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Neuanfang

von

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Tradition

Titel: Neuanfang

Autor: Seranita

Fandom: Shaman King

Genre: Romantik, Humor/Parody (?)

Pairing: Vielleicht… ^__~ Zumindest ist es voller Andeutungen

Kapitel: Gesamt vier
 

Widmung: Wichtel FF für Cassandra93
 

Warnung: Kitsch galore, möglicherweise OOCness, könnte Spoiler auf das Ende des Animes enthalten;
 

***
 

Kapitel 1: Tradition
 

“Yo! Steh auf!”
 

Die Stimme, die den schlaftrunkenen Dämmerzustand durchdrang, in dem er sich befand, war nicht laut, aber energisch. Eine Drohung lag darin, die ihn bei Androhung der Todesstrafe gemahnte zu gehorchen.

Unglücklicherweise war er schon viel zu sehr an diese Stimme gewöhnt.
 

“Was ist denn, Anna…”, murmelte er müde und noch immer im Halbschlaf, während er sich auf den Rücken rollte und versuchte, die Augen zu öffnen, was sich als schwieriger erwies, als es sich anhörte.

Sie fühlten sich an wie zugeklebt.
 

Wie spät war es…?
 

“Komm endlich raus.”
 

Mit einem Mal wurde es kalt. Extrem kalt. Reflexartig wollte Yo nach seiner Decke greifen und sich weiter in sie einwickeln, als er feststellen musste, dass die Decke, die ihn eben noch gewärmt hatte nicht mehr da war. Seine tastenden Hände griffen ins Leere und so öffnete er widerwillig die Augen, um sie zu suchen.

Im nächsten Moment wünschte er sich beinahe, er hätte es nicht getan.
 

Vor ihm stand Anna, noch immer die Decke in der Hand haltend, die sie ihm weggezogen hatte. Sie war bereits voll bekleidet und trug wie üblich ihr rotes Kopftuch. Aus ihren Augen sprach so viel Tatendrang und Eifer - und besonders Energie - das Yo sich nur wundern konnte. Aber Anna war schon immer Frühaufsteherin gewesen. Ihr Blick versprach Ärger. Und jede Menge Arbeit.
 

“Morgen Anna.” Noch immer nicht völlig wach schenkte er ihr ein schiefes Grinsen und starrte sehnsüchtig zu der Decke, die seine Verlobte unerbittlich festhielt. Er spürte, wie sich die Härchen an seinen Armen aufrichteten und schauderte. Es war kalt.
 

“Endlich wach, Yo?”, fragte das Mädchen vor ihm unbeeindruckt und machte sich daran, die Bettdecke zusammenzulegen. “Steh endlich auf, es ist noch einiges zu tun. Ich werde das nicht alleine machen.”
 

“Zu tun…?” Er war noch immer nicht ganz da, wusste aber aus Erfahrung, dass es besser war, seiner Verlobten nicht zu widersprechen, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Es wäre wohl definitiv gesünder, wenn er einfach aufstand. Zumal es ohnehin viel zu kalt war, um liegen zu bleiben.
 

Er setzte sich auf und blickte sich nach seinen Klamotten um, nur um sie irgendwo in der Ecke aufzufinden. So richtig erinnern, wie sie dorthin gekommen waren, konnte er sich nicht. Schnell stand er auf und holte sich seine Sachen. Das Anna noch im Zimmer war, störte ihn dabei nicht weiter, immerhin hatte er ja noch seine Shorts an. Außerdem war er dies schon gewöhnt. Er zog sich das Shirt über und nieste.
 

Hoffentlich hatte er sich keine Erkältung geholt!
 

“Wirklich.” Das blonde Mädchen schüttelte missbilligend den Kopf und legte die sorgfältig gefaltete Decke zurück auf den Futon. Bestimmt ging sie zu Yohs Schrank und kramte darin rum. “Ich will nicht wissen, wo du dich gestern wieder rumgetrieben hast. Wenn du dich jetzt erkältest und deshalb keine Hilfe bist, erwarte keine Gnade.”
 

“Ja, Anna.” Yo nieste erneut und zog sich mit einem einfältigen Grinsen seine Sachen an. Bei anderen waren dies leere Worte, bei Anna eine ernst zu nehmende Drohung. Er wollte nicht unbedingt so kurz vor Silvester zu einem extra harten Training gezwungen werden.

Es war aber auch wirklich kalt hier.
 

Das Gasthaus En bot zwar den Vorteil eines heißen Bades, in dem man wunderbar entspannen konnte und auch die Miete war mehr als nur billig, aber leider war das Haus allerdings viel zu groß, als dass sie sich die enormen Heizkosten leisten konnten, so dass sie meistens darauf verzichteten überhaupt zu heizen. Immerhin waren sie beide noch Schüler ohne Arbeit.
 

“Unvernünftig”, schimpfte Anna weiter. Ihre Stimme klang wütend, aber das schreckte Yo nicht. Sie klang fast immer so. Er sah an sich herunter. Vielleicht sollte er etwas mehr anziehen. Auch wenn draußen noch kein Schnee lag, es war immerhin mitten im Winter. Ein leichtes Shirt wäre wohl eindeutig das Falsche.
 

“Du gehst jetzt sofort runter und machst uns beiden einen Tee. Ich will nicht, dass du krank wirst und mich dann ansteckst, bevor die Gäste kommen.”
 

Yo nickte und wandte sich der Türe zu, als ihm plötzlich etwas Weiches in die Hand gedrückt wurde. Automatisch hielt er es fest. Es war ein Pullover.

Als er jedoch aufschaute, war Anna schon längst von seinem Schrank verschwunden und halb aus der Tür.

“Und beeil dich.”, konnte er noch hören, bevor sie verschwand.
 

***
 

Yo gähnte, als er schließlich die Treppen des Gasthauses hinab stieg. Vielleicht hätte er letzte Nacht doch nicht so lange wegbleiben sollen. Aber es war wirklich schön gewesen.
 

Er warf einen Blick durch das Wohnzimmer. Obwohl Anna normalerweise Wert auf strengste Ordnung legte, lag nun alles durcheinander. Reste von Weihnachtsdekoration ragten aus einem Karton, der halbherzig in eine Ecke gestellt und von einem Tuch verdeckt wurde. Der Weihnachtsbaum, den sie angeschafft hatten, stand noch immer in der Ecke und vor ihm sammelten sich Reste von verstreutem Geschenkpapier und Bändern.
 

Reste ihres Weihnachtsfestes.
 

Yoh musste lächeln, als er sich erinnerte. Er selbst hatte nicht einmal unbedingt so feiern wollen, aber seit Anna dieses Buch über christliche Feste und Traditionen in die Hände gefallen war, war sie nicht mehr zu bremsen gewesen. Das bedeutete zwar Stress für Yo, der den Großteil der Zeit ihre Launen ausbaden musste, aber wirklich gestört hatte es ihn nicht. Diesen vorweihnachtlichen Stress hatte er gerne ertragen.
 

Das Fest war lustig gewesen. Sie hatten zu zweit beschert, wenn man die ständig präsenten Geister des Anwesens einmal außer Acht ließ. Später war dann auch noch Manta vorbeigekommen, der schon bei seinen Eltern gefeiert hatte und gemeinsam hatten sie einen lustigen Abend verbracht. Die einzige peinliche Situation war entstanden, als er und Anna sich unter dem Mistelzweig wieder fanden, den sie in einer Ecke aufgehängt hatte… Aber das musste nun auch nicht jeder wissen.
 

Nun waren schon fünf Tage vergangen und noch immer waren sie nicht dazu gekommen, die Reste der Feier zu beseitigen. Dabei konnten sie nicht einmal Shamanen Kämpfe oder Training als Ausrede vorbringen. Das Schamanen Turnier war schon seit einigen Monaten vorbei und es war wieder Alltag eingekehrt. Vielmehr war es so gewesen, dass sie es einfach nicht entfernen wollten.
 

Das Schamanen Turnier…
 

Yoh’s Blick wurde leicht glasig, als seine Gedanken zurückwanderten zu dem, was damals geschehen war. Er hatte gewonnen und seinen Bruder, Hao, besiegt. Seitdem war dieser verschwunden, vermutlich tot. Er bereute nicht, die Welt gerettet zu haben, aber der Preis war hoch. Sein Bruder war tot. Dass er womöglich in 500 Jahren wiedergeboren würde, spielte dabei keine Rolle.
 

Ob es wohl auch eine andere Möglichkeit gegeben hätte?

Immer wieder kehrten seine Gedanken zu diesem Punkt zurück. Es wollte einfach nicht in seinen Kopf, er konnte es nicht akzeptieren. Hao hatte einen guten Kern in sich gehabt, Yoh wusste es. Klammerte sich praktisch mit aller Verzweiflung daran. Dennoch war es ihm nicht gelungen, Haos gute Seite zu wecken. Und sein Bruder war gestorben.
 

Durch seine Schuld…
 

In seine Gedanken vertieft bemerkte er nicht, wie Anna aus der Küche trat. Eine Hand griff sanft nach seinem Arm und als er aufsah erblickte er den verständnisvollen Blick seiner Verlobten. Eine Sekunde lang sah sie ihn an, dann ließ sie ihn los. Sie versuchte nicht, etwas zu seinem Trost zu sagen. In den ersten Monaten hatten sie alle das versucht. Doch Yo wollte es nicht.
 

“Hör auf zu grübeln und komm endlich in die Gänge, Yo. Sonst wird das Frühstück kalt.”
 

Er nickte und beeilte sich, ihr zu folgen, seine Gedanken vergessend. Vermutlich hatte sie Recht.

Die Vergangenheit konnte er nicht ändern.

Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie Amidamaru, der wohl schon lange mit Anna wach war, sich zu ihm gesellte und ihm einen guten Morgen wünschte. Er grinste und grüßte zurück.

Er sollte sich damit abfinden.
 

“Also, der Plan”, begann Anna, als sie die Schüssel mit der Misosuppe vor Yo abstellte, der gerade dabei war, ihnen beiden Tee einzuschenken. Ihre Stimme duldete keinerlei Widerspruch. “Heute wirst du das Haus aufräumen. Der ganze Krempel von Weihnachten muss weg, ehe morgen die anderen kommen. Außerdem solltest du noch einkaufen.”

Sie schien innerlich eine Liste abzuhaken.

“Training lassen wir die nächsten beiden Tage weg, krank kann ich dich nicht gebrauchen. Außerdem müssen wir noch für genügend Schlafplätze sorgen”
 

Yo nickte zu jedem Punkt. “Müssen wir den Weihnachtsbaum wirklich abbauen?”, wollte er dann wissen. Er mochte es irgendwie, ihn hier zu haben, auch wenn er normal nicht für Traditionen zu begeistern war. Aber der Baum füllte das Haus, das sonst viel zu groß und leer für sie beide war und brachte Leben hinein.
 

Fast hätte er erwartet, dass Anna einfach rigoros nein sagen würde, doch dann entschied sie sich doch anders. “Na gut”, meinte sie nach kurzer Überlegung. “Der Baum bleibt stehen bis Neujahr. Aber den Rest räumst du dafür heute weg. Und du machst heute das Essen.”
 

“Danke Anna”, meinte Yo lächelnd. Den Rest ihres Satzes überhörte er einfach. Er war entschlossen, sich heute durch nichts die Laune verderben zu lassen, weder durch seine eigenen unerwünschten Gedanken noch durch die Extraarbeiten seiner Verlobten. Immerhin sollte das alte Jahr doch friedlich ausklingen.
 

Vorsichtig schlürfte er seine Suppe zu Ende. In letzter Zeit gab es bei ihnen beinahe nur noch warme Sachen wie Tee und Suppe. Scheinbar wollte Anna mit aller Macht verhindern, dass sie sich erkälteten. Deshalb missbilligte sie auch Yo’s leichtsinnige Art zu kleiden - wie sie es immer nannte - und seine nächtlichen Ausflüge, die er in letzter Zeit immer öfter unternahm.
 

Auch letzte Nacht war Yo wieder unterwegs gewesen.

Bis weit nach Mitternacht hatte er an dem Friedhof gesessen, die Sterne beobachtet und zugesehen, wie sein weißer Atem die Luft vor ihm erfüllte. Auch wenn noch kein Schnee gefallen war, die Nächte waren eisig kalt.
 

Aber er mochte das Gefühl, einfach nur dort zu sitzen und ins Leere zu starren, ohne sich sonderlich viele Gedanken zu machen. Einfach nur zu existieren und sich lebendig zu fühlen. Manchmal begleitete ihn Amidamaru aus Besorgnis, aber meistens zog Yo es vor, alleine dorthin zu gehen. Es gab ihm innerliche Ruhe und auch wenn Anna sich kritisch gegenüber seinen Ausflügen äußerte - verboten hatte sie sie ihm nie.
 

Schließlich schob Yo die Schüssel von sich und sah zu Anna, die ebenfalls fertig schien. Ohne ein weiteres Wort zu wechseln begannen die beiden, den Tisch abzudecken, während Amidamaru, offensichtlich zufrieden mit sich und dem Leben, sitzen blieb und ihnen dabei zusah.
 

Nachdem sie das Geschirr abgespült und weggestellt hatten, machte Yo sich daran, die Überreste von Weihnachten zu entfernen, während Anna sich zum Fernseher zurückzog. Vollkommen ungerührt schaltete sie die Sendung ein, die sie schauen wollte, trotz Amidamarus fortwährender Bitten, doch einen Horrorfilm anzusehen.
 

Yo störte sich nicht wirklich daran, während er sämtliche überflüssige Dekoration in Kartons stopfte. Es gab Tage, da wünschte er sich tatsächlich, Anna würde nicht so… Anna sein, doch andererseits… Sein Blick fiel auf den Mistelzweig, den er eben runtergeholt hatte und er musste ungewollt grinsen, als die Erinnerung an Heiligabend wieder hochkam.
 

Er blickte kurz zu seiner Verlobten, die seinen Blick auffing und ob seines Grinsens skeptisch eine Augenbraue hob. Als er jedoch nichts weiter sagte wandte Anna ihre Aufmerksamkeit wieder der Talkshow im Fernsehen zu. Yo grinste selig weiter vor sich hin.
 

Eigentlich konnte Anna doch recht nett sein.
 

Mit einem Ruck hob Yo den Karton an und brachte alles zu der kleinen Abstellkammer im hinteren Teil des Hauses. Amidamaru folgte ihm automatisch, doch helfen konnte er ihm als Geist leider nichts. Was er auch immer wieder bedauerte.
 

“Yo-Dono?”
 

“Was ist denn, Amidamaru?”
 

“Warum lächelt Ihr, wenn Ihr den Mistelzweig seht?”, wollte der Geist, der den entsprechenden Teil des heiligen Abends bei seinem Freund Mosuke verbracht hatte, wissen. Yo schüttelte nur den Kopf und lächelte unbestimmt.
 

“Nur so eine Tradition.”
 

-tbc-
 

Was den Mistelzweig angeht, so gibt es eine Tradition, dass sich zwei Menschen, welche sich zur selben Zeit unter einem Mistelzweig wiederfinden, küssen müssen.
 

Seranita

Der Tag davor

“Yo, warte.” Der angesprochene Junge drehte sich um und warf einen fragenden Blick in die Richtung, aus der dieser Satz gekommen war. Gerade noch rechtzeitig konnte er beobachten, wie Anna sich einen langen Schal um den Hals warf. Sie trug eine Jacke.
 

“Ich begleite dich.”, erklärte Anna wie selbstverständlich. Das war äußerst ungewöhnlich. Normalerweise ging Yo alleine einkaufen. Anna beschränkte sich dabei darauf, die Einkaufsliste zu schreiben und ihn mit den Worten “Sieh es als Training…” loszuschicken. Er war drauf und dran, sie nach dem Grund für ihren plötzlichen Meinungsumschwung zu fragen, als Anna ihm auch schon eine Plastiktüte in die Hand drückte. “Nun komm endlich. Wie lange willst du denn noch hier rum stehen?”
 

“Warum kommst du mit?”, wollte Yo wissen, als er seiner Verlobten aus dem Haus folgte. Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, wie Amidamaru sich lächelnd in Richtung Wohnzimmer verzog, wo vermutlich ein Horrorfilm eingeschaltet war, zumindest laut der Schreie, die in diesem Moment laut wurden.
 

“Sei froh, dass ich dich begleite und sei still.” Dies erstickte jede weitere Widerrede im Kern. Yo grinste und beeilte sich, Anna einzuholen, die schon wieder ein ganzes Stück voraus war.
 

Die Läden waren voll, was an sich kein Wunder war. Die Läden waren immer voll vor Silvester. Vielen wurde noch in letzter Sekunde klar, dass sie irgendetwas Wichtiges vergessen hatten und hechteten dann noch einmal los.
 

Langsam machte sich Yo Sorgen, ob sie wirklich noch alles bekommen würden, was sie brauchten. Schließlich wären sie nicht gerade weniger Leute am Abend. Was ihm aber noch mehr Sorgen bereitete…
 

„Geht gefälligst aus dem Weg! Yo, sieh zu, dass du vorwärts kommst! Ich will nicht länger als nötig in diesem überfüllten Laden bleiben.“
 

Yo schluckte. Wenn Anna in ihrem Berserkermodus war, dann half alles gute Zureden nichts mehr. Mehrere Leute warfen ihnen ungläubige Blicke zu, als sie sich ihren Weg zwischen den einzelnen Regalen durchbahnten. Anna schritt weit aus, ohne auf die Umstehenden zu achten und hielt nur ab und an inne, um etwas in den Einkaufswagen zu legen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als ein entschuldigendes Grinsen aufzusetzen und hinter Anna herzugehen.
 

Anna hatte Einkaufen nie gemocht. Einer der Gründe, warum sie Yo immer mehr oder weniger freundlich dazu überredete, es zu erledigen. Warum sie nun freiwillig mitgekommen war… Irgendwie schaffte es Anna immer, ihn zu überraschen.
 

„Entschuldigen Sie…“, ertönte mit einem Mal eine helle Stimme von rechts. Yo warf einen Blick zur Seite und entdeckte ein Mädchen, etwa in seinem Alter. Sie hielt ihre Arme unsicher umfasst und machte insgesamt einen recht hilflosen Eindruck. Nachdem er festgestellt hatte, dass Anna bereits außer Sichtweite war blieb Yo stehen. Es würde nun ohnehin dauern, bis er sie in diesem Gedränge wieder fand. Also wandte er sich lächelnd dem Mädchen zu. „Was gibt es denn?“
 

Ein schüchterner Blick traf ihn. „Ich weiß nicht, wo ich Kerzen finden kann... Es ist alles so… voll.“
 

„Kerzen…?“ Yo runzelte leicht die Stirn. Vermutlich wollte sie so kurz vor Silvester noch in den Tempel gehen. Ob sie das wohl auch machen würden? Anna hatte sich diesbezüglich noch nicht geäußert. „Ich glaube, das war in dem hinteren Teil…“ Er wies mit dem Arm in die entsprechende Richtung. „Nun, entschuldige mich bitte, ich muss…“
 

„Ich bin mir nicht sicher, ob ich das alleine finde. Würden Sie mich vielleicht dorthin… begleiten?“ Sie errötete sichtlich und senkte den Kopf, um ihm nicht in die Augen sehen zu müssen.
 

Yo wollte etwas antworten, aber jemand anderes antwortete für ihn. „Yo, wo bleibst du?! Ich warte schon länger auf dich.“ Annas Stimme, die wie aus dem Nichts aufgetaucht war, klang betont gleichgültig, aber Yo hörte die Unnachgiebigkeit, die darin mitschwang. Sie blickte zu dem Mädchen, welche augenblicklich noch eine Spur röter wurde und verunsichert einen Schritt zurückwich. „Ah, ich wollte Sie nicht aufhalten… Ich wusste nicht, dass Sie in Begleitung sind…“
 

„Vielleicht sollten wir ihr gerade zeigen, wo die Kerzen sind.“, schlug Yo vor und grinste leicht einfältig. Anna schenkte ihm einen eisigen Blick, aber das Mädchen schüttelte hastig den Kopf. „Danke, ich denke, ich werde es alleine finden. Ich wollte Sie nicht aufhalten… Danke für die Hilfe.“ Sie verbeugte sich eilig und verschwand dann in der Menge, in eine völlig andere Richtung als Yo ihr gezeigt hatte.
 

Kaum das sie weg war, ging Anna weiter. Yo beeilte sich, den Einkaufswagen um die vorbeiströmenden Massen zu manövrieren und das Tempo zu halten. Was war los mit ihr? Sie war doch sonst nicht so... Auch wenn sie Einkaufen nicht mochte, immerhin war sie es gewesen, die unbedingt mitkommen wollte.
 

„Anna…“ Endlich hatte er sie eingeholt, gerade als sie die Kasse erreicht hatten. Sie starrte ihn unnachgiebig an, aus ihrem Blick sprach beinahe so etwas wie Trotz, als sie begann, die Lebensmittel aus dem Einkaufswagen und auf das Verkaufsband zu legen. „Was ist denn, Yo?!“
 

Eine Sekunde lang sah Yo ihr nur schweigend zu. Ihm lagen verschiedene Dinge auf der Zunge, doch er sprach sie nicht aus. Schließlich wusste er ohnehin, was er von ihr als Antwort bekommen würde. So schenkte er Anna lediglich ein schiefes Grinsen und begann, die Sachen aus dem Einkaufswagen zu verfrachten.
 

***
 

„Die Taschen sind schwer“, bemerkte Yo schließlich mit leidender Stimme, als er neben Anna herging, verschiedene Tüten mit Lebensmittel in der Hand haltend. In Annas Augen funkelte es verdächtig, als sie schließlich zu ihm blickte und fast bereute er es schon wieder, etwas gesagt zu haben. Yo schluckte. Dieser Blick konnte einem wirklich Angst machen. „So kann dir wenigstens nicht kalt werden. Sieh es einfach als Training.“
 

„Training…“, wiederholte Yo und richtete seinen Blick starr geradeaus. Training… Training wofür? Sie mussten nicht mehr kämpfen. Das Shamanen Turnier war vorbei, sie hatten die Vernichtung der Menschheit verhindert, sie hatten gewonnen. Sie mussten nicht mehr trainieren. Hao war tot…
 

Seine Gedanken schienen immer wieder zu diesem Tag zukehren. Er konnte nicht loslassen und wusste, ein Teil von ihm würde niemals loslassen können, niemals loslassen wollen. Hao war sein Bruder gewesen, ein Teil einer Familie, von der Yo niemals etwas gehabt hatte. Er war als Einzelkind aufgewachsen, isoliert von Mitmenschen, in einem leeren Haus, wenn seine Eltern nicht da waren…
 

„Yo.“ Anna schien nun auch aufgegangen zu sein, dass sie etwas Unbeabsichtigtes ausgelöst hatte. Er schüttelte leicht den Kopf. So hatte er es nie betrachtet. Er war nicht einsam, nicht jetzt und auch damals nicht. Er hatte Freunde, nicht zuletzt das Mädchen, welches gerade neben ihm lief.
 

„Es hat dieses Jahr noch gar nicht geschneit.“ Yo richtete verträumt den Blick gen Himmel. Seine Hände fühlten sich seltsam taub an. Er hätte doch Handschuhe anziehen sollen. Aus den Augenwinkeln konnte er beobachten, wie ihn ein forschender Blick traf, bevor Anna ebenfalls nach vorne sah.
 

„Wir sind in Tokyo, Yo“, meinte sie schließlich sachlich. Ihre Stimme klang ruhig, aber Yo hatte das deutliche Gefühl, dass sie ihm etwas damit sagen wollte. „Es wird nicht schneien.“
 

„Vermutlich nicht.“ Das Gasthaus En tauchte in der Ferne auf. Helle Wolken waren über dem Haus zu erkennen und Yos Atem färbte die Luft bei jedem Luftholen weiß. Es war kalt genug. Seltsamerweise erwartete er, dass es jeden Moment schneien würde, wie um ihnen etwas zu beweisen. Aber es schneite nicht.
 

„Wir haben nicht viel Zeit.“, meinte Anna, während sie die Türe öffnete. „Die anderen werden bald kommen.“

Yo nickte. „Dann sollte ich das Essen wohl eher schnell vorbereiten.“

Er betrat das Haus und stellte die Tüten ab. Gerade wollte er in Richtung Küche gehen, als Anna mit einem Mal nach seinen Händen griff. Verwundert blickte Yo sie an, während sie sie mit kühlem Blick betrachtete. Sie waren stark gerötet – kein Wunder, dass sie sich taub anfühlten. „Warum hast du keine Handschuhe angezogen?“

Yo grinste hilflos und hob die Schulten. „Ich habe es vergessen.“
 

Dunkle Augen trafen die seinen und musterten ihn abschätzend. Es kam ihm vor wie eine Ewigkeit, doch in Wahrheit konnten nicht mehr als ein paar Sekunden vergangen sein als Anna den Kopf wieder senkte und sich eine warme Hand sich um die seine schloss. Yo fühlte Wärme durch seinen Körper strömen und wusste, dass dies nicht allein an Annas Fingern lag, welche die seinen wärmten.
 

Sie standen so, ohne sich anzusehen, die Augen starr auf ihre verbundenen Hände gerichtet, ohne sich zu rühren, alleine im Flur. Wie lange, konnte Yo nicht sagen. Sie schwiegen in gegenseitigem Einverständnis…
 

„Yo! Anna! Da seid ihr ja!“ Eine laute Stimme durchzog die Luft und Yo zuckte automatisch zusammen. Er konnte erkennen, dass es Anna ebenso ging. Sprachlos wandte er sich zu dem Neuankömmling zu.

„Horo horo“, sagte er schließlich. Der blauhaarige Ainu grinste sie fröhlich an und winkte. Direkt hinter ihm stand Ren, der irgendwie genervt aussah und die resigniert mit den Schultern zuckte, so als wolle er sagen: ‚Ich habe es versucht’. Er warf ihnen einen kritischen Blick zu. „Haben wir bei etwas gestört?“
 

„Gestört?! Wie meinst du… Oh. OH!“ Horo starrte sie an, als wäre ihm erst jetzt klar geworden, was vor sich ging. Beinahe zeitgleich lief er rot an und stolperte einen Schritt zurück, als er nach Rens Arm griff um ihn mit sich zu ziehen. „Komm, Ren, wir sollten sie nicht stören. Ähm… tut einfach so, als wären wir nie da gewesen. Eigentlich waren wir ja auch noch nicht da, nicht wahr, Ren? Ignoriert uns einfach. Ich meine…“
 

„Schon gut, Horo.“, sagte Yo schnell. „Es ist nicht so, wie ihr denkt.“ Anna hatte ihre Hand beinahe blitzartig zurückgezogen. Ihre Augenbrauen zuckten bedrohlich und er ahnte, dass sie kurz davor war, ihre Ruhe zu verlieren. Der Ainu würde das neue Jahr nicht erleben, wenn er so weitermachte. „Warum seid ihr beiden schon da? Wir haben euch erst gegen Abend erwartet.“, meinte er in dem verzweifelten Bemühen, das Thema zu wechseln.
 

„Wir wollten euch überraschen“, erklärte Ren mit der leisen, kühlen Stimme, die ihm eigen war. Scheinbar wollte er noch etwas hinzufügen, doch Horo unterbrach ihn. „Kommt mit, die anderen warten schon im Haus.“ Den Vorfall von eben schien er bereits wieder aus seinem Gedächtnis verbannt zu haben.
 

„Die anderen…?“, wollte Anna wissen. Sie blickte in den dunklen Flur, fast so als erwartete sie, dass dort jeden Moment noch ein paar weitere ungebetene Gäste auftauchen würden. „Wartet. Kommt mit.“ Mit vor Vorfreude funkelnden Augen geleitete sie Horo den Flur entlang in das Wohnzimmer, wo sie schon erwartet wurden.
 

Yo blickte sich verwundert um. Faust, Eliza, Pilica, Tamao, Run, Ryu, Yoko, Manta, sogar Lyserg. Sie alle waren schon gekommen und riefen ihnen laute Begrüßungen entgegen. Dabei hatten sie sie doch erst am nächsten Tag erwartet. Es fehlte praktisch nur noch das Konfetti. Horo grinste. „Überraschung gelungen?“
 

Yo nickte leicht und grinste. Es sah so aus, als würde es nun um einiges chaotischer werden. „Dann kann das neue Jahr ja beginnen.“
 

-tbc-

Die Nacht davor

Warnung: Mein kläglicher Versuch von Humor... und so ziemlich das kürzeste Kapitel
 

„Ryu, gib mir mal den Sake rüber“, rief Horo unüberhörbar für alle in den Raum, in dem sie sich alle versammelt hatten. Ryu grinste und packte aus einer seiner vielen Taschen, die er mitgeschleppt hatte, eine Flasche aus, die er stolz für alle in die Höhe hielt. Bevor er sie Horo allerdings reichen konnte, fing dieser sich einen Schlag von seiner Schwester ein.
 

„Au. Pilica, warum schlägst du mich? Was habe ich dir denn getan?“, fragte Horo mit leidendem Gesichtsausdruck und hielt sich die Wange, auf welcher man bereits einen ziemlich geröteten Abdruck erkennen konnte.
 

Sie stemmte die Arme in die Seiten. „Du wirst sicher nichts trinken.“

Ryu legte ihr von hinten einen Arm um die Schulter. „Pilica-chan, sei doch nicht so streng. Ein wenig hat noch keinem geschadet.“
 

Sie schenkte ihm einen ungnädigen Blick und so ließ Ryu sie schnell wieder los, ohne jedoch den Alkohol wegzustellen.

„Ryu-san!“ Tamao sah schüchtern und mit hochrotem Gesicht auf, die Hände schützend vor dem Körper verschränkt. „Wir sind doch noch minderjährig.“
 

„Ach, sieh es locker. Es ist beinahe Silvester. Ein wenig Alkohol rockt total.“, verkündete Ryu grinsend und wies mit einem Finger auf sich. „Der Kenner spricht hier. Was glaubt ihr, wen ihr hier vor euch habt?!“
 

„A-Aber…“
 

„Komm schon, probier doch mal. Du wirst sehen, dass ist fetzig.“
 

„Hör sofort auf, Tamao von irgendwas überzeugen zu wollen, was sie nicht will!“
 

„Boss!“
 

„Anna…“
 

„Anna, wie zweideutig. Dass das ausgerechnet von dir… Aua! Warum schlägst du mich heute dauernd, Schwester?!“
 

„Du bist einfach unverbesserlich!“
 

„Wo wir schon beim Thema sind… Da fällt mir doch ein toller Witz ein. Kennt ihr den? Also, was ist ein…“
 

„Yoko, zwing mich nicht, dich anzugreifen…“
 

„Du bist so humorlos, Ren-chan.“
 

„Meine Eliza und ich könnten dich wieder zusammenflicken…“
 

„… Ich denke, unter diesen Umständen verzichte ich doch lieber…“
 

„ Es gibt Essen.“
 

Automatisch kehrte Ruhe ein.
 

Anna trat seelenruhig in das riesige Esszimmer des Gasthauses und schleppte Yo, der der Konversation von der Küche aus gelauscht hatte, während er das Essen vorbereitet hatte, mit sich. Es war doch immer wieder sehenswert, was für eine Wirkung Anna doch haben konnte. Sie wusste sich ihren Ruf wirklich zu Nutze zu machen. Das Bild, welches sich ihnen bot, war göttlich.
 

Horo versteckte sich hinter Tamao um einer weiteren Attacke Pilicas zu entgehen, die wütend vor ihm stand. Tamao inzwischen saß stocksteif da und wäre sie noch röter im Gesicht, so würde Yo anfangen, sich Sorgen um ihre Gesundheit zu machen. Manta schien sich nicht so recht entscheiden zu können, aus welcher Ecke mehr Gefahr drohte und rutschte unterdessen unbehaglich auf seinem Platz hin und her. Faust hielt mit seiner Eliza Händchen und beobachtete dabei interessiert wie Ren und Yoko sich anfunkelten, während Lyserg mit verträumtem Gesichtsausdruck in der Ecke saß und voll all dem nichts mitzubekommen schien.
 

Yo konnte nicht anders als grinsen, als er sah, was ein Chaos ihre Freunde binnen kürzester Zeit angerichtet hatten. Nachdem sie tags zuvor einfach bei ihnen eingebrochen waren, hatten sie die sorgfältig geräumte Wohnung rasch in Ordnung gebracht. Dennoch, Yo stellte fest, dass er sie wirklich vermisst hatte. Seit dem Schamanenturnier waren sie nicht mehr alle zusammengekommen. Sie hatten bis spät Erinnerungen und Neuigkeiten ausgetauscht und die Zeit war praktisch wie im Fluge vergangen.
 

Anna kümmerte sich nicht um die plötzliche Stille, sondern verteilte gelassen die einzelnen Teller, die sie in weiser Voraussicht erst jetzt rausgesucht hatten. Immerhin hingen sie an ihrem Geschirr. Zum ersten Mal war Yo froh, dass das Haus so groß war. In eine kleinere Wohnung hätten niemals alle ihre Gäste gepasst - was auch der Grund war, weshalb das Zusammentreffen bei ihnen stattfand. Vielleicht hätten sie noch Rens Geburtshaus nehmen können, aber die vielen Leichenreste waren doch ziemlich abschreckend, nach allem.
 

Yo begann damit, ebenfalls Töpfe und Schüsseln abzustellen. Nach einer Sekunde entspannte sich die Situation wieder und ihre Freunde ließen voneinander ab. Horo kroch hinter Tamao hervor und schnappte sich eine Schüssel, während Ryu eifrig aufstand und seine Hilfe anbot.
 

Endlich war alles verteilt. Allerdings war das Essen selbst eine Überraschung.

„Amerikanisch?“, wollte Run von ihren Gastgebern wissen. Es sah ungewöhnlich aus, zumindest nicht typisch japanisch. Anna schüttelte nur den Kopf, doch noch ehe sie die Antwort geben konnte, mischte sich Faust ein.

„Europäisch“, meinte er zufrieden und nahm sich etwas auf den Teller. „Lange her, dass ich das gegessen habe. Ich wusste nicht, dass ihr das könnt“, meinte er, mit Blick zu Anna und Yo hin.
 

Yo grinste nur. „Anna hat da so ein Buch gefunden. Seitdem ist sie begeistert davon.“ Dafür fing er sich einen tadelnden Blick von Seiten seiner Verlobten ein, zog es allerdings vor, nicht darauf zu reagieren. Heute konnte er sich definitiv mehr leisten als sonst. Schließlich war es der letzte Tag des alten Jahres.
 

Tatsächlich meinte Anna auch nichts mehr dazu, sondern begann, sich stillschweigend etwas zu essen zu nehmen. Aber wenn Yo es nicht besser gewusst hätte, er hätte geschworen, eine Sekunde lang ein Lächeln über ihre Züge huschen sehen zu können. Entspannt lehnte er sich zurück. Das würde definitiv ein schöner Tag werden.
 

***
 

Später erinnerte sich keiner mehr daran, wie es eigentlich passiert war – zumindest gab ein jeder vor, sich nicht mehr erinnern zu können - dass die Sakeflasche auf dem Tisch stand, trotz Annas Verbot. Aber auch sie tat so, als bemerke sie nichts davon.
 

„Gib die Flasche her“, forderte Horo laut und funkelte Ren an, welcher sie besitzergreifend umschlossen hielt. Ihre Gesichter waren beide von dem ungewohnten Alkohol heftig gerötet und die erste Wirkung machte sich bereits bemerkbar. Schließlich waren sie nichts gewöhnt.

„Du trinkst sie nur aus“

„Das ist auch Sinn der Sache.“
 

Mit einem Mal legte sich ihnen von hinten eine Hand über die Schulter. „Aber Jungs, Jungs.“, meinte Faust lächelnd. „Ihr solltet euch nicht streiten. Schließlich ist doch heute…“

Niemand hörte ihm zu. Also verzog er sich kurz darauf wieder zu Eliza. Er war ohnehin der Einzige, der eigentlich trinken dürfte. Es wäre lustig genug, zuzusehen, was sie heute noch tun würden. Run flirtete in einer Ecke hemmungslos mit Li Bailong, welcher sich nur zu gerne darauf einließ.
 

Auch Yo hatte sich etwas von dem Sake genehmigt. Man spürte die Wirkung beinahe sofort. Er fühlte sich deutlich gelöster, was wohl kein Wunder war, immerhin war er keinerlei Alkohol gewöhnt. Er sollte nur aufpassen, dass er nicht zu viel nahm. Er hatte es nicht so eilig mit seinem ersten Kater.
 

„Und dann war da natürlich noch der Tag, an dem Amidamaru plötzlich verschwunden war“, erzählte er grinsend den anderen. Kurz blickte er sich um, aber der Samuraigeist war nirgends zu sehen. Wahrscheinlich war er noch mal zu Mosuke gegangen oder unterhielt sich mit Bason über irgendwas. „Ich war ganz schön erschrocken, weil ich dachte, Amidamaru wäre entführt worden.“
 

„Vielleicht wollte er auch einfach nur mal seine Ruhe vor dir“, platze Tamao grinsend raus. Alle starrten sie an und eine Sekunde später schien sie auch zu realisieren, was sie gerade gesagt hatte, denn sie sank rot und mit gesenktem Kopf wieder auf ihren Platz zurück.
 

Alkohol hatte seltsame Wirkungen…
 

Die Zeit verging und verging viel zu schnell. Alles verschwamm praktisch vor Yo zu einer riesigen Masse. Er musste lachen, als Yoko einen Witz erzählte und wenn er sich nicht täuschte, hatte Ryu gerade ein sehr emotionales Gespräch mit Lyserg angefangen, denn dieser sah eindeutig unbehaglich drein, während Ryu die Tränen übers Gesicht strömten.
 

Er fühlte sich glücklich… Es machte Spaß, hier zu sein und sich einfach einmal treiben zu lassen. Viel zu selten kamen sie inzwischen dazu, auch nach dem Schamanenturnier, welches eine völlig neue Zeit für sie eingeläutet hatte.
 

Von Anna bekam Yo in dieser Zeit irgendwie gar nicht mehr so viel mit. Sie sorgte dafür, dass nichts kaputt ging und dass Manta nicht noch mehr Alkohol untergeschoben bekam. Der Junge war aufgrund seiner geringen Körpergröße ohnehin schon anfälliger als andere und nun wollte ihm Ryu auch noch die ganze Zeit etwas aufdrängen. Wenn das so weiterging, würden sie sich vermutlich nicht einmal daran erinnern, heute gefeiert zu haben.
 

„Mehr Sake“, krähte Horo in diesem Moment. Er und Ren schienen seinen Zwiespalt beendet zu haben, denn die Flasche stand friedlich und absolut unschuldig aussehend auf dem Tisch. Tückisches Biest…

Gerade als Horo jedoch „Hand anlegen“ wollte, entzog ihm seine Schwester die Flasche und stellte sie demonstrativ weit weg, während Horos Gesicht mit jeder Sekunde länger wurde.
 

“Aber Pilica…“

„Nein.“

„Schwesteeeer…“

„Vergiss es. Für dich gibt es heute nichts mehr. Du hattest genug.“

„Aber du bist doch meine allerliebste Schwester.“

„Darum sorge ich mich auch so gut um dich…“
 

Natürlich war Horo nicht so leicht davon zu überzeugen. Yo beobachtete, wie die beiden sich weiter stritten und Horo dabei unauffällig immer näher zu der Flasche rückte. Er gab wohl nicht so leicht auf. Yo grinste, denn er wusste, die beiden meinten es nicht böse miteinander. Eher im Gegenteil, diese Geschwister bedeuteten sich sehr viel.
 

Es musste schön sein, Geschwister zu haben, welche sich um einen kümmerten…
 

Das Lächeln verblasste ganz langsam von seinem Gesicht, als seine Gedanken wieder in unerwünschte Gebiete abrutschten. Nicht auch noch heute. Yo stand langsam auf, als ihm klar wurde, dass er hier lieber nicht zusehen sollte. Yoko warf ihm einen Blick zu. „Wo willst du hin, Yo? Ich habe dir doch den aktuellsten Witz noch gar nicht erzählt.“
 

Ein schiefes Grinsen. „Ich komme gleich wieder, dann höre ich ihn mir an. Muss mich nur eben etwas abkühlen.“ Yoko nickte und deutete auf die beiden Ainu. „Keine schlechte Idee. Hier wird es wohl ohnehin bald Leichen geben.“
 

„Na, wer weiß?!“, meinte Yo scherzhaft und verschwand dann aus dem Zimmer.
 

-tbc-

Neujahr

Kapitel 4: Neujahr
 

Die Luft war kühl, als Yo schließlich an die frische Luft kam. Auch wenn es nicht schneite war es eisig. Weiße Wölkchen bildeten sich in der Luft vor ihm, doch Yo wurde nicht kalt. Viel zu erhitzt war er noch von der Party, die innerhalb des Hauses im Gange war und deren Lärm nur noch gedämpft zu hören war. Tatsächlich half ihm die Luft hervorragend, sich etwas abzukühlen.
 

Warum nur konnte er nicht einfach loslassen?

Warum musste er in so einem Moment an ihn denken?

Warum konnte er nicht einfach mit seinen Freunden Spaß haben?
 

Yo ließ seinen Blick über die verlassene Umgebung schweifen. Kein Mensch war zu sehen, nicht einmal ein Geist. Es schien so, als wolle sich keiner zu dieser Zeit draußen aufhalten. Was wohl kein Wunder war, das eigentliche Feuerwerk würde schließlich erst in einer halben Stunde losgehen. Davor würden alle bei ihren Freunden oder Familien sein. Niemand war hier. Niemand außer ihm…
 

Plötzlich spürte er die Anwesenheit einer weiteren Person. Automatisch schlug sein Herz schneller, wie beinahe immer, wenn unbekannt jemand auftauchte. Konnte es vielleicht sein…? War er vielleicht zurückgekehrt? Er spannte sich an, wagte es nicht, sich umzudrehen.
 

„Yo?“ Er kannte die Stimme. Kannte sie sehr gut. „Bist du hier?“ Die Anspannung wich und er drehte sich mit einem schiefen Grinsen um, bemüht, seine Enttäuschung zu verhehlen. „Ich bin hier, Anna.“
 

Ein prüfender Blick traf ihn und er wusste, dass sie ihm seine Fröhlichkeit nicht abnahm. „Du hast wieder an ihn gedacht.“ Es war keine Frage.

Yo antwortete nicht, sondern stützte sich auf das Geländer auf, während sein Blick gen Himmel wanderte. Die Sterne funkelten besonders hell heute Nacht.
 

„Ist alles okay bei dir?“

„Mir geht es gut.“
 

Yo lehnte sich zurück und ließ seine Gedanken wieder schweifen. Am Rande bekam er mit, wie Anna nicht wieder zurück in das Haus ging, sondern sich vielmehr näherte und neben ihm gegen das Geländer lehnte. Sie zuckte nicht zusammen, als sie das kalte Holz berührte. Allerdings hatte er das auch nicht wirklich erwartet. Anna war niemand, der sich einfach so von etwas überzeugen ließ. Genauso wenig, wie sie Dinge durchgehen ließ, welche ihr nicht passten.
 

„Warum bist du hier?“, wollte er wissen. Noch immer konnte er nicht von seinem Grinsen lassen. Es schien wie festgefroren auf seinem Gesicht. „Solltest du nicht aufpassen, dass sie nicht zu viel Sake trinken?“
 

Anna zuckte nur mit den Schultern. „Ich bin nicht ihre Babysitterin. Außerdem ist Run noch da drin. Sie hat Bailong bei sich, es wird schon nichts passieren.“

„Verstehe.“ Das war in der Tat ein schlagendes Argument – im wörtlichen Sinne.
 

Irgendwo in der Nähe war ein einsames Knallen zu hören. Raketen, die zu früh gestartet waren, vermutlich aus zu viel Vorfreude auf das neue Jahr. Ein neues Jahr… Ob es ihm wohl mehr bringen würde als das alte? Musste es ihm mehr bringen als das alte? Im letzen Jahr war so viel geschehen… Er hatte neue Freunde gefunden, dass Shamanen Turnier gewonnen… Es war nicht wirklich schlecht gewesen.
 

„Manchmal haben die Menschen Schwierigkeiten, loszulassen.“, bemerkte Anna in diesem Moment, beinahe so als hätte sie seine Gedanken gelesen.

Yo sah sie mit milder Neugier an. „Warum ist das so, was meinst du?“

Furchtlos erwiderte sie seinen Blick. „Weil sie Angst vor einem Neuanfang haben. Weil sie Angst vor der Veränderung haben.“ Sie musste nicht aussprechen, was sie dachte. Er wusste es ohnehin.
 

Weil du Angst davor hast.
 

Hatte er Angst? Ließ er deshalb nicht los? Es mochte so sein. Er bereute es, bereute die Dinge, die er getan – und nicht getan hatte. War das wirklich ein Grund für ihn immer in Reue zurückzublicken? Es war doch schon immer sein Lebensmotto gewesen, die Dinge auf sich zukommen zu lassen. Wann hatte sich das geändert?! Er lächelte bitter. „Ich fürchte, ich bin meinen Prinzipien untreu geworden.“
 

Anna sah ihn noch eine Sekunde länger an, ehe sie den Blick nach vorne richtete. Ihre Stimme war eigentümlich sanft, als sie sagte: „Gibt es einen besseren Moment um Prinzipien wieder aufzunehmen, als Neujahr?!“
 

„Ich schätze, du hast Recht…“

Irgendwo schlug eine Uhr dreimal. Noch eine Viertelstunde bis Neujahr. Im Haus wurde es mit einem Mal lauter und Yo wusste, es würde nicht mehr lange dauern, bis die anderen aus dem Haus kämen, um das Feuerwerk zu sehen. Wenn sie den Kirchturmschlag bei all dem Lärm nicht überhörten.

„Ich bin froh, dass sie gekommen sind.“
 

„Ja… Ich auch.“ Yo blickte sie an. Ihr merkwürdiges Verhalten von dem Tag davor kam ihm wieder in den Sinn. Hatte es einen Sinn, sie zu fragen? Aber er fühlte sich merkwürdig taub, als würde alles in Watte gepackt worden sein. Die Worte entschlüpften ihm praktisch von selbst. „Was war gestern mit dir los?“
 

Das Mädchen neben ihm stockte für einen Moment, ehe sie sich fahrig durch die Haare strich. „Ich schätze, ich war die letzten Tage einfach gestresst. All der Stress nach Weihnachten und dann auch noch die Vorbereitungen. Es tut mir Leid, Yo.“ Ihre Stimme klang ernst wie immer. Yo wusste, dass Anna sich nur höchst selten entschuldigte. Es musste ihr wirklich Leid tun.
 

„Schon gut. Ich wollte es nur wissen.“ Er nahm es ihr nicht übel, wirklich nicht. Anna war eben einfach Anna. Er sah nach vorne. „Es hat überhaupt nicht mehr geschneit. Du hattest wohl Recht.“
 

„Manche Dinge kann man eben einfach nicht erfüllt bekommen, egal, wie sehr man sie sich wünscht.“

„Wahrscheinlich nicht, nein…“
 

Sie schwiegen und betrachteten gemeinsam die Sterne. Yo konnte es schlecht sagen, aber es mussten mehrere Minuten vergangen sein, ehe sich Anna wieder rührte. Sie senkte den Kopf und ihr Pony, welcher nicht von ihrem roten Haartuch zurückgehalten wurde, verdeckte ihr Gesicht. Ausdruckslos meinte sie: „Weißt du… Ich habe in dem Buch von noch einer Tradition gelesen.“
 

Überrascht ob des Themenwechsels drehte sich Yo ihr zu. „Was meinst du?“
 

Noch immer sah sie ihn nicht an. „Angeblich soll es einem ein Jahr lang Glück bringen, wenn man den ersten Kuss im neuen Jahr bekommt.“
 

Yo erstarrte. Meinte sie etwa…? Endlich wandte sie den Kopf und blickte ihn scheinbar unbeteiligt an. Doch Yo kannte sie zu gut, um die plötzliche Aufregung nicht zu bemerken, die sie ergriffen hatte. Sein Herz schlug einen Takt schneller, als er Anna die Hände auf die Schulter legte. Er spürte, wie sie sich leicht unter seinen Fingern verspannte, doch machte sie keine Anstalten, ihn von sich zu stoßen. Im Hintergrund begann die Uhr aus dem Nichts erneut zu schlagen.
 

Der Countdown hatte begonnen.
 

Yo beugte sich ein wenig über Anna, spürte sein eigenes Herz schlagen, fühlte ihren warmen Körper unter seinen Händen. Ihre Lippen öffneten sich leicht und ihre Augen waren ungewöhnlich weit geöffnet, als sie sich einander näherten. Nur noch Millimeter trennten sie, als Yo plötzlich zurückwich. Er merkte, wie ihm die Röte ins Gesicht schoss, als ihm klar wurde, was er beinahe getan hatte. Anna sah so aus, als wüsste sie nicht, was sie davon halten sollte. Ein leichter Rotschimmer hatte sich über ihre Wangen gelegt.
 

„Tut mir Leid…“, murmelte Yo verlegen. „Vielleicht, wenn wir dann älter sind, dann…“
 

„Du hast Recht. Die anderen kommen jede Sekunde raus.“ Mit einem Mal war Anna nahe, viel zu nahe an seinem Gesicht, er konnte ihren warmen Atem fühlen, der seine Wange streifte, als sie sich auch schon wieder von ihm zurückzog. Ungläubig berührte Yo die Stelle, an der sie ihn berührt hatte.
 

Langsam zog sich ein Grinsen über sein Gesicht, als er begriff, was soeben geschehen war. Im Hintergrund begannen Feuerwerksraketen loszugehen. Nur wenig später wurde die Türe mit einem lauten „Es geht los. Warum habt ihr nicht gesagt, dass es losgeht?!“ geöffnet. Yo schenkte dem keine Beachtung, sondern sah in den von bunten Lichtern erhellten Sternenhimmel.
 

Ein neues Jahr hatte begonnen.
 

“Anna?”

“Hm…”

“Ich mag dich so, wie du bist.”
 

Ein schönes neues Jahr.
 

***
 

Hm… Irgendwas mache ich falsch. Ich fürchte, ich bin nicht konsequent genug, um meine Lieblingscharaktere konsequent bis zum Schluss leiden zu lassen *hust* Letztlich gibt es ja doch immer ein Happy End.
 

Argl… Ich hoffe, ich habe es mit christlichen Symbolen nicht übertrieben. Ich kenne mich mit Shintoismus leider überhaupt nicht aus, darum habe ich einfach beschlossen, das christliche in Maßen zu halten und versucht, eine logische Erklärung dafür zu finden. Ich hoffe, dass war nicht störend^^
 

Was Mosuke angeht… Ich wollte ihn unbedingt einbauen. Sagen wir einfach, dass Anna ihn aus dem Himmel geholt hat, wenn auch nur für einen Tag ^__~
 

Was den Mistelzweig angeht, so handelt es sich dabei um eine recht bekannte Tradition. Nach dieser müssen sich zwei Menschen, welche zur selben Zeit unter dem Mistelzweig stehen, küssen. Ob sie es gemacht haben…? Das sei jedem selbst überlassen ^__~
 

Seranita



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Kommentare zu dieser Fanfic (13)
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Von: abgemeldet
2008-10-10T08:46:06+00:00 10.10.2008 10:46
jaaaa schööönes kappi!! schade das die tradition nicht beendet wurde^^
naja aber das hast du echt suuuupi gemacht!!!

soria
Von: abgemeldet
2008-10-10T08:33:50+00:00 10.10.2008 10:33
jeaaaa^^ alle besoffen...lol
is ja geil...ich finde das du den Humor echt gut getroffen hast^^
echt genial..diese gespräche waren echt soooo typisch!! xD
suuuupi gemacht!! weiter sooo

*knuddel* soria
Von: abgemeldet
2008-10-09T16:39:49+00:00 09.10.2008 18:39
Oiiii Horo is manchmal echt ein.....*grrr*^^
Da hatt er die tolle stimmung kaputt gemacht!!! xD
Aber die Überraschung is echt toll^^ Jetzt wird es richtig kaotoisch^^ lol
Soo muss es sein und anders bin ich es auch garnicht gewohnt^^
seeeehr schöön xD
freu ma aufs weiterlesen!

soria
Von: abgemeldet
2008-10-09T16:29:08+00:00 09.10.2008 18:29
Wow echt vooooll sweet geschrieben!!
Und die Tradition mit dem Mistelzweig liebe ich ja total!!
*gerne mit Anna tauschen würde^^*
auf jeden fall gefällt mir das erste Kappi richtig gut!!
freu mich schon darauf weiterzulesen!!

lg Soria
Von:  Sonni
2008-02-09T10:20:44+00:00 09.02.2008 11:20
hi die ff is schön die story gefällt mir auch gut
schade nur das sie sich nicht geküsst haben
sag mal am ende schreibst du ja das er sich mit den fingern über die stelle fähret wo sie ihn berührt hat bedeutet das das anna ihn doch einen kuss auf die wange gegeben hat
dann hat er ja doch den ersten kuss im neuen jahr bekommen ;D
schade das du die ff abgeschlossen hast dir würden bestimmt noch ein paar gute kappis einfallen da bin ich mir ganz sicher
also mach weiter so
hdgdl
Sonni
Von:  _schnee
2007-07-18T14:42:32+00:00 18.07.2007 16:42
manno yo hat versagt^^
Von:  AnnaKyoyama
2007-04-29T19:36:11+00:00 29.04.2007 21:36
die ist soooo schönnnnn mano man warum ist yo den zurückgewichen der affe -.-
freue mcih schon aufs nächte kapitel by
anna kyoyama
Von:  -myst3ry-
2007-04-16T12:55:38+00:00 16.04.2007 14:55
^^ schönes kappi, gibt es noch eins über Ren's geburtstag? *bitte*
egal, mach weiter so^^ -myst3ry-
Von:  -myst3ry-
2007-03-14T14:54:11+00:00 14.03.2007 15:54
^^ hehe, alle blau (oder auf dem weg dahin)
tja, dabei hat ren doch am 1.1 burzeltag. das wird er ja wohl net vergessen haben v.v *nicht sicher desu*
ich finds schön^^ mach weiter so, deine -myst3ry-
Von:  ChiChi_18
2007-02-23T08:08:34+00:00 23.02.2007 09:08
Also manchmal könnte man Horo ja wirklich einen ***tritt geben und in die Mülltonne befördern!
So etwas passiert aber auch immer nur ihm!
Wäre ja schon etwas neugierig gewesen was passiert wäre wenn er nicht aufgetaucht wäre.
Wahrscheinlich wäre die ff dann schon zu Ende *lol*

Jedenfalls hat mir das Kapitel auch wieder total gut gefallen. MAch weiter so!!
Nico


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