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Mirrorthoughts

von

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Mirrorthoughts

Als sie die Augen öffnete, war alles schwarz.

Noch einmal schloss sie die Lider und öffnete sie erneut, doch die Schwärze blieb.

Dann hörte sie das Glockenspiel.

Sie blinzelte und starrte in ihr Spiegelbild.

Noch immer umgab sie die Schwärze, doch seit die sachten Glockenklänge sie erreichten war sie nicht mehr das Einzige.

Sie stand vor einem riesigen Spiegel.

Ein Blick nach links und rechts zeigte ihr noch mehr. Spiegel um Spiegel um Spiegel.

Aus jedem starrte ihr ihr eigenes Spiegelbild entgegen und ließ sie frösteln. Ebenso wie die Kälte, die ihre Finger durchdrang, als sie vorsichtig die Hand auf die Spiegelfläche legte, um ihr eigenes Bild zu berühren.

Wo war sie? WER war sie? Und was tat sie hier?

Eine Bewegung im Spiegel riss sie aus ihren Gedanken. Sie blickte hinein, doch sah sie nichts außer sich selbst. Nicht einmal die anderen Spiegel zeigten sich im kalten Glas. Umso mehr erschrak sie, als sie plötzlich das zweifarbige Gesicht im Spiegel erblickte, als würde es hinter ihr stehen.

Sie fuhr herum, doch sah sie nur noch mehr Spiegel und Spiegel und Spiegel.

Ein Schatten huschte über einen der Spiegel, doch als sie genauer hin sah, war er schon wieder verschwunden.

Sie fröstelte.
 

"Wer-!" "Shhhhh..."

Kaum dass sie angesetzt hatte etwas zu sagen, war sie unterbrochen worden. Sie durfte hier nicht reden.

Langsam drehte sie sich um sich selbst. Sie wollte wissen wer dort war, wer ihr den Mund verbot. Und tatsächlich sah sie etwas – jemanden – in einem der Spiegel.

Es war ein wunderschöner Spiegel. Anders als die anderen, glanzlosen war dieser Spiegel mit einem fein gearbeiteten Rahmen umgeben und seine Oberfläche schimmerte wie ein Diamant. Warum war ihr dieser Spiegel nicht schon früher aufgefallen?

Auf der schillernden Spiegelfläche schwebte das schwarz-weiße Gesicht und lächelte ihr leer entgegen.

Wieder fröstelte sie.

Es erinnerte sie an einen Harlekin, die eine Gesichtshälfte weiß, die Andere schwarz. Passend dazu waren die Lippen und auch die Augen einfarbig schwarz und weiß, verschmolzen so mit dem Gesicht und stachen ob ihrer Leere doch heraus. Es machte ihr Angst.
 

Fast als ob das Gesicht ihre Gedanken lesen könnte – vielleicht konnte es das auch? – verschwand es wieder im Spiegel. Im nächsten Moment schob sich ein schwarzes Bein aus dem Spiegel, dann folgte ein weißes. Eine schwarze Hand, eine weiße. Zuletzt der Oberkörper und der Kopf. Als der Harlekin ganz vor ihr stand und zur Ruhe kam, hörte sie in der Stille nur noch die Glöckchen an seiner schwarz-weißen Narrenkappe klingeln. Und noch immer lächelte sein Gesicht leer vor sich hin.

Sprachlos starrte sie den Harlekin – um einen solchen handelte es sich nämlich tatsächlich! – an und machte einen Schritt zurück, als dieser sich vor ihr verbeugte und seine Glöckchen dabei fröhlich bimmelten. Als er sich wieder aufrichtete, sah er sie abwartend aus leeren Augen an und streckte einladend die Hand nach ihr aus.

Sie zögerte. Wollte sie das wirklich? Mit ihm gehen...

Ihr Blick glitt herum. Hier gab es nur Spiegel um Spiegel. Vielleicht gab es dort, wo er sie hinführen wollte, mehr.

Sie sah auf die schwarze Hand, die ihr so auffordernd entgegen gestreckt wurde, in das Gesicht, dass ihr mehr Angst als Vertrauen einflößte.

Und dann griff sie zu.

Die schwarze Hand war warm, als sie sie berührte. Anders als die weiße, die sich einen Moment später ebenfalls um ihre Hand schloss. Der Harlekin war ein Widerspruch in sich selbst. Schwarz und weiß, warm und kalt. Lächelnd und doch gleichzeitig so leer. Bestimmend. Und doch zog er sie sanft mit sich in den Spiegel.
 

Es fühlte sich an, als würde sie durch Eis oder Eis durch sie hindurch gepresst. Sie schnappte nach Luft, doch auch diese war nur unglaublich kalt und nahm ihr den Atem. Sie versuchte zu sehen, schloss die Augen, öffnete sie und dann war es vorbei.

Sie stand auf einer Wiese. Unten am Flussufer, das sie kannte.

Der Harlekin war verschwunden und doch war sie nicht allein.

Vor ihr, nicht weit entfernt, unter der Brücke, die sich dort über den Fluss erstreckte, saßen drei Gestalten.

Erst als sie näher heran kam, erkannte sie sie.

Das war sie selbst! Sie, wie sie dort saß und sich unterhielt. Sie, wie sie vor einigen Jahren ausgesehen hatte, und sich mit dem Mann unterhielt, dem sie ihr Herz hatte schenken wollen. Sie hatte ihn hierher gebeten, um mit ihm reden zu können. Sie hatte ihren Mut zusammen genommen und ihm gestanden, wie sie für ihn empfand.

Und er hatte angefangen zu lachen.
 

Damals war eine Welt für sie zusammengebrochen.

Jetzt beobachtete sie das Schauspiel nur mit leichtem Bedauern. Sie wusste, dass der Schmerz vergehen würde. Und doch war sie damals schluchzend in die Knie gesunken, während jener Mann einfach verschwunden war und sie alleine mit ihrem Schmerz gelassen hatte.

Doch halt. Sie war nicht allein gewesen.

Dort war doch noch eine Gestalt gewesen, im Schatten der Brücke. Eine Gestalt, die sich nun zu ihrem ehemaligen Ich hinab beugte und sie umarmte.

Sie hörte die Glöckchen in der Stille klingeln.

Es war ihr Harlekin.
 

Eine Hand legte sich auf ihre Schulter und ließ sie herum fahren.

Und wieder blickte sie in das schwarz-weiße Gesicht.

"Wer bist du", wisperte sie leise, versuchte die Stille um sie herum nicht zu stören. Statt einer Antwort lächelte der Harlekin nur und deutete auf die erstarrten Gestalten im Gras unter der Brücke.
 

Ich bin er.
 

Erneut wollte sie fragen, doch da hatte der Harlekin schon ihre Hand gegriffen und zog sie ein weiteres Mal durch den Spiegel.

Wieder nahm es ihr den Atem. Wieder wurde sie durchdrungen von der eisigen Kälte des Spiegels.

Und wieder führte sie ihr Harlekin an einen Ort den sie kannte.
 

Diesmal wunderte es sie nicht, dass er verschwunden war, kaum dass sie die Augen geöffnet hatte. Noch immer spürte sie die wärme seiner Hand, die die ihre berührt hatte, auch wenn sie bald verschwand, während sie sich dem Ort widmete, an dem sie gelandet war.

Es war ein Friedhof.

Es war eine Beerdigung.

Sie stand zwischen all den Menschen, alleine und weinte.

Es war die Beerdigung ihrer Mutter, erinnerte sie sich.

Bei diesem Bild konnte sie nicht milde lächeln. Denn diesen Verlust spürte sie selbst jetzt noch schwer.

Nach und nach gingen alle Menschen und ließen sie vor dem Grab stehen. Nur einer blieb zurück, trat hinter sie und umarmte sie tröstend.

Es war der Harlekin.

Doch diesmal erkannte sie ihn nur an seiner Maske und der Narrenkappe. Sein Kostüm war einem schwarzen Anzug gewichen. Und auch seine Hände, trugen keine Handschuhe mehr.
 

Wer hatte sie damals wirklich umarmt? Sie wusste es nicht mehr.

Wer hatte ihr so oft beigestanden?

Wer versteckte sich hinter der leeren Maske, dem schwarz-weißen Gesicht, das sie immer und immer wieder sah?
 

Als sie die Glöckchen hinter sich klingeln hörte, fuhr sie herum und stockte im nächsten Moment.

Ja, es war ihr Harlekin, der dort wieder in voller Montur stand, doch waren seine Augen, anders als das Lächeln auf seinen Lippen, nicht mehr leer.

Blaue Augen blickten ihr entgegen, als der Harlekin ein weiteres Mal ihre Hand ergriff und zu einem Handkuss an seine Lippen führte.

Sie spürte nichts, nur die Wärme seiner Hand. Und die Verwirrung, die sich mehr und mehr in ihr breit machte.
 

"Wer bist du?", verlangte sie ein weiteres Mal zu wissen, doch wieder erhielt sie keine Antwort. Doch die Augen des Harlekin schlossen sich ein wenig, ließen sein leeres Lächeln traurig wirken.

Wieder deutete er zu den erstarrten Gestalten, die am Grabstein standen, ehe er sie zurück in Richtung Spiegel zog.
 

Ich bin ER.
 

Die Hand des Harlekins wärmte ihre Eigene, als sie ein drittes Mal durch die Spiegel gezogen wurde. Diesmal nahm es ihr nicht den Atem. Diesmal wärmte der Griff des Harlekin sie so sehr, dass die Kälte schon fast angenehm war. Dennoch war er wieder verschwunden, kaum, dass sie den Spiegel verlassen hatte und ein weiterer Ort ihrer Vergangenheit auf sie wartete.

Es war ihre Wohnung in der sie sich wieder fand. Dinge flogen umher, ihr altes Ich schrie jemanden an. Der Mann zeigte ihr den Rücken, antwortete erst, als sie nahe genug heran war und sie am Handgelenk greifen konnte. Dann zog er sie in eine Umarmung und drückte sie an sich, wisperte leise Worte der Entschuldigung und der Beruhigung.
 

Erst jetzt bemerkte sie, dass auch dieser Mann der Harlekin war. Seine Narrenkappe war verschwunden und kurzen braunen Haaren gewichen. Hätte er sich nicht zu ihr umgedreht, hätte sie es nicht erkannt, war es doch nur noch die schwarz-weiße Maske, die ihn verschleierte.

Als die Szene erstarrte, erwartete sie ihren Harlekin. Doch diesmal tauchte er nicht hinter ihr auf.

Sie sah sich um, drehte sich um sich selbst, blickte zum Spiegel zurück, dessen schillernde Fläche in ihrem Rücken stand. Doch der Harlekin blieb verschwunden.

"Wer bist du...", wisperte sie zu sich selbst und blickte zu ihrem alten Ich zurück, betrachtete den Mann, der sie beschützend in ihren Armen hielt. "Du bist er..."
 

Ein Lächeln legte sich auf ihre Lippen, als sie verstand.

Langsam drehte sie sich zum Spiegel um und sah auf ihre Hand. Noch immer spürte sie die Wärme ihres Harlekins, der ihre Hand hielt. Diesmal jedoch, musste sie ohne seine Hilfe durch den Spiegel gehen und die Augen öffnen. Diesen letzten Schritt musste sie alleine gehen.

Sie atmete tief durch und trat in den Spiegel.
 

Diesmal fiel es ihr schwerer die Augen zu öffnen. Ihr Kopf fühlte sich schwer an, ihr Körper noch schwerer. Doch die Wärme an ihrer Hand ließ sie lächeln. Der Harlekin. Er war wieder da.

Langsam öffnete sie die Augen und das erste, was sie sah, war weiß. Ein leises Piepsen erreichte ihre Ohren und ließ sie seufzen.

In diesem Moment beugte sich ein Gesicht über das ihre und sie blickte in die blauen Augen ihres Harlekins. Besorgnis stand in ihnen geschrieben, so wie in dem ganzen Gesicht, das von kurzen braunen Haaren umrahmt war. Ihr Harlekin sah blass aus, übernächtigt, doch das störte sie nicht.

"Du bist wach... Gott sei dank!"

Die warme Stimme ihres Harlekins ließ sie Lächeln. Er war so, wie sie ihn in Erinnerung behalten hatte. Ihr Beschützer, der immer an ihrer Seite geblieben war, bis sie begriffen hatte, wie wunderbar er war. Ihr Harlekin, der sie wieder nach Hause gebracht hatte.

"Ich dachte ich würde dich verlieren..."

Sie schüttelte leicht den Kopf, bemerkte dadurch erst die dünnen Schläuche, die sich über ihr Gesicht spannten und ihr beim Atmen halfen. Sie wusste nicht was passiert war, doch eines wusste sie:

Solange er an ihrer Seite war, war sie sicher.

Denn er würde sie immer wieder zurück holen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2004-07-08T14:19:54+00:00 08.07.2004 16:19
mmmh...naja ein bisschen verwirrend is das ganze schon... aber du hast einen genialen Schreibstil!! der gefällt mir total gut!
bin ja mal gespannt, wie es so weitergeht, und was der Clown noch so für Geheimnisse offenbart...wo sie überhaupt ist und wie sie da hingekommen ist...
es sind noch so viele Fragen offen, also schreib schnell weiter, ja? ^-^

YamiSun


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