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Schwert der Blüten

Gib niemals auf!
von

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Ein Geschenk und ein schmerzvoller Abschied

Kapitel 1: Ein Geschenk und ein schmerzvoller Abschied
 

Sakura Momomya rollte sich in ihrem Bett unruhig hin und her. Sie träumte. In ihrem Traum befand sie sich auf einem Berg, umgeben von vielen Blütenblättern, die um sie herum wirbelten und eine Art Barriere aufbauten, die sie von der Außenwelt abschirmte. Unmittelbar vor ihr sammelten sich weitere Blütenblätter und verschmolzen zu einem gleißenden Licht. Sakura kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Plötzlich hörte sie eine Stimme: "Was verschwunden ist, wird wieder geboren."

Das Mädchen war sich nicht sicher. Woher kam diese Stimme? Kam sie aus diesem Licht? "Wer bist du? Und was meinst du mit, was verschwunden ist wird wieder geboren?"

Das Licht vor ihr wurde noch heller und es sah so aus, als versuchte etwas sich von ihm zu lösen.

Sakura war sich nun ganz sicher, dass sich in diesem Licht eine Person befand, oder zumindest jemand der ihr etwas Wichtiges mitzuteilen hatte. Langsam verschwand der Glanz, dass Licht wurde schwächer und eine Gestalt trat daraus hervor...
 

Mit einem Schrei setzte sich das Mädchen in ihrem Bett auf. "Nur noch eine Sekunde." dachte sie, "Nur eine Sekunde noch, dann hätte ich gewusst wer die Gestalt in dem Licht gewesen ist.

Sie ärgerte sich, denn ihr war - auf unbeschreibliche Weise - bewusst, wie wichtig das Verstehen dieses Traumes für sie gewesen wäre.

Noch etwas benommen stand Sakura auf und lies ihren Blick über ihr Zimmer schweifen.

Sie liebte ihr Zimmer. Die vier großen, in alle Himmelsrichtungen blickenden Fenster, die orange-roten Vorhänge, die ein warmes Licht erzeugten, wenn die Sonne schien, ihre Regale, in denen sich unzählige Bücher stapelten und ihren aus Bambus gefertigten Schreibtisch.

Dann waren da noch die in einem warmen Gelb gestrichenen Wände, an denen die unzähligen Poster, Landschaften ihres Heimatlandes zeigten: Japan.

Das Zimmer war mit einer Menge kleinen, sehr feinen Teppichen ausgelegt. Sie stammten aus dem Norden Chinas und zeigten viele Kirschblüten. Die Kirschblüte nannte man auch Frühlingsblüte oder Sakurablüte.

Sie stand in Japan für neuen Anfang, da sie eine der ersten Blüten war, die nach dem Winter wieder anfingen zu blühen. Nicht nur wegen der Bedeutung ihres Namens, sondern auch wegen dieser Tatsache mochte Sakura diese Blüte ganz besonders.

Neben dem nach Osten ausgerichtetem Fenster lag ihr "Futon".

Das war ein traditionelles japanisches Bett. Es bestand aus einer, etwa zehn Zentimeter dick wattierten Matratze,

die mit Baumwollstoff überzogen war.

Ein zweiter, leichterer Futon, mit Daunen gefüllt, diente als Decke.

Diese Daunendecke glich die Temperaturen aus, sodass Sakura nie zu kalt oder zu warm war.

Doch, sie liebte ihr Zimmer.

Dessen war sich Sakura voll bewusst.

Sich die Augen reibend warf sie einen kurzen Blick auf ihre Uhr und schrie auf: , Ahhhhh, ich habe verschlafen! So ein Mist, obwohl ich gestern extra früh zu Bett gegangen bin."

Sie rannte zu ihrer Tür, riss sie auf, und machte sich auf den Weg in die Küche.

Dort wurde sie von ihrem großen Bruder empfangen: " Ah, Gorilla ist endlich aufgewacht. Ich wundere mich immer wieder, wie du so verschlafen kannst und trotzdem nicht zur spät zur Schule kommst."

"Ich bin kein Gorilla!", verteidigte sich Sakura.

Nur weil sie 14 und ihr Bruder Sota 16 Jahre alt war, fand sie, dass das noch lange kein Grund war sie so zu beleidigen.

"Guten Morgen, Sakura!"

Sakura drehte sich um. In der Tür stand ihr Vater. "Guten Morgen, Papa!", begrüßte sie ihn, "Bist du noch nicht weg? Ich dachte du hältst heute einen Vortrag, zu dem du sehr früh in der Uni erscheinen musst."

Sakuras Vater war Universitätsprofessor und unterrichtete über alte Traditionen Asiens.

Damit war die Kultur des Landes, wie auch verschiedene Kampfsportarten und das Kaiserreich gemeint.

Sakura interessierte sich hauptsächlich für den Umgang mit dem berühmten Samuraischwert.

Sie hatte schon viele Bücher darüber gelesen aber hatte noch nie eines in der Hand gehabt.

"O.K Papa, Sota wird das Abendessen machen. Stimmt's großer Bruder?"

Sakura lächelte ihren Bruder an. Sie wusste genau, dass er überhaupt keine Lust hatte zu kochen und wollte ihm die üble Bemerkung mit dem Gorilla heimzahlen.

"Natürlich werde ich das", entgegnete Sota, aber Sakura merkte ganz genau, dass ihr Plan aufgegangen war und er sich ärgerte.

"Also dann, bis später!", rief ihr Vater noch und schon schlug die Tür hinter ihm zu.

Es war ein wunderschöner Tag, die Sonne schien vom Himmel und die Vögel zwitscherten in den Kirschbäumen, die langsam anfingen zu blühen.

Nie wäre Sakura auf die Idee gekommen, dass dieser Tag fatale Folgen für ihre Zukunft bringen würde.

Sie genoss die kühle Luft, die nur noch schwach an den kalten Winter erinnerte, der Japan dieses Jahr heimgesucht hatte.

In der Ferne konnte sie schon den Glockenturm ihrer Schule erkennen.

Das Shinyuko-Gymnasium stand etwas außerhalb der Stadt und war somit für viele Kinder nur mit dem Bus zu erreichen.

Sakura konnte jedoch problemlos zur Schule laufen, da ihr Haus nur eineinhalb Kilometer von ihrer Schule entfernt lag.

Als sie den Vorhof der Schule erreichte, läutete es zur 1.Stunde. Schnell hastete sie durch die große Eingangshalle, an deren Ende eine lange Treppe in die oberen Etagen führte. Ihr Klassenzimmer lag im 3.Stock.

Nach Luft schnappend riss sie die Tür auf. "Oh Sakura, schön dass du auch mal langsam eintrudelst", ihre Lehrerin Fräulein Yamura schaute sie streng an. "Das ist das 3.Mal in dieser Woche. Welche Ausrede hast du dieses Mal?"

"Tut mir leid, ich hab verschlafen", murmelte Sakura und begab sich auf ihren Stuhl.

"Hey Sakura", flüsterte ihre Freundin Lika, "Kommst du morgen Abend auch zu Haruto?"

Lika Wakasa war Sakuras beste Freundin. Sie hatten sich im Kindergarten kennen gelernt und waren seitdem unzertrennlich.

Haruto war auch Schüler des Shinyuko-Gymnasiums.

Er ging in ihre Parallelklasse.

Harutos Vater war sehr wohlhabend und jedes Jahr schmiss Haruto ein riesiges Fest.

Zu diesem Fest brauchte man allerdings Einladungen und nur Haruto verteilte sie.

Sakura und Lika waren auch eingeladen.

Das war schon seit 3 Jahren so, seit Haruto sich in Sakura verliebt hatte.

Damals war er mit einem riesigen Strauß Rosen in ihre Klasse marschiert, hatte sich vor Sakura hingekniet und hatte sie gefragt, ob sie auf sein Fest kommen wolle.

Sakura war standhaft geblieben - im Gegenteil zu einigen anderen Mädchen aus ihrer Klasse, die sich nichts sehnlicher zu wünschen schienen als auch von Haruto verehrt zu werden - und hatte ihm gesagt, dass sie ohne Lika nie auf diese Party gehen würde.

Darauf hin hatte er sofort eine zweite Einladung aus seiner perfekt sitzenden Uniform gezogen und sie Lika überreicht.

Seitdem waren sie beide jedes Jahr wieder eingeladen worden.

"Natürlich gehe ich hin", flüsterte sie zurück, "Ich kann Haruto doch nicht das Herz brechen."

Beide fingen an zu kichern.

"Was gibt es den so witziges? Ich würde auch gerne mitlachen!"

Sakura und Lika zuckten zusammen.

Unbemerkt hatte sich Frau Yamura vor ihnen aufgebaut und starrte sie nun mit einem säuerlichen Lächeln an.

"Haben sie den immer noch nicht genug Fräulein Momomya? Und auch sie Lika sind mir schon des Öfteren unangenehm aufgefallen. Beide sofort vor die Tür. Wenn es läutet dürfen sie wieder hereinkommen. Am Ende des Unterrichts holen sie sich ihre Strafarbeit ab!"
 

Wütend schlug Sakura die Haustüre hinter sich zu.

Wie konnte diese Möchtegernlehrerin ihnen nur einen Aufsatz von mindestens 20 Seiten über den Bau von altägyptischen Pyramiden aufbrummen. Über ein aufregenderes Thema hätte man ja nicht schreiben können.

Ihr Bruder war noch nicht da. Heute hatte er Fußballtraining.

Das Mädchen ließ ihre Schultasche auf den Boden fallen und rannte die Treppe hinauf in ihr Zimmer.

Zu aller erst zog sie die Schuluniform aus.

Sie hatte nichts gegen den roten, kurzen Faltenrock und die weiße Bluse. Überhaupt, ihr gefiel ihre Uniform sehr gut.

Besonders die trendy aussehende Krawatte und der dreieckige rot-weiß gestreifte Kragen hatten es ihr angetan.

Allerdings war sie der Meinung, dass man, wenn man aus der Schule kam, ruhig etwas anderes tragen konnte.

Heute entschied sie sich für eine kurze, weiße Hose und ein gemütliches, hellblaues T-Shirt.

Schnell schlüpfte sie in ihre hellgelben Hausschuhe und ging in die Küche.

Dort kochte sie schnell etwas Reis, den sie dann mit einer Tabaskussoße vor dem Fernseher verspeißte.

Sie hatte gerade den letzten Löffel in den Mund geschoben, da fing ihr Faxgerät an laut zu piepen.

Was konnte das wohl sein? Sakura musste nicht lange überlegen. Die Handschrift mit der das Fax geschrieben wurde war eindeutig von ihrer Mutter.

Koron Momomya arbeitete zurzeit im Ausland. Sie war Archäologin und hatte mit anderen japanischen Wissenschaftlern einen Aufsehen erregenden Fund gemacht.

Sakura wusste nichts Genaueres darüber.

In dem Fax stand, dass Koron bald mit den Ausgrabungen fertig sei und bald wieder bei ihnen wäre.

Diese Neuigkeit lies Sakuras Gesicht aufleuchten.

Endlich sah sie ihre Mutter wieder.

Sie war jetzt schon seit 6 Monaten fort und Sakura vermisste sie schrecklich.

Auf einmal klingelte das Telefon. Glücklich nahm Sakura den Hörer ab, in dem Glauben, ihr Vater oder ihr Bruder wären am anderen Ende der Leitung. Sie wollte ihnen unbedingt von den

Guten Nachrichten berichten.

Doch es kam ganz anders.

"Ja, hallo? Sakura Momomya", sprach sie in den Hörer hinein.

"Guten Tag, hier spricht Doktor Fujitschima. Ich weiß nicht wie ich es ihnen sagen soll. Ihre Großmutter, Ju Mon,", er machte eine Pause.

"Was ist mit ihr?", Sakura umklammerte den Telefonhörer mit der einen Hand so stark, dass ihre Fingerknöchel weiß wurden.

Ihrer Oma ging es schon längerem nicht gut.

Sie bekam andauernd Hustanfälle und verbrachte die meiste Zeit im Bett.

Sakura wusste dies alles, doch wollte trotzdem nicht glauben was der Arzt ihr in diesem Moment sagte.

" Sie liegt im sterben. Ich bin zu ihr gekommen, als sie mich eine Stunde zuvor angerufen hat. Sie meinte, sie wolle ihre Enkeltochter sehen. Bitte kommen sie schnell hier her."

Sakura hängte den Hörer auf.

Das war nicht wahr. Das durfte einfach nicht war sein. Nicht sie, nicht ihre Großmutter.

Sakura rannte los. Ohne die Türe abzuschließen verließ sie das Haus und hastete durch viele schmale Gassen. Ein Umweg, den sie früher immer benutzt hatte um ganz schnell zu ihrer Oma zu gelangen, die ihr jeden Tag eine Geschichte erzählt hatte.

Aber daran dachte Sakura nicht. Ihr Kopf war lehr, bis auf eine einzige Frage: Wieso?

Wieso war das jetzt alles so schnell gegangen? Sakura hatte gewusst, dass ihre Oma krank war.

Schon seit einiger Zeit konnte sie ihr Haus nicht mehr verlassen. Sie bekam in regelmäßigen Abständen fürchterliche Hustanfälle und hatte oft hohes Fieber. Trotzdem hatte Sakura gehofft, dass das alles irgendwann enden würde. Aber nicht so!

Sakura erreichte das kleine Haus, das an den großen Park kränzte, in dem sie so gerne mit ihrer Großmutter spazieren gegangen war. Sie rannte die drei Stufen zur Eingangstür hinauf, vorbei an den vielen Blumen die den Vorgarten schmückten und klopfte gegen die Tür.

Nach einigen Sekunden öffnete der Doktor die Tür.

Er war ein großer Mann von hagerer Gestalt. Seine kleine Brille hing an seinem Hals herunter, da sie mit einer Schnur befestigt war. Er hatte nur noch wenige graue Haare, aber dafür einen langen Bart, der ihm bis zur Brust reichte.

Ohne die übliche, höfliche Begrüßung kam Sakura schell zur Sache: "Wo ist sie?"

"Hinten in ihrem Zimmer. Sie möchte niemanden mehr empfangen, nur ihre Enkeltochter.

Ich möchte ehrlich zu ihnen sein. Der Zustand ihrer Großmutter ist fatal. Ich habe alles versucht, aber ich kann nichts mehr tun. Ich sage ihnen das, da ich nicht will, dass sie sich falsche Hoffnungen machen. Aber bitte gehen sie."

Sakura schob sich an Doktor Fujitschima vorbei und ging langsam auf die Tür am Ende des Ganges zu. Zaghaft, mit zitternden Händen griff sie nach dem Türknauf, der mit einer Kirschblüte verziert war und öffnete sie vorsichtig. Ohne jeden Laut schwang die Tür einen Spalt weit auf. Ein matter Schein fiel in das Zimmer in dem sie nun das Bett ihrer Großmutter erkennen konnte. Die Vorhänge waren zugezogen, sodass kein Licht von außen hereindringen konnte.

Das Zimmer war gemütlich eingerichtet. In der Ecke gegenüber dem Bett befand sich ein Kamin in dem vor kurzem ein Feuer gebrannt haben musste, da die Glut noch deutlich zu erkennen war.

An den Wänden befanden sich unzählige Bilder die Engel zeigten, mit einer Außname.

Auf einem besonders großen Bild war eine Frau abgebildet. Sie trug einen wunderschönen Kimono, wie Sakura fand. Aber was sie an diesem riesigen Bild am meisten faszinierte, war das Samuraischwert, welches die Frau mit beeindruckender Eleganz zu führen mochte.

Das sah man diesem Bild nicht an, aber an dem entschlossenen Blick, der sicher jeden Mann in die Knie gezwungen hätte und dem - wie Sakura fand - majestätischen Auftreten, konnte man sich das gut vorstellen.

Unzählige alte Bücher waren in den hohen Regalen, die an den Wänden standen.

Es gab sogar Bücher, die so wertvoll waren, dass Sakura sie nicht anfassen, genauso wenig lesen

durfte.

Doch nun wandte sich Sakura dem großen Bett zu. Es war kein Futon, wie sie ihn bevorzugte, sondern ein Himmelbett.

In ihm lag eine kleine Gestalt. Die frühere so lebensfrohe Ju Mon war nun blass und mager geworden.

Sie hatte große Augenringe an denen man erkannte, dass sie schon lange nicht mehr richtig geschlafen hatte. Die Müdigkeit sah man ihren Augen richtig an.

Als sie ihre Enkeltochter erkannte, streckte sie ihr ihre Hand entgegen. Ihre knochigen Finger waren dünn und die Haut war faltig.

"Komm, setzt dich zu mir und versprich mir, dass du nicht weinen wirst", sagte sie mit zitternder Stimme.

Vorsichtig setzte sich Sakura auf die Bettkante und sah ihrer Oma in die Augen. Sie wusste nicht was sie sagen wollte. Wo war nur das fröhliche, lächelnde Gesicht geblieben, dass sie sonnst immer angestrahlt hatte wenn sie sie besucht hatte?

"Ich möchte dir, bevor ich gehe etwas geben. Es ist sehr wertvoll, also achte darauf", sagte

Ju Mon mit matter Stimme. Langsam, als ob es sie ihre ganze Kraft kostete, hob sie ihre Hand und deutete auf ihren Nachttisch. Als Sakura ihrer Hand folgte entdeckte sie einen samtigen Beutel.

Sie nahm in behutsam in die Hand und schaute ihre Großmutter fragend an.

"Öffne es. Es gehört nun dir", antwortete diese, die ihre Gedanken zu lesen schien.

Vorsichtig öffnete das Mädchen den kleinen Beutel und drehte ihn um.

Ein kleiner, zierlicher Gegenstand fiel auf ihre Hand. Bei näherem Anschauen erkannte Sakura was es war.

Eine Brosche, in der Gestalt eines Kirschblütenzweiges. Sakura vermutete das der Zweig selbst aus Gold und die Blüten aus Rosenquarz waren.

Aber alles war mit unzähligen kleinen, geschliffenen Rubinen, Saphiren, und Smaragden besteckt.

Sakuras Augen weiteten sich vor Erstaunen.

Zuerst starrte sie das Schmuckstück in ihrer Hand, dann ihre Oma an.

"Du musst nichts sagen. Du bist der rechtmäßige Besitzer dieser Brosche, dass wirst du selbst noch früh genug heraus finden. Ich hatte eine wunderschöne Zeit mit dir und natürlich auch mit allen anderen", meinte Ju Mon schwach.

"Aber Oma, was sagst du denn da? Egal was der Doktor sagt, du wirst wieder gesund!"

Sakura unterdrückte ein Schluchzen.

"Oh Liebling, meine Zeit ist nun abgelaufen und ich werde mich nicht gegen den Tod wehren.

Aber ich bin mir sicher, dass wir beide uns wieder sehn werden. Achte auf deinen Vater und deinen Bruder. Du weißt ja, ohne eine Frau im Haus sind sie aufgeschmissen", Ju Mon bekam einen heftigen Hustanfall. Sakura wollte aufspringen und den Doktor rufen, aber ihre Großmutter hielt sie fest.

"Nein, der Arzt kann auch nichts mehr für mich tun. Bitte sein nicht traurig und versprich mir nicht zu weinen, ja?", sagte sie mit atemloser Stimme, so leise, dass Sakura sich zu ihr beugen musste um sie zu verstehen.

"Auf Wiedersehen meine kleine Kirschblüte, bitte vergiss mich nicht", mit diesen Worten schloss Großmutter Ju Mon die Augen. Sakura starrte fassungslos auf ihre Oma hinab. Und wieder stellte sich ihr die Frage, wieso es schon so früh hatte geschehen müssen? Vor 15 Minuten war sie noch so fröhlich gewesen. Ihre Mutter hatte ihr doch ein Fax geschickt. Überglücklich war sie gewesen.

Und jetzt das? Ihre geliebte Oma, die die sie immer kleine Kirschblüte genannt hatte, seit sie auf der Welt war. Die, die immer mit ihr gespielt hatte, die sie immer und überall getröstet hatte, wenn ihr Bruder sie geärgert hatte. Diese Person war nun fort? Das konnte Sakura nicht verstehen.

Und obwohl sie ihrer Oma das Versprechen gegeben hatte, lies sie sich auf das Bett fallen und weinte bitterlich.
 

Nachdem sie noch lange am Bett ihrer Großmutter gekniet hatte, die Brosche fest an ihre Brust gedrückt, machte sich Sakura auf den Heimweg. Über ihr der mit Wolken verhangene Himmel, vor ihr eine der größten Städte der Welt. Obwohl es schon spät war, waren die Straßen Tokios immer noch voll von lärmenden Autos und Radfahrern, die versuchten durch den ständig andauernden Stau zu gelangen. Sakura merkte nichts davon. Ihre Augen waren leer und auch in ihrem Kopf gähnte ein tiefschwarzer Abgrund.

Teilnahmslos ging sie an Leuten vorbei, die wohl bemerkt hatten, dass es Sakura nicht gut ging und ihr hinter her laufen wollten, sich dann doch eines Besseren belehrten und ihren Weg fortsetzten. Das Mädchen würde schon alleine zurecht kommen.

All das war Sakura gleich. Ihr erschien die ganze Welt als unnütz und sie wollte nur noch schlafen.

Als sie nach hause kam, waren ihr Bruder und ihr Vater schon da.

Der Arzt hatte sie angerufen und ihnen die schlimme Nachricht mitgeteilt.

Sakura grüßte sie nicht einmal.

Sie zog sich die Schuhe aus und schleppte sich mit letzter Kraft die Treppe hinauf in ihr Zimmer.

Dort ließ sie sich auf ihr Bett fallen. Wieder kamen ihr die Tränen.

Schon lange hatte sie nicht mehr so geweint. Normalerweise verbiss sie sich den Schmerz und ließ sich nichts anmerken. Sakura lag noch lange schluchzend auf ihrem Bett bis sie in einen unruhigen Schlaf fiel.

In ihrem Traum befand sie sich auf einer verlassenen, nebeligen Straße. Als sie sich dort genauer umsah, erkannte sie die Einkaufsstraße Tokios wieder.

"Wie kann das sein?", dachte sie erschrocken. Noch während ihr der Gedanke durch den Kopf ging bemerkte sie dunkle Schemen die sich langsam aus dem Nebel lösten und auf sie zu glitten. Ihre Bewegungen waren fließend und bedrohlich. Sie waren ganz in schwarz Gekleidet.

"Was wollt ihr?!", rief Sakura den Gestalten entgegen. Sie hatte große Angst, wollte sich aber nichts anmerken lassen.

Eine der Gestalten lachte heißer, hielt allerdings nicht an.

"Antwortet, was wollt ihr von mir?", rief Sakura noch einmal.

Nun war sie sich sicher, dass es sich dort um Männer handelte.

Wieder keine Antwort. Stattdessen rannte einer der Männer auf sie zu.

Nur Sekunden sah sie etwas in der Luft aufblitzen und rollte sich instinktiv zur Seite.

Knapp neben ihrem Kopf schnitt etwas durch die Luft. Jetzt konnte Sakura auch erkennen was es war. Es handelte sich um ein Kurzschwert. Es war eine sehr ausgefallene Art, die Sakura noch nie gesehen hatte. Sie hatte eine gezackte, sichelartige Schneidefläche.

Das Mädchen wusste, dass der Umgang mit einem Kurzschwert sehr kompliziert war. Allerdings war man, wenn man es richtig beherrschte in den meisten Fällen im Vorteil.

Sakura erschrak, als der Mann zum nächsten Angriff ausholte. Sie wollte sich wieder zur Seite rollen. Leider reagierte sie eine Sekunde zu spät. Schmerzhaft schnitt das Schwert in ihren rechten Oberarm. Das Mädchen schrie auf.

Währenddessen hatten die anderen Männer einen Kreis um sie und ihren Angreifer gebildet.

Alle sagten kein Wort.

Sakura hatte sich schnell wieder aufgerappelt. Das Schwert hatte sie nur gestrieft. Die Wunde war nicht tief, blutete aber viel.

"Mist", dachte sie.

Angsterfüllt sah das Mädchen ihren Gegnern entgegen die den Kreis nun enger um sie schlossen.

"Das ist das Ende", schoss es Sakura durch den Kopf. Wie sollte sie nur gegen diese Übermacht ankommen? Sie war zu geschwächt um sich aufrecht zu halten. Ihre Beine knickten ein und sie fiel auf den Boden.

Hilflos wollte sie an irgendetwas halt suchen, da sah sie etwas hinter einem der Männer aufblitzen.

Kurz darauf sackte der Mann in sich zusammen.

Die Gestalt die neben ihm gestanden hatte, schrie auf. Nach wenigen Sekunden lag auch sie am Boden. Was immer auch die Männer zu Fall brachte, es bewegte sich ungemein schnell.

So erging es nun allen Männern, einer nach dem anderen fiel zu Boden und rührte sich nicht mehr.

Sakura konnte nur fassungslos zusehen. Als alle am Boden lagen rief sie in den Nebel: "Wer bist du?! Sag mir wer du bist!"

Langsam bewegte sich ein Schemen aus dem grau auf sie zu. Ganz langsam löste sich die Gestalt eines Jungen aus der Nebelwand. Sakura, die immer noch am Boden saß schaute zu ihm auf. Obwohl sie nur seine Umrisse sehen konnte, bemerkte sie dass er geheimnisvoll lächelte.

Genau in diesem Moment verschwamm plötzlich alles vor ihren Augen. Ihr war schwindelig und sie drehte sich im Kreis. Sakura war sauer, warum konnte sie nicht einmal einen Traum zu ende träumen?!

Sie schloss die Augen, sogar so, sah sie das sprühende Funken um sie herumtanzten und sie fühlte sich, als ob sie in ein Loch viel, das weder einen Boden, noch einen Ausgang hatte.

Das Mädchen gab sich ganz dem Sog der Träume hin, der sie scheinbar an einen ganz gezielten Ort bringen wollte. Erst nach einiger Zeit öffnete Sakura ihre Augen.

Sie lag aufgewühlt in ihrem Bett. Schweiß rann ihr über das Gesicht. Ihre Bettdecke lag am Boden. Ihr Puls raste. Keuchend richtete sie sich auf. Verwirrt sah sie sich in ihrem Zimmer um.

Alles schien so wie immer.

Nein, das war es aber nicht. Erschrocken sah sie auf ihren Oberarm der deutlich eine Wunde zeigte. "Sie blutete nicht mehr", unsicher schaute sie sich um.

Schatten tanzten in ihrem Zimmer hin und her, die von den Bäumen außerhalb des Hauses erstellt wurden, wenn sie sich im Wind wiegten.

Sachte klopfte der Regen gegen ihre Fenster und durch eines schien der Mond.

"Vollmond", dachte Sakura.

Trotzdem, irgendwas war anders. Eine Spannung lag in der Luft. Da fiel ihr Blick auf die Brosche, die neben ihrem Futon am Boden lag. Sie funkelte geheimnisvoll. Vorsichtig nahm Sakura sie in die Hand. Das war das einzige was ihr von ihrer Großmutter geblieben war.

Großmutter, wo mochte sie nun wohl sein? Ju Mon Momomya war wie die ganze Familie überzeugte Christin. Nur Sakura konnte sich keinem Glauben unterordnen. Sie fand vieles faszinierend und wollte nicht nur an eine Religion glauben.

"Ist Oma jetzt im Himmel?", fragte sich das Mädchen, "Darüber hat sie ja immer sehr viel gesprochen. Hoffentlich hat sich ihr Wunsch, dorthin zu gelangen erfüllt."

Langsam hob sie die Brosche an ihre Stirn und schloss die Augen. Sakura spürte, dass irgendeine seltsame Kraft durch ihren Körper lief. Es war eine angenehme Wärme die sie ganz einschloss. Jetzt erkannte sie dieses Gefühl. Sakura kamen die Tränen. Es war dasselbe Gefühl, dass sie immer gehabt hatte, als sie bei ihrer Großmutter war, mit ihr am offenen Kamin saß und über alles redete, dass ihr in den Sinn kam.

"Das ist nicht fair", das Mädchen musste schlucken.

Langsam öffnete sie ihre Augen. Behutsam strich sie über die Brosche.

Langsam legte sie die Brosche wieder neben sich. "Ich vermisse dich, Großmutter. Auf einmal bist du so weit weg von mir", dachte Sakura. Es dauerte lange, bis sie wieder in den Schlaf fand.



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