Auf der Suche: Die Räubertochter & Im Reich von Eis und Schnee: Eine stürmische Begegnung
Nach langer Zeit endlich mehr!
Vielen Dank und knuddl an mein Beta Mako-chan! *wuschel*
Viel spaß beim Lesen:
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Teil 4 Auf der Suche: Die Räubertochter
Die Sonne stand hoch, hatte ihren Höhepunkt erst kürzlich überschritten, trotzdem
vermochten die Frühlingsstrahlen den Körper des jungen Mannes nicht zu erwärmen.
Ohne das schützende Bärenfell hätte Kai arge Probleme bekommen. Den warmen Mantel
wollte er sich für das Reich des Schneekönigs aufsparen, dessen Grenzen schon in Form
eines Berggrates am Horizont zu sehen war. Würde er Kenya heute noch einmal laufen
lassen, könnte er die Grenze noch vor Sonnenuntergang erreichen. Doch Kai wollte lieber
die ersten Schritte im Reich des ewigen Eises am Tage machen, und diese Nacht im
Dickicht des an den Berg angrenzenden Waldes verbringen und ein letztes Mal an der
Seite des treuen Hengstes schlafen, der, entgegen der rössischen Manier, sich neben Kai
in Gras zu legen pflegte und des Nachts eine ausgezeichnete Wärmequelle abgab. Das es
sich hier gegenseitige Vorteilsbeziehung handelte, war dem jungen Mann durchaus klar.
Kai war im Umgang mit Pferden recht geschickt. Sein Bruder hatte ihn nicht nur Reiten
gelehrt, sondern ihm auch gezeigt wie man diese Tiere ausbildet und pflegt. In dem Stall
in dem Kai als Junge oft mit ihm gearbeitet hatte, waren so einige störrische Exemplare
zu bändigen gewesen. Doch kein Tier hatte dem erfahrenen Pferdenarr soviel Geduld und
Nerven abverlangt, wie dieser junge Hengst hier.
Wollte Kai kurz verschnaufen, wurde Kenya von einer nicht zu unterdrückenden Rennwut
gepackt. Wollte Kai eine Strecke hinter sich bringen, fand das hübsch anzusehende junge
Tier todsicher einen Apfelbaum, der erst mal um ein paar Früchte erleichtert werden
musste.
Doch die beiden hatten sich arrangiert und schlossen langsam jene innige Freundschaft,
die zwischen Tier und Reiter auf einer so beschwerlichen Reise unabdingbar war.
Doch an diesem frühen Nachmittag, an dem Kai schon nachsinnte wie es ab Morgen ohne
den Hengst werden würde, ahnte keiner von beiden, was ihnen zustoßen sollte, und dass
einer von ihnen den Einbruch der Nacht nicht in Freiheit erleben würde.
Die ansehnliche Kleidung des jungen Mannes, das kräftige junge Tier in wertvollem
Zaumzeug und das Gepäck, dessen Inhalt unter dem eingerollten Mantel verborgen lag,
weckten die Neugier von den Zweibeinigen Räubern des Waldes.
Diebisch wie die Elstern, gewieft wie Füchse und so leise wie eine Wildkatze auf der
Pirsch schlichen sie sich an ihre Opfer heran.
Ein ortunkundiger Jüngling, wie schwer konnte der schon zu fangen sein?
Diesem Gedanken nachhängend, jagte ein dickbäuchiger Späher, der sich dennoch
erstaunlich geschickt bewegte, zum Lager seiner Kumpanen. Und zu seiner Anführerin.
Nie hätte er gedacht sich einer Räuberbande unter der Führung einer Frau anzuschließen.
Doch er hatte auch nie damit gerechnet einer Frau zu begegnen, die so viel von
Gaunerreinen und so wenig von Körperpflege verstand.
Und weil sie auch sonst viele Gemeinsamkeiten mit ihren männlichen Untergebenen, und
ihn auch noch bei seinem Einstand unter den Tisch gesoffen hatte, vertraute er ihr.
Räuberlogik eben!
Und so saßen er, seine Anführerin samt Bande und auch das Nesthäkchen der Truppe,
die Tochter der alten Räuberin, im Dickicht, und beobachteten den jungen Mann auf
Schritt und Tritt, der gerade seinen Durst an einer Quelle stillte.
Entgegen der Mutter, hässlich wie die Nacht, war das Töchterchen eine Schönheit. Ihr
Schulterlanges Haar trug sie in zwei wirren Zöpfen, die aufgeregt flatterten, und der
Körper des jungen Mädchens hatte weibliche Formen bekommen. So lockte sie mit
unschuldigen Blicken oftmals edelmütige und furchtbar dumme Reiter in die Falle, die sie
unter schallendem Gelächter und nur in Unterhosen bekleidet aus ihrem Wald zu jagen
pflegte, nach dem sie sie ordentlich ausgenommen hatte. Schon allein wegen ihrem Hang
zu leicht sadistischem Humor wagte es aber keiner der wesentlich älteren Männer in der
Räubertruppe mit ihr anzubandeln. Ganz zu schweigen davon, dass sie die Reaktion der
Frau Mutter wohl nicht überleben würden.
Doch auf die Menschenjagd konnte man mit ihnen durchaus gehen.
„Den kleinen Hämpfling schaff ich sogar alleine, Mama-san! Worauf warten wir?“
entrüstete sich das Mädchen und schlug, dies zu Unterstreichem zum Zweck, dem nächst
besten Räuber auf die Nase.
„Wir müssen erst herausfinden, ob er wirklich allein ist, mein Goldkelchen. Nicht
auszudenken, wenn uns der größte Fang durch die Lappen geht!“
Die berittene Räuberin, die auf einem zotteligen Haflinger saß, strubbelte ihrem
Töchterchen durch die Haare, die die Zügel des gutmütigen Tieres hielt.
„Aber du hast Recht, mein Himbeerchen, der arme Trottel hat sich ganz allein im Mamas
Wald gewagt, und so jagen wir ihn auch hinaus! Aber zum Trost wollen wir ihm doch
etwas von seiner Last abnehmen, damit er ohne sein Pferdchen nicht zu schwer zu
tragen hat. Wie sind schließlich kultivierte Leute!“
„Und den Gaul braten wir? Das wird ein Schmaus!“ Das junge Mädchen rieb sich die
Hände, Kenya allerdings wurde zusehens nervöser, was auch Kai alarmierte. Doch er
konnte die erfahren Waldgänger weder sehen, noch ihre flüsternden Gespräche hören.
Irgendetwas stimmte hier nicht, aber was, das konnte er nicht beim besten Willen nicht
sagen.
„Mein Honigtörtchen, das Pferdchen wollen wir aber doch nicht essen. Ein so edles Tier
wird verkauft, das gibt auch noch mal einen Batzen Gold. Dann kannst du dir beim
Waffenschmied ein neues Messer kaufen.“
„Ach Mama-san, was soll ich´s kaufen, wenn ich´s doch ebenso gut stehlen kann?“
fragte die Tochter mürrisch.
„Mein kleines Wühlmäuschen, du hast den Geschäftssinn deiner Mutter!“ lobte diese sie
stolz.
Doch der Späher meldete sich zu Wort: „Mama-san, der Junge riecht Lunte. Jetzt oder
nimmermehr!“
„DANN JETZT!!!!“, schrie die Anführerin, und Kai, der gerade auf Kenya hatte aufsitzen
wollen um Land zu gewinnen, sah sich von einer Horde hässlicher und übel
dreinblickender, zahnfauliger Männer umgeben, die ihn von seinem Hengst wegzerrten
und in wenigen Sekunden von seinem Fell und auch von dem verzierten Messer von
erleichtert hatten.
Doch Kenya ging es nicht besser. Zwar sah er Dank der Anführerin nicht einer Zukunft
als Rollbraten entgegen, doch bedrängt von all den stinkenden Männer, die ihm ruppig
von Sattel und Zaumzeug befreiten, wurde er ängstlich, in seinem Fall offensiv. Erst ein
Hühne, der ihn an der Mähne packte und mit der anderen Hand am Maul drückte,
beruhigte er sich. Gezwungener Maßen.
Bis auf den Riesen, der Kenya in seiner Schraubstockumarmung gefangen hielt, wanden
alle Räuber die Aufmerksamkeit auf den Jungen.
Ebenso die beiden Frauen.
„Was für ein hübsches Messerchen! Hier mein Täubchen, wäre das etwas für dich?“
Sie legte das Meisterwerk aus Tashiros Waffenschmiede in die Hände ihrer Tochter, und
diese betrachtete es freudig.
„Danke Mama-san, du bist so lieb!“ Sie gab ihrer Mutter einen Kuss auf die staubige
Wange und verstaute das Messer unter Kais bösen Blicken an ihrem Gürtel.
Doch dann sah er, dass nur ein Mann bei seinem Hengst stand und entschied sich
wenigstens seinen vierbeinigen Freund zu retten. Er versuchte es mit einer etwas
ungewöhnlichen Methode.
„Kenya, du sture Mähre, sie zu das du endlich läufst, oder es setzt was!“ schrie dem
Hengst entgegen. Die Bande guckte zwar verdutzt, aber der junge Mann lächelte
überlegen. Wenn Kenya etwas hasste, dann im Befehlston angeschrieen zu werden. Und
ausnahmsweise zu Kais großer Freude reagierte der junge Rappe wie genau wie erwartet.
Er bockte.
Buckelnd und um sich tretend und beißend vertrieb er den unliebsamen Störenfried, der
ihn gepackt hatte. Der Räuber hatte schnell klein bei geben müssen, um sich keinen
Pferdekuss einzufangen. Als das Tier aber plötzlich frei dastand, wusste es nicht weiter.
Der Hengst wand sich zu Kai um, darauf wartend das sein junger Herr sich auf seinen
Rücken schwang und mit ihm davonzujagen. Kai hätte dies auch gern getan, aber er
konnte nicht. Stattdessen rief er in beschwingter Tonlage: „Kenya, lauf heim, mein
Hübscher! Lauf schon.“
Der gewollt fröhliche Ton beruhigte den Hengst, und er schien zu verstehen. Er jagte
davon, in Richtung des Königreiches, das noch immer im Freudentaumel eine Heirat
bejubelte.
„Dem Dreckburschen schneid ich die Kehle durch!“ donnerte einer der Räuber, doch seine
Anführerin hielt ihn zurück.
„Na, na, wer wird denn gleich!“, sagte sie freundlich und schlug den Räuber danach von
oben K.O..
„Dieses schlaue Köpfchen sollte auf seinem hübschen Hals bleiben.“
Sie wandte sich Kai wieder zu, der vor Schreck rücklings gestolpert war und nun auf dem
Boden saß.
„Ich bin die stolze Herrin dieser Truppe, nenn mich Mama-san, Kleiner! Das tun hier
sowieso alle.“ sagte sie, lachte und stieg vom Pferd.
„Und dies hier ist mein ganzer Stolz, meine Tochter Kumiko!“ Sie zeigte auf das Blonde
Mädchen, das ich schon zu Kai hinüberbeugte.
„Wie heißt du denn?“
„Kai.“ antwortete er kurz angebunden. Das Mädchen war ihm nicht geheuer.
Nachdem sie ihn betrachtet hatte, wand sie sich ihrer Mutter zu.
„Der ist niedlich, Mama-san, darf ich den behalten.“
Kai entglitten die Gesichtszüge, was in der Räuberbande schallendes Lachen auslöste.
„Nun mein Kätzchen, du weißt was mit dem letzten passiert ist…“
„Ich vergess nicht ihn zu füttern, versprochen. Ich will doch nur einen Spielgefährten. Ich
nehm ihn mit in mein Schlösschen, da kann mir Geschichten erzählen und mir die Haare
flechten. Und wenn er nicht mag, dann pieks ich ihn mit meinem Messer, da wird er mir
schön gehorchen!“
Kai verfolgte mit Entsetzen, das Gespräch zwischen Mutter und Tochter. Und je mehr
Kumiko von sich gab, desto angenehmer schien die Vorstellung bei den Räubern zu
bleiben. Allein mit DER???
Doch Mama-san machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Sie wiegelte mit dem Kopf
und sprach mit Kai, als wolle sie ihre Erziehung entschuldigen. „Ich verwöhne sie viel zu
sehr, aber ich kann ihr einfach keinen Wunsch abschlagen.“
Dann rief sie den Späher heran. „Er scheint doch etwas zu kräftig, für meine Kumiko.
Bind ihm die Hände und Beine zusammen. So das er sich noch gut bewegen, aber auch
nicht fliehen kann. - Wenn der alte Nakajima fertig ist, darfst du ihn haben,
Butterblümchen!“
„Oh Danke Mami!“ rief Kumiko und drückte ihre Mutter überglücklich, während sie ihr
Gesicht mit Küsschen überhäufte.
Nakajima kettete Kai mit festen Eisen die Fußknöchel so zusammen, dass er zwar noch
relativ ungehindert gehen, aber auf gar keinen Fall rennen konnte. Flucht war also nicht
drin.
Danach band er mit festen Seilen sein Hände zusammen. Dabei flüsterte er ihm zu.
„Besser du tust immer, was sie dir sagt. Die Kleine wurde vom Wahnsinn geküsst, denke
ich. In einem Moment ist sie fröhlich, im nächsten übellaunig wie eine Furie. Ich möchte
nicht in deiner Haut stecken, sollte sie mal zornig auf dich sein. Halt lieber die Füße still,
Junge.“
Er klopfte Kai auf die Schulter und nickte seiner Chefin zu.
Kumiko zog Kai auf die Beine, klopfte ihm grob den Dreck ab, und betrachtete ihr neues
Spielzeug, offenbar zufrieden.
„Jetzt guck nicht so.“ bat sie zuckersüß. „Wie können ne Menge Spaß zusammen haben.
Und solange wir uns nicht verkrachen wird dir auch keiner was tun! Wirst sehen, das wird
lustig mit uns!“ Sie zog ihn weg, und Kai stolperte hinterher.
„Ich zeig dir erst mal wo wir wohnen. Nakajima komm, bring seine Sachen.“
Nakajima lud sich also den Mantel auf und folgte dem Mädchen mit Kai im Schlepptau.
Diesem war bis auf das Fell nichts geblieben. Das Gold und das silberverzierte
Zaumzeug, das Itsuki ihm geschenkt hatte behielt die Bande. Sein Messer und den
wenigen Proviant hatte Kumiko sich eingesteckt, und seinen Mantel in den die Fellstulpen
und Handschuhe eingewickelt waren, trug Nakajima seiner jüngeren Chefin hinterher.
Diese führte ihn zu einer zugewachsenen Burgruine. Im Keller, dem einzigen intakten
Raum, hatte sie sich recht wohnlich eingerichtet. Eine Treppe führte hinunter. Ein Bett
mit kuschligen Fellen, erinnerte Kai wie müde er war. Schalen mit Obst und
Kerzenleuchter verliehen dem Raum einen gewissen Glanz. Im hohen Fenster, das sich
von außen betrachtet kaum zwei Ellen über dem Erdboden befand, klimperte ein
hölzernes Windspiel.
Und in einer Nische des Raumes vernahm der junge Mann ein verdächtiges Kratzen
hinter einer Holztür. Auch Kumiko hörte es. „Sei still Kyosuke, ich geh ja gleich und hol
dir was!“
Dann wandte sie sich an Nakajima, der gerade den Mantel auf dem Polster einer
verzierten Holzbank ablegte. Sie war am Boden mit sehr groben Füßen gestützt. Sie
stammte offenbar aus einer Kutsche und war von den Räubern herausgebaut und
zimmertauglich gemacht worden. Die ganze Einrichtung war buchstäblich
zusammengeklaut.
„Nakajima, mein Lieblingsonkel. Fütterst du mein Rentier?“
„Aber ja, Kumi-chan, nur einen Moment.“ antwortete der in einer Tonlage die verriet, das
er das eigentlich immer tat und trollte sich aus dem Zimmer.
Dann schupste sie den überrumpelten Kai zum Sofa hinüber, der Probleme bekam auf
den Füßen zu bleiben, da ihn die Fussfesseln doch behinderten. Zögerlich setze er sich
auf das rote Polster und Kumiko ließ sich neben ihm fallen und kicherte dabei.
„Meine Güte, bist du aber tollpatschig, du wärst beinah böse gestolpert!“ lachte sie.
„Lauf du doch mal mit den Fußkettchen rum!“, knurrte er, aber sie störte sich nicht an
dem Ton. Vielmehr schien es sie zu belustigen das ihr neuer Spielgefährte schlecht gelaunt war.
„Nöö, ich lass dich lieber damit rumlaufen. Sie stehen dir sowieso viel besser als mir.“
Mit diesen Worten zückte sie Kais Messer, sodass der eigentliche Besitzer vorsorglich
etwas Abstand suchte. Man wusste ja nie bei einem Mädchen wie diesem. Dabei hatte er
doch keine Zeit für so was!
Er könnte unlängst im Reich des Schneekönigs sein, stattdessen hockte er mit dieser
Irren hier und spielte Haustier.
„Hab keine Angst, ich will dir nichts Böses!“
„Na wie beruhigend…“
„Du bist lustig, wen du so rumknurrst.“, freute sie sich. „Wenn du brav bist, mach ich
deine Hände los! Also, bist du lieb und hörst auf mich?“
Ein mürrisches Grummeln genügte ihr als Antwort und sie durchtrennte ohne viel
Kraftaufwand die Fesseln an den Händen des jungen Mannes. Kai rieb sich daraufhin die
leicht gereizten Handgelenke.
Kumiko hingegen betrachtete erstaunt das Messer. „Das ging aber leicht, dieser kleine
Dolch ist ein echtes Meisterstück. Woher hast du den?“
„War ein Geschenk…“
„Dann bedeutet er dir wohl viel?“ bat sie lieb.
„Ja, das tut er!“ zischte er sie an.
Etwas traurig steckte sie den Dolch weg. Und die beiden schwiegen sich an.
Nakajima löste die verkrampfe Stimmung, als er mit zwei Eimern, einer mit frischen
Wasser, der andere mit Futter gefüllt, die Treppen hinunter stapfte, und dabei schnaufte
er mächtig.
Er schickte sich bereits an, die Tür zum Rentier zu öffnen, doch Kumiko funkte ihm
dazwischen. Allerdings erstaunlich liebenswert.
„Onkelchen Nakajima? Lass mal, den Rest erledigen mein neuer Spielgefährte und ich!“
Nakajima nickte und wand sich gen Treppe, in der Absicht ans Lagerfeuer zurück
zukehren, wo gerade die Unglückskannichen des Tages über dem Feuer brutzelten.
Kai aber zog eine Augenbraue hoch und sah die Räubertochter herausfordernd an. Ihm
war nicht bewusst wie gut er dabei aussah, und zum ersten Mal in ihrem jungen Leben
war Kumiko wegen eines Mannes verlegen.
„Ich … ich dachte wie füttern Kyosuke zusammen? Mh?“
„Ich weiß auch schon wer die Eimer in den Stall tragen darf.“ meinte Kai gespielt zynisch.
So schüchtern wie sie war, erinnerte sie ihn an die kleine Yuki aus seiner Heimat, die
auch Gefallen an ihm gefunden hatte. Doch Frauen würden es schwer bei ihm haben,
soviel hatte ihm die Reise schon gezeigt. In seinem Herzen hatte sich der Fremde Mann
mit dem vibrierenden Bass in der Stimme bereits erstaunlich fest verankert.
Doch das war kein Grund nicht nett zu ihr zu sein. Zum einen schien sie im Grunde ihres
Herzens doch ein liebes Mädchen zu sein zum zweiten würde Kai einen Komplizen
brauchen das Räuberlager verlassen und in das Reich des Schneekönigs zu gelangen.
So trug er versöhnlich die Eimer in den Stall, der eigentlich ein umfunktioniertes
angrenzendes Zimmer war. Kumiko schloss die Holztür und stapfte durch das hohe Heu
an Kai vorbei.
In dem Zimmer stand ein prächtiges Rentier in den mittleren Jahren, das aufmerksam zu
Kai hinüberblickte.
Kumiko schlang die Arme um den kuscheligen Hals des Tieres und knuddelte es
ordentlich durch.
„Ist er nicht wunderschön, mein Kyosuke?“ strahlte sie. Kai bemerkte erneut wie kindlich
sie eigentlich war.
„Ein hübsches Tier.“ bestätigte er mit dem sanften Lächeln eines großen Bruders.
„Ja, nicht? Wenn man bedenkt, das diese dummen Räuber ihn fressen wollten. Aber ich
habe ihn gerettet und manchmal reiten wir zusammen aus!“
Kai, der dem Rentier gerade sein Abendessen servierte, war erstaunt: „Er läuft dir nicht
davon?“
„Nein“ grinste sie und vergrub ihr Gesicht in dem weichen Fell. „Er hat mich eben lieb.“
Und tatsächlich hob Kyosuke die Schnauze aus dem frischen Wasser und beschnupperte
Kumiko um ihr dann über das Gesicht zu schlecken.
„Iiiewaah, Großer! Hör auf mich voll zu sabbern!“
Kai ließ sich ins Heu sinken und lehnte sich an die Wand. Kumiko ließ ihren Liebling in
Ruhe fressen und ließ sich neben ihm nieder.
„Du magst deinen Kyosuke sehr gern nicht?“ (1)
„Mhm. Ich habe hier nicht viele Leute zum reden, weißt du.“ sie wiegelte traurig den
Kopf. „Mama-san lässt mich alles haben was ich will. Und die Bande, sind zwar rohe
Kerle, aber zu mir sind sie immer nett. Trotzdem, es ist eben niemand hier, mit dem ich
richtig gerne zusammen bin.“
Sie zögerte. „Aber jetzt bist du ja da!“
„Kumiko, ein Rentier das du laufen lässt, aber das zu dir zurück kommt, hat dich gern.
Aber ein Freund in Ketten ist kein Freund. Nicht richtig!“
Er sah sie forschend an, um herauszufinden, ob sie es richtig verstanden hatte.
„Du bist also nicht gerne hier…“ stellte sie bedrückt fest.
„Das hab ich nicht gesagt. Aber ich bin nicht freiwillig hier, und das macht es nicht
besser.“
„Du-du meinst wegen den Ketten?“, sie deutete auf seine Füße. „Bleibst du denn wenn
ich dich los mache.“
„Nein.“ sagte Kai ehrlich und Kumiko blickte verletzt weg. Kyosuke, der mit Fressen fertig
war, legte sich neben seine Freundin ins Heu und ließ sich die Schnute kraulen.
„Das liegt aber nicht daran, dass ich dich nicht mag.“ bat er lieb. „Aber ich habe etwas
wichtiges zu tun! Kumiko, bitte! Ich muss weiterreisen. Wenn ich bleibe, dann wird
Menschen die mir viel bedeuten, etwas Furchtbares zustoßen. Hilf mir, Kumi-chan!“
Sie wandte sich mit Tränen in den Augen zu ihm um. „Warum lassen mich denn immer
alle alleine? Wo willst du denn hin, Kai? Du bist doch gen Norden gereist? Aber dort
befindet sich nur das Reich der Schneekönigin! Nur Eis und Kälte und niemals Frühling!
Was willst du denn da?“
Einmal mehr war Kai kurz davor alles Preis zu geben. Er hatte keine Wahl. Er war auf
Kumikos Wohlwollen angewiesen.
„Glaubst du denn an das Märchen der Schneekönigin, Kumi-chan?“
„Ja klar. Eine Schneefrau, die den Spiegel der Teufel kaputt gemacht hat. Sie ist ja
praktisch unsere Nachbarin. Ich meine- ich hab sie nie getroffen oder so. Und die Männer
glauben ich hab ´nen Knall. Aber ich denke dass es sie gibt. In dem Land, das hinter das
Gebirge an unseren Wald grenzt, ist immer Schnee. Niemals, seit Generationen schon,
soll es dort keinen Frühling mehr gegeben haben.“ berichtete sie ihm.
„Kann ich mir vorstellen. Kumiko, ich muss dir etwas erzählen.“ gestand er. Jetzt oder
niemals. Wenn er Kei retten wollte, musste er hier weg. Und das ging nun mal nur mit
Hilfe.
„Eine gute Nacht Geschichte?“ freute sie sich. Auch das Rentier sah in neugierig an, als
würde es Kai verstehen.
„Nun ich fürchte nicht. Ich weiß nämlich noch nicht wie die Geschichte ausgehen wird.“
druckste der junge Mann herum, verzweifelt nach einem passenden Einstieg suchend.
„Macht nichts.“, versuchte Kumiko ihn aufzumuntern. „Ich werde mir ein fröhliches Ende
für dich ausdenken.“
Kai lächelte sie warm an. „Das wäre wirklich schön. Also pass auf, die Geschichte beginnt
in meiner Heimatstadt…“
Auf Kumikos bittenden Blick hin, nahm er das liebe Mädchen in den Arm. Er vertraute ihr
einfach ALLES an. Und während er seine traurige Trennung von seinem Bruder schilderte
und von seiner folgenden Reise berichtete, wurde sie immer ruhiger und kraulte nervös
Kyosukes Nase.
Als Kai endete, mit der Gefangennahme durch Kumikos höchsteigene Räuberbande, war
sie eine Weile still.
„Wie furchtbar, er hat deinen Bruder geholt.“ repetierte sie die Ereignisse.
„Ich weiß nur leider nicht warum. Ich habe keine Ahnung, was zu tun ist, wenn ich dort
bin.“
„Aber der Mann aus deinem Traum hat doch gesagt, dass du da hin sollst! Das wird sich
dann schon finden.“
„Dazu muss ich aber erst mal hinkommen, Kumi-chan…“ meinte er mit vielsagender
Stimme.
„Das heißt, dass ich dich gehen lassen muss.“ stellte sie traurig fest.
„Sonst ist mein Bruder verloren.“ entgegnete er.
Für eine Weile blieb sie still. „Es ist das erste Mal seit langen, das ich jemandem in
annähernd meinem Alter begegne. …und dann noch jemand der so lieb ist.“ Sie blickte
rotwangig zu ihm hinauf. Er strich durch ihr Haar, und sie lächelte, zögerte.
„Bleib noch über Nacht. Wenn du morgen in der Früh aufbrichst, reicht es auch. Die
Bande säuft sich so sturzbesoffen, die wachen vor Mittag nicht auf.“
„Ich danke dir Kumiko!“ sagte er und küsste ihr Haar.
„Trotzdem möchte ich früh los. Ich hab schon Zeit verloren. Und ohne meinen Hengst
Kenya wird es noch länger dauern.“
„Wolltest du ihn mitnehmen. In das Frostreich!?!“
„Nur bis zur Grenze, dann hätte ich ihn zurück zum Schloss Tachibana geschickt. Er wäre
erfroren, hätte ich ihn mitgenommen.“
„Kai, nimm Kyosuke mit. Er kennt sich im Eis aus. Er kann dich vielleicht nicht bis direkt
vor ihr Schloss tragen, aber weiter als ein Pferd es könnte. Er stammt von da.“ plapperte
sie ganz aufgeregt.
„Das wäre wirklich hilfreich. Aber woher willst du denn wissen, woher er kommt.“
„Na weil er es mir gesagt hat?“ meinte sie bierernst.
Kai grinste breit, über das naive Mädchen. „Bist du dir sicher, Kleines.“ fragte er sie
väterlich, mit einem Tonfall der kundtat, das er ihr nicht glaubte.
Ihr fiel das auch auf. „Ach komm schon, Kai. Nach einer Schnee… Einem Schneekönig,
fliegenden Schlitten und sprechenden Raben, solltest du mir ruhigen Gewissens Glauben
schenken können!“ rügte sie ihn.
„Nun, das stimmt schon. Dennoch, Raben sind magische Geschöpfe, das weiß jedes Kind.
Aber sprechende Rentiere, Liebes? Kyosuke ist sicher großartig, aber ich denke nicht das
er sprechen kann.“
Das Tier erhob sich daraufhin und nahm auch den Kopf von Kumikos Schoß und
schnaubte Kai wütend ins Gesicht. „Nur weil wir mit euch Menschen nicht sprechen,
heißt das nicht, dass wir nicht sprechen können. Und ja, ich bin großartig!“
Für einen Moment blieb Kai nur mit hängender Kinnlade vor ihm sitzen. Dann besann er
sich, um sich zu entschuldigen: „Verzeih mir bitte, Kyosuke, ich stand nicht in meiner
Absicht dich zu kränken.“
„Jaja, schon gut. Ich hab ja alles gehört und ich werde dir helfen. Ich kenne mich
tatsächlich im Reich des Schneeprinzen aus. Aber bis vor das Schloss, wage ich mich
nicht.“
„Prinzen???“ riefen Kai und Kumiko im Chor.
„Er hat sich noch keinen Gefährten gewählt. Sie oder er muss keine Prinzessin oder Prinz
sein, aber erst wenn der Herrscher des Winters sich einen Partner gesucht hat, wird er
zum König werden. Aber das ist unwichtig. Seine Macht ist deshalb nicht geringer. Und
ich weiß auch nicht, ob er überhaupt einen Gefährten will.“
„Was will er dann von meinem Bruder?“
„Wenn man den Quellen glauben schenken will, versucht der Eisprinz den Spiegel wieder
zusammen zu setzen. Dafür braucht er die Hilfe von Menschen. Der Spiegelsplitter in Keis
Herzen verleiht deinem Bruder vermutlich die Fähigkeit, die anderen Teile
zusammenzufügen.“
„Verstehe.“ sagt Kai tonlos.
Kyosuke rieb den Kopf an seiner Wange. „Geht jetzt schlafen, der Tag morgen wird lang.
Vorallem für dich und mich, Kai.“
Kai und Kumiko erhoben sich, und Kai ging schon Richtung Bett. Kumiko zögerte noch.
Kyosuke sah sie liebevoll mit treuen dunkeln Augen an. „Ist das in Ordnung für dich?“
Sie nickte tapfer „Ein Rentier das du laufen lässt, aber das zu dir zurück kommt, hat dich
gern.“ zittierte sie.
„Ich werde zu dir zurückkommen, Kumiko. Denn ich hab dich sehr, sehr lieb!“
Sie fiel ihrem Rentier um den Hals und schniefte in sein Fell. „Kai“, rief sie hinter sich.
„Ich werde im Heu schlafen, hier bei Kyo-“ sie zögerte, als sie eine Decke auf ihren
Schultern spürte. Als sie sich umsah, stand Kai mit Kissen und einer weiteren Decke da.
„Dachte ich mir schon. Aber Kumiko, könntest du mich von diesen Dingern befreien?“
Kumiko knackte fachmännisch das Schloss der Eisen an Kais Fuß. Danach schliefen die
drei bis zum frühen Morgen, Kumiko in der Mitte, eng an ihren Rentierfreund gekuschelt.
Kai hielt sie von hinten in einer wärmenden Umarmung. So weit nördlich war es doch
recht frisch. Seit langem hatte er nicht solche Geborgenheit empfunden. So war er auch
etwas mürrisch als Kyosuke sie am Morgen weckte.
Im Reich Eis und Schnee: Eine stürmische Begegnung
Kumiko gab ihm bereitwillig alle seine Sachen zurück. Das war auch gut so. Der Mantel
und die anderen Sachen waren lebensnotwendig, wenn man in dem Reich des Eisprinzen
eine Weile überleben wollte. Nur bei dem hübschen Dolch tat sie sich etwas schwerer.
Hätte sie nicht gewusst, wie viel er Kai bedeutete, sie hätte ihn wohl behalten.
Auch ihrem geliebten Kyosuke legte sie eine wärmende Ponydecke um, und schnallte sie
vor der plüschigen Brust des Rentieres gut fest. Zwar war der gute Kyosuke an kalte
Temperaturen gewöhnt, das hieß aber noch lange nicht, dass er nicht erfieren konnte.
Sie machte sich eben Sorgen und er ließ es gütig über sich ergehen.
Klärchen quälte sich in ihrem orangroten Morgenmantel grade über dem Horizont den
Himmel hinauf, als Kai vorsichtig auf dem Rücken des lieben Tieres aufsaß. Kumiko hatte
sie ein Stück vom Lager wegbegleitet. Wie sie vorhergesagt hatte, schlief die
Räuberbande noch tief und fest und schnarchte so laut, das es einen schon verwundern
konnte, dass der Wald noch an Ort und Stelle stand.
Nun hieß es schon wieder Abschied nehmen, und obwohl Kyosuke versprach bald wieder
zurück zu sein, weinte Kumiko. Das erste Mal seit Jahren, weil sie Angst um ihn hatte.
Kai versprach ihr hoch und heilig auf ihn aufzupassen, auch wenn es wohl eher
umgekehrt der Fall sein würde.
Dann zogen die beiden los. Sie ließen die junge Räubertochter zurück, die noch lange
winkte. Kyosuke, der wesentlich kräftiger war, als es den Anschein machte, verfiel recht
schnell in einen Galopp. Sie hatten recht schnell den Fuß des Gebirges erreicht. Kai stieg
ab und sie erklommen gemeinsam einen schmalen Pfad, der sie zu einem Pass führen
sollte. Kai folgte dem erfahrenen Rentier und versuchte sein Füße nach dessen Spuren zu
setzen. Hinunterschauen mochte er lieber nicht, denn neben dem schmalen Pfad, der sich
den Berg hinauf schlängelte fiel es rasch, sehr, sehr steil ab.
Endlich am Pass angekommen wurde es endgültig bitterkalt. Kai hatte den dicken Mantel
schon vor einer Weile übergeworfen, aber nun wurde es Zeit auch in die Stiefel und die
dicken Handschuhe zu schlüpfen.
Vor ihm erstreckte sich eine riesige Schneelandschaft. So weit das Auge sah, und sie
standen immerhin auf einem Berg, war nur glitzerndes Weiß. Sanft fielen die
Schneeflocken vom Himmel und tanzen solange im sanften Windhauch, bis sie auf den
Boden glitten und zusammen mit ihren Brüdern und Schwestern zu einem Teil dieses
riesigen Teppichs vereinten, der vom Fuße des Berges bis hinter den Horizont zu reichen
schien. Es war wie eine Welle aus weißen Silber der unter dem wolkenlosen blauen
Himmel die mittlerweile hoch stehende Sonne schimmernd reflektierte. Nur über dem
Berg hatten sich weiße Wolken zusammengezogen, sie ihre glitzernden Kinder auf den
Winterball zu schicken gedachten.
Es war atemberaubend.
Doch was Kai am meisten in erstaunen versetze, war der Weg, der zum Silbermeer
hinabführte. Eine breite Treppe aus weißem Mamor führte den Berg hinab und machte
jedem klar das er sich im Reich eines mächtigen Magiers befinden musste.
Seite an Seite schritten sie behutsam die scheinbar unberührten Stufen hinab. Der Weg
war für Kai wesentlich bequemer, doch Kyosuke stakste unsicher herum. Es fiel ihm
schwer mit den Hufen sichern halt auf den spiegelglatten Stufen zu finden. So gingen sie
eben sehr langsam, erreichten aber sicher ihr Ziel. Unten angekommen wollte Kai ein
Schluck aus der Feldflasche zu nehmen. Dies erwies sich als etwas schwierig, den das
Wasser war gefroren.
„Na dann eben nicht!“ frozelte er die Flasche an, sein Atem gefror Augenblicklich und er
steckte resigniert das Wasser weg.
Kyosuke hatte die Szene beobachte und riet ihm einen Eiszapfen von einem der
Felsvorsprünge abzubrechen. Gesagt getan und Kai lutschte eben sein Wasser.
„Steig auf, mein Junge. Wenn wir heut Nacht ein Lager finden wollen, in dem wir in der
Dunkelheit nicht festfrieren, müssen wir noch ein ganzen Stück hinter uns bringen.“
Sie jagten bereits Stunden durch das ewige Eis so schien es, doch nichts anders war zu
sehen als Eis und Schnee. Wären die Berge hinter ihnen nicht nach langer Zeit hinterm
Horizont verschwunden, man hätte meinen können, sie hätten sich nicht von der Stelle
bewegt.
Sei einiger Zeit schaute Kyosuke öfter mal besorgt in den Himmel. Auch Kai war nicht
entgangen dass es dunkler geworden war. dabei konnte es erst später Nachmittag sein.
Doch über ihnen hatten sich bedrohlich graue Wolken aufgetürmt, die die Sonne nicht
hindurch ließen. Es auch noch einmal um ein vielfaches Kälter geworden und Kai hatte
sich ein Halstuch vor Mund und Nase gebunden, um sein Gesicht vor Erfrierungen zu
schützen. Durch den eigenen Atem angewärmt herrschte ein recht angenehmes Klima
darunter, auch wenn es für Kais empfinden etwas zu muffig roch. Er hatte es im Mantel
gefunden. Das Haarband seiner Mutter trug er noch immer ums Handgelenk, und es gab
ihm Kraft, wenn er kurz davor war einzuschlafen und von Kyosukes Rücken zu fallen.
Dabei war es das Rentier, das die gesamte Arbeit machte, er musste sich nur ein
bisschen zusammenreißen, dann ging das schon.
Aber er hatte arge Probleme. Der Wind peitschte ihm seit geraumer Zeit immer heftiger
ins Gesicht und dicke Schneeflocken durchnässten nach und nach sein Tuch, es gefror
langsam selbst und war kaum noch ein Schutz. Er konnte wage einige Umrisse erkennen,
die sich dunkel zwei, drei Meter aus dem Boden erhoben.
Als sie näher heran kamen, wurde klar, dass es sich um dunkele Felsen handelte, die
offenbar aus Onyx bestanden.
Kyosuke hielt an, und wies Kai liebevoll an abzusteigen. Der junge Mann rutschte mehr
hinunter als das er freiwillig abstieg. Nur Kyosukes vorsichtiges Anstupsen mit der
warmen Nase bewegte Kai dazu, sich an seinem Freund hinauf zu ziehen und, vom
diesem gestützt, die letzen Schritte in den Windschatten der mannshohen Halbedelsteine
zu schlürfen. Er setze sich, eng in seinen Fellmantel gekuschelt auf einen flachen, breiten
Stein und Kyosuke klackerte mit seinen Hufen, als er im Begriff war, sich daneben zu
legen. Kais linke Flanke wärmend legte er seinen Kopf in dessen Schoß. Und nun, da er
einen Moment Ruhe hatte, fing Kai fürchterlich zu zittern an. Er drängte sich instinktiv
enger an seinen Freund, saugte begierig die dargebotene Wärme in sich auf. Doch das
schien es nur noch schlimmer zu machen. Erst dadurch, das er seinem Körper von außen
Wärme zuführte, merkte er, wie viel Verlust er daran erlitten hatte. Hätte Kyosuke nur
etwas länger gewartet, Kai wäre auf seinem Rücken im Schneesturm erfroren. Dem
Himmel sei Dank, hatte das bewanderte Tier den schlechten Zustands seines Partners
bemerkt und schnell reagiert. Doch wäre die Felsengruppe nicht hier im Eis gestanden,
hätte er kaum etwas tun können.
„Du bist ein kleiner Pechvogel, wir mir scheint, mein Lieber?“ fragte er die Blonde
Frostbeule nach einer Weile um ihn wach zu halten.
„Wie mheinst duh dassss?“ fragte Kai schlotternd.
Kyosuke grinste ihm lieb zu, und zog dabei eine herrliche Schnute, mit seiner
Rentierschnauze, sodass Kai lieb zurücklächeln musste. „Na erst läufst du in ein
Fangnetz, dann lässt du dich von korrupten Soldaten einfangen, dann von einer
Räuberbande entführen und landest zu guter Letzt in einem mächtig bösen
Schneesturm.“ sinnte Kyosuke über die Tiefpunkte von Kais Reise nach.
„Tja tut mir Leid. Ich fürchte es war nicht gerade eine Glanzleichtung, die ich an den Tag
gelegt habe.“ antwortete er schwach.
„Kannst ja nix dafür.“ versuchte seine fellbedeckter Freund ihn auf zu bauen. “Du hast
großen Mut bewiesen, und bist allen schlechten Umständen bisher entkommen. Das ist
doch ne Leistung. Dein Bruder wird stolz auf dich sein.“
„Wenn…er überhaupt noch weiß…. wer …wer ich bin.“ flüsterte Kai. Er war schon wieder
dabei einzuschlafen. Kyosuke wusste sich nicht anders zu helfen und schleckte dem
jungen Mann mitten übers Gesicht. Uns es half. Schimpfend und vor allem wieder bei
Sinnen wischte sich Kai den Sabber aus dem Gesicht.
„Was glaubst du wann das Gestürme wieder aufhört.“ fragte er ihn und das Rentier
schüttelte sein zottiges Haupt. „Schwer zu sagen. Stürme kommen und gehen hier sehr
schnell.“ Er zögerte. „Doch sehr viel weiter kann ich dich nicht tragen. Ich bin schon
weiter in das Eisreich vorgedrungen, als mir lieb ist.“
„Sag, woher kennst du dich hier so gut aus?“ wollte Kai nun wissen. Er wusste, das er
noch nicht einschlafen durfte. Sein Körper war noch so ausgekühlt, das er fürchtete nicht
wieder aufzuwachen.
„Es mag sich merkwürdig anhören, aber ich habe eine Freund hier. Doch ich fürchte mich
vor dem Winterherrscher zu sehr, als das ich ihn oft besuchen würde. Außerdem gibt es
jemanden der auf mich wartet.“ Plötzlich lächelte Kyosuke warm. Es war klar das er an
Kumiko dachte.
„Du magst sie sehr.“ stellte Kai doppeldeutig fest. „Aber du, du bist ein Rentier.“
„Das war nicht immer so…“ murmelte der Angesprochene. Kai sah ihn fragend an.
„Ich kam als junger Bursche von fünfzehn Lenzen mit einem Freund hierher um nach der
Schneekönigin zu suchen.“
„Und ihr habt einen Eisprinzen gefunden.“ schlussfolgerte Kai.
„So ist es. Er ist wunderschön, so sehr das es wehtut. Aber er kann menschliche Wärme
nicht ertragen. Mein Freund hat sich zu ihm hingezogen gefühlt. ich hingegen hatte Angst
vor seiner Erscheinung.“
Kai errötete, was auf seinen blassen Wangen überdeutlich zu Vorschein trat. „Du- du
meinst dein Freund hat sich in IHN verliebt?“
„Nun nein. Er hat ihn lieben gelernt, daran zweifle ich nicht, aber auf einer anderen
Ebene. Nachdem wir den Eisprinzen ausfindig gemacht hatten, ließ er uns eine Weile im
Schloss bleiben. Einem Palast aus Eis. Mein Freund sagte immer, das er sehr einsam ist,
und deshalb unser Anwesenheit duldete.“ Er rutsche etwas herum, um es sich bequemer
zu machen bevor er weitererzählte. „Weißt du, mein Freund und ich sind im gleichen
Alter gewesen, trotzdem hat er mich immer beschützt. Er war immer wie ein großer
Bruder für mich gewesen. Doch nach einiger Zeit im Palast merkte ich, das er alles daran
setzte den Eisprinzen glücklich zu machen. Er versuchte ihm ein Freund zu sein und ihm
seine Einsamkeit zu nehmen.“
„Kai legte den Kopf schief. Ohne ein Quäntchen Anklage in der Stimme fragte er: „Warst
du eifersüchtig?“
Kyosuke lachte bitter auf. „Nein, nicht wirklich. Aber ich hatte Angst um ihn. Wie gesagt,
der Eisprinz meidet menschliche Wärme. Impulsive Menschen, mit Feuer im Herzen,
erträgt er nicht. Um ihm nahe sein zu können, zügelte mein Freund sein Feuer und
schloss es sicher in sich ein. Seine Spontanität, sein Humor schien abgestorben. Als wir
zusammen waren, haben wir immer viel gelacht, doch nun lachte er gar nicht mehr. Ich
hatte den Eindruck, als würde er alle seine Gefühle unterdrücken, um ihm nahe sein zu
können. Und das war auch so!“
„Und das hat dir Angst gemacht.“ meinte Kai traurig.
„Ja, es hat mir Angst gemacht, schrecklich Angst sogar.“ seufzte Kyosuke. „Mein Freud
hat sich sehr verändert, und ich hab es nicht verstanden. Am Anfang dachte ich er hätte
sich in ihn verliebt, wie du schon sagtest. Aber seine Gefühle bewegen sich auf einer
anderen Ebene. Er würde sterben für den Eisprinzen, so war es damals und so ist es bis
zum heutigen Tag.“ Kyosuke kuschelte sich nachdenklich an Kai an.
„Ich fürchtete ihn zu verlieren, ihn an seiner Zuneigung zu Grunde zu gehen sehen. Also
wollte ich ihn dazu bewegen mit mir zu kommen. Nach Haus zu kommen. Doch er sagte
er würde nicht folgen. Ich dachte, der Eisprinz hätte ihn verhext, also suchte ich nach
dem Spiegel. Ihn zu zerbrechen um damit auch seine Macht zu brechen. Und mein
Freund zu befreien. Ich suchte den ganzen Palast danach ab, auch den Teil, den zu
betreten er mir verboten hatte. Ich fand den Spiegel, oder besser, was davon übrig war.“
„Du wusstest nicht das er zerbrochen war?“
„Nein, und es zu sehen, war ein Schock für mich. Kein Zauber, kein Fluch lag über
meinem Freund. Er wollte aus freien Stücken bleiben. Da verlor ich die Hoffnung. Ich
konnte nicht anders und fing an zu schluchzen, als stünde das Ende der Welt bevor.“
Kai sagte nichts dazu, es war einfach zu traurig.
„Mein Freund fand mich dort wie ich bitter enttäuscht und verletzt am Boden lag, und
auch der Herrscher dieses Schlosses fand mich. Doch ich hatte einen weiteren Fehler
begangen. Mein Gefühlsausbruch bedeutete auch, das sich der Eisprinz mir fortan nicht
mehr näher konnte. Er verbannte mich aus seinem Reich. Doch ich hätte den Weg aus
dem ewigen Eis alleine nicht gefunden. Das erfrieren im Schnee war mir sicher.“
„Aber du bist ja noch hier.“ meinte Kai betroffen.
„Mein Freund bat den Eisprinzen mein Leben zu schonen, und auch er hatte nie Groll
gegen mich gehegt, Aber ich konnte nicht in seiner Nähe bleiben. Doch im Winter allein
überleben konnte ich auch nicht. So verwandelte er mich in ein Rentier, damit ich den
Weg zurück finden konnte. Ich und mein Freund trafen uns manchmal an der Grenze des
Reiches, doch ich bin nie ins Schloss zurückgekehrt, und er würde seinen Prinzen, seinen
Herren nie verlassen.“
„Das ist tut mir so leid.“ meinte Kai mitfühlend und strich dem Rentier, das einst ein
Mensch gewesen war, über die Blesse.
„Es ist wie es ist.“ antwortete Kyosuke abgeklärt. „Und wäre ich nicht verwandelt
worden, hätte ich Kumi-chan vielleicht nie kennen gelernt.“
Kai war erstaunt, das Kyosuke dieser traurigen Lebensgeschichte etwas Positives
abgewinnen konnte.
Er versuchte selbst ein paar tröstende Worte zu finden, doch ihm fiel nichts ein. So
schwiegen sie eine Weile, und Kai, der sich in Kyosukes Nähe behütet fühlte, merkte
nicht, wie sich der dunkle Griff des Erfrierens enger um ihn zuzog. Doch seine Kräfte
waren erschöpft und er hatte nichts entgegenzusetzen.
Das Kyosuke ihn plötzlich panisch anstupste und ihn anflehte nicht einzuschlafen nahm er
nur von fern wahr. Und er war so unglaublich müde…
Das verzauberte Rentier überlegte fieberhaft, was es machen sollte. Außer wärmen fiel
ihm aber nichts ein, und Kai war dabei ihm unter den Hufen wegzusterben. Er zuckte
aber furchtbar zusammen, als sich hinter ihm ein riesiger Schatten erhob. Als er sich
umwand erblickte einen Bär von einem Mann, der in ebensolche Felle und andere dicke
Kleidung eingehüllt war. Kyosuke war erleichtert, jetzt gab es noch Hoffnung für seinen
Freund Kai.
Dennoch rügte er seinen alten Weggefährten.
„Du bist reichlich spät, Masanori.“
„Verzeih, mein Freund aber der Sturm hat mich länger aufgehalten, als mir lieb ist. Was
ist mit dem Jungen?“
„Er erfriert!!“, sagte Kyosuke bitter.
Masanori beugte sich über den Blondschopf der beinah völlig weggetreten war, strich mit
seinen starken Händen sanft über die viel zu kalten Wangen. Der junge Mann erwachte
durch die zärtliche Berührung. Flatternd öffnete Kai die Augen. Und was er sah, ließ ihn
lächeln. Endlich sah er ihn wieder. Den Mann, mit den tiefen dunklen Augen, den starken
Armen… den so verführerischen Lippen.
„Ist das ein Traum?“ fragte er ihn. „Bitte lass es keinen sein. Und wenn doch, will ich nie
wieder aufwachen!“
„Es ist kein Traum.“ antwortete er mit seiner wohlig tiefen Stimme. „Und wenn du jetzt
einschläfst, vergebe ich dir das nicht.“ Er zog unter seinen Fellen ein Gefäß hervor,
schraubte es auf und half Kai in eine warme Position. „Trink das, aber langsam.“ bat er.
Kai nippte er zögerlich. nahm dann aber dankbar mehrere kräftige Schlucke von dem
heißen Tee, wobei er aber die Hilfe seines Retters brauchte. Als er schließlich nickte,
steckte Masanori das Gefäß wieder weg. „Fühlst du dich schon besser?“, raunte er Kai
besorgt zu.
Und in der Tat, er tat es! Der Tee hatte Wirkung gezeigt, wärmte von innen.
Masanori lächelte, nahm ihn auf seine starken Arme und hüllte den halberfrorenen
jungen Mann in seine Felle mit ein.
Kai schmiegte seine Wange an die warme, breite Brust. Er wusste, er durfte jetzt nicht
wegdämmern, aber dafür war er viel zu aufgeregt. Er hatte ihn wieder gefunden, endlich
hatte er ihn wieder gefunden!
Der Mann aus seinem Traum. Kai war in diesem Moment glücklich. Dabei kannte er nicht
mal seinen Namen.
Masanori wendete sich noch einmal zu Kyosuke um. „Was willst du nun tun?“
„Ich werde zurückgehen. Ich habe einen Platz gefunden, an dem ich mich wohl fühle. An
der Seite eines lieben Menschen. Ebenso wie ich es dir wünsche – allerdings ohne Fell
und Hufe.“ setzte er spitz hinzu.
Der Mann nickte dem Rentier zu, er hatte die Anspielung auf den Jungen in seinen Armen
durchaus verstanden.
„Schaffst du es allein, alter Freund?“
„Ich bin ein Rentier, in Eis und Schnee hab ich Heimvorteil.“
Masanori nickte erneut. Er wusste, er konnte Kyosuke guten Gewissens zurücklassen.
Der ausdauernde Paarhufer, sollte bereits am nächsten Morgen sein Heimatwäldchen
erreichen und von der überglücklichen Kumiko unter Freudentränen in die Arme
geschlossen werden. Doch Kai und sein Retter erfuhren von all dem zunächst nichts. Den
sie traten eine kurze Reise in die entgegengesetzte Richtung an.
Kai wurde auf starken Armen zu einem unterirdischen Gang getragen, der sich zwischen
den schwarzen Felsen in den Boden wand. Heller Kristall erleuchtete glimmend den
langen Gang. Draußen tobte noch immer ein Schneesturm, auch wenn dieser etwas
abgeflaut war, doch hier war es still. Nur die Schritte seines Retters hallten dumpf an den
Wänden des langen Ganges wieder.
Kai begann sich neugierig umzusehen, musste aber bald feststellen, das es hier nichts
Neues zu entdecken gab.
„Wie fühlst du dich?“ raunte ihm eine tiefe Stimme zu. Kai zuckte erschrocken
zusammen. Sein Retter hatte bisher kaum mit ihm gesprochen und ihn nun so
unvermittelt angesprochen, dass er damit nicht hatte rechnen können.
„Ganz gut, denke ich.“ nuschelte er verlegen.
„Hast du Angst?“ fragte ihn sein Retter besorgt.
„Ein bisschen schon.“, gab Kai flüsternd zu. „Wenn ich meinem Bruder nun gar nicht
helfen kann… oder was wenn der Winterherrscher mich einfach einfriert oder“
„Und vor mir? … fürchtest du mich?“ wurde er leise gefragt.
Daher wehte der Wind. Aber Angst war das vorletzte Gefühl, was er für diesen Mann
entwickeln wollte.
Er schmiegte sich eng an ihn, kuschelte sich in seine Arme. Mit geröteten Wangen, die er
vergeblich zu verstecken versuchte, antwortete er. „Nein. Gar nicht, ich bin froh das wir
uns … wiedergefunden haben.“
„Wiedergefunden.“ murmelte der Mann mit dunkler Stimme.
„Ich … ich hab von dir geträumt“ Verlegen sah er zu ihm auf, doch sein Retter blickte
starr geradeaus.
„Ich weiß, ich ebenso…“ flüsterte er. Da stieg Kai die Röte ins Gesicht. War also wirklich
kein Traum gewesen? Das sie miteinander gesprochen hatten. Das sein Retter seine
Ankunft nicht hatte erwarten können, ihn brauchte!
Dass,… dass sie sich geküsst hatten.
„Du hast mir deinen Namen noch nicht verraten…“ meinte Kai scheu. (2)
Sein Retter blickte mit seinen dunklen Augen zu ihm herab, und die Stärke dieses
Mannes ließ Kai ergeben seufzen, was dem Rot auf seinen Wangen nur zuträglich war.
„Masanori!“ raunte ihm dieser sanft zu. Es lag nur Zuneigung und eine tiefe Freude in
seiner Stimme. Es erwärmte Kais Herz und brachte Masanori das unumstößliche
Vertrauen des jungen Mannes ein … und ebenso Zuneigung.
****
(1)Kumi-chan: Ich hab Kyosuke so einem komischen alten Mann in roten Klamotten,
dicken Bauch und Rauschebart gestohlen. Und weißt du was er mir hinterher
gerufen hat? Wenn ich unbedingt ein Rentier wolle, solle ich es auf meinen
Wunschzettel schreiben? Verrückt oder?“
Lilly: „Jaaaa, irgendwie schon.“
(2) Als Kyosuke Masanori angesprochen hatte, war Kai bewusstlos gewesen, sodass er
seinen Namen noch nicht kennen konnte.
So das wars, ab jetzt wird es ernst! über kommis würde ich mich freuen. Eine Frage
noch, wollt ihr Lemon? Dann muss ich das in den nächsten Kappi vorbereiten, also sagt
an! bitte…^^
Bis Bald, Lillyko