.
 

„Macht mit mir, was ihr wollt, aber lasst ihn gehen“, flehte Aika. Farfarello warf Aya zu Boden. Angel stürzte zu ihm: „Aya! Aya! Sag doch was!“

„Du, du Dummkopf… lauf weg, mach schon“, brachte er mühsam hervor. Sie hob ihn an ihre Brust: „Ich bring dich hier raus, versprochen!“ Wie auf Kommando schrie Ken aus dem Tempel heraus: „Ihr Dreckskerle! Zu viert auf zwei, das ist reichlich unfair!“

Er rannte gefolgt von Yoji und Dilara, die ihre neu geladenen Pistolen im Anschlag hatte, auf die Schwarz-Leute zu. Im selben Moment raste Omi, der von Yoji gerufen worden war, mit dem Auto auf den Platz und hielt mit quietschenden Reifen direkt neben Aika und Aya. Angel riss die Tür auf. Sie half ihrem Gefährten hinein. Als Aika jedoch merkte, dass eine Hand sie von hinten an der Schulter packte, schlug sie die Autotür hinter Aya zu. Omi brauste zu den anderen dreien, die sich ebenfalls ins Auto retteten. Angel versuchte, auf allen vieren zu entkommen, wurde jedoch von Farfarello hochgehoben und in einen Haltegriff genommen. Omi brachte das Auto parallel zu Schwarz zum Stehen. Die Beifahrertür flog auf und Dilara zielte mit beiden Pistolen auf ihre Gegner. Schuldig bückte sich und zog eines der Jagdmesser aus einem toten Yakuza Schergen. Er wischte es sorgfältig ab. Crawford zielte mit dem Revolver auf Aika, die völlig fertig nur noch von Farfarellos Armen aufrecht gehalten wurde.
 

„Verdammt, verschwindet hier! Ich brauch keine Zuschauer beim Sterben!“, rief sie mit letzter Kraft. Yoji wendete sich an Dilara.

„Angel hat Recht. Wenn wir es darauf ankommen lassen, verfolgen sie uns am Ende noch. Dann müssen wir alle sterben! Mach die Tür zu, wir müssen weg hier!“

„Aber! Ich kann sie doch nicht einfach ihrem Schicksal überlassen! Nein! Fahr nicht! Bitte fahr nicht!“ Dilara war schockiert, alles war wie ein böser Traum. Sie drehte sich Hilfe suchend zu Yoji um, der seine Arme fest um den Körper geschlungen hatte und still weinte.
 

Schuldig war derweil mit gezücktem Messer auf Aika zugegangen. „Ich hätte dich schon vor fünf Jahren töten sollen, als ich die Gelegenheit hatte. Grüß die Engel von mir!“

Mit diesen Worten stach er das Messer in Angels Bauch. Diese war so entsetzt, dass sie im ersten Moment nicht mal schreien konnte. Farfarello ließ Aika los und im Fallen erhaschte sie einen Blick auf Dilaras Gesicht, bevor Omi aufs Gas drückte. Der Wagen verschwand in der Nacht.

„Sie haben es geschafft, Gott sei Dank…“, dachte sie erleichtert. Der Schmerz betäubte ihre Wahrnehmungen. Schwer atmend lag Aika auf dem kalten Boden. Sie konnte Schuldigs grinsendes Gesicht sehen. In ihrem Kopf drehte sich alles. Schmerz brannte bei jedem Atemzug. Ihre Finger lagen bald in warmer Flüssigkeit. Alles verschwamm in ihrem Sichtfeld. Sie konnte Schuldigs hämische Worte nicht mehr hören, nur noch andeutungsweise wahrnehmen, dass er die Lippen bewegte. Plötzlich wurde alles weiß und einige Sekunden später versank alles in Schwärze und Aikas Bewusstsein verabschiedete sich.
 


 

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Spannung! Eines meiner Lieblingskapitel. Ich glaube, man merkt die Fortschritte zu den ersten Abschnitten sehr deutlich. Wie ihr sicherlich schon bemerkt habt, rechne ich in Angel Hunter oft gnadenlos mit Verbrechern aller Art ab. In diesem Fall mit Männern, die sich einbilden Frauen, als Spielzeug zu benutzen und vor Gewalt nicht zurückschrecken.
 

Ich hoffe wir sehen uns beim nächsten Kapitel!



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