Zum Inhalt der Seite

Angel Hunter

Der Pfad der Rache
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Die Neue

Als Aika am nächsten Morgen aufwachte, schien ihr die vorherige Nacht wie ein Traum. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass alles nicht passiert war. Sie war jetzt fast ein Jahr in Japan. In ein paar Tagen würde sie siebzehn werden. Aika blickte auf Yoji hinunter. Er schlief. Sie verspürte den Wunsch, ihm durch die Haare streichen zu müssen. Sein Arm lag immer noch in beschützender Geste um ihre Taille. Yoji war in Ordnung, aber sie liebte ihn nicht wie einen potenziellen Ehemann. Nein, sie liebte ihn eher wie einen Bruder. Aika hoffte, dass er nun das bekommen hatte, was er wollte. Seine Anmachversuche würden ausbleiben, schließlich wurde jede Frau nach einmaliger Eroberung für ihn uninteressant. Seit Asuka getötet worden war, suchte Yoji nach jemandem, der sie ersetzten konnte, doch Aika wusste, dass er keine finden würde. Sie kroch aus dem Bett, zog ihre mittlerweile wieder trockene Arbeitskleidung an und schrieb ein paar Worte auf einen Notizzettel:
 

Morgen Yoji, muss Persha Bericht erstatten. Wir sehen uns um halb 10 im Blumenladen.
 

Danach verließ Aika sein Apartment um in ihrer Wohnung eine E-Mail an den Auftraggeber zu verfassen. Kurze Zeit später erhielt sie eine Antwort von Manx:
 

„Du hast Glück, dass Dir nichts weiter passiert ist, sonst wäre am Ende noch alles aufgeflogen und Weiß hätte sterben müssen! Dies ist meine letzte Warnung. Unternimmst Du noch mal eigenmächtig Missionen irgendeiner Art, dann erwartet dich der Tod. Ich komme heute Abend zum Laden, dann erhaltet ihr euren nächsten Auftrag. Manx
 

Aika duschte und zog sich eine Jeans und ein schwarzes T-Shirt mit dem Logo einer Band an. Dann legte sie ein wenig Wimperntusche und Lipgloss auf. Als Aika in den Spiegel schaute, merkte sie, dass ihr Haar um einiges gewachsen war.

„Irgendwie gefällts mir so fast besser“, dachte sie und strich sich eine vorwitzige Strähne aus den Augen. Gemächlichen Schrittes machte Aika sich dann auf den Weg zum Kitten in the house. Wie immer musste sie sich durch eine schier endlose Menge Schulmädchen kämpfen. Ab und zu fragte ein Junge, wo denn Maya abgeblieben sei. Aika maulte ihn daraufhin sofort an, er solle sich sonst wohin scheren. Endlich im Laden, wurde sie sogleich von Aya empfangen. Er bedeutete ihr, mit ins Lager zu kommen.

„Guten Morgen, Ay.“

Da schlug es ein. Aika fiel rücklings in einen Stapel Torfsäcke, und als ob das noch nicht genug gewesen wäre kippten ihr auch noch zwei mit Blumen und Zierkraut gefüllte Eimer über den Kopf. Benommen blieb sie liegen. Aya ging neben ihr in die Hocke.

Er rieb sich die Fingerknöchel. „Verdammt, hast du nen harten Schädel!“

„Spar dir die dummen Sprüche! Wofür war das eben?“

Bam, er hatte die andere Gesichtshälfte getroffen.

„Aua, willst du mich entstellen? Soll ich etwa mit zwei blauen Augen im Laden stehen und die Kundschaft verschrecken?“

„Die erste war für gestern Nacht. Die zweite für deine dumme Frage!“ Sie stand auf.

Aya, der ihr den Rücken zugedreht hatte, hielt kurz inne, dann ohne Vorwarnung traf Aika der dritte Fausthieb. Wieder fiel sie zu Boden. Ihre Brust schmerzte fast unerträglich.

„Schlägst du gern Frauen?“

„Nein, aber du hast’ s einfach verdient! Die Letzte war für Maya, und weil du nicht bemerkt hast, was sie für ein Spiel abgezogen hat!“ Aya streckte ihr die Hand hin. Aika drehte sich demonstrativ zur Seite. Da packte Aya sie einfach und hievte ihren Körper in die senkrechte Position.

„Woher weißt du von Mayas Tod?“, fragte sie, aber eigentlich hätte sie sich die Antwort selbst geben können.

„Yoji“, sagte er knapp. Das Gefühl der Kälte breitete sich wieder in ihrem Magen aus, gefolgt von einem nicht zu unterdrückendem Brennen in den Augen und einem seltsamen Druck im Hals. Aika spürte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. Erst jetzt schien sie zu realisieren, dass ihre ehemalige Freundin nie wieder kommen würde. Nun war die sonst so coole Aika Tadano plötzlich mutterseelenallein auf der Welt. Aya starrte sie nur hilflos an. So hatte er Aika noch nie gesehen. Ein Zittern durchlief sie von Kopf bis Fuß. Er kämpfte mit sich selbst. Konnte es ihm nicht egal sein, was sie fühlte? Unbeholfen versuchte er, Aika zu trösten, die daraufhin in seinen Armen zusammenbrach und ungehalten weinte. Aya sank ebenfalls auf die Knie. Sie tat ihm Leid. Wie oft hatte er sich gewünscht, dass jemand ihn tröstete, wenn er traurig war. Aya hielt Aika ganz fest an seiner Brust, bis er spürte, dass sie sich beruhigte.

„Sorry Aya-kun, ich weiß auch nicht, was mit mir los ist.“ Zwei verheulte, glänzende Augen schauten ihn an.

„Ist schon in Ordnung.“ Aya mied Aikas Blick.

Sie stand auf. „Lass uns arbeiten gehen.“
 

Stunden später, es dunkelte schon draußen, machten die vier Jungs und Aika den Laden dicht. Omi saß still in einer Ecke. Er hatte den ganzen Tag recht wenig gesprochen, der sonst so fröhliche Junge lächelte nicht. Yoji wischte gedankenverloren immer und immer wieder eine Tischplatte sauber. Er schien angestrengt über etwas nachzudenken. Ken war ebenfalls nicht sonderlich gut aufgelegt. Einige Kinder waren enttäuscht gewesen, als er sie nicht zum Fußballspielen begleiten wollte. Aika kehrte das Grünzeug vom Boden auf einen Haufen und Aya stellte eine Tagesbilanz auf.

Es musste sieben Uhr sein, als ein Klopfzeichen an dem Wellblechtor ertönte. Manx betrat den Laden.

„Hallo zusammen!“, trällerte sie.

„Ihr habt Arbeit!“ Manx legte vier Eintrittskarten auf den Tisch.

„Äh, Rumble Rose Entertainment? Wir sollen zum Wrestling?“ Ken zog eine Augenbraue hoch.

„Warum nur vier Karten?“, fragte Aika. „Die Jungs gehen als Zuschauer hin, keine Aktionen, außer, wenn von mir befohlen, klar Omi?“ Pershas Sekretärin wendete sich dem Kleinsten von Weiß zu.

„Dann hat mein Fehler mich für heute wohl disqualifiziert…“ Aika zog ihre Schürze aus und warf sich ihre Lederjacke über.

„Ich geh dann mal. Lasst euch nicht killen!“ Sie wollte gerade das Tor öffnen, als Manx mit etwas schärferem Ton sagte: „Du bekommst die Chance, deinen Fehler auszubügeln, deshalb wirst du als aktive Wrestlerin mitmischen. Dein Ziel ist das Finale!“

„Aber ich kann doch gar nicht wresteln!“ Aika drehte sich entsetzt um. Doch Manx warf ihr nur eine Tasche vor die Füße. Verdutzt hob Aika sie auf und holte einen schwarz-roten Dress heraus.

„Dein Wrestlingoutfit. Du bist als „Demon Lady“ angemeldet. Wenn alles nach Plan läuft, triffst du im Finale auf „Screaming Nicki“. Du verursachst einen „kleinen Unfall“, brichst ihr das Genick oder so was.“

„Aber warum? Sie ist doch kein Mitglied von Takatoris Gang, oder?“ Aika blickte etwas verwundert in die Runde.

„Sie bezieht Aufputschmittel aus einer der von Takatori kontrollierten Pharmafirmen. Diese verkauft sie im großen Stil an andere Sportlerinnen und hält so das Zepter für diesen Teil Tokios in der Hand. Außerdem ist sie eine der Hauptkontaktpersonen Takatoris. Sie ließ einige ihrer ehemaligen Kunden auffliegen, weil diese zu viel herausgefunden hatten. Diese wurden dann unverzüglich eliminiert, aber nicht von Schwarz, die würden sich die Finger wegen solchen „Kleinigkeiten“ normalerweise nicht schmutzig machen. Wenn wir sie töten, könnte sich für uns eine Chance auftun, im Drogenmilieu leichter Nachforschungen anzustellen. Mehr kann ich euch nicht sagen. Der Kampf findet im Casino Palace statt. Um halb neun geht’s los. Ich werde euch beobachten! Wir treffen uns nach dem Kampf in der Umkleide von Aika! Bis dann!“ Manx ließ ein schelmisches Lächeln aufblitzen, bevor sie das Tor hinter sich schloss.
 

Skeptisch blickte Aika auf ihren Dress. „Der Body ist ja wirklich cool, aber die Maske ist der blanke Horror!“

„Warum? Hast du Angst, dass sie deinen Teint ruiniert?“, witzelte Ken.

„Grrr! Willst du mich ärgern?! Es geht einzig und allein darum, dass man in diesem Stoff verdammt schnell schwitzt! Das ist nicht sexy!“, erwiderte Aika übertrieben gespielt. Endlich ließ auch Omi ein leises Glucksen vernehmen. Aika ging auf ihn zu und drückte Omi etwas in die Hand.

„Das ist ein Polaroid von dir und Maya, an dem Tag gemacht, als wir zum ersten Mal hier gearbeitet haben. Behalt sie so in Erinnerung, wie sie damals war“, lächelte Aika gütig. Omi blickte sie mit Tränen in den Augen an. „Danke! Ich, ich vermisse sie so! Warum hat Maya sich gegen uns gewendet?“

Sie nahm ihn in die Arme: „Ich weiß es nicht, Kleiner. Aber ich verspreche dir, dass ich es irgendwann rausfinde. Und Gnade Schuldig, wenn er ihre Gedanken manipuliert hat!“ Aika küsste Omis Stirn.

„Ich geh und hol mein Auto. Aika, es ist besser, wenn du deine Ninja nimmst.“ Yoji nahm ihre Hand und zog Aika hinter sich aus dem Laden. Die drei anderen schauten sich verdutzt an.

„Hab ich was verpasst?“ Ken blickte Aya fragend an. Der zuckte bloß abwesend mit den Schultern.
 

„Yoji, warte doch!“ Aika stolperte hinter ihm her.

„Ich muss dir etwas sagen.“ Er blieb stehen.

„Was denn?“

„Bitte sei mir nicht böse, aber wir können nicht, du weißt schon…“ Yoji suchte nach passenden Worten.

„Zusammen sein?“, ergänzte Aika.

„Ja, genau das wollte ich sagen“, stammelte er.

„Keine Sorge, ich weiß schon, um was es geht. Ich für meinen Teil hab dich lieb, Yoji, aber ich denke eher wie einen verflucht netten Kumpel! Vielleicht wirst du irgendwann über Asukas Tod hinweg kommen und wieder vollkommen glücklich sein dürfen!“ Aika umarmte ihn, bevor sie die Treppen zu ihrer Wohnung hinauf sprang. Total perplex starrte Yoji ihr hinterher und dachte: „Ich kapier mein Schätzchen einfach nicht!“
 

Kurze Zeit später waren die vier Jungs auf dem Weg zur Stadtmitte. Aika war schon vorgefahren, man sollte sie nicht zusammen sehen.

Die Halle war zu drei Vierteln gefüllt, als Omi, Aya, Ken und Yoji zu ihren Plätzen gingen. „Dritte Reihe von unten“, las Ken von der Eintrittskarte ab.

Dort angekommen nahmen sie Platz. Ein Ringsprecher moderierte das Ereignis: „Willkommen, meine Damen und Herren! Ich bin Makoto Tzunoki und werde die Kämpfe heute Abend für sie kommentieren. Als erstes stehen zwei Royal Rumble an! Das heißt 12 Wrestlerinnen in einem Ring! Um auszuscheiden, muss das jeweilige Mädchen über das oberste Seil aus dem Ring geworfen werden, erst wenn jemand mit beiden Füßen den Boden berührt, ist er draußen! Wer als letzte im Ring steht, wird gegen die Vorrundensiegerin antreten! In fünf Minuten geht’s los! Viel Spaß!“

„Den werden wir haben, denk ich.“ Alle vier Köpfe der Jungs wendeten sich zur Seite. „Manx, wir haben dich gar nicht kommen sehen!“ Yoji grinste sie an.

„Ich werde mir doch nichts entgehen lassen. Schließlich kann ich Aika endlich einmal in Aktion erleben!“
 

Diese stand derweil noch in der Umkleide vor dem Spiegel. Sie hatte sich gerade die Maske über den Kopf gezogen. Es waren nur Löcher für Augen, Nase, Ohren und Mund vorhanden. Hinten fiel Aikas blondes Haar fliesend auf ihren Rücken. Die flachen, kniehohen Stiefel waren sehr bequem und das beruhigte Aika ungemein. Nichts war schlimmer, als mit Pfennigabsätzen kämpfen. Sie hörte ihren Aufruf und rannte in die Halle. Eines ihrer Lieblingslieder wurde eingespielt. Für einen Augeblick fühlte sie sich unbesiegbar, dann fiel ihr Blick auf den Ring, in dem sich bereits elf andere Wrestlerinnen warm hüpften. Als Aika zu ihnen stieg, bemerkte sie einen Größenunterschied von mindestens 15 cm. Sie schluckte schwer, doch da erklang der Gong. Gerade noch konnte sie einem Hieb ausweichen. Das Publikum johlte, als die erste übers oberste Seil flog. Aika blockte den nächsten Hieb der leicht bekleideten Frau ihr gegenüber mit einer schnellen Handbewegung ab. Diese konnte kaum reagieren, als ihr der Arm in einer Weise verdreht wurde, die sie zwang, von selbst aufs Seil zu steigen. Aika ließ los und schubste die Frau nach draußen. Plötzlich spürte sie, wie ihr die Füße weggezogen wurden und jemand dadurch versuchte, ihren Körper über die Ringbegrenzung zu werfen.

Mit einem spinning heel Kick machte sie die Angreiferin im blauen Dress unschädlich. Derweil waren die meisten Konkurrentinnen bereits im Aus gelandet. Nur noch vier Wrestlerinnen standen im Ring. Eine von ihnen war mindestens zwei Meter groß und viermal so schwer wie die anderen, auf ihrem Dress stand „Big Mama“.

Wie als wenn sich die anderen zwei Kämpferinnen mit Aika abgesprochen hätten, griffen sie zu dritt an. Leider wurde die eine mit dem Namen „Amazing Kitty“ von der Tonne aus dem Ring geworfen. Nach schier endlosen Scherereien und einigen einkassierten Schlägen war es den beiden verbleibenden dann doch gelungen „Big Mama“ ins Aus zu befördern. Nun sah sich Aika einer großen Frau in einem pinken Ballerinakleidchen gegenüber. Auf ihrer Brust stand „Miss Sweet“. Nach einem kurzen Aussetzer fand sich Aika in einem Sleeperhold wieder. Doch mit einem gezielten Schlag gegen die Schenkelinnenseite der Gegnerin konnte sie sich befreien. Dies war eine Show, und keine der Attacken ihrer Konkurrentinnen konnte mehr anrichten als ein blaues Auge oder schlimmsten Falls eine Zerrung, Unfälle ausgenommen. Was ihr eher Angst machte, war die Tatsache, dass die Schmerzen in ihrer Brust wieder schlimmer wurden. Aika beschloss, ein wenig Aikido in ihren Kampfstil einfließen zu lassen. Sie benutzte die Geschwindigkeit ihrer Gegnerin um diese mit viel Schwung übers Seil zu geleiten.

Aika konnte es kaum fassen, sie stand im Finale! So viel sie von den anderen Mädchen mitbekommen hatte, war es so gut wie sicher, dass ihre Gegnerin „Screaming Nicki“ sein würde. Laut den anderen war sie ziemlich rabiat und viel kräftiger als alle anderen. Aika beobachtete mit Interesse das zweite Royal Rumble.
 

Als erste betrat Titelverteidigerin „Screaming Nicki“ den Ring. Sie war Sonnenstudio gebräunt und hatte sich die Haare blau gefärbt. Sie sah einem Mann ähnlicher, als Aika es jemals bei einer Frau gesehen hatte. Nach dem sich „Screaming Nicki“ von der Menge hatte feiern lassen, kamen nach und nach die anderen elf Wrestlerinnen zum Ring. Die meisten waren nichts Besonderes, aber die letzte stach Aika ins Auge. Ihr Name wurde auf der Anzeigetafel angegeben: „Red Rose“. Sie hatte rückenlanges, glattes, schwarzes Haar, das zu einem Zopf geflochten war und trug einen roten Kampfdress. Ihre blauen Augen stachen aus dem freundlichen Gesicht heraus. Das war nichts Aufregendes, wenn nicht beim Blick auf „Screaming Nicki“ eine erschreckende Kälte in ihnen aufgeflackert wäre. Ihre Intuition sagte Aika, dass etwas nicht stimmte. Der Gong ertönte und die Massenprügelei ging in Runde zwei. Eine Kämpferin nach der anderen verließ auf eine mehr oder weniger angenehme Art den Ring, bis sich nach zehn Minuten nur noch „Screaming Nicki“ und „Red Rose“ gegenüberstanden. Erst sah es so aus, als würde die Schwarzhaarige den Kürzeren ziehen, doch dann wich sie den Schlägen mit großer Gewandtheit aus und setzte „Nicki“ mit einem gezielten Fußtritt Schachmatt. Diese hing nun benommen über dem dritten Seil. „Red Rose“ packte ihre Beine und schmiss ihre Gegnerin aus dem Ring. Aika erstarrte, jetzt musste sich der Plan ändern. Wo waren die Weiß-Jungs? Wieder trat der Sprecher vor das tobende Publikum: „Was für ein unglaublicher Kampf! Die unbesiegbare „Nicki“ hat das Match verloren und zwei Newcomer stehen sich im Finale gegenüber! „Demon Lady“ und „Red Rose“! Wir machen jetzt fünfzehn Minuten Pause, damit die Mädels sich erholen können!“
 

Aika ging in ihrer Umkleide auf und ab. Plötzlich öffnete sich die Tür.

„Manx! Was machst du hier?“ Sie wich zurück.

„Töte sie jetzt. Nicki ist allein in ihrer privaten Dusche! Dritte Tür links von dir!“

Die Sekretärin drehte sich auf dem Absatz um und verschwand ohne ein weiteres Wort. Aika lief rot an. „Ich soll in ihre Dusche?“ Vorsichtig spähte sie durch die Tür. Niemand zu sehen. Die Tür des Duschraums öffnete sich und Aika stand im warmen Wasserdampf. Ihre Stiefel hatte sie gegen zwei Plastiktüten getauscht um keine Fußabdrücke zu hinterlassen. Aika schlich vor die Dusche und riss den Vorhang zur Seite. Beinahe hätte sie laut aufgeschrieen. Nicki lag oder saß regungslos mit dem Rücken an der Wand auf dem Fliesenboden. Ihr Schädel war seltsam deformiert und Unmengen von Blut wurden vom Wasser in den Abfluss gespült. „Das hier war kein Unfall. Jemand ist mir zuvor gekommen und hat das Miststück erschlagen“, schoss es Aika durch den Kopf. Das Geräusch von Schritten ließ sie herumwirbeln. Im Türrahmen stand eine weibliche Gestalt mit rotem Dress. Das grelle Licht, das von hinten in den Raum fiel, machte es Aika unmöglich, das Gesicht zu erkennen, aber sie war sich sicher, dass das „Red Rose“ gewesen sein musste.

Die Gestalt hielt kurz inne, dann lief sie davon. Aika spurtete hinterher, wobei sie auf dem nassen Boden beinahe ausgerutscht wäre, konnte jedoch niemanden auf dem Flur erspähen. Sie schloss die Tür ihrer Umkleide hinter sich und zog wieder ihre Stiefel an. Die Plastiktüten ließ Aika in ihrer Tasche verschwinden. Kurz darauf wurde der Finalkampf ausgerufen.

Aika ging zum Ring und stieg, geistesabwesend zwischen den Seilen hindurch. Vor ihr stand die Schwarzhaarige. Von nahem sah sie verblüffend jung aus. Aika schätzte sie nicht älter als 16. Ihr kühler Blick schien sie zu durchbohren. Ihr war nicht wohl bei der Sache.
 

Ken, Yoji und Omi waren aufgesprungen und feuerten Aika lautstark an, während Aya wieder einmal so tat, als kenne er keinen der drei.

Der Gong ertönte und Aika geriet sofort in Bedrängnis. Das Licht über den Zuschauerrängen war ausgegangen. Nur noch der Ring war beleuchtet.

Red Rose setzte zum spinning heel Kick an, doch Aika blockte diesen mit beiden Armen. „Verdammt, der war ernst gemeint“, dachte sie beim Anblick der roten Flecken auf den Außenseiten ihrer Arme. Im nächsten Moment streckte „Red Rose“ Upperhead sie zu Boden. Ein stechender Schmerz durchfuhr Aikas Brust, so dass es ihr nicht möglich war, sich zu bewegen. Zu ihrem Erstaunen trat Red Rose nicht auf sie ein, sondern holte vier kleine Granaten aus ihrem Ausschnitt und warf sie in die Halle. Explosionen schreckten die Menschen auf und weißer Dunst vernebelte die Halle. Aika spürte ein Tuch auf ihrer Nase.
 

Aya war aufgesprungen, doch das Betäubungsgas zeigte bereits seine Wirkung. Auch den anderen ging es nicht viel besser. Omi wusste, dass Manx vorhin auf die Toilette gegangen war und hoffte, dass sie im Notfall einspringen konnte. Neben ihm fiel Ken mit offenen Augen zu Boden. Yoji war nicht mehr ansprechbar. Omis Beine knickten weg. Verschwommen nahm er war, dass Aya sich kriechend dem Ring näherte und ein paar Meter davor zusammenbrach, dann wurde es schwarz um ihn.

Als sich der Nebel gelegt hatte, sah Aika, die immer noch am Boden lag, aus den Augenwinkeln, was geschehen war. Über ihr kniete Red Rose, die einen Mundschutz trug. Sie riss das Tuch weg und ließ ein Messer aus ihrem Ärmel schießen. Aika konnte sich gerade noch zur Seite rollen, bevor die Klinge dicht neben ihr in den Boden schlug.

„Du Miststück!“, rief Red Rose in nicht ganz akzentfreiem Englisch.

„Was? Was hab ich dir getan?“, rief Aika, während sie einem Hieb mit der Klinge auswich, der sie nur um Haaresbreite verfehlte.

„Weißt du das denn nicht? Oder bist du zu faul zum Nachdenken, Schlampe?!“ Wie von Sinnen stach das schwarzhaarige Mädchen nach Aika.

„Jetzt werd mal nicht ausfallend! Eigentlich hätte ich hier Grund, sauer zu sein!“ Sie hielt die Hand ihrer Gegnerin auf und die Messerspitze stoppte nur wenige Millimeter von Aikas Haut entfernt zwischen ihren Augenbrauen.

„Verarsch mich nicht!“ Red Rose biss die Zähne zusammen und versuchte mit aller Gewalt, Aikas Hand wegzudrücken.

„Du hast meine Zielperson gekillt! Du hast mich nen Haufen Geld gekostet!“

Aika schubste sie zur Seite. „Wer zum Teufel bist du?! Nimm die Maske ab!“, rief Red Rose.
 

Aika riss sich die Maske vom Kopf: „Codename Angel! Ich bin Cleaner.“

„Was, eine Auftragskillerin?“ Das Mädchen senkte die Hand.

„So ist es. Da du nun mein Gesicht gesehen hast und ich deins, überlebt einer von uns beiden die Nacht nicht“

„Wenn das so ist, hast du schlechte Chancen. Immerhin bist du im Nachteil!“ Red Rose blickte grinsend auf das Messer, das aus ihrem Ärmel ragte.

„Sei dir da mal nicht zu sicher!“ Angel stieg aufs oberste Seil des Rings. Rose lief auf sie zu. Aika stieß sich ab und landete mit einem gestreckten Rückwärtssalto hinter ihr, schlug Rose in die Kniekehlen, worauf diese zusammenknickte. Ein Ellenbogen landete in Aikas Magen und sie taumelte zurück. Red Rose sprang auf. Ihr bewaffneter Arm schoss nach vorn, direkt in einen Block ihrer Gegnerin. Aika nahm sie in einen Haltegriff, bei dem das Messer tief in den Ringboden gedrückt wurde.

„Was willst du jetzt tun, Miss Messerfuchtler? Wie heißt du eigentlich?“

„Das geht dich nen feuchten Kehricht an!“

„Nun gut, ich wollte nur wissen, was man auf deinen Grabstein schreiben soll. Dann halt nicht“ Angel verdrehte die Augen.

„Halt!“ Eine bekannte Stimme drang an Aikas Ohr.

„Manx! Sie hat unseren Auftrag versaut!“ Die Sekretärin ging mit gezogener Pistole auf Red Rose zu. „Wer bist du? Weshalb hast du Nicki getötet?“

Schweigen.

„Antworte oder stirb!“, schrie Manx sie an.

„Oho, so kennt man dich gar nicht!“, grinste Aika. Red Rose schien endlich kapituliert zu haben, denn sie murmelte: „Ich hab diese Nicki getötet, weil sie eine verfluchte Verräterin war! Wegen ihr sind alle tot, die ich je geliebt habe!“

„Wenn sie dich loslässt, bist du dann artig und erzählst uns, was genau Nicki verraten hat?“ Manx nickte in Aikas Richtung.

„Ist ja gut, ich erzähls euch. Aber erst, nachdem wir den Wrestling Kampf beendet haben. Die Zuschauer wachen in ca. zwei Minuten wieder auf. Sie werden denken, es war ein Sekundenschlaf und wir machen da weiter, wo wir aufgehört haben. Danach können wir in Ruhe reden, ihr scheint ja nicht mit diesem Miststück unter einer Decke gesteckt zu haben.“

Red Rose erhob sich mit einem prüfenden Blick auf Aika. „Ach ja, mein Name ist Dilara!“ Ein kurzes Lächeln spielte auf ihren Lippen. Manx verließ den Ring, weil sie bemerkt hatte, dass die anderen Menschen schon wieder zu sich kamen. Aya blinzelte verdutzt, als er sich auf dem Hallenboden wieder fand.
 

Dilara und Aika duellierten sich derweil hitzig. Die Menschen waren etwas verwirrt, doch nach einer schönen Aktion von Dilara jubelten sie alle. Als das Match schon fast zu Gunsten von Dilara entschieden war, hob Aika ihre Konkurrentin hoch und ließ sie kopfüber auf den Boden krachen. Das hatte sie beim Wrestling im TV mal gesehen. Der „Undertaker“ benutzte die Technik, die sich Tombstone nannte. Tatsächlich war Dilara erst mal KO, obwohl Aika sie nicht mit voller Wucht hatte aufprallen lassen. Sie kreuzte die Arme der Gegnerin wie bei einem Toten und der Ringrichter, der mittlerweile zu sich gekommen war zählte Dilara aus. Aika hatte gewonnen.

Dilara taumelte benommen neben ihr her in Richtung Umkleide und maulte: „Warum hast du das gemacht? Das tat weh!“

„Das kommt von deiner Messerstecherei. Ich reagier ein wenig gereizt auf unbegründete Angriffe, aber das wirst du sicher verstehen, oder bin ich zu empfindlich?“

Dilara murmelte etwas Unverständliches in einer anderen Sprache: „Allahallaaaah!“

Als sie Aikas Umkleide betraten, saßen die anderen fünf bereits dort und warteten.
 

„Hi, guter Kampf nicht?“ Aika ging mit vor stolz geschwellter Brust an den Jungs vorbei und ließ sich neben Manx auf eine der Bänke fallen.

„Wer ist diese gut aussehende Braut?“ Yoji musterte sie feurig von oben bis unten.

„Das ist Dilara, wie war noch dein Nachname?“ Manx war aufgestanden.

„Äh, Gensch...“ Sie lächelte nervös. Aika warf Yoji einen vernichtenden Blick zu.

„Setz dich, bitte“, Pershas Sekretärin deutete auf eine Bank gegenüber der Weiß Mitglieder. Aika überschlug ihre Beine. „Du hast nen leichten Dialekt, wo kommst du her?“ „Du sprichst auch nicht grad wie ne Japanerin, ich könnt dir die selbe Frage stellen.“ Dilaras eisblaue Augen blitzten herausfordernd.

„Gegenfragen sind unhöflich, also sag schon. Es interessiert mich einfach“, lenkte Aika ein. „Ich komme eigentlich aus der Türkei.“

„Womit wir beim eigentlichen Thema wären“, unterbrach Manx Dilara.

„Was hat dich hierher verschlagen? Hast du geglaubt, dass der Mord an einer von unserer Gruppierung mitten in einer Großveranstaltung keine Konsequenzen nach sich ziehen würde? Wie hätte denn das ausgesehen, wenn plötzlich deine Gegnerin tot im Ring liegt und du verschwunden bist. Jeder in dieser Halle kennt dein Gesicht. Damit wäre dein Vorhaben, was immer das auch ist, gescheitert. Wenn nicht einer der von Takatori befehligten Yakuza dich erwischt hätte, dann die Polizei!“ Manx war deutlich lauter geworden. Dilara, ein wenig eingeschüchtert, stammelte: „Ich wollte nur dieses Miststück töten, dass meinen Bruder verraten hat. Vielleicht sollte ich von vorn beginnen, wenn’s recht ist.“

„Nur zu, wir sind gespannt.“ Die Sekretärin lehnte sich zurück.
 

Dilara wirkte etwas bedrückt: „Meine Eltern wurden bei einer Schießerei getötet. Sie gehörten der Mafia an, wie der Großteil meiner Familie. So auch mein Bruder. Er war älter als ich und sah sich verpflichtet, sich um mich zu kümmern. Eines Tages lernte mein Abi eine ausländische Frau kennen. Sie hieß Nicole Terrence und kam aus Amerika, wohnte aber schon einige Zeit in Japan, wo sie als Profi-Wrestlerin ihr Geld verdiente. Angeblich war sie nur auf Urlaubsreise. In Wirklichkeit wollte Nicole nur mit der Mafia, der mein Bruder ebenfalls angehörte, über Drogengeschäfte verhandeln. Leider verliebte mein Abi sich in sie. Die beiden wurden ein Paar und er erzählte ihr vertraulich, dass er vorhatte, aus dem Drogengeschäft auszusteigen. Mein Abi wollte mit Nicole und mir ein neues Leben anfangen. Nun, seine Liebe zu ihr hat ihm das Leben gekostet. Dieses Miststück war nämlich vom Boss persönlich auf ihn angesetzt und hatte nichts Besseres zu tun, als ihm alles brühwarm aufzutischen! Und dann, und dann…“ Sie schluchzte. „Diese Dreckskerle kamen in unsere Wohnung. Erst quälten sie ihn, bis er schon halb tot war. Dann schossen sie zwei Magazine leer. Ich hatte mich unterm Bett versteckt. So viel Blut… so viel Blut…“ Dilara hatte ihre Arme um den Körper geschlungen und in ihren Augen glitzerten Tränen. Aika schaute verbissen. Sie bemerkte, dass auch Aya und Yoji versuchten, cool zu bleiben.

Ihre Aufmerksamkeit galt Sekunden später wieder Dilara, in deren Augen jetzt ein gefährliches Funkeln zu sehen war. „Das ist heute genau sechs Monate her. Alles, was ich will, ist Rache! Rache für den Tod meines geliebten Abi! Und Takatori Junior steht als nächstes auf meiner Liste. Er ist für die Drogengeschichten verantwortlich! So viel ich weiß, hat er vor zweieinhalb Jahren schon einmal einen Fehler gemacht. Die Sache Fujimiya.“

Aika wirbelte zu Aya herum. Seine Augen waren leer und ohne jeglichen Ausdruck. Langsam begann Aika zu verstehen. Immer wenn man Aya nach seiner Vergangenheit fragte, blockte er energisch ab.
 

Manx, die ebenfalls merkte, dass das Gespräch zu weit ging, unterbrach Dilara. „Nun wissen wir, um was es geht. Also bleibt mir nur noch eines.“ Sie zog eine Pistole aus ihrer Handtasche und hielt sie an Dilaras Kopf: „Entweder du trittst uns bei, oder du wirst hier und jetzt sterben. Allein bist du gegen deinen Gegner machtlos, aber wir können nichts riskieren. Wähle!“ Schockiert blickte das schwarzhaarige Mädchen in den Lauf der Pistole. „Immer das Selbe“, dachte Aya.

„Wenn ich dadurch eine Möglichkeit der Rache habe… nehme ich an.“ Dilara schluckte schwer.

„Gut.“ Manx steckte die Pistole wieder ein. „Du bist ab heute Aikas neue Partnerin. Willkommen beim Projekt Weiß.“

„Was?! Ich soll mit DER zusammenarbeiten?!“, riefen beide Mädchen wie aus einem Mund.

„Keine Sorge. Aya und Ken haben sich erst auch nicht sonderlich verstanden, aber seht euch die Beiden an. Ein Herz und eine Seele!“, lächelte Manx.

„Ich und dieser Einfaltspinsel? Befreundet? Nie im Leben!“ Ken schmollte. Da mussten alle lachen. Dann trennten sie sich.
 

Aika führte Dilara zu ihrer Ninja. „Hier, setz den auf!“ Sie drückte ihr einen Helm in die Hand.

„Fährst du ohne?“, fragte Dilara.

„Ich fall schon nicht runter, mach dir keine Hoffnungen“, antwortete Aika zähneknirschend und schwang sich auf ihre geliebte Maschine. Sie band ihre Haare zu einem Zopf, zog ihre Bikerhandschuhe an und schob sich eine hellglasige Nachtsichtsonnenbrille auf die Nase. Dilara hopste auf hinteren Platz und klammerte sich fest. Aika gab mächtig Stoff und die beiden Mädchen rasten davon.

„Wow! Ich fühl mich wie der König der Welt!“, schrie Dilara. Aika trat weiter aufs Gas. Geschickt schwenkte sie zwischen den Autos hindurch und kam mit quietschenden Reifen auf einem Parkplatz vor einem Cafe zum Halten. „Was machen wir denn hier?“

Dilara klappte das Visier ihres Helms hoch. „Ich will wissen, wie diejenige ist, mit der ich zusammenarbeiten soll. Wo lernt man sich besser kennen als bei einer guten Tasse Kaffee?“ Aika war abgestiegen und sah sich den verwunderten Blicken einiger Menschen gegenüber, die vor Erstaunen über so viel Fahrkunst stehen geblieben waren.

„Willst du da festwachsen?“ Sie drehte sich um. Dilara lächelte. „Danke“

Aikas Mundwinkel hoben sich. „Komm schon! Der Letzte zahlt die Rechnung!“ Sie liefen zum Eingang.
 

Einige Minuten später saßen sie ihren Bestellungen gegenüber. Gedankenverloren rührte Aika in ihrem Cappuccino. „Wie lang bist du schon dabei?“, fragte Dilara. Aika blickte auf: „Ungefähr ein Jahr. Im Gegensatz zu den Typen habe ich eine Ausbildung hierfür gemacht.“

„Eine Ausbildung? Wie kamst du dazu?“

„Meine Eltern wurden bei einem Bombenanschlag getötet. Ich war zwölf, als mich diese Leute in Deutschland rekrutierten.“ Aika schaute zum Fenster hinaus.

„Wie alt bist du eigentlich?“

Dilara grinste. „Noch bin ich fünfzehn, aber ich habe im Dezember Geburtstag.“

„Ich habe in ein paar Tagen, dann bin ich siebzehn.“ Aika hob die Tasse zum Mund. „Dann bist du Skorpion. Das erklärt so einiges…“ Dilara schlürfte eilig ihren Kaffee.

„Was soll das denn heißen?!“ Aika zog eine Augenbraue nach oben.

„Das heißt nur“, sagte Dilara, dass du einen interessanten Charakter hast.“

„Nochmal Glück gehabt. Das nenn ich kunstvoll den Hals aus der Schlinge ziehen.“ Aika schüttelte lächelnd den Kopf.

„Was heißt eigentlich „neue Partnerin“?“, wollte ihr Gegenüber wissen. Aikas Lächeln verschwand.

„Sie ist gestorben.“

Dilara hatte einen betroffenen Gesichtsausdruck. „Tut mir Leid, ich wollte dir nicht zu nahe treten.“

„Ach was, es ist eine berechtigte Frage.“ Aika trank mit geschlossenen Augen ihre Tasse aus und das Gespräch mit Maya kam ihr in den Sinn.
 

„Entweder wir töten sie oder sie töten uns, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Sollten wir drauf gehen, werden wir einfach ersetzt. Und glaub mir, keiner wird uns vermissen. Wir sind nur zwei Figuren in einem riesigen Spiel aus Verbrechen, Lügen, Intrigen und Verwirrung.“

„Wir haben unser Todesurteil doch schon längst unterschrieben. Aber in einem Punkt hast du Recht. Ich hab kein Bedürfnis zu sterben.“
 

„Aika? Hey!“ Dilara stupste sie an. Aika riss die Augen auf.

„Entschuldige, ich war in Gedanken woanders, was hast du gefragt?“

„Ich wollte wissen, ob wir mit den Jungs zusammen agieren, oder ob wir eigenständig sind.“

„Also, die vier sind als „Weiß“ bekannt. Die sind schon seit einigen Jahren im Geschäft. Wir, das heißt ab heute, du und ich, sind Angel Hunter. Du wohnst bei mir im Apartment. Meist wechseln wir uns mit den Aufträgen ab, oder Teammitglieder wechseln durch. Beispiel: Du bist krank. Dann springt im Notfall einer der vier ein. Oder Zwei von denen und wir sind unterwegs. Alles andere ist für kleinere Dinge zu auffällig.“ Aika hatte die Stimme gesenkt. „Aber es kommt durchaus vor, dass wir zu sechst Aufträge erledigen. Wieso fragst du?“

„Ich wollt nur wissen, ob ich dem knackigen Kerl näher kommen kann. Den mit den kurzen, braunen Haaren! Verrätst du mir seinen Namen? Bitte, bitte!“ Dilara hatte leicht rosa angehauchte Wangen bekommen. Aika schlug mit dem Kopf an die Tischplatte.

„Oh Gott! Ein weiblicher Yoji! Ich geb mir die Kugel! Aber damit du zufrieden bist. Der Kerl heißt Ken Hidaka und ist ziemlich fußballverrückt.“

Dilara wäre vor Freude fast aufgesprungen: „Juchhu! Ich liebe Fußball! Volltreffer! Der ist ab heute auf meiner Amor Abschussliste, also Finger weg!“

Aika klopfte noch ein paar Mal gegen die Tischplatte und jammerte: „Ich sterbe! Ich dachte, liebestoll wäre schlimm genug, aber auch noch Fußball begeistert! Ich bin so gestraft!“

Dilara bekam einen Lachkrampf. „Ein Nervenarzt hätte seine wahre Freude mit dir!“

Aika gluckste und lachte dann so laut, dass sämtliche Leute an den Nachbartischen zu ihnen schauten.
 

Sie kicherten immer noch, als sie das Cafe verließen.

„Ich glaube, ich find dich nett!“ Dilara warf den Kopf in den Nacken.

„Willkommen im Team!“, Aika streckte ihr die Hand entgegen. „Ich heiße mit vollem Namen Aika Tadano. Es gibt keine Regeln bei unserem Zusammenleben, außer die eine: Sonntags wird nicht vor neun Uhr aufgestanden, sonst gibt’s Zoff! Ich bin ein riesiger Morgenmuffel!“ Sie lächelte verschmitzt.

Dilara nahm ihre Hand: „Darf ich auch eine Regel aufstellen?“ „Nur zu“ „Die Wohnung muss sauber gehalten werden!“, grinste sie. Aika griff sich an die Stirn.

„Ich armes Ding! Schon wieder ein Ordnungsfreak!“ sie warf die Maschine an. Dilara setzte sich hinter sie und die Beiden brausten davon.
 

In der Wohnung angekommen räumte Aika Mayas Sachen in ihre Ecke des Schrankes und bot Dilara die andere Hälfte an. Viel war es nicht, was sie hineinzuräumen hatte. Alles was Dilara besaß, passte in ihre Sporttasche.

„Ich seh schon, wir müssen shoppen gehen, sobald du deinen ersten Lohn bekommen hast“, seufzte Aika.

„Ich bin etwas überstürzt aufgebrochen. Mehr hab ich nicht mitnehmen können. Es war Folter, all die schönen Klamotten zurück lassen zu müssen!“ Sie schloss die Schranktür.

Aika holte den Laptop hervor. Kein E-Mail Zeichen blinkte.

„Endlich kann ich mal in Ruhe spielen!“ Sie tippte wie verrückt auf die Feuer-Taste. „Yeah! Blödes Raumschiff! Jetzt hab ich dich abgeknallt! Ahhh, nicht! Verdammt! Dieser dumme Endboss! Jedes Mal!“ Aika verkniff sich weiteres Fluchen.

„Oh Gott, ich dachte, launisch wär schon schlimm, aber auch noch total übergeschnappt! Ich glaub ich werd den Nervenarzt brauchen!“ Dilara klatschte sich die flache Hand gegen den Kopf.

„Hey, das ist mein Spruch!“, lachte Aika, doch plötzlich wurde ihr Gesicht ernst. „Eine E-Mail?“ Sie klickte auf das Zeichen und las laut vor:
 

“Du hast Maya getötet. Das kommt dich teuer zu stehen. Wir erwarten dich am dreizehnten dieses Monats um 1.00 Uhr in einem verlassenen Tempel nahe der Hauptstraße nach Yokohama. Schwarz“
 

„Wer ist Schwarz?“, fragte Dilara.

„Elitekillertruppe und Bodyguards von Takatori, bestehend aus: Brad Crawford, Schuldig, Nagi Naoe und Falfarello, alias Jei, genannt Schwarz. Um an Takatori heranzukommen, muss man an denen vorbei“, antwortete Aika fast mechanisch, den Blick nicht vom Bildschirm abwendend.

„Schwarz“, wiederholte Dilara. Plötzlich sprang Aika auf: „Du rührst dich nicht vom Fleck, ich bin gleich zurück!“ Mit diesen Worten verschwand sie aus der Wohnung. Eilig hastete Aika ein Stockwerk hinunter und pochte gegen Ayas Haustür. Kurze Zeit später wurde diese aufgerissen uns ein wütendes Gesicht schaute auf sie hinab: „Ich hab ne Klingel, die könntest du benutzen!“

Aika lief rot an. „Rennst du zuhause immer so rum?“ Ihr Blick fiel auf Ayas Shorts, die das einzige war, was er trug.

„Es ist halb zwölf, ich wollte gerade schlafen…“, grummelte er.

Aika drängte ihn in seine Wohnung zurück und schloss die Tür. „Egal, du kannst gleich schlafen, aber erst, nachdem du mir gesagt hast, was ich tun soll!“

„Was ist denn los?! Weißt du nicht, welches Nachthemd du anziehen sollst, oder was ist so wichtig, dass du um diese Zeit in meiner Wohnung stehst?“ Aya schaute sie fragend an.

Aika wurde noch nervöser. „Setz dich einfach hin, halt die Klappe und hör mir zu.“ Sie drückte ihn auf sein Bett.

„Ich höre“, sagte er gelangweilt.

„Schwarz hat mir eine E-Mail geschickt! Woher haben die die Adresse?!“ Auf einmal war Aya alles andere als gelangweilt. „Verdammt! Was haben die geschrieben?“

„Ich soll am 13. um 1.00 Uhr zu nem verlassenen Tempel kommen“ Aika biss sich auf die Lippe.

„Hast du geantwortet?“

„Nein, deshalb bin ich doch hier! Die haben eine verschlüsselte Adresse angegeben, die man nicht zurückverfolgen kann.“

Aya raufte sich die Haare: „Du machst nur Ärger…“

Aika antwortete nicht, ihr Blick ruhte auf einem Foto, das Ayas Nachttisch zierte, neben dem sie stand. Ein Mädchen in Mittelschuluniform lachte ihr entgegen. Daneben stand eine Geburtstagskarte mit dem Text:
 

„Happy birthday Ran!

Geh zur Abwechslung mal mit jemandem aus!

Die Ohrringe schenkst du deiner Freundin! From Aya“
 

Daneben klebte ein Päckchen, in dem ein langer, goldener Ohrring steckte, derselbe den Aya immer trug. Unter dem Päckchen stand: „Die waren teuer, also benutz sie auch!“
 

„Was starrst du so?!“, fuhr Aya sie an.

Aika wendete sich ihm zu: „Wer ist Aya? Wer ist Ran? Und warum trägst du den Ohrring?“ Er sprang auf, packte sie am Kragen und zischte: „Misch dich nicht in meine Angelegenheiten!“

Aika blickte ihn traurig an. „Entschuldige, wenn ich dich belästige. Es ist wohl besser, ich lass dich allein. Ich frag Omi, ob er weiß, was zu tun ist“ Aika drehte sich weg und rauschte durch die Tür. Aya meinte, eine Träne glitzern gesehen zu haben. Er ließ sich aufs Bett fallen und sagte verbittert zu sich selbst: „Es tut mir Leid.“

Aika klingelte ein Stockwerk tiefer bei Omi. Gähnend machte er ihr auf. „Was ist denn Aika?“

„Schwarz hat sich gemeldet“, sagte sie knapp. Omi war mit einem Mal hellwach.

„Komm rein!“ Er ging einen Schritt zur Seite.

Aika schilderte ihm das Problem. Er ging einige Male auf und ab, dann sagte Omi: „Wir müssen Manx benachrichtigen, damit wir offizielle Erlaubnis bekommen. Wollen wir hoffen, dass du nicht unter den Artikel 3 unseres Vertrages gefallen bist.“ Aika blickte zu Boden. Sie wusste nur zu genau, was Artikel 3 besagte. Tod wegen Gefährdung der Kritikervereinigung. Die Kritiker waren eine Gruppe einflussreicher Leute, die zu Persha gehörten, das wusste sie. Birman plante die von ihnen befohlenen Missionen und leitete diese meist über Manx an Weiß weiter. Nur selten erschien sie deswegen selbst.
 

„Meinst du, es war mein Fehler?“ Aika sah Omi fragend an.

„Weiß nicht. Maya könnte die E-Mail Adresse vermerkt haben. In dem Fall bist du unschuldig. Was wollen die dir nachweisen?“ Er zuckte mit den Schultern.

„Was soll ich jetzt tun?“

„Erst mal die Ruhe bewahren. Ich verfasse gleich eine Mail von unserem Labtop an Manx. Geh ins Bett und schlaf ein bisschen. Ich krieg das geregelt. Ah, und noch was. Mach den Computer aus. Wer weiß, was die vorhaben.“ Omi gähnte noch mal herzhaft. „Danke Omi, bis dann!“ Aika gab ihm einen Wangenkuss und verschwand.
 

Erleichtert stieg sie die Treppen hinauf. Aika schlenderte an Kens Wohnung vorbei, blieb stehen und stolperte zurück. Entsetzt drückte sie ihr Gesicht ans Fenster.

„Ahh! DAS KANN DOCH NICHT WAHR SEIN!“ Aikas Fingernägel kratzten über die Scheibe und machten dieses ekelhafte Kreide-auf-Tafel-Geräusch.

Dilara saß ziemlich eindeutig flirtend mit Ken auf dessen Couch. Aika klingelte. Während sie wartete, murmelte sie ärgerlich vor sich hin: „Ich bring sie um! Ich bring sie um! Ich bring sie heute noch um!“

Die Tür ging auf. „Hi!“, trällerte Aika völlig verwandelt.

„Hättest du die Freundlichkeit, DEINEN KNACKARSCH AUF DER STELLE IN DIE RICHTIGE WOHNUNG ZU VERFRACHTEN?!“ Ihre Augen funkelten plötzlich wieder zornig. Ken, der geöffnet hatte, verstand gar nichts mehr.

„Was? Das ist doch meine Wohnung. Oder war das eine Anspielung auf irgendwelche Ansprüche, die du auf meine Gefühle erhebst?“

Aika zuckte mit der Augenbraue. „Du warst gar nicht gemeint, Hohlkopf. Oder behauptest du seit neuestem, dass du einen Knackarsch hast… Ich seh da eher etwas, das man auf Grund seiner Größe mit „süß“ umschreiben würde. Ich sprach von der Dame, die sich in der ersten Nacht nen Lover angeln will.“

„Ich angle mir keinen Lover! Ich bin ausdrücklich gegen Sex vor der Ehe!“ Dilara stolzierte an Aika vorbei. „Meine Prioritäten liegen wo anders!“

Sie drehte sich schwungvoll um. „Ich will erst mal viel Geld verdienen, dann will ich den Mann meiner Träume in einem wunderschönen Hochzeitskleid heiraten!“

„Der Mann muss das Kleid tragen?!“ Ken und Aika starrten Dilara verdutzt an, die mit glänzenden Augen schwärmte.

„Nein, ich natürlich! Hach, was für eine Vorstellung! Gute Nacht Ken! Wir sehen uns morgen!“ Sie schwebte davon.

„Wie süß. Ihr Traum ist doch wundervoll, nicht?“ Ken sprach mit Aika, aber seine Augen ruhten immer noch auf der Stelle, an der er Dilara verschwinden sehen hatte.

„Naiv vielleicht. Oder in diesem Fall sagt man wohl romantisch. Ich wünschte, ich könnte vergessen und auch so einen naiven Traum haben…“

Aika warf den Kopf in den Nacken und schaute in den Nachthimmel. „Du hast Recht, das wäre für unsereins wohl das größte Glück.“

“Glaubst du, wir dürfen uns verlieben?“ Ken wendete sich ihr zu. „Hm. Ich weiß nicht. Aber niemand kann Gefühle verbieten, höchstens verlangen, sie zu unterdrücken. Weshalb fragst du?“

„Ich möchte doch nicht mein ganzes Leben allein sein. Ich will mich verlieben, mich treiben lassen, verstehst du?“ Er wurde leicht rot.

„Ich halte dich nicht auf. Geh und zieh dir eine Freundin an Land, aber tu mir einen Gefallen und schau erst, ob sie auch was taugt! Herzschmerz ist die übelste aller Krankheiten, die sich ein Mann einfangen kann! Maya sagte auch, dass man jeden Tag leben sollte, als wäre es der letzte. Ich geh jetzt auch schlafen. Na dann Petri Heil!“ Aika lachte.

Ken grinste von einem Ohr zum anderen. „Klar! Das Mädchen, das bei mir einen Treffer landen will, muss schon was besonderes sein!“ Seine Miene wurde etwas ernster: „Weißt du was, Aika? Du bist manchmal ziemlich strange drauf, aber wenn man dich mal kennt, bist du echt klasse!“

Sie drehte sich um und zeigte ein Peace-Zeichen. „Ich bin halt das Chaos! Und gegen das Chaos sind einfach alle machtlos! Gute Nacht, Ken!“
 

____________________________________________________________________________________
 

Was für ein schräges Kapitel^^ Zwischen 6 und 7 liegt mindestens 1 Jahr, weil ich nicht wusste wie es nach Mayas Tod weitergehen sollte. Aber ab jetzt ist Dilara dabei, ich hoffe ihr mögt sie!^^ Ich liebe diese Parodie auf die komischen Namen der Wrestler und weiß jemand auf welches Spiel ich anspiele?



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück