Zum Inhalt der Seite

Deep down

grows our greatest strength
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

family


 

2023 - New York
 


 

„Und, was denkst du?“ Nami schob das Stück Kuchen auf ihrem Teller hin und her, bevor sie sie noch ein weiteres Stück mit der Gabel aufnahm und sich in den Mund schob. Ihre Miene blieb ausdruckslos. Allerdings war es auch nicht so, dass sie etwas schlechtes erwartete. Ein lockerer Boden, mit einer samtigen, fruchtigen Schicht. Panacotta? Mit einem Orangenaufstrich. Das gefiel ihr durchaus ziemlich gut.
 

„Fragst du mich, weil du irgendwelche Zweifel hast?“ fragte sie dann nur zurück und schielte ihre Schwester an. Nojiko seufzte und lehnte sich mit den Unterarmen auf den Tresen vor dem Nami auf einem Hocker saß.
 

„Der Laden läuft gut und ich möchte, dass es so bleibt. Dazu muss ich etwas investieren und wenn ich eigene Kuchen und vielleicht auch ein paar andere Gerichte anbieten kann, dann könnte das vielleicht auch neue Kunden gewinnen.“ Durchaus ein nachvollziehbarer Gedanke. Schon oft hatten sie darüber gesprochen und Nami fand auch, dass sie es wagen sollte. Deswegen hatte sie ihr auch Sanji empfohlen. Dieser war mit seinem alten Arbeitgeber nicht besonders glücklich gewesen und suchte etwas neues, eine Herausforderung und einen Ort, an dem er seine Kreativität ein wenig entfalten konnte. Er war eben ein Freigeist in der Küche und mochte es nicht immer nur das gleiche zu machen und nichts neues probieren zu dürfen. Durchaus etwas, das Nojiko und ihrem Laden gut tun könnte. Dennoch musste man ihm ein gutes Gehalt bieten und das würde bedeuten, dass sie wieder mehr verzichten musste. Ein kleiner, privater Rückschritt. Ob es das wert war? Das wünschte sie ihrer Schwester durchaus.
 

„Der Kuchen ist gut. Sehr gut. Er kann was.“ Zumindest damit schien er ihre Schwester überzeugt zu haben. Obgleich Nami auch nicht daran gezweifelt hatte, dass Nojiko sich in sein Essen verlieben würde. Denn man konnte von dem Schwerenöter sicher halten was man wollte, doch in der Küche konnte ihm niemand etwas vormachen.
 

„Er ist ein guter Koch. Ich denke es geht nur darum, ob du diese Veränderung durchziehen möchtest oder nicht.“
 

„Ich muss es wenigstens versuchen. Es ist doch bisher so gut gelaufen. Ich könnte ein gutes Leben haben und vielleicht irgendwann auch etwas zurücktreten. Vielleicht muss ich dann nicht mehr jeden Tag hier sein.“ Bisher konnte sie sich das noch nicht leisten. Das wusste Nami und sie wusste auch, wie sehr sich Nojiko etwas Erleichterung wünschte. Mehr Unabhängigkeit. Denn so sehr sie ihr Café und ihre Arbeit liebte, jeder brauchte auch ein Privatleben und davon konnte man bei ihr momentan noch nicht wirklich sprechen.
 

„Zumindest holst du dir damit niemand nutzlosen ins Boot.“ Durchaus. Es könnte gelingen. Das zumindest konnte sich Nami vorstellen, während sie das Stück Kuchen langsam weiter aß. Sie würde es ihr gönnen und doch hing all das leider nicht nur davon ab, ob Nojiko den richtigen Koch einstellen würde. Sie wusste durchaus, dass es viel mehr darum ging, wie gewillt Aron war ihre Schwester wirklich in Ruhe zu lassen. Und das wiederum hing sehr stark davon ab wie gut die Arbeit war, die Nami für ihn leisten würde. Alles daran widerstrebte ihr und doch hatte sie bisher noch keine wirkliche Lösung gefunden. Egal wie sie es drehte und wendete, sie hatte keine Wahl.
 

„Nein. Er ist vielleicht ein bisschen merkwürdig und flirtet zu viel. Aber er weiß was er tut. Damit werde ich schon fertig.“ Das war das wichtigste daran. Und sie wusste durchaus, dass man sich immer auf ihn verlassen konnte. Frauen mochten vielleicht seine Schwachstelle sein und er liebte es zu flirten, doch er würde niemals eine Grenze überschreiten, die ihm aufgezeigt wurde. Eigentlich war er ein ganz harmloser Kerl mit einem guten Herzen. Und deswegen mochte Nami ihn auch so, obgleich sie ihm das niemals sagen würde. Das würde ihm nur zu Kopf steigen. „Er kann ab dem nächsten Monat anfangen und bis dahin kann ich mir genug Gedanken darum machen wie genau das alles aussehen soll.“
 

„Ein Versuch ist es zumindest wert. Ich hoffe das es klappt.“ Nami schob sich das letzte Stück Kuchen in den Mund, dann schob sie den Teller zur Seite, um wieder den Blick zu heben und ihre Schwester anzusehen. Diese sah sie noch immer forschend an. Einfach war es wirklich nicht, denn Nojiko konnte sie durchschauen. Immer. Es war, als würde sie in Nami lesen, wie in einem offenen Buch. Ganz gleich was sie in den vergangenen Jahren auch versucht hatte, es war ihr nicht gelungen.
 

„Was ist passiert?“
 

Sie zog die Brauen zusammen, schürzte die Lippen und schüttelte dann den Kopf. Was sollte sie denn auch sagen? Natürlich war etwas passiert und Nojiko konnte ihr an der Nasenspitze ansehen, das etwas nicht stimmte. Diesen Umstand musste man wirklich nicht diskutieren. Viel eher ging es doch um die Frage, wie sie sich aus all dem herauswinden sollte. Immerhin war ihre Schwester nicht Vivi. Der reichte es, wenn Nami ihr weiter von einer ominösen Liebschaft berichtete und sie konzentrierte sich auf dieses Problem. Alles andere war vergessen. Diese Taktik konnte sie bei ihrer Schwester kaum anwenden. Nojiko konnte wie ein Pitbull sein, wenn sie sich an etwas festgebissen hatte und dann ließ sie einfach nicht mehr locker.
 

„Nichts bestimmtes. Es ist gerade einfach nur etwas stressig. Alles eben.“ Runterspielen. Das war meistens das Mittel der Wahl. Ob es funktionierte, das blieb am Ende offen. Kam immer darauf an, wie ihre Schwester drauf war und wie sehr sie sich auf Nami konzentrieren konnte. Angesichts der Tatsache, dass der Laden geschlossen war und es nur noch darum ging aufzuräumen und alles für den nächsten Tag vorzubereiten, konnte sie wohl mit Nojikos ungeteilter Aufmerksamkeit rechnen. Das alles war nicht einfach und doch war es eine Situation in die Nami sich freiwillig begeben hatte. Sie war wohl wissend in das Café ihrer Schwester gegangen, dass diese bald schließen und dann alle Zeit der Welt haben würde, um mit ihr zu sprechen. Vermutlich war aber genau das der springende Punkt. Sie wollte mit ihr sprechen. Nami wollte ein freundliches Gesicht sehen und am liebsten würde sie ihr sagen in was für einen Schlamassel sie sich hineingeritten hatte. Sie wollet ihr sagen was alles in ihrem Leben schief lief und, dass sie schon längst die Kontrolle darüber verloren hatte. Wenn Nami ehrlich war, dann würde sie am liebsten in Tränen ausbrechen und offen mit ihr reden. Nur, dass das ihre Situation nicht verbessern würde. Es war sogar wahrscheinlich, dass es nur schlimmer werden würde, wenn Nojiko sich einmischte. Dann wäre alles umsonst gewesen, was sie bisher getan hatte.
 

„Ich habe nie verstanden, warum du dich dazu entschieden hast für ihn zu arbeiten. Nach allem was war ist es falsch. Und ich dachte wir hätten das hinter uns, nachdem du gesagt hast, es hätte sich geregelt. Wenn er uns doch endlich in Ruhe lassen will, warum hast du dann weiter Kontakt zu ihm?“ Berechtigte Frage. Das sie Kontakt zu Aron hatte, das hatte sie ihrer Schwester nicht verheimlichen können. Das wäre zu viel gewesen. Nojiko kannte lediglich nicht das Ausmaß des ganzen. Was sie aber wusste war, dass es meistens mit ihm zu tun hatte, wenn es Nami schlecht ging. An was auch sonst?
 

„Du weißt doch wie er ist. Manchmal muss man ihm etwas hinwerfen, damit man seine Ruhe hat.“ Konnte man so sehen, machte es aber auch nicht besser. Letztlich war das alles eine doch eher schwache Begründung, darum wusste Nami. Immerhin handelte es sich bei Aron nicht um einen nervenden Onkel, den man bei einer Familienfeier ertragen musste. Er war weit schlimmer als das. Und sie hatten beide allen Grund ihn zu hassen für das, was er getan hatte.
 

„Ja, ich weiß wie er ist. Deswegen verstehe ich es auch nicht.“ Natürlich nicht. Wie könnte sie auch? Nami konnte ihr keinen Vorwurf machen. Sie selbst fand diesen Umstand schrecklich anstrengend und abstoßend. Und doch hatte sie sich für diesen Weg entschieden. Weil sie keinen anderen gefunden oder gesehen hatte. Und als sie eine Entscheidung hatte treffen müssen, da hatte sie es getan. War es die richtige Entscheidung gewesen? Momentan zweifelte sie daran. Dennoch war es damals alles gewesen, was sie gehabt hatte. Als Kind dachte man eben nicht an die Folgen. Man glaubte einen Weg gefunden zu haben und lief einfach los. Aus heutiger Sicht war das natürlich völlig dumm und naiv gewesen. Doch wo würden sie stehen, wenn Nami nicht diese Entscheidung getroffen hätte? Würden sie dann noch beide in diesem Mist sitzen?
 

„Wenn es das ist, damit wir sonst unsere Ruhe haben, dann mache ich es. Du weißt was er sonst alles tun könnte.“ Man wusste es. Dennoch sagte der Gesichtsausdruck ihrer Schwester, dass sie es nicht gut fand. Jede Art von Kontakt zu diesem Menschen war zu viel. Und dabei glaubte Nojiko, dass Nami lediglich Zuhause vorbeisah, um des „Familienfriedens“ willen. Eben dann wenn Aron glaubte eine heile Familie könne ihm irgendwie nützlich sein. Dass das alles dennoch keineswegs gut war, das wussten sie wohl beide. Immerhin waren sie in diesem Haus aufgewachsen und Kinder sahen viel. Mehr als man glaubte und mehr, als Aron vielleicht lieb war. Er mochte sich bemüht haben vieles fernzuhalten, doch am Ende hatte es nur bedingt funktioniert. Das dieser Mann ein Verbrecher war, das hatten sie sehr schnell gewusst.
 

„Möglich. Ich bin dennoch der Meinung, dass wir uns wenigstens Gedanken über andere Wege machen sollten. Wir sind beide längst erwachsen. Was auch immer er damals für Gründe hatte uns aufzunehmen, es spielt keine Rolle mehr.“
 

„Wir kannten damals nicht seine Gründe, wir wissen auch heute nicht, warum er das tut was er tut. Er ist unberechenbar und ich habe nicht das Geld, um mir im Notfall einen Anwalt leisten zu können. Du etwa?“ Nein, das hatten sie nicht. Ganz zu schweigen davon, dass Nami wusste, dass diese Sache so ohnehin auch nicht lief. Sie kannte das ganze Bild. Und die Schrecklichkeit dessen konnte man nicht beschreiben. Sie würde ihrer Schwester niemals davon erzählen können und sie konnte nur beten, dass sie es niemals auf einem anderen Wege erfahren würde.
 

„Denkst du wirklich er hätte ein Interesse daran seine Zeit mit uns zu verschwenden?“ Nami zuckte mit den Schultern. Was sollte sie sagen? Aus der Sicht ihrer Schwester war es sicherlich so, dass man es eigentlich so sehen konnte. Warum sollte Aron Interesse an zwei Frauen haben, die keinen Nährwert für seine kriminellen Machenschaften hatten? Die er nicht in eines seiner Brodels stecken konnte? Unter diesen Aspekten machte nichts davon einen wirklichen Sinn. Doch wenn Nami in den vergangenen Jahren eines gelernt hatte, dann das vieles keinen Sinn machte und er dennoch mit jeder Handlung ein klares Ziel verfolgte.

Warum er sie allerdings damals aufgenommen hatte, das war nichts, was sich ihnen erschloss. Nami vermutete, dass es mit ihrem talent zu tun gehabt hatte und Nojiko nur Beifang gewesen war. Die beste Erklärung, die sie sich dafür hatte geben können und eine wirkliche Antwort würde sie ohnehin niemals bekommen. Und selbst wenn, es würde keinen Unterschied mehr machen. Antworten machten die Vergangenheit nicht ungeschehen. Auch das hatte sie in den vergangenen Jahren lernen müssen.
 

„Wir sollten unsere Zeit zumindest nicht mit Gedanken an ihn verschwenden. Möchtest du noch etwas trinken?“
 

„Nein, ich will weiter, wenn wir hier fertig sind.“ Nojiko wandte sich ihr zu nachdem sie sich selbst ein Glas Orangensaft eingeschenkt hatte. Der Blick glitt forschend über sie, Nami konnte es genau spüren.
 

„Was hast du vor?“
 

„Nichts bestimmtes. Einfach raus, entspannen.“
 

„Warum kannst du es nicht wie jeder normale Mensch mit Sport machen?“ Berechtigte Frage aber so tickte Nami einfach nicht. Wenn sie Zeit hatte, dann machte sie etwas Yoga Zuhause, doch mehr? Dazu fehlte ihr einfach die Zeit. Sie setzte ihre Prioritäten eben anders auch, wenn es vielleicht nicht das gesündeste war. Immerhin könnte sie die Zeit, die sie nun draußen verbrachte auch anders nutzen. Nur war es eben doch so, dass sie beim Sex am besten entspannen und abschalten konnte.
 

„Weil mich das nicht entspannt.“
 

„Und ständig mit einer fremden Frau zu verschwinden ist es?“
 

„Kritisierst du gerade mein Sexleben?“ Fragend hob Nami die Brauen und sah ihre Schwester fast schon einen Moment kritisch an. Immerhin war es nicht so, dass sie nicht schon das ein oder andere Mal darüber diskutiert hatten.
 

„Nein. Du kannst so viel Sex haben wie du willst. Ich stelle nur deine Beweggründe in frage.“ Das konnte sie durchaus. Immerhin tat Nami es auch, um zu verdrängen. Um Dinge auszublenden mit denen sie sich eigentlich beschäftigen sollte. Doch was sollte das, wenn es ohnehin keine Lösungen dafür gab? An diesem Punkt hatte sie sich bereits so oft befunden und am Ende doch wieder entschieden, dass es eigentlich auf diese Art keinen Sinn machte. Unverbindlicher Sex. Das war das einfachste. Das beste. Sie würde sich davon nicht abbringen lassen. Doch warum sollte sie auch? Es war ihr Leben und wenn es an vielen Dingen haperte und sie Abstriche machen musste, dann wollte sie sich wenigstens ein paar Kleinigkeiten bewahren.
 

„Weißt du, was das Gute ist?“ Sie schielte ihre Schwester an und grinste schief. „Ich bin alt genug, um das alles selbst zu entscheiden.“
 

„Leider ja du kleiner Starrkopf.“ Nojiko schmunzelte ein wenig und würde sich nach einem weiteren Schluck abwenden. Es wurde wirklich Zeit mit dem aufräumen anzufangen, sonst würden sie noch den ganzen Abend hier sitzen. Kein Wunder also, dass Nami einen Lappen entgegen geworfen bekam. Eine stumme Aufforderung und der würde Nami dann auch einfach nachkommen.

Nebenbei wurde Musik eingeschaltet. Nojiko liebte die Musik der 20er Jahre und die wurde nun auch angestimmt. Und mit solcher guten Stimmung konnte man sich dann auch an die Arbeit machen. Eine Eigenheit, die Nojiko durchaus von ihrer Mutter übernommen hatte. Nami konnte sich noch gut daran erinnern, wie sie manchmal von der Schule nach Hause gekommen waren, das Haus mit Musik erfüllt gewesen war, mit leckerem Essen auf dem Tisch, was auf sie wartete. Auch Nami konnte Jazz etwas abgewinnen, obgleich es ihr manchmal doch ein wenig zu viel war. Da brauchte Nami doch eher die sanften, klassischen Töne in ihrem eigenen Leben, die zu ihrem eigenen Leben in deutlichen Kontrast standen. Was sie wohl aber beide übernommen hatten war der Umstand, dass sie Musik in ihrem Leben brauchten. Und zwar keine mit viel Text oder die ihnen verbal etwas sagte. Nein. Musik musste Emotionen auslösen und dazu brauchte Nami keinen Text, nur den puren, reinen Klang der Instrumente.

Und dann ging es an die Arbeit. Tische abwischen. Stühle hoch stellen, Kissen richten. Schauen, ob die Blumen noch Wasser brauchten. Während Nojiko alles hinter dem Tresen machte, noch ein wenig in der Küche herumwuselte, war es Nami’s Aufgabe den Raum vorne fertig zu machen und sich zu kümmern. Da hatten sie beide einfach ihr System und waren gut aufeinander abgestimmt. Die Handgriffe waren eingeübt und man konnte einfach nebeneinander her arbeiten. Ja, Nami war in diesem Moment auch ganz dankbar für das Schweigen und die ruhige Arbeit, die sie etwas runter brachte.
 

Am Ende gab es nichts schlimmeres für Nami, dass sie ihre Schwester ein Stück weit anlog. Das sie nicht ganz ehrlich zu ihr sein konnte. Sie war am Ende des Tages doch ihre engste Bezugsperson. Seit sie klein gewesen waren, hatten sie schon viele schlimme Erfahrungen machen müssen. Nami wüsste nicht, wie sie all das hätte durchstehen sollen ohne ihre Schwester. Ein Band, das niemand auseinander bringen konnte. Nur sie selbst. Und dieser Gedanke war es, der Nami doch das ein oder andere Mal Angst machte. Das der Verrat an ihrer Schwester irgendwann so groß werden könnte, dass sie sie deswegen verlieren könnte. Nojiko war sicherlich ein schrecklich verständnisvoller Mensch. Sie war emphatisch, geduldig. Und doch hatte all das irgendwann ein Ende. Nami war sicherlich nicht so naiv, dass sie glaubte, dass sie auf ewig mit allem durchkommen würde. Nicht alle Verletzungen konnten wirklich heilen. Manche Wunden gingen einfach zu tief, wenn sie von der passenden Person zugefügt wurden. Je größer das Vertrauen und die Liebe zu einem anderen Menschen, umso leichter konnte ein Fehltritt zu tief gehen.

Nami holte den Besen und würde einmal den Vorraum kehren. Den groben Dreck entfernen, der sich den Tag über hinweg angesammelt hatte. War schon einiges auch, wenn es auf den ersten Blick vielleicht nicht so wirkte. Doch es war ein gutes Zeichen. Es sprach davon, dass einige Menschen das Café ihrer Schwester besucht hatten und, dass sie erfolgreich war mit dem was sie tat. Sie hatte es geschafft sich ihren Traum zu erfüllen. Ein Gedanke, der Nami lächeln ließ und auch ein Stück weit beruhigte. Sie würde auskommen. Ganz gleich, was noch geschehen würde.
 

„Was ist eigentlich aus deinem Date geworden?“ Rief sie dann auch in Richtung Küche. War auch nicht so, als sei sie die einzige mit einem Privatleben. Eigentlich sollte Nojiko weit mehr Zeit dafür haben.
 

„Was?!“
 

„Dein Date! Wie ist es gelaufen?!“ Es dauerte einen Moment, dann wurde die Musik etwas leiser gemacht und ihre Schwester tauchte wieder auf. Sie hatte ein verschmitztes Lächeln auf den Lippen. So schlecht konnte es also nicht gewesen sein.
 

„Er war nett. Ein ziemlicher Vielfraß. Und irgendwie hat er auch eine große Klappe aber.. sympathisch. Dafür das er so viel gegessen hat, hat er mich dann auch eingeladen und nach Hause gebracht. Wir werden uns noch einmal sehen.“
 

„Und weißt du jetzt, was er beruflich macht?“
 

„Er reist viel, Headhunter für sein Unternehmen. Wir haben aber auch nicht viel über die Arbeit gesprochen.“
 

„Worüber habt ihr dann gesprochen?“ Sie hockte sich hin und würde den Dreck auf das Kehrblech schieben. Nojiko schien auch langsam mit ihren Sachen fertig zu werden. Man würde sich bald auf den Weg machen können und das sollte Nami nur recht sein. Dennoch war da die Neugierde und sie wollte auch wissen, was in dem Leben ihrer Schwester gerade passierte. Im allgemeinen hatten sie doch zu wenig Zeit miteinander, um sich einfach über banale Themen zu unterhalten und auszutauschen.
 

„Ach.. alles mögliche eigentlich. Er hat einen kleinen Bruder, der ihm manchmal genauso viele Sorgen bereitet wie mir meine kleine Schwester.“ Nami verdrehte die Augen. Nun, wenn sie meinte? Aber so richtig Wiedersprechen konnte Nami der ganzen Sache leider auch nicht. Sie wusste immerhin woher das ganze kam.
 

„Dann werdet ihr euch ja sicher blendend verstehen.“ Nami raffte sich wieder auf und würde den Dreck in den Mülleimer bringen. Der Besen und alles weitere wurde wieder weggebracht und verräumt. Damit war nun wenigstens das wichtigste getan. Sie wandte sich um, blickte dabei ihre Schwester an, die mit einem etwas verschmitzten lächeln da stand. Für einen Moment musterte sie ihre Schwester, dann aber schüttelte sie den Kopf.
 

„Ja, werden wir wohl.“ Nun, wenn es so war, dann würde es sie freuen. Nojiko hatte in den letzten Jahren nicht viel Glück in ihren Beziehungen gehabt. Es wäre schön, falls es diesmal anders werden würde. Aber auch das musste die Zeit zeigen. Immerhin war es erst ein Date gewesen. Und da gaben sie sich doch alle Mühe, waren noch freundlich und charmant. Erst auf der Langstrecke würde sich zeigen, was wirklich dahintersteckte. Darin galt es zu überzeugen und genau das war es, was Nami abwarten würde.
 

„Also trefft ihr euch nochmal?“
 

„Übermorgen. Wir werden wieder essen gehen.“
 

„Na, dann halt mich besser auf dem laufenden.“ Sie grinste schief und lehnte sich wieder an die Theke, während Nojiko die letzten Sachen verräumte und dann wohl auch anfing ihre eigenen Sachen zusammen zu suchen. Nami hatte ihre Jacke auf einem der Tische liegen, die sie auf dem Weg nach draußen dann auch wieder einsammeln konnte. Mehr hatte sie nicht dabei, würde aber auch nicht mehr an diesem Abend brauchen.
 

„Sicher. Du mich auch, ja?“
 

„Mache ich.“ Nami würde es zumindest versuchen auch, wenn es wirklich etwas anderes war, als das Date von dem man bei Nojiko gesprochen hatte. Denn das Nami nicht plötzlich mit einem Date oder einer Liebschaft um die Ecke kommen würde, das war ihnen wohl beiden klar. Und doch würde man zumindest das nicht weiter vertiefen. Nicht jetzt.
 

Nojiko hatte ihre Bedenken geäußert und das sollte für den Moment reichen. Nami wusste diesen Umstand zu schätzen und auch, dass sie diesen Bogen besser nicht weiter spannen sollte.
 

Man würde zusammenpacken. Es ging in Richtung Tür, wo Nami ihre Jacke aufnahm und sich diese über die Schultern warf. Sie würde als erstes aus der Tür heraustreten und dort dann auf Nojiko warten. Diese schaltete alle Lichter aus und würde die Tür hinter sich zuziehen, abschließen und dann war auch dieses Tagewerk verrichtet.
 

„Danke für deine Hilfe. Kannst du dann übermorgen einspringen?“
 

„Ich schaue noch einmal aber ich denke schon. Mach dir keine Sorgen, du kannst dich entspannt auf dein Date vorbereiten.“ Sie schmunzelte ein bisschen und setzte sich dann in Bewegung. Gemeinsam mit Nojiko würde sie noch ein wenig die Straße entlang schlendern. Sie würden beide die Metro nehmen, wenn auch in einen jeweils anderen Stadtteil fahren. Doch ein Stück konnten sie noch gemeinsam durch die vollen Straßen der Stadt schlendern.
 

Nojiko lachte und würde einen Arm um ihre Schultern legen, um sie ein wenig an sich heran zu ziehen. Nami würde die Geste erwidern und dazu den eigenen Arm um die Hüfte ihrer Schwester schieben.
 

„Danke, das ist wirklich sehr großzügig von dir.“ Ein wenig musste man sich ja necken und für diesen Moment die Leichtigkeit genießen. Für Nami spielte das viel zu selten eine Rolle in ihrem Leben. Und deswegen genoss sie die Momente, die sie mit ihrer Schwester ganz besonders. Sie brachten eben eine andere Leichtigkeit in ihr eigenes Leben und halfen ihr dabei nicht völlig in der Dunkelheit zu versinken.
 

Eine Dunkelheit, die immer wieder nach ihr griff und sich wie ein dunkler See anfühlte in dem sie orientierungslos herumtrieb. Ein See, dessen Ufer sie nicht sehen konnte und der mit einer ganz bestimmten Angst verbunden war. Der Angst darin zu versinken.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: robin-chan
2024-04-14T16:45:30+00:00 14.04.2024 18:45
Da komme ich endlich zum Kommentieren und schon das nächste Kapitel da, aber der Reihe nach~
Bisschen Schwesternzeit, aber ob das so richtig ausreicht? So gesehen gibt es also niemanden, mit dem sie über das volle Ausmaß reden kann? Auf Dauer nicht gut, aber durchaus verständlich. Nach allem was bisher bekannt ist, würde Nojiko kaum zusehen und nichts tun, wenn sie alles wüsste ... verzwickt, aber nichts bleibt ewig versteckt :P Wenigstens hat eine der beiden ein normaleres Privatleben und hat sich natürlich gleich mal das Chaosduo angelacht XD Aber mit den Problemen, die Nami umgibt, hat es Nojiko eindeutig schwerer, sobald das Ausmaß durchkommt :P
Dennoch schön, dass es neben dem allen dennoch ein paar Minuten gibt, in denen sie runter kommt~
Antwort von:  BurglarCat
19.04.2024 13:11
Ich darf verraten, dass ich plane alle drei Wochen ein neues Kapitel hochzuladen ;)
dachte auch das es vielleicht ganz gut ist mal durchzuatmen, bevor es rund geht und wir ein bisschen tiefer in alles rein kommen, bin schon sehr gespannt, wie du es finden wirst xD


Zurück