Zum Inhalt der Seite

Weblog-Berichte zu: Banana Yoshimoto





Mit einer Ananas im Arm Banana Yoshimoto, Literatur, Zitatsammlung

Autor:  halfJack

Eriko, die früher mal ein Mann war, erzählt von ihrer krebskranken Frau.

"Eines Tages sagte meine Frau, sie wolle irgendwas Lebendiges in ihrem Krankenzimmer haben. Etwas, das lebt, das die Sonne braucht. Eine Pflanze, ja, eine Pflanze, das ist eine gute Idee, hat sie gesagt. Kauf eine in einem großen Topf, am besten eine, die leicht zu pflegen ist. Und da meine Frau bis dahin nie einen Wunsch geäußert hatte, bin ich sofort losmarschiert zum Blumenladen. Ich als Mann kannte damals natürlich nur sowas wie Veilchen oder den Ficus, und irgend so ein Kaktus, hab ich mir überlegt, ist ja wohl auch nicht das Wahre. So kaufte ich schließlich eine Ananaspflanze. Sie hatte schon ganz kleine Früchte, und man konnte sie sofort daran erkennen. Meine Frau hat sich unglaublich gefreut und sich immer wieder bedankt.
Als sie ins Endstadium kam, drei Tage vor dem Koma, bat sie mich plötzlich, bevor ich nach Hause ging: >Nimm bitte die Ananas mit.< Rein äußerlich sah man ihr gar nicht an, wie schlecht es ihr ging, und wahrscheinlich wusste sie selbst nicht, dass sie Krebs hatte, aber irgendwie klangen ihre ganz leise geflüsterten Worte so, als seien es ihre letzten. Ich war richtig erschrocken und sagte, sie solle die Pflanze doch dabehalten, auch wenn sie vertrocknen würde. Doch sie meinte, sie könne der Pflanze kein Wasser mehr geben, und unter Tränen bat sie mich, diese Pflanze aus einem südlichen Land mitzunehmen, bevor sich der Tod in ihr einnisten könne. Da nahm ich die Ananas mit nach Hause.
Ich kann dir sagen, auch wenn ich ein Mann war, ich habe geheult wie ein Schlosshund. Obwohl es draußen wahnsinnig kalt war, hab ich es nicht geschafft, in ein Taxi zu steigen. Damals habe ich wahrscheinlich auch zum ersten Mal gespürt, wie sehr ich es hasste, ein Mann zu sein. Nachdem ich mich etwas beruhigt hatte, bin ich zum Bahnhof gelaufen, hab in einer Kneipe etwas getrunken und wollte dann mit der Bahn nach Hause fahren. Es war schon spät, und auf dem Bahnsteig befanden sich nur wenige Menschen. Ein eisiger Wind wehte, und ich stand da, die Ananas mit ihren stacheligen Blättern an meine Wange gedrückt, und zitterte. Auf dieser Welt - davon war ich im Innersten meines Herzens überzeugt - gab es an diesem Abend keine zwei Wesen, die sich besser verstanden als ich und diese Ananas. Als ich die Augen schloss, als mir der kalte Wind um die Ohren pfiff, waren es nur wir beide, die diese Einsamkeit empfanden... Und meiner Frau, die dies besser begriffen hätte als jeder andere, war der Tod näher als ich oder die Ananas.
Kurz darauf starb sie. Die Ananas vertrocknete. Unerfahren wie ich war, hatte ich der Pflanze zu viel Wasser gegeben. Ich hab sie in eine Ecke des Gartens abgeschoben, doch plötzlich, ich kann gar nicht sagen, was es war, hab ich etwas begriffen. Wenn ich dir das so erzähle, klingt es wahrscheinlich ziemlich banal. Ich habe begriffen, dass ich nicht der Mittelpunkt der Welt bin. Ich habe gemerkt, dass, was immer ich auch tue, unangenehme Dinge auf mich einstürzen. Nicht wir bestimmen schließlich darüber. Aus diesem Grund habe ich mich auch gefragt, ob es nicht besser wäre, alles Bisherige aufzugeben und so unbeschwert wie möglich zu leben.
...Tja, und dann bin ich, wie du siehst, eine Frau geworden."

"Vollmond (Kitchen 2)" von Banana Yoshimoto




Hinweis: Themen-Einträge sind Weblog-Einträge, die einem Event zugeordnet sind. Wenn du also selber einen schreiben willst, tu das einfach in deinem Animexx-Weblog und gib dieses Event als Zuordnung an.

Zurück zur Weblog-Übersicht