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Nights of Change

von

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Die Sonne war noch nicht untergegangen, als ich am späten Nachmittag aus unruhigem Schlaf erwachte. Meine Frau lag neben mir und schien immer noch friedlich zu schlummern.

Langsam erhob ich mich aus dem Bett, dabei darauf bedacht, sie nicht zu wecken, und lauschte, ob ich ein Rufen aus dem Kinderzimmer hörte. Vielleicht war es die Stimme meines Sohnes gewesen, die mich erwachen ließ.

Nichts war zu hören, außer der Atmung meiner schlafenden Frau. Damit hatte mein zu frühes Erwachen wohl nur etwas mit der Unruhe zu tun, die mich schon seit Tagen plagte.

Ich zog mich leise an und deckte meine Frau mit unserer Decke etwas mehr zu, ehe ich das Schlafzimmer verließ und in unser Wohnzimmer trat. Obwohl die Vorhänge vor dem Fenster dort geschlossen waren, konnte ich erkennen, dass es draußen noch hell war.

Ich ging in unsere Küche und nahm mir ein Glas, um mir etwas Blut von unseren Vorräten in dieses zu gießen. Ich hatte die Hoffnung, dass dieses mich ein wenig beruhigen würde.

Ich ließ mich mit dem gefüllten Glas auf einem der Küchenstühle nieder und schloss für einen kurzen Moment die Augen.

Sofort tauchten Bilder aus meinem Traum vor meinen Augen auf und ich wusste wieder, warum ich erwacht war. Ich hatte einen Albtraum gehabt.

Eine Gruppe von menschlichen Kriegern war in unser Haus eingedrungen und hatte uns bedroht. Sie hatten uns als Monster beschimpft und ich hatte versucht, meine Familie zu beschützen, als sie uns angriffen. Mein Versuch war jedoch nicht erfolgreich und so musste ich mit ansehen, wie sie meine Frau und meinen Sohn töteten, ehe sie mich schwer verletzt in meinem Haus zurückließen und dieses anzündeten, um mich mit diesem zu verbrennen.

Ich schüttelte mich, um diese Bilder loszuwerden, und stellte mein Glas auf den Tisch.

Es war nur ein Traum, redete ich mir ein. Ich hatte zwar schon davon gehört, dass ein paar Menschen bereits Vampire in ihren Verstecken aufgesucht und getötet hatten, aber diese waren dann auch vorher auffällig gewesen und somit zum Ziel solcher Aktionen geworden.

Wir verhielten uns dagegen ruhig. Wir vergriffen uns nicht an den Menschen, welche unweit unseres Wohnsitzes lebten, und auch ihr Vieh ließen wir in Ruhe. Stattdessen begnügten wir uns mit den Blutvorräten, die wir vom König bekamen, als Lohn für meine Dienste bei ihm. Außerdem betrieben wir auch Handel mit den Menschen und zeigten ihnen, dass wir friedlich waren. 

Mein Appetit war jedenfalls durch diese Bilder wieder vergangen. Ich würde so kein Blut hinunterbekommen.

Ich seufzte und stand wieder auf. Vielleicht würde mir der später zurückkommen, wenn ich den Traum weit genug vergessen hatte.

Ich ging zurück in unser Wohnzimmer und warf von diesem aus einen Blick in das Kinderzimmer unseres Sohnes. Einen Moment sah ich ihm dabei zu, wie er in seinem Bettchen friedlich ruhte und sich gelegentlich hin und her drehte, ehe ich leise sein Zimmer betrat und die Decke hochhob, die er mit seiner Dreherei aus dem Bett befördert hatte.

Vorsichtig legte ich sie wieder über ihn, damit er nicht fror. Er erwachte davon nicht und drehte sich von mir weg, wobei er die Decke mit sich zog, die ich ihm gerade zurückgegeben hatte. Ich schmunzelte und verließ sein Zimmer wieder.

Dieses Mal warf ich im Wohnzimmer einen Blick zur Uhr dort und überlegte. Noch war die Sonne vermutlich nicht gänzlich untergegangen, aber sie sollte schon tief genug stehen, damit die Bäume ihre direkten Strahlen auf dieses Haus verhinderten. Selbst mit den wenigen Blättern, die sie noch trugen, boten sie uns immer noch einen gewissen Schutz.

Vielleicht könnte ich mich um die Blumen in unserem Garten kümmern, während meine Familie weiterschlief. Damit wäre ich zumindest erst einmal beschäftigt.

Ich verließ leise unser Haus und verspürte so gleich, wie meine Haut auf das restliche Tageslicht mit einem Kribbeln reagierte. Ein Gefühl, welches mir nicht unbekannt war. In vielen der Kriege, welchen ich beigewohnt hatte, war ich auch gezwungen worden, im Tageslicht zu kämpfen, bis ich die Verbrennungen nicht mehr aushielt und mich meine Instinkte fliehen ließen. Dass ich dies überlebt hatte, hatte ich vermutlich auch meinen Kameraden zu verdanken, die meine Wunden und mich danach versorgt hatten.

Jedenfalls hatte ich in diesen Zeiten eine gewisse Toleranz gegenüber Sonnenlicht erworben und somit machte mir der Verbrennungsschmerz durch diese weniger aus, als es bei jedem anderen Vampir der Fall war. Ich hatte es ausprobiert und statt nach den üblichen drei Stunden erst nach vier die Flucht aus der Sonne angetreten.

Ich seufzte. Der Gedanke daran, dass ich diese Toleranz dadurch erworben hatte, dass ich auf den Schlachtfeldern gegen andere Vampire und Nichtvampire gekämpft hatte, war keiner, mit dem ich mich von meinem Albtraum ablenken wollte. Vermutlich waren die Erinnerungen daran auch mit Grund für meine Unruhe.

Ich schüttelte den Kopf und schritt um unser Haus, um zu dem kleinen Blumenbeet zu gelangen, welches wir dort angelegt hatten. Dass zu dieser Zeit überhaupt noch etwas blühte, war vermutlich dem milden Wetter der letzten Wochen zu verdanken. Es war noch viel zu warm für November, aber wahrscheinlich würde sich das sehr bald ändern.

Ich kniete mich vor dem Beet hin, um ein wenig Unkraut zu zupfen, als mich ein Geräusch innehalten ließ. Es klang wie die Hufe eines Pferdes, die den Pfad entlangkamen, welcher an unserem Haus vorbeiführte.

Ich erhob mich wieder, ehe ich einen Blick in Richtung des Geräusches warf. Tatsächlich schien jemand mit seinem Tier langsam auf mich zuzukommen und da es immer noch Tag war, war es vermutlich kein Bote vom König.

Um dem Reisenden keinen Grund zu geben, anzuhalten, versteckte ich mich im Schatten der Bäume und hoffte, dass er einfach an unserem Haus vorbeireiten würde.

Leider tat er mir den Gefallen nicht, sondern stoppte sein Tier unweit vor dem Haus, ehe er abstieg und sich anscheinend umsah. Ich musterte ihn beunruhigt und entdeckte sowohl das Schwert an seiner Seite, als auch die beiden Dolche, die er mit sich führte. Dieser Mann war vermutlich kein einfacher Durchreisender.

Als er sich kurz von mir abwandte, fielen mir die Wappen auf, welche er am Arm trug. Das Erste von ihnen hatte ich schon ein paarmal gesehen. Es gehört zu denen, die auf uns Jagd machten. Hatte jemand diesen Mann geschickt, um uns anzugreifen? Ich schluckte. Sollte mein Traum etwa wahr werden?

Während er unser Haus einmal umrundete, versuchte ich herauszufinden, ob außer ihm noch mehr von seinen Leuten in der Nähe waren. Er schien allein gekommen zu sein, was meine Familie vielleicht etwas weniger in Gefahr brachte.

Als er sich über Blumen beugte, welche ich gerade noch gepflegt hatte, wagte ich einen vorsichtigen Schritt auf ihn zu, wobei ich für ihn immer noch unentdeckt blieb. Ich wollte mit ihm reden, warum er hierhergekommen war und ihm sagen, dass wir friedlich wären.

Seine Reaktion erfolgte auch prompt und er zog sein Schwert, ehe er sich zu mir umdrehte, mich jedoch nicht entdeckte. Erneut musterte ich ihn. Er schien nach mir zu suchen oder zumindest nach dem Grund für das Geräusch, welches meine Bewegung verursacht hatte.

Als er mich jedoch nicht fand, wandte er sich von mir ab und schritt zurück in Richtung seines Pferdes. Vielleicht würde er ja wieder verschwinden und nicht wieder kommen. Er blieb jedoch vor dem Tier stehen und zog einen Zettel aus der Satteltasche hervor, welchen er leise studierte.

„Das ist die richtige Adresse“, hörte ich ihn murmeln. „Aber es wirkt so friedlich.“

Er steckte den Zettel zurück in die Tasche und umrundete erneut unser Haus, wobei er allerdings vor dem Küchenfenster stehen blieb und hineinsah.

„Aber das ist doch …“, entfuhr es ihm dann und ich wusste, dass er das Glas mit dem Blut entdeckt hatte, welches ich dort hatte stehen lassen. „Wenn hier mehrere von denen wohnen, sollte ich lieber Verstärkung holen.“

Verstärkung klang überhaupt nicht gut.

Ich folgte ihm leise, als er zurück zu seinem Pferd schritt und packte ihn, bevor er sein Tier erreichte, wobei ich ihm meine Hand dabei auf den Mund legte, um ihn am Schreien zu hindern. Ich wollte nicht, dass er meine Frau oder meinen Sohn dadurch weckte.

Er wehrte sich gegen mich, als ich ihn zurück hinters Haus zog und traf mich dabei mit seinem Schwert, was mich ihn loslassen ließ. Sofort stellte er sich mir entschlossen entgegen.

„Wusste ich es doch!“, meinte er und hielt das Schwert drohend in meine Richtung. „Du musst dich schon besser anstellen.“

Ich schüttelte den Kopf.

„Nein, du verstehst mich falsch“, erwiderte ich ihm. „Ich will nicht mit dir kämpfen. Ich möchte dich nur bitten, in Frieden von hier fortzugehen und uns in Ruhe zulassen.“

Er senkte seine Klinge nicht und sah mich verärgert an.

„Das werde ich tun, wenn du tot bist“, gab er zurück und schwang sein Schwert in meine Richtung, wobei ich seinem Hieb jedoch geschickt auswich.

Erneut schüttelte ich den Kopf.

„Das musst du nicht tun“, versuchte ich es erneut. „Verschwinde von hier und komm nicht zurück, Mensch. Wir lassen deine Familie in Frieden. Lass du dafür meine auch in Frieden. Wir haben euch nichts getan und es ist nicht euer Blut, das uns ernährt. Um des Friedens willen, verschwinde, Sterblicher.“

Er lachte und schüttelte den Kopf.

„Das werde ich nicht tun“, widersprach er mir. „Ihr seid eine Bedrohung für unser Land und solltet besser dorthin zurück, wo ihr hergekommen seid.“

Wir waren eine Bedrohung? Seit wann das denn? Gut, es gab einige Vampire, von denen man das behaupten konnte, aber doch nicht von allen, und wir lebten in diesem Land jetzt schon seit Generationen. Ich selbst war hier geboren und groß geworden. Was also gab ihm das Recht, zu behaupten, dass wir nicht zu diesem Land gehörten?

„Dieses Land, wer hat bestimmt, dass es nur euch gehört?“, fragte ich ihn ein wenig verärgert und machte einen Schritt auf ihn zu. „Und warum können wir nicht friedlich koexistieren?“

Sein Blick wirkte entschlossen. Er war es schließlich gewohnt, mit Vampiren wie mir zu kämpfen.

„Wir waren zuerst hier und wenn ihr nicht verschwindet, werde ich euch töten“, entgegnete er mir und klang mit seinem Argument dabei wie ein kleiner Junge, der seinem jüngeren Geschwisterkind verbot, mit dessen Spielsachen zu spielen, weil er ja der ältere war und es ihm vorher schon gehörte. Dabei war ich eindeutig älter als er. Er war vermutlich gerade einmal Mitte dreißig, während ich bereits über fünfzig war, auch wenn man mir das, seit ich volljährig geworden war, nicht mehr ansah. Ich war also wesentlich länger hier als er.

Ich machte einen weiteren Schritt auf ihn zu, was ihn dazu veranlasste, mich anzugreifen. Für einen Menschen war er schon ziemlich schnell damit, was ihm mir gegenüber aber auch nichts brachte. Ich entwaffnete ihn mit Leichtigkeit und beförderte ihn rücklings auf den Boden, noch ehe er überhaupt verstand, was passierte.

Mit einer Hand hielt ich ihn unter mir fest, während ich ihn mit meiner anderen zwang, mich anzusehen und ich konnte sogar leichte Angst in seinem Blick erkennen, als ich das tat. Ich mied es jedoch, ihn in seine Augen zu sehen, denn ich wollte ihn schließlich nicht hypnotisieren.

„Dann wirst hier aber nur du sterben“, warnte ich ihn. „Daher sagte ich es dir zum letzten Mal: Verschwinde von hier, Mensch, und lass uns in Frieden. Diese ewigen Kriege haben schon genug sinnlose Tote gefordert. Opfere dich nicht auch noch dafür.“

Seinem Blick nach schien er tatsächlich kurz zu überlegen und ich hatte sogar Hoffnung, dass er mich verstehen würde, als ich plötzlich einen Schmerz in meiner Seite spürte und fluchte. Für einen Moment hatte ich vergessen, dass er außer seinem Schwert noch zwei Dolche dabeigehabt hatte.

Ich ließ ihn los und wich vor ihm zurück, ehe ich besorgt meine Wunde betrachtete. Sie wies jedoch keine Verfärbung auf, was für mich hieß, dass es keine Silberklingen waren.

„Das werden wir ja sehen“, schimpfte er und attackierte mich erneut mit dem Dolch in seiner Hand. Ich wehrte mich nicht, da ich ihm immer noch beweisen wollte, dass ich nicht sein Feind war. Ich hoffte zumindest, dass er zur Vernunft käme, wenn ich ihn nicht mehr angriff. Ich wich ihm lediglich so weit aus, dass mich seine Hiebe nicht tödlich trafen. Irgendwann würde er dadurch müde werden.

Als ich mit dem Rücken an die Hauswand stieß, hörte ich ihn schnaufen.

„Was, in Trigons Namen, bist du für ein Monster?“, fluchte er und zeigte auf die Verletzungen, die seine Angriffe mir verursacht hatten. „Der Blutverlust müsste dich längst umgebracht haben.“

Damit hatte er recht. Wenn ich ein Mensch gewesen wäre, so wie er, dann wäre ich sicherlich schon durch diese Wunden verblutet. Aber das war ich nicht, denn mein Körper heilte diese Verletzungen ganz gut von allein. Allerdings brauchte ich dafür Blut als Ausgleich und da ich heute noch keines zu mir genommen hatte, bekam ich so langsam Hunger darauf, was wiederum für diesen Mann vor mir schlecht war.

„Ich bin kein Monster, aber ich sterbe halt auch nicht so einfach wie ein Mensch“, erwiderte ich ihm. Ich fing einen weiteren Angriff von ihm ab, in dem ich sein Handgelenk packte und es so ruckartig herumdrehte, dass ich ein Knacken hörte, als seine Knochen brachen und er den Dolch dadurch aus der Hand verlor.

Ich hatte es schließlich im Guten versucht. Ich war geduldig genug mit ihm gewesen. Aber das war jetzt zu Ende. Jetzt würde er meine Beute werden und sterben.

Er schrie auf vor Schmerz und noch bevor er irgendwie weiter reagieren konnte, packte ich ihn an der Schulter und beförderte ihn mit dem Rücken an die Stelle der Wand, an welcher ich vorher noch gestanden hatte. Aus dem Augenwinkel erkannte ich, dass er mit der anderen Hand seinen zweiten Dolch ziehen wollte, welchen ich ihm aber sogleich entwendete, während ich wütend meine Krallen in seine Brust drückte und da er keine Rüstung unter seiner Kleidung trug, bohrten sich diese in seine Haut, was ihn wieder aufschreien ließ.

Es war mir allerdings egal, ob er jetzt Schmerzen hatte oder nicht. Ich war wütend auf ihn dafür, dass er meine Familie und mich bedrohte. Er war doch selbst schuld. Warum musste er mich auch mit seinen Angriffen provozieren?

„Verdammt! Ich wollte, du wärst gegangen, Mensch. Dann müsste ich das jetzt nicht tun“, schimpfte ich mit ihm und schob ihm ein wenig an der Wand hoch, sodass ich mein Knie zwischen seine Beine bekam. Damit wollte ich verhindern, dass sein Körper mir entglitt, wenn er bewusstlos wurde durch das, was ich vorhatte. In ihm löste das jedoch Panik aus, weshalb er wieder schrie und nun nur noch mit seiner Faust nach mir schlug.

Mich störte das nicht wirklich, allerdings wusste ich nicht, ob er, wenn er weiter so laut war, nicht doch noch meine Familie wecken würde. Mein Sohn musste nicht unbedingt mitbekommen, was sein Vater hier tat. Ich legte dem Mann also meine Hand auf den Mund, um ihn zum Schweigen zu bringen und schob damit gleichzeitig seinen Kopf ein wenig nach hinten, sodass ich seinen Hals mir etwas zugänglicher machte.

„Sei still, du weckst den Kleinen nur auf mit deinem Geschrei“, meinte ich zu ihm, ehe ich zubiss und zu trinken begann. Er versuchte erneut zu schreien, was dieses Mal jedoch meine Hand verhinderte. Wieder schlug er nach mir, was ich aber ignorierte. Ich war es schließlich gewohnt, dass sich meine Beute auch einmal gegen mich zur Wehr setzten. Helfen würde es ihm trotzdem nicht, denn ich würde ihn deshalb jetzt weder los noch von ihm ablassen.

Als sein Herzschlag schwächer wurde, erstarben auch seine Versuche, nach mir zu schlagen und ich verspürte stattdessen, dass er nach einem weiteren unterdrückten Schrei in meine Hand biss. Aber auch das ignorierte ich. Das war nur ein verzweifelter Versuch von ihm, dem Unausweichlichen zu entfliehen.

Ich trank weiter von ihm und erwartete, dass sein Herz stoppte, während ich ihn vor Verzweiflung seine letzten Tränen hinunterschlucken hörte. Aber der Moment, in welchem er endlich starb, schien nicht zu kommen. Stattdessen verspürte ich, wie sein Körper plötzlich wärmer wurde, was mich irritierte. Ich nahm meinen Kopf von seinem Hals und sah zu ihm, nur um festzustellen, dass er mein Blut aus der Wunde trank, die er mir mit seinem Biss in meine Hand zugefügt hatte.

Erschrocken ließ ich ihn los und wich vor ihm zurück, wodurch er zu Boden fiel. Dann starrte ich auf meine Hand. Er hatte mein Blut getrunken. Ein Mensch hatte mein Blut getrunken.

„Scheiße! Warum hast du das getan, Mensch?“, entfuhr es mir, während sein Blick, den er mir zuwarf, erst glasig und dann trüb wurde. Sein Herzschlag stoppte und ich war mir sicher, dass er nun tot war.

Vorsichtig hockte ich mich zu ihm hin, da ich seine Leiche nicht vor unserem Haus liegen lassen wollte und spürte, dass sein Körper immer noch sehr warm war. Fast schon als hätte er Fieber gehabt.

Als ich ihn anheben wollte, meinte ich, sein Herz wieder schlagen zu hören, was aber unmöglich war. Schließlich war er gerade gestorben. Dennoch tastete ich seinen Hals und seine Brust ab, um eine Bestätigung dafür zu finden, dass ich mir dieses Geräusch nur einbildete. Leider bildete ich mir das nicht ein. Es schlug wieder. Sein Herz hatte wieder zu schlagen begonnen, auch wenn es das nur sehr schwach tat.

Ich versuchte zu verstehen, was hier gerade passierte und fühlte mich an den Tag erinnert, an welchen ich zu einem richtigen Vampir geworden war. Auch ich hatte Vampirblut zu mir genommen und danach Fieber bekommen, so wie es bei uns Vampiren nun einmal üblich war, wenn wir unsere sterbliche Seite ablegten.

Sollte das etwa heißen, dass dieser Mann hier gerade auch so etwas durchmachte? Aber wie konnte das sein? Ein Mensch konnte nicht zu einem Vampir werden und ein Vampir nicht zu einem Menschen. Das war einfach Fakt.

Hatte ich mich etwa geirrt und er war kein Mensch? Nein, ausgeschlossen. Wäre er etwas anderes gewesen, hätte ich das in seinem Blut geschmeckt. Er war ein Mensch gewesen.

Ich schüttelte den Kopf. Er war immer noch ein Mensch, denn er war ja nicht tot, und dass er nicht gestorben war, durch meine Aktion, hatte irgendetwas zu bedeuten. Vermutlich wäre es daher besser, wenn ich ihn erst einmal mit ins Haus nahm, um ihn zu versorgen.

Ich erhob mich vorsichtig mit ihm im Arm und trug ihn mit mir ins Wohnzimmer, wo mich meine Frau bereits erwartete und mich mit entsetztem Blick anstarrte, als ich einen verletzten Fremden in unser Haus brachte.

„Ich habe Schreie gehört“, begrüßte sie mich und kam auf uns zu, „Was ist passiert?“

Sie musterte ihn und runzelte die Stirn.

„Das erkläre ich dir später. Wir sollten ihn jetzt erst einmal versorgen“, meinte ich zu ihr. Ich ging an ihr vorbei in unser Gästezimmer, wo ich den Mann zunächst auf das Bett legte, ehe ich damit begann, ihn zu entkleiden, damit ich seine Verletzungen begutachten und versorgen konnte.

Sie folgte mir stumm und beobachtete mich einen Moment lang bei dem, was ich tat.

„Ich werde Christian sagen, dass er in seinem Zimmer bleiben soll, und dir etwas bringen, womit du die Verletzungen von dem Mann versorgen kannst“, sagte sie dann und ich nickte, während ich seine Wunden betrachtete. Meine Krallen hatten sich anscheinend gut in seine Brust gebohrt, aber er blutete dort nicht mehr. Wie sollte er das auch? Ich hatte ihm schließlich sein Blut gänzlich genommen.

Ich schüttelte den Kopf und tastete nach einer der Wunden, was ihn tatsächlich zusammenzucken, aber nicht erwachen ließ. Als ich ihn von seiner Hose befreien wollte, stellte ich etwas angewidert fest, dass er sich anscheinend besudelt hatte.

Auch das war etwas, was mich an meine eigene Verwandlung erinnerte. Als mein Körper das abstieß, was er nicht mehr brauchte, hatte ich es gerade so noch zur Toilette geschafft. Der Mann hier allerdings war bewusstlos und hatte dazu nicht die Chance.

Ich schüttelte den Kopf. Wieder etwas, was er gar nicht durchmachen sollte.

„Was ist los?“, fragte meine Frau, als sie hinter mir wieder ins Zimmer kam.

„Ich glaube, er macht gerade eine Verwandlung durch“, erwiderte ich ihr und drehte meinen Kopf zu ihr um. „Auch, wenn das gar nicht möglich ist. Er ist schließlich ein Mensch.“

Wieder runzelte sie die Stirn.

„Vielleicht ist er einer, bei dem die Volljährigkeitszeremonie vergessen wurde?“, meinte sie, doch ich schüttelte wieder den Kopf, ehe ich den Mann erneut anhob. Ich konnte ihn so nicht herumliegen lassen.

„Ich werde ihn waschen und danach seine Verletzungen versorgen. Bring mir bitte Verbandszeug und saubere Kleidung ins Badezimmer“, bat ich meine Frau und sie nickte nur stumm, während ich ihn nach nebenan ins Bad trug. Dort angekommen, befreite ich ihn von dem Rest, was er noch am Leib trug, ehe ich ihn in unsere Wanne legte und vorsichtig abzuspülen begann.

Wieder zuckte er dabei zusammen und ich hatte sogar das Gefühl, er würde erwachen, als seine Augen sich kurz ein wenig öffneten. Das war aber auch schon alles und er blieb weiterhin bewusstlos. Allerdings schien sein Fieber nachzulassen, als ich ihn vorsichtig abtrocknete und mit dem, was meine Frau mir neben der Tür hingestellt hatte, seine Wunden zu versorgen begann. Sie wirkten schon nicht mehr ganz so schlimm und ich meinte sogar, dass sie schneller verheilten als üblich.

Nachdem ich ihn versorgt und ihn zumindest im Schritt bekleidet hatte, trug ich ihn zurück ins Gästezimmer, wobei ich feststellte, dass meine Frau anscheinend auch das Laken vom Bett gewechselt hatte. Ich legte den Mann dort hinein und warf eine Decke über seinen nackten Körper, weil ich davon ausging, dass er sich damit vermutlich wohler fühlen würde.

Jetzt mussten wir nur darauf warten, dass er wieder erwachte. Dann könnte ich mit ihm reden. Aber worüber wollte ich denn reden? Er wusste sicherlich auch nicht, was hier vor sich ging.

„Papa?“, hörte ich die Stimme meines Jungen aus dem Nachbarzimmer und ich seufzte.

Wie lange dieser Mann noch bewusstlos sein würde, wusste ich ohnehin nicht, daher konnte ich mich jetzt auch erst einmal mit meinem Sohn beschäftigen.

Ich verließ also das Gästezimmer und zog die Tür ran, verschloss sie aber nicht. Ich wollte mitbekommen, wenn er erwachte.

„Ich komme gleich zu dir“, rief ich Christian zu, der daraufhin grinsend durch einen Türspalt aus seinem Zimmer sah. „Ich muss mir nur eben etwas Sauberes anziehen.“

Ich hörte ihn kichern und ging in unser Schlafzimmer, um mir dort saubere Kleidung herauszuholen. Mit dieser betrat ich dann erneut das Badezimmer und befreite mich dort von dem Blut, welches getrocknet an mir klebte, ehe ich mir etwas Sauberes anzog und die schmutzige Kleidung von ihm und von mir in den Wäschekorb warf. Darum würde sich meine Frau später kümmern.

Als ich wieder ins Wohnzimmer trat, hörte ich sie aus der Küche, wie sie mit unserem Sohn sprach.

„Soll ich dir den Rand abschneiden?“, fragte sie ihn und ich folgte ihrer Stimme.

„Nein. Ich bin schon groß und esse mit Rand“, erwiderte er ihr stolz, als ich in die Küche kam.

Ich sah ihm dabei zu, wie er von dem Brot abbiss, welches er anscheinend mit der Hilfe von meiner Frau geschmiert hatte.

„Ja, das stimmt. Du bist schon ein großer Junge“, stimmte ich ihm zu und er drehte seinen Kopf zu mir. „Nun iss brav dein Frühstück und danach können wir später noch ein wenig zusammen mit deinen Bausteinen spielen.“

Er schenkte mir ein Lächeln und biss erneut in sein Brot, während ich mich meiner Frau zuwandte.

„Da steht ein Pferd in unserem Garten“, meinte sie und ich folgte ihrem Blick hinaus aus dem Fenster. Richtig, der Fremde war mit einem Pferd hergekommen und das lief jetzt draußen herum.

„Das ist seines“, erklärte ich ihr. „Ich fange es eben ein und binde es an, damit es keine Dummheiten macht.“

Sie nickte und drehte den Kopf zu mir um.

„Und danach musst du mir erzählen, was überhaupt vorgefallen ist“, sagte sie und warf einen kurzen Blick zu unserem Sohn, der aber nur friedlich sein Brot aß und uns wohl nicht zuhörte. „Am besten, wenn er seinen Mittagsschlaf hält.“

Auf das Wort Mittagsschlaf reagierte unser Junge und er drehte seinen Kopf zu uns um.

„Ich bin doch erst aufgestanden“, widersprach er ihr.

„Ja, das ist richtig. Aber Mama und Papa müssen nachher über etwas reden, wo du dann nicht dabei sein musst“, erklärte ich ihm ruhig und strich ihm sanft über den Kopf. „Erwachsenen Dinge.“

Er verzog sein Gesicht zu einem Schmollen.

„Ich kann mit deiner Mama auch reden, wenn du aufgegessen hast und du dich artig für einen Moment in deinem Zimmer beschäftigst“, ergänzte ich und er hörte tatsächlich auf damit zu schmollen.

„Aber danach musst du mit mir bauen“, bat er mich und ich nickte, was er mir mit einem Lächeln quittierte, ehe er sich wieder seinem Brot zuwandte.

Ich seufzte und verließ die Küche. So langsam sollte ich mich um das Tier des Fremden kümmern und auch um die Waffen, die ich ihm entwendet hatte.

Ich musste nicht einmal lange nach dem Pferd suchen, denn es stand vor unserem Blumenbeet und tat sich an ebendiesen gütig, als ich um das Haus herumging. Es gefiel mir zwar nicht, dass es diese damit zerstörte, aber mich darüber aufzuregen brachte im Moment auch nichts.

Vorsichtig ging ich näher zu ihm und griff nach seinen Zügeln. Es reagierte zwar kurz irritiert auf mich, ließ sich dann aber von mir weg von den Blumen und zu einem der Bäume in der Nähe führen, wo ich es anband, damit es nicht davonlief. Ich war mir jedenfalls sicher, dass die Männer, zu denen sein Besitzer gehörte, dieses Tier erkennen würden und uns dann noch mehr von ihnen aufsuchen würden.

Ich nahm dem Pferd die Satteltaschen ab und brachte sie zur Haustür, ehe ich das Haus noch einmal umrundete und sowohl das Schwert als auch die Dolche des Fremden einsammelte.

Mit seinen Sachen betrat ich dann erneut unsere Wohnstube und legte diese dort erst einmal ab. Ich wollte zumindest fürs Erste keine Waffen in seine Nähe bringen, solange ich nicht wusste, wie er nach seinem Erwachen reagieren würde.

„Er war bewaffnet?“, fragte meine Frau, nachdem sie einen Blick auf das geworfen hatte, was ich hereingebracht hatte, und ich nickte.

Dann sah ich mich um, weil ich wissen wollte, ob Christian noch in der Nähe war.

„Der Junge ist in seinem Zimmer, so wie du es ihm gesagt hast“, meinte sie, als ihr meine Reaktion auffiel. „Und jetzt erzähl mir bitte, was vorgefallen ist. Warum hast du einen verletzten Fremden in unser Haus gebracht?“

Ich atmete tief durch und wandte mich ihr zu.

„Irgendjemand hat ihn geschickt, damit er uns tötet, weil wir Vampire sind. Ich habe versucht, mit ihm zu reden und ihn davon abzubringen, doch er hat mich nur angegriffen. Erst habe ich das geduldig ertragen und gehofft, dass er einsehen würde, dass wir friedlich sind, aber das ist nicht passiert und er ließ nicht ab davon, uns töten zu wollen. Also habe ich ihn entwaffnet und ihm meine Fänge in den Hals geschlagen, um sein Blut zu trinken und ihn damit umzubringen“, begann ich zu erklären und stoppte kurz. „Ich hatte ihm dabei meine Hand auf den Mund gelegt, damit seine Schreie euch nicht weiter belästigen würden, und er ist dabei anscheinend auf die Idee gekommen, mich in diese zu beißen und dann hat er damit begonnen, das Blut zu trinken, welches er dort von mir bekam.“

Sie folgte meinen Worten aufmerksam und runzelte dann die Stirn.

„Das erklärt aber nicht, warum …“, erwiderte sie, doch ich unterbrach sie mit einem Kopfschütteln.

„Er hätte sterben müssen dadurch, dass ich so viel von seinem Blut trank, aber das tat er nicht. Als ich merkte, was er tat, ließ ich ihn zu Boden fallen und sein Herz stoppte. Er war also tot. Doch als ich seine Leiche wegschaffen wollte, begann sein Herz plötzlich wieder zu schlagen und weil ich das genauso seltsam fand, wie die Tatsache, dass er plötzlich warm wurde, habe ich mich dazu entschieden, ihn erst einmal mit zu uns zu nehmen“, ergänzte ich meine Erklärung. „Und bevor du fragst, nein, er war kein Vampir, bei dem die Zeremonie vergessen wurde. Sein Blut war menschlich.“

Wieder runzelte sie die Stirn und sie sah nachdenklich zur Seite.

„Aber er macht die Phasen einer Verwandlung durch“, meinte sie dann. „Die Sache mit dem Blut, dann das Fieber und das Lösen. Alles Dinge, die wir auch durchlaufen.“

Damit hatte sie definitiv recht. Nur warum das passierte, verstand ich einfach nicht. Warum war dieser Fremde nicht einfach gestorben?

„Wir sollten mit ihm reden, wenn er aufgewacht ist“, erwiderte ich ihr und ging auf sie zu, um sie in den Arm zu nehmen. „Und wenn er euch dann immer noch bedroht, reiße ich ihm den Kopf ab.“

Sie schüttelte den Kopf und stieß mich leicht von sich, sodass ich meine Umarmung wieder löste.

„Dann tu das aber draußen. Ich habe keine Lust auf noch mehr Sachen mit Blutflecken“, sagte sie und ich musste leise lachen, ehe ich nickte und ihr einen Kuss gab.

„Ich werde daran denken“, versprach ich ihr und wandte mich von ihr ab. „Ich werde jetzt einmal mein Versprechen einlösen und mit Christian spielen. Mittagessen gibt es zur üblichen Zeit heute, oder?“

Ich sah noch einmal kurz zu ihr und sie nickte. Damit blieben ja noch ein paar Stunden für unsere Vater-Sohn-Zeit.

Ich wandte mich endgültig von ihr ab und ging in das Zimmer unseres Sohnes, wo dieser mit dem Rücken zu mir gedreht auf dem Boden saß und in einem seiner Bücher blätterte. Neben ihm hockte eines seiner Kuscheltiere und ich hörte, wie er diesem leise erzählte, was in dem Buch passierte.

„Da sitzen sie alle zusammen und essen“, sagte er gerade, als ich nähertrat und da er mich wohl gehört hatte, drehte er seinen Kopf zu mir um. „Papa, guck, ich lese gerade Benny vor.“

Er zeigte auf das Kuscheltier neben ihm und ich nickte, ehe ich mich zu ihm hinhockte.

„Das machst du ganz toll. Darf ich auch mitzuhören?“, fragte ich ihn und er lächelte.

„Ja, Papa“, erwiderte er mir stolz und blätterte das Buch um. „Jetzt räumen sie alle auf.“

Er zeigte auf die Bilder, welche dort abgebildet waren. Ich lauschte seiner Erzählung und war überrascht, mit welcher Begeisterung er die Geschichte aus dem Buch erzählte, obwohl er dies nur anhand der Bilder tat. Vermutlich hatte er sich sehr viel davon gemerkt, als wir ihm dieses vorgelesen hatten.

Als er mit der letzten Seite und seiner Erzählung fertig war, schlug er das Buch zu und stand auf.

„Jetzt muss Benny ins Bett“, verkündete er mir und drückte mir sein Kuscheltier in die Hand. Ich verstand seine Aufforderung und legte es wie von ihm gefordert auf sein Bett, während er sein Buch zurück in sein Regal stellte. Als ich mich ihm wieder zuwandte, zog er gerade seine Bausteinkiste aus einem der Schränke.

Ich ging zu ihm und half ihm dabei, ehe ich mit ihm zu bauen begann.



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