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In an other world

my little paradise
von

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Weihnachten, schon wieder. Jedes Jahr, das Fest der Liebe. Lachende Gesichter, strahlende Kinderaugen, lächelnde Mütter und Väter die mit ihren Kindern spazieren gehen. Weiße Kristalle fallen vom Himmel, die Bäume und Sträucher glitzern und die Tannenbäume erstrahlen in hellem Licht. Weihnachten, schon wieder. Und wie jedes Jahr wünsche ich mir, ich könnte es auch genießen. Wünsche mir eines dieser Kinder zu sein, die strahlend durch die Straßen gehen, ihre Mütter und Väter an der Hand, lachend. Wünsche mir, wie jedes Jahr, das Weihnachten schön wird. Ich träume in meinem Zimmer, die Roll-Laden sind unten und mir ist kalt. Ich denke daran, dass ich dieses Jahr wieder alleine sein werde. Um mich herum sind Menschen, ich liebe diese Menschen, ich will bei ihnen sein. Wir feiern jedes Jahr zusammen. Meine Familie ist da, ich bin unter ihnen, wir werden auch dieses Jahr wieder gemeinsam feiern, doch ich werde wieder alleine sein. Alleine mit meinen Gedanken. Alleine mit mir selbst, einsam unter so vielen Menschen. "Guck mal, das hat mir Papa heute gekauft. Hübsch nicht wahr? Hast du was?" lächelnd sehe ich meine Schwester an. "Nein, ich hab nichts! Ja, sehr schön! Wart ihr auf dem Weihnachtsmarkt?" "Ja! War ziemlich kalt und viel Gedränge, wir haben Mandeln gegessen und Fischbrötchen und ich durfte Cola trinken!" sie strahlt mich an. Sie lacht glücklich. Dann rennt sie wieder hoch, sie sagt ihrem Papa auf wieder sehen, dann geht sie in ihr Zimmer. Lächelnd sehe ich zur geschlossenen Tür, weiß und kalt, gefühllos. Der Weihnachtsmarkt, wie gerne würde ich auch mal wieder auf einen Weihnachtsmarkt gehen. Würde gerne Zuckerwatte essen, mir ein Lebkuchenherz kaufen, mit Mama und Papa lachen, einfach nur glücklich sein. Doch das letzte Mal liegt schon lange zurück. Zu lange, ich kann mich nicht daran erinnern. Wie lange ist es jetzt her? Ich weiß es nicht. Ich träume weiter vor mich hin, dann reißt mich die Stimme meiner Mutter aus den Gedanken. "Du hast ja immer noch nicht aufgeräumt! Solange du hier nicht aufgeräumt hast gibt es nichts mehr! Weihnachten ist dieses Jahr gestrichen!" Die Türe knallt ins Schloss. Ich sehe traurig und verletzt durch den Raum. Auf dem Boden liegen Anziehsachen und Hefte, auch andere Dinge liegen hier verstreut, doch zum aufräumen fehlt mir die Kraft. Ich bin es so leid, ich bin es leid immer nur zu geben. Weihnachten fällt also aus. Was macht das schon? Mir ist Weihnachten egal geworden. Ich schreibe schon lange keine Wunschzettel mehr, habe aufgehört mich auf Weihnachten zu freuen. Es klopft, dann tritt meine Schwester wieder ein. "Kannst du bitte noch das Bad sauber machen? Das ist ja eklig!" Dann geht sie wieder, wartet nicht auf eine Antwort. Seufzend sehe ich wieder auf die geschlossene Tür, in Gedanken sage ich ja, doch tief in meinem Herzen sage ich nein. Habe auch dafür keine Kraft, keine Lust. "Jetzt mach schon, sonst kommen sie wieder rein und sagen dir wie faul du bist! Los, beeil dich! Du musst!" Ein Stich in meinem Herzen macht sich bemerkbar, die Stimme in meinem Kopf hat Recht. Ich muss es tun, ich habe keine Wahl. Ich bin faul, ich bin unnormal. Ich muss es schnell tun, bevor sie wieder schimpfen. Ich verliere immer mehr Lust und Kraft. Ich weiß ich muss es tun, doch je mehr ich daran denke, desto Lustloser werde. Müde, so unendlich müde. Ich glaube ich werde krank. Schon wieder. Wie immer. Ich bin immer krank. Dauernd fehle ich in der Schule. Ich darf nicht krank sein. Wenn ich krank bin ist Mama wieder böse und Papa schimpft wieder und dann haben Mama, Papa und ich wieder Streit. Das ist immer so. Es gibt keinen Tag an dem es keinen Streit gibt. Früher war das anders. Früher da war ich die jüngste in meiner Familie, da hatte ich noch keine Pflege-Geschwister.

Damals waren alle lieb zu mir und ich war glücklich, sie haben alle gerne mit mir gespielt und haben mit mir gelacht. Da haben Oma und Opa mich in Schutz genommen, wenn Mama und Papa geschimpft haben, da hat Papa noch mit mir gespielt und mich angelacht. Aber das ist schon lange her. Ich weiß nicht mehr wann es anfing, nicht mehr genau, aber ich weiß, dass wir damals das erste Pflegekind aufgenommen haben. Mama und Papa haben mich gefragt ob ich ein Geschwisterchen haben möchte. Doch als Sandra damals kam, wurde alles anders, als es war. Ich war nicht mehr die süße kleine, ich hatte Verantwortung, ich hatte Pflichten, plötzlich war ich ein Stückchen erwachsen geworden. Damals war ich glaub ich fünf Jahre alt.

Nach Sandra gab es noch Pascal, nach Pascal kamen Kevin und anschließend noch seine Schwester Kaya. Während wir Kevin und Kaya hatten, waren da noch Andreas und später Tim und Sarah. Tim ist wieder weg, doch seine Schwester Sarah wohnt noch immer hier, nur für wie lange, das weiß keiner. Heute bin ich fünfzehn und es sind zehn Jahre seit damals vergangen, als mir zum ersten Mal bewusst wurde, wie wechselhaft Familie doch sein kann. Liebe bekommt man wenn man klein und niedlich ist, wenn alle denken, das man noch unschuldig ist. Ich bin nicht mehr klein und niedlich und auch nicht unschuldig, ich bin schon groß, fast erwachsen, schon seit zehn Jahren. Mein Weltbild ist zerbrochen, ich kann nicht mehr glauben, das es die Liebe wirklich gibt, so wie man oft von ihr erzählt, all die Märchen und Geschichten, die man den kleinen Mädchen erzählt, wenn sie noch glauben, dass es den Weihnachtsmann wirklich gibt. Der Weihnachtsmann, wie gerne würde ich an ihn glauben, wünschte es gäbe ihn wirklich, wünschte, er würde mir meinen Wunsch erfüllen. Doch es gibt ihn nicht. Genau so wenig wie den Osterhasen, das Christkind und den Nikolaus. Das sind nur Märchen, nur Illusionen. Alles nur Lügen.

"Was machst du?" ein vorwurfsvoller Ton, ein böser Blick. Meine Mutter steht im Rahmen und sieht mich lauernd an. "Nichts" antworte ich ehrlich. "Das sehe ich! Wenn du meinst, du müsstest in diesem Hause nichts tun, bitte! Dann tun wir für dich aber auch nichts mehr!" Dann ist sie wieder weg. Wieder sehe ich nur noch die weiße Türe, geschlossen, wie immer. Ich friere, aber die Heizung mache ich nicht noch höher, auch das Gebläse mache ich nicht an. Mama hat geschimpft, wir müssten so viel Geld nachbezahlen, weil wir zu viel Strom brauchen. Ich sollte das Gebläse nicht immer anhaben. Also friere ich weiter. Will nicht wieder geschimpft bekommen.

Ich sehe auf den Boden, ich sollte aufräumen, hat Mama gesagt. Ich will mich bewegen, doch mein Körper reagiert nicht, ich sitze nur still schweigend da, kann mich nicht rühren, bin wie gelähmt und Tränen bahnen sich ihren Weg über mein Gesicht um auf dem Boden zu zerspringen. Sie sterben, leben nur für kurze Zeit. Wie wäre es wohl eine Träne zu sein, denke ich. Stelle mir vor, wie es wäre wenn ich jetzt auf dem Boden zerspringen würde, einfach gehen würde und nicht mehr zurück kommen würde. Frage mich im Stillen, ob sie weinen würden, ob sie mich vermissen würden. Zweifle an der Liebe meiner Familie, zweifle an meinem Leben, zweifle an mir, zweifle an allem was mir vorher so wichtig erschien. Noch immer sitze ich da, sehe hinab und träume davon zu fliegen, ganz weit weg, in der Nacht, wenn die Sterne leuchten und der Mond mir den Weg weist ins Paradies. Lächelnd sitze ich da, weine still vor mich hin und niemand weiß, das diese Tränen existieren, das sie in diesem Moment sterben, niemand weiß, wie ich gerade leide.

"Essen kommen!" schreit Papa von oben. "Ja!" rufe ich automatisch zurück. Keine Kraft mich zu erheben. Keine Lust jetzt hinauf zu gehen und die anderen zu sehen. Weinend, überlegend, leidend. Dann wische ich mir die Tränen weg. Ich erhebe mich und sehe mich schweigend im Zimmer um. Meine Hand ruht auf der Türklinke. Im Fenster gegenüber sehe ich mich selbst. Ich lächle, doch mein Spiegelbild lügt. Ich weiß es. Denn ich spüre die Tränen in mir drin, als ich schweigend und lächelnd die Türe öffne und die Treppen zum Wohnzimmer hochsteige..



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2005-12-20T18:29:15+00:00 20.12.2005 19:29
Toll nun sitz ich neben meiner mum und heule ^^,
Am liebsten würde ich dich jetzt in den Arm nehmen und weiß doch das ich es nicht kann...
Ich hasse sowas, nicht für meine Freunde da sein zu können wenn sie mich brauchen und hilflos mit anzusehen wie sie leiden. *knuddel* Hast du echt toll geschrieben...


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