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Schattenherz - Die weißen Ritter

Teil 2
von

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Das Schloß

Das Schloß
 

Yuri schlug benommen die Augen auf. Was war passiert? Das letzte, an das er sich erinnern konnte, war wie Karin plötzlich zusammen geklappt war. Danach... er wusste es nicht mehr. Schwarze Schatten waren an der Stelle, an der seine Erinnerungen sein sollten. Irgendjemand hatte ihn niedergeschlagen.

Sein Kopf dröhnte unerträglich und machte das Nachdenken zur Qual. Yuri drehte den Kopf und sah sich um, doch es war nichts zu sehen außer absoluter Dunkelheit. Vorsichtig fuhr er mit den Händen über den Boden. Metall, er musste auf einer Metallplatte liegen. Aber wie war er hierher gekommen? Yuri versuchte auf zu stehen und landete prompt auf der Nase. Der Boden unter seinen Füßen wackelte. Was war das für ein krankes Spiel? Eines Besseren belehrt, tastete Yuri sich auf dem Boden liegend weiter und stieß nach nur wenigen Zentimetern auf eine Metallstange. Etwa eine handbreit weiter war wieder eine Stange und so ging es die ganze Zeit weiter. Genervt setzte sich Yuri in den Schneidersitz und seufzte. Er musste in einer Art Käfig sitzen. Aber wie war er dort hinein gekommen? Es war zum Schreien.

„Das darf ja wohl nicht wahr sein!“, schrie Yuri aus Leibeskräften um sich ein wenig Luft zu machen.

„Durch schreien wird es auch nicht besser.“, sagte plötzlich eine Stimme neben ihm. „Ich bin es, Kurando. Auch schon wach?“

„Wo sind wir?“, fragte Yuri verwirrt.

„Wenn ich das wüsste, wäre ich nicht mehr hier.“, antwortete der Schwertkämpfer genervt. „Jemand muss uns überwältigt haben. Draco und Nuria sind auch hier.“

„Wo ist Karin?“, fiel es Yuri siedendheiß ein.

„Nicht hier.“, antwortete Kurando knapp. „Keine Ahnung wo sie ist. Karin war schon weg als ich aufgewacht bin.“

„Und wie sind wir hierher gekommen?“, meldete sich nun Draco zu Wort.

„Herr Gott, warum fragt ihr dauernd mich?“, fluchte Kurando. „Bin ich Gott?“

„Bestimmt nicht.“, flüsterte Yuri gerade so laut, dass Kurando es noch hören konnte. „Solange wir nichts sehen können, brauchen wir gar keinen Fluchtversuch starten.“

„Ich glaube wir sind in einer Art Vogelkäfig, der in der Luft hängt.“, bemerkte Kurando. „Massives Metall, das mit irgendetwas überzogen worden ist. Nur was? Eventuell eine Art Dämonenschutz.“

„Toll machst du das Sherlock Holmes.“, giftete Yuri ihn an. „Aber das bringt uns auch nicht weiter. Jetzt testen wir mal was das Metall aushält. Amons Kräfte sicherlich nicht.“

Ein schwacher Lichtblitz zuckte durch den Raum und Yuri wurde mit voller Wucht gegen die Gitter geschleudert. Benommen sank er herunter und schüttelte den Kopf.

„Was... was war das?“, fragte er verwirrt. „Warum habe ich mich nicht verwandelt?“

„Ich sagte doch bereits, dass diese Käfige eine Art Sicherung gegen Dämonen haben.“, antwortete Kurando. „Wahrscheinlich eine Art Zauber oder so etwas. Am besten bleiben wir erst einmal in unserer jetzigen Gestalt.“

„Tolle Idee und was ist mit Karin? Wir können nicht einfach hier warten bis sie vielleicht auftaucht.“, erwiderte Yuri.

„Dann versuch eben weiter dich zu verwandeln, wenn du so auf Schmerzen stehst. Aber wir helfen ihr damit bestimmt nicht.“, fuhr Kurando ihn an. „Zuerst sollten wir in Erfahrung bringen wo wir überhaupt sind.“

„Und wie willst du das machen?“, knurrte Yuri. „Die Gitterstäbe fragen?“

„Was hast du eigentlich für ein Problem? Du meckerst nur herum und versuchst bei jeder Gelegenheit Streit anzufangen.“, schrie Kurando entnervt. „Hast du noch alle Tassen im Schrank? Jemand versucht alle Dämonen zu vernichten, inklusive uns und du hast nichts Besseres zutun, als auf mir herum zu hacken. Benimm dich endlich wie ein Erwachsener und nicht wie ein Kleinkind, sonst können wir ihnen gleich ins Messer springen. Auch wenn ich es nur ungern zugebe, aber wir brauchen dich genauso wie jeden anderen von uns. Du hasst mich anscheinend, aber versuch das Ganze doch zu vergessen bis alles vorbei ist.“

Hätte Yuri den Schwertkämpfer sehen können, hätte er ihn wahrscheinlich böse angefunkelt. Doch in dieser absoluten Dunkelheit war dies schwachsinnig. Er begann Kurando langsam wirklich zu hassen. Diese arrogante Art und dauernd wollte er Recht haben. Er wünschte sich nie nach Unogami gekommen zu sein.

„Ich will hier raus.“, jammerte Nuria. „Ich habe Angst im Dunkeln.“

„Du bist ein Vampir und hast Angst im Dunkeln?“, fragte Yuri verwundert.

Nuria schnaubte wütend, verkniff sich aber ihr böses Kommentar.

Plötzlich wurde eine Tür geöffnet und Licht fiel in den Raum. Sie hatten sich bereits so an die Dunkelheit gewöhnt, dass sogar dieser kleine Lichtstrahl sie blendete. Nach ein paar Sekunden war der größte Schmerz weg und Yuri musterte hastig seine Umgebung. Sie hingen tatsächlich in metallenen Käfigen über dem Boden. Die Decke war so hoch, dass Yuri sie in der Dunkelheit gar nicht ausmachen konnte und alles bestand aus massivem Gestein. Er hatte einen schrecklichen Verdacht und eine Sekunde später bestätigte er sich.

Das Licht ging an und unter ihnen standen drei Personen in weißer Rüstung. Eine von ihnen trug einen langen roten Umhang und schien so eine Art Anführer zu sein. Einer der zwei anderen ging ein Stück nach rechts und zog einen Hebel herunter. Sofort setzten die Käfige sich in Bewegung und sanken hinunter auf den Boden.

„Wer seid ihr? Und wo ist Karin?“, fauchte Yuri sie sofort an.

Der Ritter mit dem Umhang machte eine kleine Handbewegung und Yuri wurde gegen die Gitter geworfen. Mühsam rappelte er sich wieder auf und sprühte vor Zorn. Was fiel diesem Idioten überhaupt ein? Und wie hatte er das gemacht?

„Ich stelle hier die Fragen merkt euch das.“, sagte der Mann kalt. „Ihr seid hier in der Festung unseres ehrenwerten Meisters und werdet auch so schnell nicht mehr hier raus kommen. Ihr fragt euch sicherlich warum ihr in diesen Käfigen sitzt. Ganz einfach, ihr seid uns im Weg und werdet langsam lästig. Wir mussten euch aus dem Weg räumen.“

„Aber warum leben wir dann noch?“, fragte Kurando verwundert.

„Ihr könntet uns noch nützlich sein.“, antwortete der weiße Ritter. „Aber genug geplaudert, genießt euren Urlaub hier. Ach ja, eurer kleinen Freundin geht es gut. Wir haben uns um sie gekümmert. Schon bald wird sie wieder bei euch sein.“

Mit diesen Worten verließen die weißen Ritter den Raum wieder, aber das Licht blieb an und die Käfige auf dem Boden. Vielleicht bietete sich jetzt eine Gelegenheit zur Flucht. Aber Yuri verzichtete lieber darauf sich erneut in Amon zu verwandeln, sondern benutzte seinen Kopf.

„Die Dinger haben nirgendwo eine Tür.“, stellte Yuri fest. „Also wie sind wir hier hinein gekommen?“

Er suchte jeden Quadratzentimeter seines Gefängnisses ab. Erst als er am höchsten Punkt angelangt war, der Stelle an der die Gitter zusammenliefen, erkannte er den Mechanismus.

„Die Gitterstäbe werden nach oben zusammen gezogen wenn Druck auf der Kette ist.“, erklärte er. „Vielleicht können wir die Käfige öffnen, wenn wir die Ketten lösen.“, schlug Kurando vor. „Diese Käfige sind so konzipiert, dass die Ketten alle Seiten zusammen hält.“

„Was?!“, fragte Yuri verwirrt und klopfte gegen eine Metallstange.

„Also, der Käfig besteht aus sechs einzelnen Seiten, die nach oben hin schmaler werden. An der Spitze jeder Seite ist eine Art Ring. Soweit klar? Gut, und durch diese Ringe ist die Kette geschlungen. Spannt man diese nun an, klappen die Seiten hoch und ziehen sich zusammen.“, erklärte er erneut. „Wenn wir also die Kette lockern oder zerstören, müssten die Seiten des Käfigs herunter gehen und wir wären frei.“

„Jetzt ist es klar.“, sagte Yuri. „Aber wie bekommen wir die Kette kurz und klein?“

„Wenn ich das wüsste, dann wären wir hier schon raus.“, giftete Kurando ihn an. „Jeder sollte es für sich versuchen.“

Yuri warf ihm einen bösen Blick zu und machte sich daran die Gitterstäbe zu inspizieren. Mit seinen Dämonenkräften kam er nicht weiter, so viel war klar. Also musste er wohl oder übel seinen Kopf anstrengen. Das war nun wirklich nicht seine Stärke, aber er musste sich anstrengen. Er wollte keinesfalls Kurando gegenüber dumm dastehen.

Der Käfig war massiv und die Kette schien aus dem gleichen Material zu sein. Also gab es nur zwei Möglichkeiten, die Kette mit seinen Kräften zu zertrümmern oder sie von der Halterung neben der Eingangstür zu lösen, damit sie locker wurde und die Seiten des Käfigs sich herunter klappten. Die erste Variante ließ er außen vor, er stand nicht sonderlich auf Schmerzen.

Also begann er kurz die Lage zu überschauen. Stabiler Käfig, stabile Kette, keine Dämonenkräfte, dämlicher angeberischer Schwertkämpfer, Karin weg, ach alles beschissen. Es gab keinen Weg hier raus. Wahrscheinlich würden sie hier fest sitzen bis jemand sie raus ließ.

Völlig gelangweilt und antriebslos, starrte er hinüber zu Kurando, der jede Ecke des Käfigs inspizierte. Was machte dieser Trottel da? Anscheinend hatte er schon einen Plan. Musste dieser Schwertheini immer den Helden spielen? Der Kerl war so kitschig wie ein Prinz auf seinem weißen Pferd.

„Was für ein Traummann.“, dachte Yuri sarkastisch und setzte sich auf den Boden. Warum sich anstrengen, wenn sowieso andere den Ruhm dafür einheimsten.

Kurando fuhr vorsichtig mit dem Finger über die Glieder der Kette. Irgendwo hatte jedes Schmiedewerk eine Stelle, die etwas dünner und somit auch schwächer war. Er musste sie nur finden. Zentimeter für Zentimeter fuhren seine Finger über das kalte Metall. Es war ungewöhnlich glatt und leider auch gleichmäßig. Kurando hatte langsam Zweifel daran, dass diese Käfige wirklich von Menschenhand gemacht wurden.

Yuri hatte sich zurück gelehnt und betrachtete die Decke des Raumes. Sie war nicht wirklich interessant, aber irgendwie musste man sich die Zeit ja vertreiben. Wenn es ihm gelang sich zu verwandeln und ganz schnell die Flügel auszubreiten, könnte er vielleicht den Käfig sprengen. Einen Moment dachte er ernsthaft darüber nach, dann verwarf er die Idee wieder. Sollte sich doch der Tölpel mit dem Schwert darum kümmern.

Kurando war langsam genervt. Nirgendwo war die Kette auch nur einen Millimeter dünner und Yuri machte mal wieder keine Anzeichen von Einsatz. Wie konnte ein einzelner Mensch nur so überheblich sein? Er verstand es einfach nicht. War Yuri sein Leben denn nichts Wert?

Plötzlich stoppte er in seiner Bewegung. Da war tatsächlich eine kleine Mulde in einem Kettenglied. Endlich. Jetzt musste er nur noch einen kleinen Trick anwenden und er konnte die Kette zersprengen.

„Hat jemand von euch Feuer dabei?“, fragte er in die Runde.

„Ich habe immer ein Päckchen Streichhölzer dabei, falls ich in einem Metallkäfig gefangen gehalten werde.“, antwortete Yuri schnippisch.

Kurando warf ihm einen bösen Blick zu und wandte sich an Draco und Nuria.

„Ja, habe ich.“, sagte Draco und kramte in seiner Hosentasche.

Zwei Sekunden später zog er ein kleines Schächtelchen heraus und warf es zu Kurando. Geschickt fing er es auf und zog gleich fünf Streichhölzer auf einmal. Vorsichtig zündete er sie an und hielt sie unter das Kettenglied.

„Was soll das werden?“, fragte Yuri verwundert, doch Kurando gab ihm keine Antwort.

Kaum waren die Streichhölzer abgebrannt, warf er sie auf den Boden und schloss die Augen. Was hatte der Möchtegern-Dämon vor?

Auf einmal öffnete Kurando schlagartig die Augen und ein Teil der Kette gefror zu Eis. Yuri verfolgte das Spektakel verwirrt und auch ein wenig neugierig.

Das Eis schmolz relativ schnell durch das erhitzte Metall, doch Kurando hatte genügend Zeit um sein Schwert zu ziehen und genau auf die dünne Stelle der Kette zu zielen. Mit einem leisen Knirschen brach das Kettenglied und der Käfig landete scheppernd auf dem Boden.

„Toll gemacht.“, meckerte Yuri. „Jetzt weiß das ganze Schloss Bescheid.“

Kurando hechtete los zur Tür um die Käfige der anderen zu öffnen. Klirrend fielen auch die restlichen drei Käfige zu Boden und sie waren endlich wieder frei. Yuri gähnte und streckte sich.

„Wurde aber auch Zeit.“

Kurando warf ihm nur einen bösen Blick zu und beließ es dabei, vorerst.

„Wir müssen Karin finden und dann so schnell wie möglich hier raus.“, schlug Kurando vor.

„Aber wo sollen wir anfangen zu suchen?“, fragte Draco. „Dieses Ding sah von weitem schon riesig aus.“

„Tja, wir haben aber leider keine andere Wahl.“, entgegnete Kurando. „Irgendwie werden wir sie schon finden.“

Mit diesen Worten öffnete er die Tür und stürmte nach draußen.

Der Gang war nur spärlich mit Fackeln beleuchtet und endete auf der rechten Seite an einer Mauer. Die Auswahl an Wegen war also ziemlich begrenzt. Kurando wandte sich nach links und bewegte sich wie eine Katze von Schatten zu Schatten. Gelegentlich blieb er stehen und horchte, doch niemand schien von ihrem Ausbruch Wind bekommen zu haben. Als sie um eine Kurve bogen, tauchte eine Tür auf. Kurando rüttelte leicht daran, doch sie war verschlossen. Im nächsten Gang befanden sich etliche Türen, doch keine von ihnen war offen. Sie wollten schon um die nächste Ecke biegen, als plötzlich ein dumpfes Brüllen durch den Gang hallte. Es kam aus einer Tür am Ende.

Kurando fuhr erschrocken herum und lauschte. Das Brüllen hatte aufgehört, doch er musste wissen was es gewesen war. Vorsichtig schlich er wieder zurück. Die anderen folgten ihm auf Schritt und Tritt.

Der Schwertkämpfer legte das Ohr an die Tür und horchte.

„Da drin ist jemand.“, flüsterte er.

„Karin?“, fragte Nuria aufgeregt.

„Wäre möglich.“

Vorsichtig drückte er die Türklinke nach unten und öffnete die Tür einen Spalt.

Im Inneren war es hell und roch nach abgestandener Luft. Anscheinend hatte man die Tür seit Langem nicht mehr geöffnet. Kurando hörte eine leise Stimme. Die Stimme einer Frau. Sie redete auf irgendjemanden ein, also waren mindestens zwei Menschen in diesem Raum. Er schob sich ein wenig nach vorne und spähte ins Innere.

Fast wäre er vor Schreck aufgesprungen.

Yuri bemerkte seine Reaktion und schob sich an ihm vorbei. Als auch er die Personen im Raum sah, riss er die Tür auf und rannte zu einem der Käfige.

„Alice!“

„Yuri! Was machst du denn hier?“, fragte die Schöne mit den weißen Haaren verwundert.

Yuri ergriff ihre Hand durch den Käfig hindurch und sah in ihre wunderschönen traurigen Augen.

„Diese Idioten haben uns geschnappt und eingesperrt.“, antwortete er. „Warte, ich hole dich hier raus.“

Er wollte sich umdrehen und zur Halterung für die Ketten gehen, doch Draco versperrte ihm den Weg.

„Du wirst diese Mörderin nicht befreien.“

„Und wer will mich davon abhalten? Du etwa?“, äffte Yuri ihn an.

„Hört auf!“, mischte sich nun Kurando ein. „Wir haben keine Zeit zu streiten, wir müssen Karin finden und von hier verschwinden.“

„Ich werde nicht ohne Alice gehen.“, erwiderte Yuri aufgebracht.

„Dann bleib doch hier!“, schrie Draco, dem langsam der Kragen platzte.

„Schluss jetzt.“, versuchte Kurando die beiden zu beschwichtigen.

Genervt ging er zu der Halterung und lockerte die Kette. Der Käfig öffnete sich und Alice sprang rasch heraus. Dracos Blick verfinsterte sich zusehends, doch es war keine Zeit für Diskussionen.

„Und was ist mit mir?“, hörten sie plötzlich eine Stimme von der Decke her.

„Nikolai?“, fragte Yuri verwundert.

„Nein, der Papst.“, entgegnete er murrend. „Lasst mich hier raus.“

Noch bevor einer der anderen reagieren konnte, eilte Alice zu der Halterung und löste auch die Kette, die Nikolais Käfig in der Luft hielt. Er fiel herunter und landete scheppernd auf dem Boden. Yuri hatte gehofft, dass Nikolai mit dem Käfig abstürzen würde, doch diesen Gefallen hatte der Kardinal ihm nicht getan. Er schwebte als Dunkler Engel in der Luft und versprühte eine unheimliche Atmosphäre.

„Endlich!“, raunte er genervt. „Wurde aber auch Zeit. Diese menschliche Hülle ist unerträglich.“

Yuri warf ihm einen vernichtenden Blick zu, doch Nikolai schien es nicht sonderlich zu interessieren.

„Vielleicht sollten wir zusammen arbeiten.“, schlug Kurando widerwillig vor. „Wir werden seine Hilfe brauchen, wenn wir Karin finden und hier raus wollen.“

„Karin?“, horchte der Dunkle Engel plötzlich auf und sank zu ihnen auf den Boden. „Ihr habt sie verloren?“

„Ja, sie war krank als die Ritter uns fingen.“, antwortete Kurando. „Anscheinend haben sie Karin weggebracht um sie gesund zu pflegen. Aber leider haben wir keine Ahnung wo sie sein könnte. Dieses Schloss ist riesig. Es kann Tage dauern bis wir sie finden.“

„Und vorher finden die Ritter wohl eher uns.“, fügte Nikolai hinzu. „Na gut, dann sollten wir nach oben gehen. Ich bezweifle, dass sie eine kranke Frau in so einer modrigen Umgebung gefangen halten.“

Ohne eine Antwort abzuwarten, verwandelte er sich wieder in einen Menschen und verließ den Raum. Die anderen folgten ihm, wenn auch widerwillig

„Ihr scheint euch ja gut zu verstehen.“, raunte Yuri Kurando ins Ohr.

„Was soll das jetzt schon wieder heißen?“, entgegnete er wütend.

„Ach nichts.“, antwortete Yuri beiläufig.

„Glaubst du vielleicht, ich wüsste nicht, dass er uns bei der nächsten Gelegenheit ans Messer liefert?“, erwiderte der Schwertkämpfer. „Aber ohne ihn werden wir Karin nie finden. Er ist schon länger hier und scheint sich schon ein Bild gemacht zu haben.“

Yuri schwieg und ließ sich ans Ende der Gruppe fallen. Dieser Dorftrottel ging ihm langsam gewaltig auf die Nerven. Noch ein falsches Wort und er würde ihm den Kopf abreißen.

Nikolai führte sie durch dunkle Gänge, hell erleuchtete Räume und vorbei an Fenstern, durch die man die Schwarze Ebene sehen konnte.

Plötzlich blieb er stehen.

„Dort vorne sind Wachen.“, flüsterte Nikolai ihnen zu.

„Und wo Wachen sind, ist auch etwas, das bewacht werden muss.“, fügte Kurando hinzu.

Nikolai lächelte und bedeutete ihnen zurück zu bleiben, dann verschwand er hinter der Ecke. Sie warteten gespannt auf ein Zeichen, doch es dauerte fast zehn Minuten bis der Kardinal wieder zurückkam.

„Kommt mit!“

Sie traten in den Flur, in dem kurz zuvor noch die Wachen gestanden hatten und starrten verblüfft auf den Boden. Vor ihnen lagen zwei weiße Ritter. Sie rührten sich nicht, doch es waren keine Verletzungen zu sehen und ihre Gesichter wirkten entspannt. Was auch immer Nikolai mit ihnen getan hatte, es ging schnell. Nuria zuckte leicht zusammen als sie die Leichname sah und schob sich hinter Draco.

„Wie unheimlich.“, flüsterte die Vampirin.

„Können wir?“, fragte Nikolai und machte eine einladende Geste Richtung Tür.

„Du gehst zuerst hinein.“, befahl Yuri.

Er traute dem Kardinal keinen Meter weit und erwartete nahezu eine Falle.

Nikolai zuckte mit den Schultern und betrat den Raum. Er war lichtdurchflutet und wirkte freundlich. Im hinteren Teil stand ein großes Himmelbett und auf der anderen Seite, zu ihrer Rechten, ein großer Schrank aus dunklem Holz. Alles hier drin wirkte teuer und edel.

Der Kardinal ging hinüber zum Bett und zog das Seidentuch zur Seite, das bisher die Sicht verwehrt hatte.

Mit blasser Haut und eingefallenen Wangen lag Karin vor ihnen. Sie hatte Schweißperlen auf der Stirn und atmete äußerst flach. Ihre Haut schimmerte leicht blau und ihr ganzer Körper zitterte. Sie war krank, sehr krank. Anscheinend hatten auch die enormen Kräfte der weißen Ritter keine Chance gegen das Gift dieser Pflanze.

„Karin.“, sagten Kurando, Nikolai und Yuri gleichzeitig.

Der Kardinal legte seine Hand auf die ihre und Karin öffnete langsam die Augen. Ihr Blick war trüb und Yuri war sich nicht sicher, ob sie überhaupt begriff was um sie herum geschah.

„Nikolai.“, flüsterte sie benommen. „Was tust du hier?“

„Wir haben dich gesucht.“, antwortete er beruhigend und auf einmal schien er kein blutrünstiges Monster mehr zu sein, sondern der gleiche Kardinal, dem sie früher begegnet waren. „Ich weiß du bist krank, aber du musst jetzt stark sein Karin. Wir müssen so schnell wie möglich von hier weg.“

„Wo... wo bin ich?“, fragte sie immer noch benommen.

„Wir wurden von den weißen Rittern gefangen genommen und eingesperrt.“, erklärte ihr Nikolai geduldig. „Aber für lange Erklärungen haben wir keine Zeit.“

Vorsichtig half er ihr auf und wickelte das Betttuch um ihre Schultern. Karin machte einen Schritt und sackte benommen zusammen.

„Karin du kannst das.“, redete Nikolai weiter auf sie ein, doch sie schien nicht einmal mehr die Kraft zu haben zu widersprechen.

Kurzerhand nahm er sie auf die Arme und machte Anstalten das Zimmer zu verlassen, doch Yuri vertrat ihm den Weg.

„Ich werde sie tragen.“, fauchte er ihn an.

„Sei nicht albern und versuch nicht den Helden zu spielen.“, entgegnete Nikolai lachend. „Du glaubst doch nicht etwa, dass wir hier ohne Kampf raus kommen. Also wirst du mit den anderen kämpfen und ich werde sie beschützen. Bei mir ist sie in besten Händen.“

Yuri wollte ihm gerade sämtliche Verwünschungen an den Kopf werfen, da trat Alice zwischen die beiden und klammerte sich an seinem Arm fest.

„Bitte Yuri! Ich will von hier weg.“

Er sah in ihre wundervollen Augen und konnte nicht anders. Seufzend ging er einen Schritt zur Seite und gab den Weg frei.

Nikolai spähte nach draußen. Noch war nichts zu sehen. Anscheinend kam nicht oft jemand hier vorbei, ansonsten waren die beiden toten Ritter auch schlecht zu übersehen. Yuri wunderte sich ein wenig über sich selbst. Normalerweise wäre er nicht so unvorsichtig gewesen.

„Wieso fliegen wir nicht durch ein Fenster nach draußen?“, fragte Nuria ängstlich.

„In der Luft sehen sie uns sofort.“, erklärte Kurando. „Wir müssen uns auf dem Boden davon schleichen.“

„Aber...“

„Stehen bleiben!“, schrie plötzlich eine Stimme hinter ihnen.

Ruckartigen flogen ihre Köpfe herum und sie sahen ein gutes Dutzend weiß gekleidete Männer in Rüstung.

„Lauft!“, schrie Kurando und alle stürmten gleichzeitig los. Auch die weißen Ritter setzten sich in Bewegung.

Nikolai bog einige Male ab, doch sie klebten ihnen an den Fersen. Wenn das so weiter ging, hatten sie keine Chance zu entkommen.

Yuri ließ sich zurückfallen und verwandelte sich noch im Rennen in Amon. Fast wäre er mit seinen riesigen Schwingen im Gang stecken geblieben und gestolpert. Im letzten Moment faltete er sie zusammen und drehte sich um. Mit einem einzigen Schlag zertrümmerte er die Wände des Ganges und ein Großteil der Decke brach ein. Ein Teil der Ritter wurde verschüttet, der andere Teil war durch die Steine von ihnen abgetrennt.

Yuri nahm wieder seine menschliche Gestalt an und holte die anderen ein.

„Wir können nicht ewig wegrennen. Es ist eine Frage der Zeit bis noch mehr von ihnen auftauchen.“, sagte er keuchend.

Nikolai erwiderte nichts darauf, sondern rannte einfach weiter.

Sie bogen um eine Ecke und plötzlich explodierte der Gang vor ihnen. Steinsplitter und Glasscherben flogen ihnen um die Ohren und es roch nach Schießpulver und verbrannter Haut. Yuri, Alice und Nuria hatten Glück. Sie waren hinten in der Gruppe und wurden einfach nur zurück geworfen. Draco und Kurando machten Bekanntschaft mit einigen Felstrümmern und wurden ebenfalls zurück geworfen. Aber Nikolai hatte Pech. Ihn traf die Explosion mit voller Wucht.

Nachdem Yuris Benommenheit einigermaßen wieder verschwunden war, schrak er zusammen. Um Nikolai war es nicht schade, aber was war mit Karin passiert? Oh Gott, Nikolai hatte Karin auf den Armen gehabt.

„Karin!“, schrie er so laut er konnte.

Doch er bekam keine Antwort. Weder von Nikolai noch von Karin. Durch den aufgewirbelten Staub konnte man kaum etwas sehen und so kroch Yuri auf Händen und Füßen in Richtung der Explosion. Neben ihm tauchte Draco auf, der kopfschüttelnd auf dem Boden kniete.

„Was war das?“, fragte er krächzend.

„Ich weiß es nicht.“, antwortete Yuri. „Aber hast du Karin gesehen?“

Draco schüttelte den Kopf und in Yuri begann Panik empor zu steigen. Was konnte so eine Explosion anrichten? Er hatte sie damals in Domremy am eigenen Leib verspürt. Vielleicht waren die beiden pulverisiert. Oder sie lagen in Stückchen hier herum. Yuri wurde übel bei dem Gedanken und er holte ein paar Mal frische Luft um seinen Magen zu beruhigen.

Vorsichtig stand er auf und blickte zu der Stelle, an der gerade noch Nikolai und Karin gestanden hatten. Er hätte nie zulassen dürfen, dass dieser Kardinal sie nimmt.

Langsam rappelten sich auch die anderen auf und traten neben Yuri. Sie waren übersät mit kleinen und großen Kratzern und in ihren Kleidern und Klamotten hatte sich Staub eingenistet. Jemand berührte ihn am Arm, es war Alice. Sie sah ihn traurig an und senkte den Kopf als auch er ihr in die Augen sah.

Plötzlich sprang Nuria ein Stück zur Seite und deutete nach vorne.

Yuri folgte ihrer Geste, sah aber nicht mehr als einen großen Haufen Steine. Einen großen Haufen Steine, der sich bewegte. Er machte einen Schritt nach vorne und plötzlich flogen Geröll und Gestein an ihm vorbei. Vor ihm stand eine große Gestalt mit riesigen schwarzen Flügeln und blutüberströmtem Gesicht. Der Dunkle Engel machte einen Schritt nach vorne und die Flügel, die er schützend um sich gelegt hatte, öffneten sich. Zum Vorschein kam eine bewusstlose, aber ansonsten völlig unversehrte Karin. Yuri sprang nach vorne und fing sie gerade noch auf, bevor Nikolai in die Knie brach.

„He, Karin wach auf!“, flüsterte Yuri erleichtert und strich ihr übers Gesicht.

Langsam öffnete sie die Augen und schien sogar zu begreifen wo sie war, denn es war so etwas wie Erkennen in ihren Augen.

„Rothaarige Hexe!“, sagte er lachend und drückte sie erleichtert an sich.

Kurando und Alice hatten sich in der Zwischenzeit zu Nikolai hinunter gebeugt und ihm auf die Füße geholfen. Er sah schwer verletzt aus, aber da konnte Kurando sich auch irren. Dämonen hielten wesentlich mehr aus als Menschen.

„Was ist mit ihm?“, fragte Yuri sogar etwas besorgt.

„Er hat etliche Kratzer und kleinere Wunden.“, erklärte Kurando fachmännisch. „Aber auch viele tiefe Wunden und wie es mit seinen inneren Organen aussieht, kann ich dir auch nicht sagen.“

Yuri bedeutete Draco auf Karin aufzupassen und legte sich Nikolais Arm um die Schultern. Die anderen sahen ihm völlig entgeistert zu und konnten nicht glauben was sie da sahen.

„Auch wenn er ein Mistkerl ist, aber er hat sie gerettet unter Einsatz seines eigenen Lebens.“, sagte Yuri kalt. „Und jetzt helft mir gefälligst.“

Kurando legte sich den anderen Arm um die Schultern und machte vorsichtig einige Schritte. Die anderen folgten ihnen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2007-12-14T11:55:10+00:00 14.12.2007 12:55
total tolles kapi :D
ich freu mich das du weiterschreibst und sorry das ich esmir gestern erst durchlesen konnte
die anderen les ich mir auch noch durch
Yuri steht ja ganz schön blöd da
und wieso sind alice und der priester wieder normal???

auf gutes weiterschreiben
grüße, jane
Von:  SamAzo
2007-12-11T21:19:45+00:00 11.12.2007 22:19
Ein Weihnachtsgeschenk.. für MICH.. *freu*
Danke ^^

Und ich mag das Kapitel.. *g*
Nurias Angst im Dunkeln.. *lach* wie geil..

Das mochte ich auch:
Also begann er kurz die Lage zu überschauen. Stabiler Käfig, stabile Kette, keine Dämonenkräfte, dämlicher angeberischer Schwertkämpfer, Karin weg, ach alles beschissen.
xD

Aber sag mal, wie macht man sich ein Bild von einer Gegend, wenn man die ganze Zeit über in einem Käfig drinnen hockt?

Egal, war super..
..

*g*
bekomme ich auch eins zu Silvester?
*lach*


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