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Prinzessin des Lichts

von

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Schnell hallten ihre Schritte durch die verlassenen Gänge der Raumstation. Sie wußte, ihre Verfolger waren nicht weit hinter ihr. Es war ihnen endlich gelungen, sie zu finden und die Prinzessin wußte, was dies für ihr Volk bedeuten würde.

Sie erreichte die Zentrale der Raumstation. Obwohl der Zentralrechner deaktiviert war wußte sie, was zu tun war. Mit wenigen Handgriffen hatte sie den Rechner mit dem Notstromaggregat verbunden und gab einige Befehle in den Hauptcomputer ein. Dann öffnete sie einen Kommunikationskanal. „Wer auch immer diese Nachricht hört und egal, welche Sprache er spricht, ich bitte euch, helft mir. Ich bin ein interstellarer Flüchtling und werde von Kopfgeldjägern verfolgt. Ich habe nicht mehr viel Kraft. Wenn sie mich fangen, wird mein Volk sterben müssen. Bitte, helft mir!“, sendete sie telepatisch mit der visuellen Botschaft. Sie brach die Verbindung ab, als sie die Armee von Monstern näher kommen hörte und begann wieder zu laufen, ohne zu wissen, ob ihre Nachricht überhaupt einen Empfänger erreicht hatte.
 

Ug sah vom Steuerpult seines Raumgleiters auf die Karte, die auf dem großen Bildschirm dargestellt wurde. Der Hilferuf, den er soeben empfangen hatte, stammte von einer Raumstation ganz in seiner Nähe. Er war nur verwundert, daß sich überhaupt jemand dort aufhielt, ohne daß es die Föderation bemerkt hatte. Er sah sich nochmals die visuelle Aufzeichnung des Hilferufs an. Die junge Frau, die ihn gesendet hatte, war verletzt gewesen, daß hatte er bereits entdeckt. Und sie hatte große Angst. Er konnte sich nicht vorstellen, daß es sich um eine Falle handeln konnte. „Computer, Analyse. Wie viele Lebewesen befinden sich auf der Raumstation vor uns?“ „Sechzehn.“ „Spezifikation. Welche Rassen?“ „Ein Humanoid, dreizehn Mork und ein Wesen, dessen Herkunft nicht genau klassifiziert werden kann.“ „Welches der Wesen ist verletzt?“ „Das Wesen, das nicht genau klassifiziert werden kann.“ Ug legte seine Fingerspitzen an seinen Mund und dachte kurz nach. Er war allein auf Patrouille. Wenn er angegriffen wurde, hatte er keine Möglichkeit, Hilfe zu holen. Doch er hatte auch noch nie Hilfe gebraucht. „Computer, Aktivierung des Schutzschildes und der Tarnfunktion. Wir wollen doch mal sehen, wer in diesem Sektor illegale Jagden veranstaltet.“
 

Die Prinzessin hastete weiter durch die Gänge der Raumbasis. Ihre Kräfte waren verbraucht, sie wußte auch, daß sie keine Möglichkeit mehr hatte, sich zu verteidigen. „Oh Göttin, große Mutter. Bitte laß nicht zu, daß sie mich fangen, bitte!“, flehte sie stumm. Tränen liefen ihr über die verschmutzten Wangen. Plötzlich begann vor ihr, die Luft im Gang zu leuchten und aus den schimmernden Teilchen formte sich ein menschliches Lebewesen. Sie blieb sofort stehen, starr vor Angst.

Ug blickte sofort nach der Materialisierung in die schönsten Augen, die er jemals gesehen hatte. Doch die grenzenlose Angst, die in ihm zu lesen war, machte ihn betroffen. „Habt ihr den Hilferuf gesendet?“, fragte er ruhig. Die junge Frau starrte ihn zuerst verwundert an, dann nickte sie langsam. Er musterte sie noch einmal eingehend. Sie war verletzt, Blut sickerte aus einigen Wunden. „Mein Name ist Ug Tettra. Ich bin Kommandant der Föderation. Wer verfolgt sie?“ Sie drehte sich um und deutete in den Gang hinter sich, wo bereits wieder schwere Schritte zu hören waren. „Sie ist hier, Mylord. Ich kann ihre Nähe riechen.“ Ug stellten sich bei der schnarrenden Stimme alle Haare auf. „Eine Morkpatrouille, na prima. Ma´am, bitte bleiben sie hinter mir. Dort kann ihnen nichts passieren.“
 

Kaum waren die ersten dieser ekelhaften Wesen zu sehen, aktivierte Ug seinen Laser und feuerte einige Salven in den Gang vor sich. „Laufen sie!“, schrie er der jungen Frau zu und hetzte gleich hinter ihr her.

Verzweifelt aktivierte die junge Frau ihre letzten Reserven und hastete vor dem Fremden her. Er verstrahlte eine unerwartet starke Aura, die ihr Mut gab. Obwohl sie ihn noch nie gesehen hatte, spürte sie, daß sie ihm vertrauen konnte.

Als sie um eine Ecke bog, sah sie vor sich den Anführer der Gruppe, die sie jagte. Augenblicklich blieb sie stehen. Der fremde Mann hinter ihr sah sofort nach vorn und drückte sie schließlich an die Wand, wo er sie mit seinem eigenen Körper schützte.

Ug sah in das Halbdunkel und erschauderte innerlich, als er die menschliche Gestalt erkannte, die auf sie zukam. „Sieh an, dann hat der Notruf dieses Mädchens ja doch jemanden erreicht.“ Die Gestalt kam näher. „Doch ich hätte nie gedacht, daß ausgerechnet du dich in diesem verlassenen Sektor des Weltalls aufhalten würdest, Ug Tettra.“ „Bei dir wundert es mich nicht, Keane.“ Ug sah dem anderen Mann fest in die Augen. Er war immer wieder erschüttert und enttäuscht, daß sein ehemaliger Partner und Freund die Seiten gewechselt hatte. „Gib mir die junge Frau, dann werden dich meine Leute nicht behelligen.“ Ug zog spöttisch eine Augenbraue hoch. „Du weißt doch so gut wie ich, daß ich deinen Vorschlag nicht erfüllen werde.“ Der andere Mann, gut aussehend und vertrauenerweckend, nickte leise lachend. „Natürlich nicht, wie dumm von mir. Du bist immer noch der treu ergebene Soldat der Föderation, Ug, alter Freund. Immer dazu bereit, die Schwachen und Unschuldigen zu beschützen. Nur das die junge Frau hinter dir nicht so schwach ist, wie sie aussieht.“ „Wenn sie kämpfen kann, um sie besser.“ Die junge Frau lauschte kurz, dann ergriff sie die Waffe ihres Beschützers und feuerte in den Gang, aus dem sie gekommen waren. Verblüfft sah Ug sie an und bemerkte dann noch, wie einer der Mork, der sich leise genähert hatte, tot zusammenbrach. Sie gab ihm seine Waffe sofort wieder und sah ihn entschuldigend an. „Du siehst, was ich meine.“, stellte Keane schmunzelnd fest. „Es ist nur schade, das diese Wesen nicht auch etwas Intelligenz besitzen. Es war vorauszusehen, daß sie sich und dich verteidigen würde.“ Wieder lachte der Mann vor ihnen leise. „Nur schade, daß sie nicht bei dir bleiben kann. Sie wird mir eine Menge Geld einbringen, wenn ich sie meinem Auftraggeber abliefere.“ Ugs Augen verengten sich zu Schlitzen. „Du glaubst doch nicht ernsthaft, daß ich sie dir so einfach überlassen werde.“ Keane schmunzelte. „Nein, so dumm bin ich nicht. Dafür kenne ich dich zu lange.“ Ohne das es sein Gegenüber bemerkte, zog Ug etwas aus seinem Gürtel und drückte einen kleinen Knopf. Er schleuderte die kleine Bombe von sich weg und warf sich schützend über die junge Frau. „Kopf runter.“, rief er ihr noch zu, dann zerriß eine Explosion die Stille der Raumstation. Doch kaum breiteten sich die Flammen aus, wurde auf seinem Gleiter automatisch eine Sequenz aktiviert, die ihn und seine Begleitung zurück auf das Schiff teleportierte. „Computer, Notstart. Bring uns so schnell wie möglich weg von hier.“ Der Computer reagierte sofort und beschleunigte auf Maximum-Warp.

Er hielt seine Begleitung so lange fest, bis er es für sicher halten konnte, die Geschwindigkeit zu drosseln. Er ließ sie sich auf den Sitz des Co-Piloten setzen und sah sie an. „Geht es ihnen gut? Brauchen sie etwas?“ Sie hatte ein schmerzverzerrtes Gesicht und hielt ihre rechte Hand. „Lassen sie mich mal sehen.“ Vorsichtig nahm er ihre Hand in seine, da er nicht sicher sein konnte, ob sie ihn wirklich verstand. Die Hälfte ihres Handrückens war verbrannt und offen und Blut lief aus der frischen Wunde. Sie mußte große Schmerzen haben, gab jedoch keinen einzigen Laut von sich. „Verdammt, sie haben etwas abbekommen.“ Angst und Schmerz standen in die hellblauen Augen geschrieben. Vorsichtig legte er ihre Hand auf ihr Bein. „Keine Sorge, ich werde die Wunde verbinden.“ Er holte aus einem Verbandkasten eine Binde und ein kleines Fläschchen hervor. „Das wird leider weh tun.“, murmelte er entschuldigend, als er die Flüssigkeit in die offene Wunde träufelte. Sie wimmerte leise auf, doch das war das einzige, was sie von sich gab. „Der Schmerz wird gleich vergehen, keine Sorge.“ Er wußte, daß eine beruhigende Stimme viel von der Angst nehmen konnte und so redete er leise auf sie ein, sprach davon, daß sie in Sicherheit sei, auch wenn er selbst noch nicht so recht davon überzeugt war.

Wie Recht er damit hatte, zeigte sich wenig später, als sein Gleiter von einem Kanoneneinschlag erschüttert wurde. „Computer, Schadensbericht.“ „Treffer des Schutzschildes in Sektor drei. Keine Schäden.“ „Sehr gut, die neuen Schilde machen sich bezahlt.“ Er setzte sich auf seinen Sessel und beobachtete das Geschehen außerhalb des Gleiters. „So hartnäckig, Keane? Dann muß ja meine Begleiterin wirklich wertvoll sein.“ Mit schnellen Fingern gab er einige Befehle in seinen Computer ein. „Computer, Zielerfassung: Rechter Antrieb.“ Sofort feuerte er. Zuerst erzitterte nur das gegnerische Schutzschild, brach dann aber nach dem langzeitigen Beschuß und zerfetzte besagten Antrieb. „Sehr gut.“, murmelte er nur. „Viele Grüße, alter Feind. Mit nur einem Antrieb könnt ihr mich nicht weiter verfolgen.“ Er beschleunigte seinen Gleiter wieder und verschwand, ehe sein Gegner auf ihn feuern konnte.

Er beobachtete noch eine Weile, wie sich der Abstand zwischen ihnen und Keane ständig vergrößerte, dann drehte er sich wieder zu seiner Begleiterin um, die sich ängstlich in ihren Sitz gekauert hatte. „Nun sind wir wirklich in Sicherheit. Ruhen sie sich etwas aus, sie sehen so aus, als könnten sie etwas Schlaf gebrauchen.“ Sie entspannte etwas und schlief nach einiger Zeit wirklich ein.
 

Ug betrachtete die junge Frau, die neben ihm auf dem Platz des Co-Piloten saß und schlief. Sie war völlig erschöpft und ängstlich, dennoch schien sie ihm zu vertrauen. Was ja auch kein Wunder ist, dachte er bei sich. Er hatte sie vor einer Gefangennahme bewahrt. Sie wirkte noch sehr jung, doch das konnte unter der zerlumpten Kleidung und all dem Schmutz und Blut sicher auch täuschen.

Der Erdtrabant kam immer näher. Wie immer betrachtete er den großen, blauen Planeten mit Bewunderung. Hier war er geboren worden, auf der Basis ließ er sich immer mal wieder nieder, wenn er nach seinen ausgedehnten Streifzügen etwas Ruhe und Erholung suchte. "Hunter an Basis Terra. Erbitte Landeerlaubnis." "Basis Terra an Hunter. Landeerlaubnis erteilt. Willkommen zu Hause, Commander." Ug drehte sich zu seiner Begleitung um und berührte sie vorsichtig am Arm. "Ma´am, wachen sie auf." Sie zuckte sofort zusammen und riß die Augen auf. Das sie nicht sofort aufsprang und flüchtete, war ein Wunder. "Keine Sorge, ich bin es nur. Ich wollte ihnen nur sagen, daß wir da sind." Sie entspannte sich, als sie ihn erkannte. Er deutete auf den großen Bildschirm vor ihnen. "Vor uns können sie den Planeten Terra mit seinem Mond sehen." Sie betrachtete zuerst die Darstellung des Planeten, dann sah sie ihm in die Augen. Ihre hellblauen Augen sahen ihn fragend an. Dann berührte sie vorsichtig seine Brust und deutete dann auf den Bildschirm. "Heimat?" Es war das erste Mal, daß sie gesprochen hatte und Ug sah sie erstaunt an. Sie hatte eine sehr sanfte und melodische Stimme. Er lächelte leicht. "Ja, dieser Planet ist meine Heimat. Hier sind sie sicher. Keane kennt die Basis auf dem Mond nicht." Er sah sie ruhig an. "Sie haben alles verstanden, was ich gesagt habe, die ganze Zeit über, richtig?" Sie drehte sich wieder zu ihm um und nickte. "Und ich habe gedacht... na, daß ist jetzt unwichtig. Warum haben sie geschwiegen?" "Nicht gut...sprechen...Basic.", antwortete sie vorsichtig. "Hatte ... keinen Lehrer. Selbst gelernt." Sie keuchte entsetzt auf, als der Mond immer größer wurde. "Keine Sorge. Wir werden mit einem Leitstrahl in die Basis gezogen. Wir stürzen schon nicht ab." Die Einflugschneise enttarnte sich und gab den Blick auf die beleuchtete Landebahn frei. Gleich darauf schwebten sie durch das große Tor hindurch und ein großer Landebereich tat sich vor ihnen auf. Ug ergriff wieder die Initiative und steuerte den Gleiter an verschiedenen Raumschiffen vorbei zu dem Landeplatz, der auf dem Bildschirm angegeben war.

Als er die Triebwerke abgestellt hatte, widmete er sich wieder seiner Begleiterin. "So, ich werde sie am besten erst einmal zur Krankenstation bringen, damit unser Arzt sich ihre Verletzungen ansehen kann." Sie blickte ihm wieder direkt in die Augen und Ug wurde ein wenig unbehaglich. "Wie heißen sie eigentlich?" "Shan-Landina.", antwortete sie und lächelte zögernd. Verblüfft sah er sie an. "Und das kann man sich merken?" Sie kicherte leise und nickte. "Gibt es davon auch eine Kurzform?" "Shana." "Na, dann herzlich willkommen in der Basis Terra, Shana. Hier sind sie in Sicherheit." Sie legte ihre Fingerspitzen vor ihrer Brust aufeinander und verneigte sich. "Danke.", antwortete sie unsicher, dann erhob sie sich mit ihm und folgte ihm aus dem Gleiter.
 

"Doc, ich habe Arbeit für sie!", rief Ug laut, als er die Krankenstation betrat. Gleich darauf erschien ein in eine weiße Uniform gekleideter Mann mit hellbraunen Haaren. "Es hätte mich auch gewundert, wenn du einmal hier erscheinst und nicht zuerst bei mir auftauchst.", begrüßte der Arzt Ug freundlich. "Aber trotzdem, willkommen zurück, Ug." Er musterte ihn eingehend. "Aber was machst du hier? Ich sehe keine Verletzung bei dir." "Oh, dieses Mal geht es ja auch nicht um mich." Er drehte sich um und sah seine Begleiterin an, die sich scheu in seinem Schatten versteckt hatte. "Kommen sie, Shana. Der Arzt wird ihnen helfen." Vorsichtig trat sie hervor. "Nanu, wie kommt es, daß du mal in Begleitung bist, mein Freund?" "Ich habe sie in einer verlassenen Raumbasis gefunden. Sie wurde von Kopfgeldjägern verfolgt. Von unserem ganz speziellen Freund." Doc ergriff freundlich ihren Arm und führte sie zu einer Liege. "Von Keane?" "Genau dem.", stimmte Ug zu. "Setzen sie sich ruhig auf die Liege, junge Dame.", forderte der Arzt Shana auf und sah sie eingehend an. "Sie sehen so aus, als könnten sie ein ausgiebiges Bad vertragen, habe ich recht?" Bei dem Wort Bad strahlte sie auf und nickte. "Ug, würdest du bitte zum Admiral gehen und ihn über unseren Gast informieren?" Verwundert sah Ug den Arzt an. "Das habe ich bereits vom Gleiter aus getan." Der Arzt drehte sich zu ihm um. "Dann such dir einen anderen Grund, uns für einige Zeit allein zu lassen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich unser junger Gast gerne vor ihrem Lebensretter entkleiden würde." Ug verstand. "Ich gehe zu Zyron.", murmelte er nur und verließ die Krankenstation. Doc schüttelte den Kopf. "Er ist eindeutig zu wenig unter anderen Lebewesen. Früher hätte er mich sofort verstanden. Na, dann kommen sie mal mit. Wie heißen sie überhaupt?" "Shana.", antwortete sie schüchtern. "Keine Angst, Shana. Sehen sie in mir einfach ihren Arzt. Ich lasse ihnen jetzt ein Bad ein, daß sie nicht nur reinigt, sondern auch ihre Wunden desinfiziert. Ich werde außerdem noch eine unserer Mitarbeiterinnen rufen, die ihnen ein wenig zur Hand geht." Er nahm ihre verletzte Hand in seine. "Mit dieser Wunde sollten sie sich besser nicht selbst waschen." Er öffnete eine weitere Tür und beide betraten ein riesiges Bad. "Setzten sie sich ruhig erst einmal auf einen der Stühle." Er ließ sie zurück und gab einige Befehle in eine Steuerungskonsole ein. Gleich darauf lief warmes Wasser in eine Wanne ein. Dann aktivierte er seinen Kommunikator. "Doc an Lear. Würdest du mir bitte ein wenig zur Hand gehen?" "Ich bin gleich da.", ertönte eine Frauenstimme. "Sehr schön. Soll ich ihnen beim ersten auskleiden helfen, Shana?" Sie verneinte und begann, ihr Kopftuch zu lösen. Unter dem verdreckten Tuch kam wundervoll glänzendes goldblondes Haar hervor, welches sie fest aufgedreht hatte. "Ich helfe ihnen.", bot der Arzt an und zog vorsichtig die Haarnadeln aus den Haaren. "Sie haben schönes Haar, Shana. Ich habe selten so seidiges Haar gesehen." "Danke.", antwortete sie leise.

Als er die letzten Nadeln herausgezogen hatte und das Haar losließ, reichte es ihr fast bist zu den Hüften. Doc sah sie bewundernd an und wollte etwas sagen, als sich die Tür öffnete und eine Frau mit kurzen braunen Haaren hereinkam. "Wobei kann ich dir denn helfen? Oh, du hast einen Gast?" "Ja. Lear, daß ist Shana. Unser guter Commander Tettra hat sie aufgelesen." "Ug ist hier?" "Grade angekommen. Würdest du unserem Gast bitte beim Bad behilflich sein? Ich kann mir gut vorstellen, daß sie etwas dagegen hat, von einem Mann gebadet zu werden." Er lächelte Shana sanft zu. "Aber gib bitte auf ihre rechte Hand acht. Es sollte kein Wasser an die Wunde kommen, damit sie sich nicht entzündet." "Mache ich." Der Arzt ließ die beiden Frauen allein. "Hallo, ich bin Lear. Du heißt Shana, richtig." Die junge Frau nickte. Lear begann, der fremden Frau die zerlumpten Kleider auszuziehen. "Was hat dich denn in die Obhut von Ug Tettra getrieben?" Shana senkte ihren Blick. "Bin... auf der Flucht.", antwortete sie zaghaft. "Auf der Flucht? Wer verfolgt dich?" Die junge Frau zitterte ängstlich. "Keane." Ihre Antwort war nur ein Hauch. Lear sah sie mitfühlend an. "Und warum jagt er dich?" Shana sah sie traurig an. "Bin letzte Freie meines Volkes. Alle anderen gefangen. Sterben, wenn ich gefangen." "Dein ganzes Volk ist gefangen genommen worden? Wieso?" Shana zuckte mit ihren Schultern. "Keine Ahnung. Wir friedlich." Lear zog ihr ihrem Pullover über den Kopf und entblößte eine Tätowierung auf ihrem linken Schulterblatt. "Oh, wie schön. Ein goldener Drache." Sie berührte Shanas Haut. "Ich habe noch nie solche Farben gesehen. Sie glitzern richtig, wenn Licht darauf fällt." Shana stand auf und half Lear dabei, die letzten Stücke ihrer Kleidung auszuziehen. "Meine Güte, bist du abgemagert. Wie lange bist du schon auf der Flucht?" Sie begleitete die zierliche junge Frau zu Badewanne und ließ sie einsteigen. "Weiß nicht. Lange schon." Sie zuckte zusammen, als das warme Wasser ihre Wunden berührte, lehnte sich dann aber mit einem erleichterten Seufzen zurück. Lear ergriff ein Stück Seife und schäumte Shanas Haare ein. "Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Hier bist du in Sicherheit. So wie ich ihn kenne, wird unser Basisleiter dir hier ein neues Heim anbieten. Du bist hier frei." Shana schüttelte traurig den Kopf. "Ich erst frei, wenn mein Volk frei.", antwortete sie leise. "Das kann ich verstehen.", stimmte Lear ebenso leise zu und schrubbte weiter den Dreck von Shanas Haut.

Nach einer Weile stand sie auf. "Ich holte dir frische Kleidung von mir. Bleib du hier ruhig sitzen. Keine Sorge, außer Doc und mir kann keiner diesen Raum betreten." Lear verabschiedete sich mit einem Lächeln und ließ Shana allein zurück.
 

"Wir sind fertig, Doc." Lear und Shana betraten den Untersuchungsraum, wo Doc über Unterlagen gebeut saß. Er sah auf und stand erstaunt auf. "Donnerwetter, unter all diesen Lagen Stoff und Schmutz hast du ja einen richtigen Schatz hervorgezaubert, Lear." Lear nickte stolz wie eine Mutter. "Sie ist nur sehr abgemagert." Doc betrachtete Shana ernst. "Oh ja, das sehe ich. Aber das kann man ändern, nicht wahr? Gebt mir bitte eure Hand." Shana streckte ihm die Hand mit der bösen Fleischwunde entgegen. Er ergriff ein stiftartiges Gerät und aktivierte es. Rotes Licht hüllte die Wunde ein. "Das ist gleich vorbei." Die junge Frau beobachtete fasziniert, wie sich die Haut regenerierte und schloß. "So, daß war es schon. Ich verbinde die Wunde nur etwas, damit die empfindliche neue Haut geschützt ist." Vorsichtig legte er zarte Gaze auf die rötlich schimmernde ehemalige Wunde und wickelte dann einen Verband um ihre Hand. "Würden sie sich bitte für einen Moment auf die Liege legen, Shana?" Die junge Frau nickte. "Ich werde sie jetzt genauer untersuchen. Sie brauchen sich dafür nicht entkleiden, keine Sorge." Er ging zu einem weiteren Terminal. "Wenn die Liege unter ihnen zu leuchten beginnt, erschrecken sie bitte nicht." Sie nickte unbehaglich und schloß ängstlich die Augen, als der Arzt den Untersuchungscomputer aktivierte. Ein sanfter weißer Schimmer tastete Shanas gesamten Körper ab.

Nach wenigen Minuten war alles vorbei. "So, daß war es schon. Sie können sich wieder aufsetzen, Shana." Gehorsam erhob sie sich, während Doc interessiert ihre Werte kontrollierte. Lear stellte sich neben ihn. Er nickte. "In der Tat, akute Mangelernährung." Er sah Shana an und lächelte sie freundlich an. "Aber das bekommen wir schnell wieder in den Griff." Sie lächelte zurück und wirkte zum ersten Mal ein wenig gelöst dabei. Dann stand sie auf und trat neben die beiden am Computer. "Hm, das hier ist auch interessant." Er aktivierte eine weitere Sequenz und gleich darauf stellte der Computer eine dreidimensionale Spirale dar. "Ist das ihre DNA?", fragte Lear erstaunt. "In der Tat, das ist sie.", murmelte der Arzt und sah zuerst auf die Grafik, dann auf die junge Frau neben sich. "Nicht in Ordnung?", fragte sie erstaunt. "Die Struktur ihrer DNA unterscheidet sich von unserer." Er aktivierte eine andere Grafik und zeigte sie ihr. "Hier, diese Spirale zeigt die für uns typische Form der DNA. Sie hat zwei Stränge. Shana, ihre hingegen hat drei Stränge." Er legte beide Grafiken übereinander und der Computer stellte die Unterschiede farbig dar. "Zwei ihrer DNA-Stränge sind nahezu identisch mit unserer humanoiden, aber die dritte..." Er schüttelte den Kopf. "In meiner ganzen Laufbahn ist mir so etwas noch nicht begegnet." Shana sag den Arzt besorgt an. "Schlimm? Muß ich gehen?" Wieder lächelte der Arzt sie beruhigend an. "Um Himmels Willen, nein. Nur weil ich ihre DNA-Struktur noch nie gesehen habe heißt das nicht, daß sie uns wieder verlassen müssen, Shana. Ich würde sie nur gern öfter untersuchen und die Unterschiede zwischen ihrer Herkunft und der mir bekannten Lebensformen erforschen." Shana nickte kurz zustimmend. Der Arzt widmete sich wieder den Computergrafiken. "In der Tat, faszinierend." Lear ging auf Shana zu. "Doc wird jetzt einige Stunden beschäftigt sein, Shana. Kommen sie, ich möchte ihnen unseren Basisleiter vorstellen."
 

Lear schritt auf eine Metalltür zu, die sich automatisch öffnete. "Sir, ich bringe unseren Flüchtling." Ein freundlicher älterer Mann erhob sich. Ug, der vor ihm gesessen hatte, drehte sich um. Er hatte Mühe, sein Erstaunen zu verbergen, als er seinen Schützling neben Lear stehen sah. Er erkannte nur ihre ängstlichen Augen. "Ah, sie sind also Shana, richtig?" Die junge Frau nickte kurz zustimmend. "Ich bin Admiral Zyron. Unser Commander Tettra hat mir bereits geschildert, unter welchen Umständen er sie gefunden hat. Setzen sie sich. Ug, vielen Dank." Ug erhob sich mit einem kurzen Nicken und verließ dann das Büro seines Vorgesetzten. "Ich würde gerne mehr über sie erfahren und aus welchen Gründen sie auf der Flucht sind." Als sie ihn nervös ansah, lächelte er freundlich und setzte sich neben sie. "Keine Sorge. Nichts von dem Gespräch zwischen uns wird diesen Raum verlassen." Sie sah ihn verlegen an. "Ich spreche...nicht gut...eure Sprache. Muß noch lernen." Er nickte. "Gibt es eine andere Sprache, die sie beherrschen? Eine aus der Föderation?" Sie schüttelte den Kopf, legte dann aber ihre Hand auf seinen Arm. "Ich stamme von einem Planeten, der weit von der Föderation entfernt ist." Sie hatte nicht ein einziges Mal die Lippen bewegt, als er ihre Stimme hörte. Erstaunt sah der Admiral sie an. "Sie sind Telepatin, richtig?" "Ich beherrsche diese Art der Kommunikation, richtig. Es ist aber nicht meine bevorzugte Art. Ich benutze lieber meine eigene Stimme." Sie lächelte. "Gut, derzeit scheint es ja die beste Möglichkeit zu sein, daß wir uns verständigen können. Gut, dann beginnen sie mit dem, was sie erlebt haben, Shana." Sie senkte kurz ihre Augenlider und sah auf ihre Hände, die sie im Schoß gefaltet hatte. "Mein vollständiger Name ist Shan-Landina. Ich entstamme einem sehr alten Volk, das viele deswegen als das `Volk der Weisen´ bezeichnen. Wir sind sehr friedlich und werden wegen unseres Wissens und unserer Begabung, Frieden zu bereiten, sehr verehrt." Sie stockte kurz. "Ich bin die einzige Tochter des Herrschers unseres Volkes und mir unterliegt die Aufgabe, meinem Vater und ältesten Bruder bei ihrer Aufgabe zu unterstützen, unsere große Bibliothek zu warten." "Was für eine Art Bibliothek ist das?", fragte Zyron interessiert. "Sie umfaßt das gesamte Wissen jedes einzelnen Volkes des Universums. Jede neue Entdeckung oder Entwicklung wird augenblicklich bei uns hinterlegt." "Und wie kommen sie an diese Informationen, Prinzessin?" Sie lächelte scheu. "Das können sie nicht verstehen, Admiral. Es gibt nichts in ihrer Welt, mit dem ich ihnen diesen Vorgang erklären könnte. Es tut mir leid." Der Admiral zuckte nur mit den Schultern. "Macht nichts. Aber bitte, fahren sie fort." "Vor einigen Jahren, gerechnet in ihrer Zeit, erhielt mein Vater plötzlich unterschwellige Drohungen, die wir nicht verstehen konnten. Wir hatten selbst für unsere Verhältnisse schon lange keinen Krieg mehr unterbunden, dennoch sprachen diese Drohungen davon, daß wir vielen Unschuldigen Völkern mit unseren, wie sie es nannten, `Einmischungen´, großes Leid zugefügt hatten. Mein Vater konnte das nicht glauben, da wir immer darauf achten, für alle Völker das Beste zu erreichen. Er forschte in unserer Bibliothek nach möglichen Ursachen, die der Absender des Schreibens hätte meinen können." "Ich gehe mal davon aus, daß er nichts fand." Shana nickte. "Richtig. Deshalb schickte er Botschafter aus, die auf den Planeten, die wir besucht hatten, nach den Ursachen forschen sollten. Doch unsere Leute kehrten nicht zurück." Sie zitterte und Tränen traten in ihre Augen. "Eines Tages erschienen plötzlich fremdartige Luftschiffe in unserer Welt, die sofort begannen, auf alles zu schießen. Wir versuchten alles, was in unserer Macht stand, sie aufzuhalten, doch wir besitzen keine Waffen, die sie hätten bekämpfen, geschweige denn aufhalten können." Sie brach wieder ab. Der Admiral beugte sich zu ihr und legte ihr tröstend seine Hand auf den Arm. "Sie haben jeden meines Volkes in ihre Schiffe gesperrt, egal ob Kind oder Erwachsener. Meinem guten Vater legten sie leuchtende Fesseln an, die ihn sehr schwächten und zwangen so diejenigen, die noch kämpfen wollten, aufzugeben und ebenfalls in Gefangenschaft zu gehen." "Wie konntet ihr entkommen, Prinzessin?" "Ich befand mich zu der Zeit in einem sehr abgelegenen Gebirgstal, um von uns befreundeten Lebewesen zu lernen. Wir erreichten das Schloß erst, als die Angreifer wieder verschwunden waren." Sie wischte ihre Tränen fort. "Ich verriegelte schließlich die große Bibliothek, damit niemand aus ihr Nutzen ziehen konnte. Doch leider bemerkten unsere Angreifer schon sehr bald, daß sie nicht alle meines Volkes in ihrer Gewalt hatten. Mein Bruder hatte noch die Kraft, mich telepatisch zu warnen und so verließ ich meine Heimat." "Und was würde geschehen, wenn sie gefangen genommen würden, Prinzessin?" "Sie würden uns töten, mein ganzes Volk auslöschen. Nur wenn mein Volk im gleichen Augenblick sterben würde, jeder einzelne von uns, würde sich der Schutzzauber der Bibliothek aufheben und sie würde sich wieder öffnen." "Gibt es denn in dieser Bibliothek gefährliche Aufzeichnungen?" "Ich sagte bereits, daß jede Entdeckung und Errungenschaft dort aufgezeichnet sind. Dort befinden sich unter anderem Pläne über Waffen, die dafür geschaffen sind, ganze Universen auszulöschen." Sie sah ihn ängstlich an. "Ich hoffe, sie können verstehen, warum sie mich nicht finden dürfen. Der Frieden des Universums ist sonst gefährdet." Entsetzt sah der Admiral die zierliche Frau vor sich an, dann nickte er. "Keine Sorge, sie sind hier sicher. Wir werden ihnen eine neue Identität verschaffen." Die zierliche Frau verneigte sich dankbar. "Und machen sie sich keine Sorgen, außer mir wird niemand ihr Geheimnis erfahren. So, jetzt besorgen wir ihnen erst einmal eine Unterkunft, damit sie sich von ihren körperlichen Strapazen erholen und zu Kräften kommen können."
 

Die Wohnung war klein und bestand nur aus zwei Zimmern und einem Bad, dennoch war Shana mehr als dankbar. Sie genoß die Freundlichkeit dieser Menschen um sich.

Als sie am Abend allein auf dem Sofa lag, legte sie ihre Fingerspitzen aneinander und konzentrierte sich. "Große Göttin, ich danke dir, daß du mein Schicksal so wohlwollend lenkst." Sanft begann die Luft um sie zu schimmernd. "Dafür brauchst du dich nicht zu bedanken, meine Tochter. Du hast großes Leid durchgemacht." Shana lauschte der leisen Stimme aus dem Nichts. "Aber was soll ich jetzt tun, Göttin? Wenn ich mich verstecke, muß mein Volk nur länger leiden." "Sie wissen jeden Tag, daß du in Sicherheit bist, Shana. Das ist ihnen das wichtigste." Shana nickte. "Was soll ich jetzt tun, große Göttin?" Die sanfte Stimme lachte leise. "Das, was du schon immer getan hast. Lerne von deinen neuen Lehrern und mache dir ihr Wissen und Können zu Nutze." Das Schimmern verblaßte und ließ Shana allein im Dunkeln zurück.
 

"Sandra Yar, an diesen Namen mußt du dich sicher erst gewöhnen, oder?" Lear sah ihren neuen Schützling neugierig an. Shana las langsam die Zeilen, die auf dem kleinen tragbaren Computerbildschirm standen. "Wie heißt mein....Geburtsort?" Sie wurde jeden Tag sicherer im Gebrauch der ihr fremden Sprache und das, obwohl sie keinen Lehrer hatte. "Kopenhagen. Das liegt auf Terra in einem Land, das Dänemark heißt." Sie gab einen Befehl in den kleinen Computer ein, woraufhin dieser den beiden Frauen eine Landkarte zeigte. "Das ist hier." Sie deutete auf den Fleck, mit dem die Stadt markiert wurde. "Diese Stadt ist sehr groß, so kann man am besten für jemandem eine neue Existenz schaffen, die schwer nachzuvollziehen ist." "Kann ich Informationen über meine Geburtsstadt bekommen?" Verwundert sah Lear sie an. "Sicher, aber warum?" "Wahrscheinlich will sie herausfinden, woher sie kommen soll." Ug stand vor ihnen. Shana nickte schüchtern. Er sah auf den Bildschirm. "Ah, eine Dänin, die in Amerika studiert hat und dort für den interstellaren Dienst angeworben wurde. Hm, die Universität ist nicht schlecht, dort habe ich auch studiert, bevor ich abbrach und meine Ausbildung auf Alpha fortsetzte. Sehr anspruchsvoll." Neben Ug stand Lears Lebensgefährte, den Shana bereits kennengelernt hatte. "Hey, es heißt doch, Däninnen sollen besonders leidenschaftlich sein." Lear sah ihren Freund entsetzt an und auch Ug gab im mit einem einzigen kalten Blick seinen Unmut zu verstehen. "Das ist typisch Lee! Kann an nichts anderes denken. Ich muß mich für diesen Lüstling entschuldigen, Shana." "Sandra.", korrigierte die junge Frau. "Nicht mehr Shana. Dieser Name soll nicht mehr genannt werden." Sie lächelte Lee vorsichtig zu. "Nicht schlimm, Freund." Er fing an zu strahlen. "Sie hat neben dir das schönste Lächeln, das ich kenne, Lear." Lear verdrehte nur die Augen. "Könntest du bitte sachlich bleiben, Lee?", ermahnte Ug seinen Freund und Partner. "Ug, du bist ein Spielverderber.", meckerte Lee, während Lear ihre Freundin ansah. "In Ordnung, ... Sandra. Denkst du bitte daran, daß du jetzt zu Doc gehst? Du siehst nicht so aus, als hättest du zugenommen." "Ich bin doch erst zwei Wochen hier.", erwiderte sie. "Ja, zwei Wochen. Für gewöhnlich müßtest du bei der Kost, die wir dir vorsetzen, aufgehen wie ein Hefeteig." Shana sah ihre Vertraute so verständnislos an, daß Lee lachen mußte. "Was ist ... Hefeteig?" "Sie meint, daß du eigentlich bereits schwerer sein solltest. Du bist noch immer sehr dünn.", erklärte Lee, während Ug nur ruhig neben ihm stand und leicht nickte. Seine braunen Augen sahen sie eindringlich an, so daß ihr fast unheimlich wurde. "Ich gehe.", meinte sie und verschwand mit ihrem Computer so schnell, daß ihr alle verwundert hinterher sahen. "Ug, hör auf, sie so durcheinander zu bringen. Mit deinem abweisenden Blick jagst du jeden einem Schauer über den Rücken, der dich gut kennt, unsere junge Freundin muß sich ja vor dir fürchten.", wies Lee seinen Freund zurecht, der ihn nur verständnislos ansah. "Was mache ich denn?" Lear schüttelte den Kopf. "Du hast sie grade so intensiv und ernst angesehen, daß sie völlig verstört ist. Wir kennen dich ja ganz gut, doch sie weiß noch nicht, wie sie mit deiner Marotte umgehen soll." Sie seufzte, als er sie streng ansah.
 

Doc sah von seinen Untersuchungsergebnissen auf. "Es stimmt schon, zugenommen hast du noch nicht, aber deine Werte haben sich entscheidend verbessert. Du kannst gerne mit etwas Sport beginnen. Schwimmst du gerne?" Zwischen Doc und ihr hatte ich ein inniges Verhältnis aufgebaut, er war fast wie ein Onkel für sie geworden. "Ja, sehr gern. Ich liebe Wasser." "Dann gehst du jetzt mindestens zweimal täglich schwimmen. Das hilft dir, deine Muskulatur wieder aufzubauen. Vergiß danach aber nicht zu essen." "Esse doch fast den ganzen Tag.", erwiderte sie. "Ich weiß, dennoch darfst du es grade nach körperlicher Anstrengung nicht vergessen, versprochen?" Sie nickte und verließ die Krankenstation.

Sandra hatte grade eine Seite ihres Buches umgeschlagen, als sie die Schwimmhalle betrat und jemanden dort seine Bahnen ziehen hörte. Verwundert sah sie auf, da sie wußte, daß sich nur zu Trainingszeiten jemand hier aufhielt und entdeckte Ug, wie er auf diese Weise seine Kraft trainierte. Verlegen wollte sie sich zurückziehen, blieb dann aber im Schatten eines Eingangs stehen und beobachtete ihn. Er faszinierte sie genauso, wie sie ihn unheimlich fand. Sie schuldete ihm mehr als ihr eigenes Leben, wäre er nicht gewesen, wären sie und ihr Volk bereits tot und Terror würde das Universum überziehen. Doch das allein konnte es nicht sein, daß sie das Bedürfnis hatte, mehr über ihn zu erfahren. Er war seltsam verschlossen und ernst. So sehr sie auch nachdachte, er hatte in ihrer Gegenwart noch nie gelacht. Dennoch strahlte er eine sonderbare Kraft aus, die sie nicht in Worte fassen konnte. Während sie noch dastand und nachdachte, ob sie bleiben oder sich zurückziehen sollte, stemmte er sich aus dem Wasser und griff nach einer Flasche Wasser. Sandra hielt den Atem an, als sie seinen durchtrainierten Oberkörper sah. Noch nie hatte sie einen Mann so freizügig gesehen, noch nicht einmal ihre Brüder. Verlegen ging sie einige Schritte zurück, stieß dann aber mit einem Wischer zusammen. "Oh nein!", murmelte sie in ihrer Muttersprache, als der Stiel mit lautem Scheppern auf die Fliesen schlug.

Ug hatte sich sofort umgedreht und sah in den Schatten. "Komm sofort da raus, wer immer du bist.", forderte er barsch. Im ersten Moment geschah nichts und er wollte sich bereits über die jungen Kolleginnen ärgern, die ihn für gewöhnlich auf Schritt und Tritt beobachteten, als sein junger Schützling verschreckt und schüchtern aus dem Schatten heraustrat und ihn verängstigt ansah. Sofort wurde sein Gesichtsausdruck milder und er sah sie verwundert an. "Sandra, hallo. Kann ich etwas für dich tun?" "Nein..." Sofort blickte sie verlegen zu Boden und errötete. Er mußte schmunzeln, als er sie so sah. "Willst du auch schwimmen?" Sie sah schnell auf. "Doc meint, ich soll hier meine Muskulatur aufbauen.", antwortete sie schnell, aber da sie so aufgeregt war, sprach sie in ihrer Muttersprache, woraufhin Ug sie zuerst verblüfft ansah, dann grinste. "Was hast du gesagt?" Das Grinsen zauberte einen Ausdruck auf sein Gesicht, das sie bei ihm noch nie gesehen hatte. Sie errötete noch stärker und drehte sich schnell von ihm weg. "Bitte, zieh etwas über.", sandte sie ihm telepatisch zu. "Hast du noch nie einen nackten Mann gesehen?" Sie konnte an seiner Stimme hören, daß er sich amüsierte. Sie schüttelte den Kopf und verbarg ihr brennendes Gesicht hinter ihrem Buch. "Entschuldige, daß wußte ich nicht." Er griff nach seinem T-Shirt und zog es sich über. "Du kannst dich wieder umdrehen, Sandra." Gehorsam drehte sie sich um. "So besser?" Sie nickte schüchtern. "Also, noch einmal. Was hast du grade gesagt? Aber langsam und so, daß ich dich verstehen kann." Sie holte tief Luft, um sich zu beruhigen. "Doc sagt, ich soll meine Muskulatur trainieren.", antwortete sie langsam. "Ah, wenn du dir etwas Zeit läßt, ist deine Aussprache schon richtig gut.", lobte er sie, woraufhin sie noch mehr entspannte. "Danke." "Und das sollst du hier machen? Für gewöhnlich trainiert man seine Muskulatur im Fitnessraum. Zieh mal dein Kleid aus." Sofort wurde sie wieder rot. "So meinte ich das nicht. Du trägst doch darunter sicher einen Badeanzug, oder?" Sie nickte. "Siehst du, du bist nicht nackt. Und ich bin Trainer. Ich kann dir bei deinen Übungen helfen, wenn du möchtest." Schüchtern nickte sie. "Das mache ich gerne, doch ich müßte mir erst einmal deinen Körperbau ansehen, damit ich weiß, was aufgebaut werden muß." Sie legte zögernd ihr Buch weg und streifte das Kleid ab. Ug betrachtete sie eingehend. "Du hast während deiner Flucht sehr gelitten, richtig?" Mitleidig sah er ihr in die Augen. Sie nickte. "Das sieht man. Du bist ja wirklich nicht viel mehr als Haut und Knochen." Dann lächelte er leicht. "Keine Sorge, daß bekommen wir wieder hin. Du wirst nur sehr hart trainieren müssen." Sie verneigte sich leicht zustimmend. "Aber Doc hat recht, fürs erste ist es besser, wenn du mit Schwimmen anfängst. Das ist schonender für deine Gelenke. Na los, fang an. Ich passe auf, daß du dich nicht übernimmst."
 

Am nächsten Morgen saß Ug im Aufenthaltsraum an seinem Laptop und arbeitete einen Trainingsplan aus, als Lear sich neben ihn setzte. "Was machst du?" "Ich arbeite für Sandra einen Trainingsplan aus. Hast du bereits ihren Körper gesehen? Sie ist wirklich schrecklich dünn." Lear nickte. "Habe ich, aber wann hast du sie nackt gesehen?" "Ich habe sie gestern im Schwimmbad gesehen, da blieb das nicht aus." "Blieb was nicht aus?", fragte Lee, der sich ebenfalls an den Tisch setzte. "Du mußt nicht alles wissen.", antwortete Ug knapp. "Und du willst sie wirklich trainieren?", fragte Lear erstaunt. "Wieso nicht?", fragte Ug ebenso erstaunt. "Nur das du nicht die Möglichkeit haben wirst, sie zu trainieren, mein Freund.", meinte Lee. Verwundert sahen seine Freunde ihn an. "Zyron scheint einen Auftrag für dich zu haben, Alter. Ich sollte dich zu ihm bringen." "Und das sagst du erst jetzt?", fragte Ug barsch. Dann schob er Lear seinen Laptop zu. "Sieh dir das bitte mal an.", meinte er nur und verschwand.

Beide lasen Ugs Aufbauplan interessiert durch. "Du meine Güte, wie lange hat er denn daran gesessen? Einen ausführlicheren Plan habe ich noch nie gesehen, noch nicht mal während unserer Ausbildung." "Fast die ganze Nacht.", antwortete Ug und beide sahen auf. "Oh, schon wieder da?", fragte Lee. "Schon wieder ist gut. Zyron hat mich fast eine halbe Stunde festgehalten und instruiert." "Mußt du wirklich weg?", fragte Lear. Ug nickte. "Leider ja." "Und wie lange?" Er zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung. Ich soll die Grenzen im Gamma-Sektor überprüfen. Auf den Planeten dort soll es zu Überfällen gekommen sein." "Gefährlicher Job.", murmelte Lear. "Und langwierig dazu. Könnt ihr Sandra weiter unterrichten?" Lear nickte. "Machen wir." Ug sah seine Freundin ruhig an. "Es sind Gerüchte im Umlauf, daß ihr beide Nachwuchs plant, ist das richtig?" Verlegen sahen die beiden ihren besten Freund an und nickten. "Sollte es so weit kommen, gebe ich dir einen guten Rat, Lee. Achte darauf, daß Lear keinesfalls auf Außeneinsatz geht. Macht nicht den selben Fehler wie Jamie und ich." Mit einem Mal wurden seine Augen dunkel vor Schmerz. "Du bist über die Sache immer noch nicht weg, richtig?" Lear legte ihre Hand auf seine. "Sie sind beide tot, Jamie und unser Baby. Diese Sache wird mich sicher nie loslassen." Er stand ruckartig auf, wie immer, wenn sie auf dieses Thema zu sprechen kamen. "Ich muß sofort los. Achtet bitte darauf, daß sich unser Schützling nicht übernimmt." "Machen wir." Lear stand ebenfalls auf und nahm ihren Freund in den Arm. "Paß auf dich auf, mein Freund. Du wirst noch gebraucht." Sie ließ ihn los, dann reichte Lee ihm seine Hand. "Lear hat Recht, alter Freund. Du wirst wirklich noch gebraucht. Du bist und bleibst nun mal der Beste von uns." "In Ordnung, ich passe auf. Zufrieden?", fragte er leicht genervt, lächelte dann aber leicht. "Versprochen, ihr habt mein Wort."
 

Der Gleiter hob langsam ab und schwebte in Richtung der Ausflugschneise. Ug bemerkte nicht mehr, daß am Zugang zum Flugfeld ein hellblaues Augenpaar den Flug beobachtete. „Gute Reise, Freund.“, murmelte Sandra betroffen. „Die Göttin möge deine Wege beschützen.“ Sie legte ihre Finger an ihr Herz. „Was hast du gesagt?“ Erschrocken drehte sie sich um und sah Lee in die Augen. „Ich wünschte ihm gute Reise. Tradition meines Volkes.“ Der Gleiter beschleunigte und Sandra drehte sich nochmals um. „Du scheinst Ug zu mögen, habe ich recht?“ Sie drehte sich wieder zu Lee um. „Ich weiß nicht. Er ist... unheimlich. Mal freundlich, mal abweisend. Aber er lacht nie.“ Lee begleitete Sandra zurück in die Basis. „Das tut er schon seit fast fünf Jahren nicht mehr.“, bemerkte Lee traurig. „Aber wieso? Nicht gut für seine Seele.“ Lee grinste leicht. „Du scheinst an so etwas wie die unsterbliche Seele zu glauben, richtig?“ Sandra nickte. „Die Seele ist... wie sagt man... Kern des Lebewesens. Keine Seele, kein Leben.“ Sie seufzte. „Ug scheint fast, als wäre Seele tot.“ Lee nickte. „Damit liegst du gar nicht mal so falsch, liebe Freundin.“ Verwundert sah Sandra ihn an. „Wie meinen das?“ „Komm mit, ich werde dir etwas zeigen.“
 

Sie saßen zusammen auf dem Sofa in Lees und Lears Wohnung und Lee reichte Sandra eine Fotografie. „Hier, sieh mal.“ Sandra nahm die Fotografie entgegen und hielt die Luft an. Es zeigte Lee und Ug, wie sie Rücken an Rücken standen und beide verschmitzt in die Kamera lachten. Sandra betrachtete ihren Retter, der so anders aussah, als sie ihn kennengelernt hatte. Seine Augen strahlten vor Lebensfreunde, viele Lachfalten umspielten seine Augen. Er trug sein braunes lockiges Haar schulterlang, einige Strähnen hatte er sogar blau gefärbt. „So war er einmal. Man konnte jeden Blödsinn mit ihm machen. Während unserer Ausbildung war er der schlimmste Wirbelwind von uns allen, manchmal richtig wild.“ Wehmütig betrachtete Lee das Bild. „Aber wenn wir Streiche machten, waren sie niemals böswillig, daß darfst du nicht glauben.“ Lee sah nicht, daß Sandra Tränen in den Augen standen. „Aber wieso... ist er jetzt...“ „So anders?“ Sandra nickte. „Das kann ich dir erklären. Ug hatte eine Partnerin, die er sehr geliebt hatte. Die beiden wollten heiraten, ein Baby war auch schon unterwegs. Sie starb bei einem Einsatz, vor fünf Jahren.“ Bekümmert betrachtete Lee die Fotografie. „An diesem Tag starb auch mein bester Freund. Den Ug Tettra, den ich gekannt habe, gibt es schon lange nicht mehr.“ Seine Stimme war sehr leise geworden. „Er trauert... noch immer?“ Entsetzt sah Sandra ihn an. Lee nickte. „Dieser Verlust hat alles in ihm zerstört. Es hat fast ein Jahr gedauert, bis er sich überhaupt wieder soweit gefangen hatte, daß er mit der Arbeit weitermachen konnte. Doch egal was wir auch machten, er hat dieses Unglück nie verkraftet.“ Er seufzte. „Jamie wäre entsetzt, wenn sie ihn so sehen würde. Er, der es liebte, mit anderen zusammen zu sein, wurde zum Einzelgänger und trainierte nur noch, bis er zu einer lebendigen Waffe wurde. Unsere Psychologin meinte, daß wäre der einzige Weg, wie er gegen seinen Schmerz ankämpfen könnte. Wenn er es nicht getan hätte, wäre er sicherlich irgendwann wahnsinnig geworden.“ Lee stellte das Bild weg. „Ach, ich habe noch etwas für dich.“ Er stand auf und Sandra sah ihm irritiert hinterher. Er verschwand für einen Moment in einem anderen Zimmer und kam dann mit einer Uniform aus hellbraunem Leder zurück. „Hier, die ist für dich.“ Er reichte ihr das Kleidungsstück. „Du bist seit heute mittag ein Kadett der Föderation, ganz so, wie es in deinem neuen Lebenslauf steht. Lear und ich sollen dich unterrichten.“ Sandra versuchte zu lächeln, doch es gelang ihr nicht richtig. „Ich weiß, jeden von uns macht Ugs Schicksal bekümmert, doch glaub mir, wir haben wirklich alles versucht, ihn zurück zu holen. Es ist uns nicht gelungen.“ Sandra nickte. „Vielen Dank. Wann treffen wir uns zum lernen?“ „Lear kommt nachher zu dir und geht mir dir die Grundlagen deiner Ausbildung durch.“ Sie nickte und verließ dann die Wohnung.
 

Sandra stand vor dem Spiegel und betrachtete sich. Sie schüttelte den Kopf. „So kann ich nicht bleiben.“, murmelte sie leise und ging zu ihrem Küchenschrank, wo sie ein scharfes Küchenmesser aus der Schublade holte. Dann band sie ihr langes Haar zusammen. „Verzeih mir, Göttin. Ich weiß, ich wurde dir geweiht und du liebst es, wenn deine Novizinnen langes Haar haben, doch ich muß es tun.“ Sie flechtete ihre Haare. „Niemand darf Prinzessin Shan-Landina finden.“ Dann setzte sie das Messer an und säbelte ihr langes Haar ab.
 

„Sandra, wo bist du?“ „Im Schlafzimmer.“, antwortete Sandra betroffen, als sie ihren langen Zopf betrachtete. „Ah, du hast von Lee deine Uniform bekommen? Und wie sitzt...“ Lear kam zu Tür hinein und sah ihre neue Freundin entsetzt an. „...sie? Oh Gott, dein schönes Haar!“ „Es ist mir auch... schwer gefallen.“ „Das glaube ich dir gerne.“ Sandra straffte ihre Schultern und legte die angeschnittenen Haare in ihren Schrank. „So, und jetzt zu meiner Ausbildung.“



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