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Irrtum: Wenn ich mein Hobby zum Beruf mache, muss ich keinen Tag meines Lebens mehr arbeiten.

Autor:  HasiAnn

Irrtum: Wenn ich mein Hobby zum Beruf mache, muss ich keinen Tag meines Lebens mehr arbeiten.

Hand aufs Herz; wer hat diesen Spruch schon einmal gehört, von Lehrern, Eltern, sprücheklopfenden Besserwissern? Es hört sich so gut an. Man liebt sein Hobby, macht es gern, es würde sich niemals wie Arbeit anfühlen. Es ist einfach wundervoll. Warum also nicht direkt zum Beruf machen? Dann wird sich niemals wieder auch nur ein einziger Tag wie Arbeit anfühlen und alles wird nur noch schön sein, bis zum Lebensabend.

 

So die Theorie. Aber jeder, der sein Hobby auch nur im Ansatz zum Beruf gemacht hat, weiß, dass dieser Spruch absoluter Bullshit ist und nichts mit der Realität zu tun hat. Dieser Spruch hat nämlich einen recht prekären Denkfehler, der tief in der Gesellschaft verwurzelt ist und schon seit Jahren viele Freiberufler immer wieder die Wände hochtreibt, wenn sie davon hören:

 

Acht Stunden am Tag das Gleiche tun und es lieben ist Sucht. Acht Stunden am Tag das Gleiche tun und es hassen ist Arbeit.

 

Man geht von vornherein von diesem ungeheuer dämlichen Trugschluss aus, dass alles, was man hasst, Arbeit ist, zu der man sich zwingen muss, und alles, was man mag, Spaß ist, den man unter Kontrolle halten muss.

 

Ich beobachte das so oft und könnte mir die Haare darüber raufen, wie stiefmütterlich die Gesellschaft mit der Auffassung von Spaß und Arbeit umgeht. Jeder würde sofort unterschreiben, dass ein Steuerberater arbeitet. Gleichzeitig würde man aber auch sofort unterschreiben, dass ein Steuerberater nicht jeden Tag Bock auf seine Arbeit hat. Aber er muss sie nun mal machen, weil es seine Arbeit ist. Das gehört dazu.

 

Wenn man hingegen von beispielsweise einem Comiczeichner hört, dann nimmt man sofort an, der zeichnet nur in seiner Freizeit als Hobby oder bestenfalls als Nebenjob für ein kleines Taschengeld. Absolut niemand würde vermuten, dass auch ein Comiczeichner sich manchmal ins Atelier schleppt und einfach keinen Bock hat, heute zu zeichnen oder kreativ, spontan und witzig zu sein.

 

Ja, Zeichnern macht das Zeichnen mehr Spaß als Steuerberatung. Aber ein Steuerberater hätte sicher absoluten Horror davor, wenn man ihn bitten würde, eine Grafik für seine Webseite zu zeichnen. Wen wird er dafür wohl buchen? Einen Zeichner. Aber aus irgendeinem seltsamen Grund ist es in der Gesellschaft verankert, dass Steuerberatung Arbeit ist, denn die Steuer macht ja „niemand“ gern, also hasst man es, also ist es Arbeit, und dass Comiczeichnen ein Hobby ist, denn es macht ja Spaß.

 

Wenn man jetzt diesen schon vornherein recht dummen Gedanken zu Ende denkt, könnte man daraus folgern, dass man ja nur sein Hobby zum Beruf machen muss, um nie wieder arbeiten zu müssen, denn dann macht man ja tagaus tagein nur etwas, dass man mag, anstatt etwas, das man hasst.

 

Hier ist die ganze Wahrheit: Zeichnen ist Arbeit. Fotografieren ist Arbeit. Designen ist Arbeit. Schneidern ist Arbeit. Jeder künstlerische Beruf ist Arbeit. Jeder Dienstleistungsberuf ist Arbeit.

 

So schön das Hobby auch sein mag, die Sache bekommt einen gewaltigen Haken, sobald man sie zum Beruf macht: In dem Moment, in dem man Geld damit verdienen muss, um Miete, Strom, Essen und Steuern zu bezahlen, muss man arbeiten, ob man will oder nicht. Man muss früh aufstehen und ins Atelier gehen, egal wie verpennt man ist. Man muss den ganzen Tag lustige Bildchen zeichnen, auch wenn man gerade eine unglaublich depressive Phase hat. Man muss Skripte schreiben und Konzepte liefern, egal, wie groß die Schreibblockade im Kopf gerade sein mag. Es spielt keine Rolle. Sobald man Geld verdienen muss, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, wird aus Hobby Arbeit und dann ist und bleibt es Arbeit.

 

Ich stehe wie jeder andere früh auf, frühstücke und gehe an meinen Arbeitsplatz. Ich arbeite wie jeder andere bis Mittag und mache eine Stunde Pause. Dann arbeite ich wie jeder andere, bis ich Feierabend habe. Und das Tag für Tag für Tag für Tag. Egal, wie ich drauf bin, egal ob ich Lust da drauf habe, egal ob ich gerade Inspiration dazu habe, egal ob ich eigentlich was anderes machen möchte.

 

Disziplin, Hingabe und Pflichtbewusstsein machen aus einem Hobby Arbeit.

 

~*~

 

Das war ein Kapitel aus dem Ratgeber „24 Irrtümer – denen selbstständige Kunst-Rookies auf den Leim gehen“. Eine Sammlung von Erfahrungen und Fehlern, die mir während meiner Selbstständigkeit immer wieder über den Weg gelaufen sind und von denen ich hoffe, dass sie euch in eurem Schaffen helfen können. Hier geht’s zu einer Leseprobe mit noch mehr Kapiteln und noch mehr Irrtümern: https://www.fourth-instance.de/24-irrtuemer-leseprobe/

 

Am 12.7.22 (heute) halte ich eine Online-Lesung und lese ein paar Kapitel aus dem Buch vor. Ihr seid herzlich eingeladen dabei zu sein, zuzuhören oder mir Fragen zu Selbständigkeit, Mangazeichnen oder allem, was euch einfällt, zu stellen:

https://www.twitch.tv/fourthinstance

Dienstag 12.7.22 von 19 bis 21 Uhr. 

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Datum: 12.07.2022 10:06
Ich sehe das genauso und wollte noch ergänzen, dass Arbeit und Ähnliches ein Hobby auch zerstören können. Mir ging es jedenfalls mit meinem Japanologie Studium so. Ich habe es mit der Intention begonnen, anschließend auch beruflich etwas mit Japan zu machen und nicht mehr in meinem zuvor erlernten Beruf arbeiten zu müssen. Das war mein Aus. Ich habe immer weniger Mangas gelesen, weniger Animes geschaut, war seltener auf Conventions und Treffen, war jahrelang nicht auf Animexx, usw. und habe letztendlich gar nichts mehr davon gemacht. Seit Studienbeginn war irgendwie alles rund um Japan für mich zu einem Muss geworden und war gefühlt weniger ein Freiwillig. In meinem Masterstudium bin ich darum bewusst einen anderen Weg gegangen (Süd- und Südostasienstudien), genauso wie danach bei der Wahl des Arbeitsplatzes. Heute arbeite ich als Geisteswissenschaftlerin ohne Asienbezug in einem wissenschaftlichen Umfeld und bin zufrieden damit. Jetzt, ein halbes Jahr nach M. A. Studienende und ohne das Gefühl irgendeines Druckes schaue ich wieder erste Animes, lese Mangas und habe sogar wieder damit begonnen, Japanisch zu lernen (was durch mein Studium natürlich deutlich leichter fällt, da ich es ja vor vielen Jahren bereits gelernt habe). Ich habe mein Hobby zurück.

Ich möchte jedoch nochmal betonen, dass Arbeit und Ähnliches ein Hobby zerstören KÖNNEN, aber natürlich nicht müssen und ich da womöglich eher die Ausnahme bin. Ich für mich möchte inzwischen jedoch keines meiner Hobbys beruflich machen. ^.~

Sorry für den langen Text! Es ist ein sehr interessantes Thema, dass du hier ansprichst.

LG Ati~
"Because the world isn't as cruel as you take it to be." - Celty Sturluson
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Datum: 12.07.2022 12:37
Das ist einer der Gründe, weshalb ich meine Hobbys auch nie beruflich verfolgt habe oder wohl verfolgen würde. Weil ich glaube, dass es mir meine Hobbys ruinieren würde und ich nicht mehr so viel Freude daran hätte, wie ich es aktuell habe.
 
Daher danke für den Eintrag.
Lebe nie ohne zu Lachen, denn es gibt Menschen die von deinem Lachen leben.
Datum: 14.07.2022 13:20
@  Lumesati

Ja, da hast du natürlich absolut recht. Dessen muss man sich auch immer bewusst sein. Jedes Hobby, das zur Arbeit wird, ist dann natürlich kein Hobby mehr. Es hat dann nicht mehr den Sinn der Abwechselung, des Ausgleiches und der Zerstreuung, sondern wird dann zur Pflicht. Man muss auch nicht unbedingt die Freude daran verlieren, aber Pflicht ist halt immer nochmal ne andere Nummer als Hobby.
Es ist voll schön, dass du einen Weg für dich gefunden hast und auch so ehrlich zu dir selbst warst. Ich kenne sauviele Menschen, die zwingen sich zu einem Beruf und machen ihn dann, weil sie sonst das Gefühl haben, versagt zu haben oder aufzugeben. Man muss schon ehrlich zu sich selbst sein und ganz ehrlich sagen können, nein, diese Aufgabe und ich werden keine Freunde, und dann die Richtung wechseln. Das ganze Leben ist Veränderung. Man sollte sich nicht brutal an eine Sache klammern, sondern auch mal loslassen können <3

Danke für deinen Kommentar :DDD Wenn du noch mehr Kapitel aus dem Buch lesen magst, ich hab hier eine Leseprobe: https://www.fourth-instance.de/24-irrtuemer-leseprobe/

<3 <3 <3
Heb nicht ab vom Acker ohne deinen Tacker...
Datum: 14.07.2022 13:28
@RedFlash

Es ist auch echt nicht für jeden was, sein Hobby zum Beruf zu machen, obwohl überall gepredigt wird, dass es ja sooooo toll ist und man dann keinen Tag im Leben mehr arbeiten muss. Wie gesagt, die Realität sieht anders aus. Wenn ich Künstler berate, dann frage ich als aller erstes nach ihren Ambitionen, und wenn dann nicht irgendwo durchscheint, dass sie wirklich extrem Bock darauf haben und allen Widrigkeiten trotzen würden, rate ich ihnen ganz vorsichtig davon ab, sich gleich in diese Arbeit zu stürzen und erstmal ein bisschen Praxisluft zu schnuppern, bevor sie diesen Weg wirklich gehen wollen. Manche wissen auch gar nicht, was für eine brutale Lawine an Arbeit auf einen zukommt. Aber ich ermutige auch immer, seinen Weg zu gehen und absolut ehrlich mit sich selbst zu sein. Was will man? Wo will man hin? und was ist man bereit dafür zu tun? Das sind die wichtigen Fragen. Und die sollte man sich stellen, bevor man darüber nachdenkt, sein Hobby zum Beruf zu machen.

Und danke für deinen Kommentar und dein Interesse ^^ Wenn du magst, kannst du dir hier https://www.fourth-instance.de/24-irrtuemer-leseprobe/ noch mehr Kapitel wie dieses durchlesen.

<3 <3 <3
Heb nicht ab vom Acker ohne deinen Tacker...


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