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How to save a life

Midnight x Mt. Lady
von

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Noch ehe Yu ihr antworten konnte, war es urplötzlich vorbei mit dem relativen Frieden.

Violette Blitze zuckten am Himmel entlang, Vögel flogen in Panik aus dem Feld empor und ein seltsames Dröhnen war zu hören. Dann fing von jetzt auf gleich die Erde zu beben an, so stark, dass es die beiden Frauen beinahe von den Füßen gerissen hätte.

"W-was zum?!"

Beide waren sie gleichzeitig auf die Idee gekommen, dass es das Beste wäre, sich an dem Smart festzuhalten, vor welchem sie standen.

Durch das heftige Erdbeben, stürzten einige Bäume im Baumschulwäldchen, welches direkt an den Parkplatz angrenzte, um. Das Dröhnen wurde lauter, dann riss der Boden auf dem Feld auf. Nemuri und Yu konnten nur ungläubig dabei zusehen, wie sich von jetzt auf gleich eine tiefe Furche durch den Acker zog und sich stetig weiter durch den Feldboden fraß.

Am Himmel zogen derweil dunkle Wolken auf, so schnell, dass man ihnen quasi dabei zusehen konnte. Regen prasselte in Strömen vom Himmel herab und durchweichte die Umgebung binnen Sekunden.

Erneut zuckten unnatürlich violette Blitze am Himmel entlang, wobei die meisten davon über den Feldern ganz in der Nähe zu bestaunen waren. Nur wenige Blitze zeigten sich hingegen am Himmel über der Stadt.

Das Erdbeben riss die Furche im Acker bis fast zur Landstraße auf, ehe der Boden sich genauso schnell wieder beruhigte, wie eben noch die Hölle losgebrochen war.

Das Gewitter wütete zwar in unveränderter Stärke, doch zumindest die Erde bebte nun nicht mehr.

Die beiden Frauen tauschten fassungslose Blicke aus. Nur langsam ließ Yu den Smart wieder los.

Das...das war doch kein normales Erdbeben gewesen! Nicht in Begleitung dieser seltsamen Blitze.

"Was war denn das plötzlich?! Das ist doch nicht normal!" Nemuri blickte ihre Begleiterin an und wirkte dabei fast so, als wartete sie darauf, das Yu ihr bestätigte, dass sie sich das Erdbeben nicht eingebildet hatte.

"Vorbei ist es noch nicht. Du kannst mir nicht erzählen, dass ein solches Gewitter und vor allen Dingen violette Blitze hier zur Normalität gehören, oder?" Auch die Profiheldin wirkte erschrocken.

"Quatsch, für diese Blitze habe ich absolut keine Erklärung."

Ein Erdbeben wie aus dem Nichts, Blitze in einer so merkwürdigen Färbung und dann noch die Tatsache, dass das Naturphänomen sich besonders auf das Feld konzentriert hatte, in dessen Nähe sie sich gerade befanden. Konnte das wirklich Zufall sein? Yu hatte da so ihre Zweifel.

Gerade wünschte sie sich ihre Teamkameraden her. Edge Shot und Kamui Woods waren sehr erfahrene Helden und hätten hierfür vielleicht eine logische Erklärung gehabt.

Wobei...die beiden waren zwar ebenfalls Profihelden, aber keine Wetterfeen. Das ihre Teamkameraden sich die Vorkommnisse erklären konnten, war nicht gesagt.

Als der Schrecken über das spontane Erdbeben langsam wich, schaltete die Blondine ganz automatisch wieder in den Heldenmodus. Dies war immerhin der Beruf, den sie erlernt hatte.

"Denkst du, das Erdbeben hat die Stadt verwüstet?", überlegte Yu. Als Profi wusste sie recht gut, wie man als Held mit Katastrophensituationen umzugehen hatte, auch wenn die Rettung von Zivilisten aus Katastrophengebieten aufgrund ihrer Quirk nicht gerade zu ihren Stärken zählte.

"Ich weiß es nicht, aber so heftig wie es war, kann ich es mir schon vorstellen." Auch die Lehrerin hatte sich bereits wieder gefangen und wirkte nun eher ernst und überlegt.

Nemuri wusste nicht, woher diese plötzliche Eingebung plötzlich kam, aber auch sie hatte in den Krisenmodus geschaltet, fast so, als wäre es nicht das erste Mal, dass sie befürchten musste, sich mit einer solchen Situation konfrontiert zu sehen.

"Dann müssen wir zurück und sehen, ob die Leute Hilfe brauchen.", verfügte die Blondine.

"Da spricht ganz der Profi, was?", erkundigte Nemuri sich mit einem schiefen Schmunzeln auf den Lippen, als die Kleinere sie entschieden in Richtung Auto schob. Normalerweise würde sie es nicht zulassen, sich von anderen Personen durch die Gegend schieben zu lassen, aber Yus spontanes Handeln war so knuffig, dass sie sich nicht daran störte.

"Solche Wetterphänomene sind bei uns auch nicht gerade alltäglich, falls du das meinst, aber wir können jetzt schlecht so tun, als wäre nichts passiert."

"Damit hast du wohl recht. Los, steig ein, wir fahren zurück.", wies Nemuri die Jüngere schließlich an. Sie mussten zurück in die Stadt und sehen, ob Personen bei dem Erdbeben verschüttet oder verletzt worden waren. Wieder hatte Nemuri das seltsame Gefühl, das sie mit einer gewissen Routine handelte, als sie sich gedanklich darauf einstellte, in der Stadt nach dem Rechten zu sehen und schließlich den Motor des kleinen Autos startete.

Wenige Augenblicke später, saßen die beiden Frauen wieder im Smart, umfuhren den Riss im Boden großzügig und steuerten schließlich zurück in Richtung der Stadt, um sich einen Überblick über die Lage dort zu verschaffen.

Der Himmel wurde weiterhin von violetten Blitzen erleuchtet, während Regenmassen, wie man sie nur selten sah, auf die Umgebung niederprasselten.

Während Nemuri die Scheibenwischer auf die höchste Stufe gestellt hatte und angestrengt versuchte, trotz des starken Regens die Fahrbahn zu erkennen, spielte Yu mit einer nassen blonden Strähne. Der plötzliche Regen hatte auch Nemuri und sie vollkommen durchweicht, bevor sie ins Auto gestiegen waren.

Nicht unbedingt erfreut stellte die Profiheldin fest, dass ihr Heldenkostüm wie eine zweite Haut an ihr klebte und sich dabei nass und eklig anfühlte. Sie fröstelte und schaltete die Heizung des Smarts ein.
 

"Mal ganz abgesehen von der Farbe der Blitze, für heute war kein Gewitter angesagt. Ich frage mich, was so plötzlich los ist." Die Dunkelhaarige lenkte den Smart auf schnellstem Weg zurück in Richtung Stadt. "Und eine Erdbebenwarnung wurde auch nicht herausgegeben."

"Die Blitze, das Erdbeben, dann noch diese Gestalt, die dich heute angegriffen hat, irgendetwas stimmt hier ganz und gar nicht.", fasste Yu die aktuelle Lage zusammen. Auch sie hatte keine Erklärung für all diese seltsamen Ereignisse. "Hey, pass auf, ich glaube da vorne steht die Landstraße zum Teil unter Wasser, Nemuri."

Glücklicherweise stand das Wasser nicht so hoch, als das es die Straße unpassierbar gemacht hätte. Nemuri lenkte den Wagen vorsichtig durch die überflutete Stelle auf der Straße, dann konnte die Fahrt wieder deutlich schneller fortgesetzt werden.

Je näher sie der Stadt kamen, desto mehr beruhigte sich das Gewitter wieder, ähnlich plötzlich wie es begonnen hatte.

Erste Häuser kamen in Sicht, doch zumindest an diesen waren keine Schäden zu entdecken.

"Ich hoffe, dass die gesamte Stadt noch einigermaßen glimpflich davongekommen ist." Die Blondine blickte aus dem Fenster und musterte die Häuser und Straßen, an welchen sie vorbeifuhren. Wenn der Stadtrand scheinbar glimpflich davongekommen war, bestand die Hoffnung, dass es in der Innenstadt ähnlich aussah. Die Sirenen von Polizei und Feuerwehr waren seltsamerweise nirgends zu hören, der Strom funktionierte noch und glücklicherweise konnte sie nirgendwo aufsteigende Rauchsäulen entdecken.

Nun, wo der Regen langsam nachließ, wagten sich auch wieder mehr und mehr Menschen aus ihren Häusern. Niemand wirkte sonderlich verstört oder alarmiert. Die Menschen liefen in aller Seelenruhe über die Straße und gingen ihrem Alltag nach, als wenn nichts gewesen wäre. Nur hier und da trug jemand einen Regenschirm mit sich herum.

Zwar hoffte auch Nemuri, dass das Erdbeben keine allzu großen Schäden angerichtet hatte, doch die Stadt so unversehrt vorzufinden und die hier lebenden Menschen so unbekümmert anzutreffen, gab ihr dann doch ein wenig zu denken. Auf dem Feld eben, war das Beben immerhin noch so stark gewesen, dass es Yu und sie beinahe von den Füßen gerissen hätte, mal ganz abgesehen von dem Riss im Feld, der sich durch das Beben aufgetan hatte.

Schließlich lenkte sie den Smart zu einer Bushaltestelle, an welcher einige Menschen auf den nächsten Bus warteten. Die Lehrerin kurbelte das Fenster herunter und wandte sich direkt an die Wartenden, erschienen ihr die Menschen in der Stadt doch so entspannt, dass es ihr nach einem solchen Erdbeben fast schon unwirklich vorkam.

"Hallo!", begrüßte sie die kleine Gruppe, welche an der Haltestelle stand und auf den Bus wartete. "Haben Sie das Erdbeben eben mitbekommen? Denken Sie, dass man mit dem Auto problemlos durch die Stadt kommt?"

Die wartenden Personen tauschten Blicke aus, dann ergriff eine alte Frau, welche auf einen Stock gestützt ging, das Wort. "Mitbekommen haben wir es alle schon, aber ich glaube nicht, dass das Erdbeben wirklich irgendetwas beschädigt haben könnte. Der Boden hat immerhin nur so kurz und so leicht gebebt, dass es bestimmt noch nicht einmal das Geschirr in den Schränken durcheinander gebracht hat." Sie machte eine wegwerfende Handbewegung, als wollte sie sagen 'alles halb so wild'.

Die beiden Frauen im Auto tauschten einen irritierten Blick aus. Das Erdbeben eben war ziemlich heftig gewesen und nicht so harmlos, wie die alte Frau es jetzt beschrieb, doch von den anderen Anwesenden widersprach ihr niemand. Sie alle wirkten entspannt und unbekümmert.

"Keine Sorge, die Straßen sind bestimmt nicht gesperrt worden. Sie können ganz normal weiterfahren.", erklärte die Alte noch einmal.
 

Nemuri verabschiedete sich und lenkte den Wagen schließlich wieder weg von der Bushaltestelle.

Sie fuhren durch das ganze Viertel, sahen sich um und sprachen aus dem Auto heraus hier und da Passanten an, doch immer mit dem gleichen Ergebnis. Zwar hatten alle Befragten das Erdbeben mitbekommen, doch musste das Beben hier in der Stadt so schwach gewesen sein, dass niemand ernsthaft besorgt war. Auch Gebäudeschäden waren ganz offensichtlich ausgeblieben.

"Ich bin ja froh, dass innerhalb der Stadt nicht wirklich etwas passiert ist, aber wie kann das sein?", wunderte Yu sich.

"Ich weiß es nicht, wirklich. Wir hätten bei dem Beben gerade beinahe den Boden geküsst und im Acker hat sich sogar eine Erdspalte aufgetan, aber hier ist rein gar nichts passiert."

Beide Frauen grübelten und schwiegen für einen Moment.

Inzwischen hatte es fast schon wieder aufgehört zu regnen. Die Blitze waren zu einem Wetterleuchten geworden, seltsamerweise nun jedoch nicht mehr länger über dem Feld, sondern gefühlt fast jedes Mal über dem Fahrzeug.

"Ist dir aufgefallen, dass die Blitze immer fast direkt über uns sind und die restliche Stadt nicht wirklich betroffen ist?" Fragend blickte die Jüngere ihre Begleiterin an.

Yu hatte das Gefühl, als würden die Lichtblitze nicht zufällig am Himmel entlangzucken, sondern ihnen folgen, als wären sie magnetisch. Das konnte doch nicht normal sein! Aber was hatte es damit auf sich? Auf die Fähigkeiten von irgendeinem Schurken konnte sie dieses Phänomen zumindest nicht schieben, gab es in dieser Welt außer Nemuri und ihr höchst wahrscheinlich niemanden mit einer Quirk.

"Ja, das habe ich auch schon bemerkt. Heute Nachmittag, als diese seltsame Gestalt aufgetaucht ist, hat das Wetter sich auch urplötzlich verändert und das gefühlt nur über dem Viertel, in dem ich mich gerade aufgehalten habe.", bestätigte Nemuri. Auch ihr kam diese Tatsache inzwischen mehr als komisch vor, doch eine logische Erklärung dafür hatte sie nicht. Lediglich ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass das alles unmöglich Zufall sein konnte.

"Glaubst du das könnte irgendetwas mit dieser ganzen Parallelweltgeschichte zu tun haben?", rätselte Yu. Es gefiel ihr nicht weiter darüber nachzudenken, doch eine andere Erklärung hatte sie auf die Schnelle auch nicht.

Die Ältere zuckte leicht mit den Schultern. "Ich weiß es nicht, aber vermutlich werden wir es bald herausfinden." Auch wenn sie sich nicht sicher war, ob sie den Grund für die Blitze wirklich herausfinden wollte. Da war es plötzlich, dieses ungute Gefühl, welches an ihren Eingeweiden zu nagen schien.

Nachdem sie sich sicher sein konnten, das in der Stadt niemand zu Schaden gekommen war, lenkte Nemuri den Smart schließlich in eine Parktasche, schnallte sich ab und stieg aus. Die Blondine tat es ihr gleich.

Yu musterte ihre Umgebung und kam zu dem Schluss, dass ihr diese Straße durchaus bekannt vorkam. Wohnte die Lehrerin nicht hier irgendwo ganz in der Nähe?

"Jetzt steh da nicht blöd rum, komm mit.", riss die Dunkelhaarige sie aus den Gedanken.
 

In der Tat führte ihr Weg die beiden Frauen bis zu dem Haus, in welchem auch die Wohnung der Älteren sich befand. Die Lehrerin begann in ihrer Handtasche nach dem Schlüsselbund zu kramen, wobei Yu sie beobachtete.

"Da du aktuell nirgendwo hin kannst, kannst du erstmal bei mir unterkommen.", erklärte Nemuri ihrer Begleiterin. Es war nicht so, dass sie normalerweise dazu neigte, jeder verlorenen Seele ein Dach über dem Kopf anzubieten, doch diese Situation war vollkommen anders - Yu war vollkommen anders. Da war nicht nur die Tatsache, dass diese eigentlich Fremde ihr nach kurzer Zeit bereits so viel vertrauter vorkam, als es sich erklären ließ, sondern auch diese ganze Parallelweltgeschichte, die sie irgendwie verband.

Für die Profiheldin schienen Quirks das normalste der Welt zu sein, während es für die Lehrerin arg gewöhnungsbedürftig war, von einem Tag auf den anderen plötzlich über eine so sonderbare Fähigkeit zu verfügen. Bis vorgestern noch hatte Nemuri sich nicht den Kopf über Helden, Schurken, und Quirks zerbrochen. All das hatte für sie lediglich in Filme, aber nicht in die Realität gehört. Und dann war da noch die Tatsache, dass die seltsamen Wetterphänomene die beiden Frauen scheinbar zu verfolgen schienen. Irgendetwas sagte ihr, dass es das Beste wäre, wenn sie erst einmal zusammenblieben und sie die Blondine mit in ihrer Wohnung einquartierte.
 

Nemuri zog eine Augenbraue hoch, als die Jüngere überraschend zögerlich einen Schritt in den Hausflur tat, dann jedoch stehen blieb und erst ihre Gastgeberin, dann die noch offen stehende Tür musterte. So kurz, wie Nemuri die Andere auch erst kannte, so war sie sich dennoch bewusst, dass das gerade ein ziemlich untypisches Verhalten für Yu war.

"Stimmt was nicht?"

Yu zögerte einen Moment und fühlte sich allem Anschein nach nicht ganz wohl in ihrer Haut, ehe sie schließlich das Wort ergriff. "Dein Angebot ist wirklich nett, allerdings weiß ich nicht, ob ich es wirklich annehmen sollte."

Der Blick der Lehrerin wurde fragender. So kannte sie Yu ganz eindeutig nicht. Sie hatte in der kurzen Zeit bereits festgestellt, dass Yu eigentlich sofort zugriff, wenn es irgendwo etwas umsonst gab. Das Angebot eines kostenlosen Übernachtungsplatzes auszuschlagen, sah ihr folglich ganz und gar nicht ähnlich.

"Die Sache ist die, dass du mich gestern schon nicht ohne Hintergedanken mit nach Hause genommen hast. Ich weiß, das alles was dann passiert ist, hauptsächlich ein Missverständnis war, aber eine Wiederholung davon brauche ich nicht.", rückte die Blondine schließlich mit der Sprache heraus.

Es hatte ihr ganz eindeutig nicht gefallen, gestern so überrumpelt zu werden. Sie wollte sichergehen, dass es diesmal wirklich nur Gastfreundschaft seitens der Älteren war und nichts anderes.

Für einen Moment starrte Nemuri Yu nur schweigend und fast schon ungläubig an, dann fing sie an zu lachen. "Dummkopf! Für wen hältst du mich eigentlich? Ich hab die Situation gestern ganz einfach falsch interpretiert. Das du dich erstmal bei mir einquartieren kannst, habe ich dir angeboten, weil ich dich bei dem Wetter und den Temperaturen ungern auf der Straße wissen möchte. Keine Angst, ich werd dich schon nicht fressen."

Kurz musterte Yu ihr Gegenüber noch skeptisch. Sie wollte sie also nicht fressen? Das klang fast schon wie beim bösen Wolf und dem Rotkäppchen - im übertragenen Sinne natürlich. Irgendwie amüsierte der Vergleich sie fast schon und das plötzlich wieder aufgekommene, schlechte Gefühl begann zu schwinden.

"Wenn das so ist, sage ich zu einem kostenlosen Schlafplatz natürlich nicht nein. Aber hey, wehe du schaltest mich nochmal so ohne jede Vorwarnung mit deiner Quirk aus!"

Die Blondine schmollte, was die Ältere ziemlich niedlich fand. "Absichtlich nicht. Wenn es doch passiert, dann liegt es daran, dass ich keine Ahnung habe, wie ich diese Fähigkeit nun einsetze oder steuere.", versicherte Nemuri ihr mit einem amüsierten Grinsen.
 

Die beiden Frauen liefen die Treppen hinauf und betraten schließlich die Wohnung. Nachdem sie eben noch durch den Regen vollkommen durchweicht worden waren, tat es gut, das beheizte Appartement zu betreten.

Yu streckte sich und genoss es der herbstlichen Kälte vorerst entkommen zu sein.

Zwar hatte sie die Wohnung der Lehrerin nun bereits das zweite Mal betreten, gestern Abend und heute Morgen war sie jedoch noch nicht dazu gekommen, sich wirklich umzusehen. Folglich ließ sie nun den Blick durch das Zimmer schweifen.

Eins musste sie Nemuri lassen, die Ältere hatte den Raum wirklich hübsch eingerichtet. Die warmen Farben und die Accessoires, von denen es hier weder zu viel noch zu wenig gab, gaben der Wohnung etwas Gemütliches.

Die Blondine wandte sich wieder der Wohnungsbesitzerin zu, welche soeben ihre Handtasche auf einem kleinen Schränkchen abgestellt hatte. Es gab noch so viele Dinge, über die sie reden mussten, doch das konnte auch noch ein Weilchen warten.

"Kannst du mir was zum Anziehen leihen? Meine Sachen sind vom Regen noch ganz nass.", erkundigte Yu sich ganz direkt bei Nemuri. Wozu auch lange um den heißen Brei herumreden? Sie benötigte aktuell eindeutig trockene Klamotten, weshalb sie darauf hoffte, sich am Kleiderschrank der Lehrerin bedienen zu dürfen.

Ehe sie antwortete, musterte Nemuri ihren Gast von Kopf bis Fuß vielsagend, bis Yu der Blick fast schon unangenehm wurde. Schließlich stahl sich ein belustigtes Grinsen auf die Lippen der Größeren. "Ich bin mir nicht sicher, ob meine Klamotten einem Zwerg wie dir passen, aber solange du hier in der Wohnung bist, sollte sich schon etwas finden."

"Nenn mich nicht ständig Zwerg!", empörte die Blondine sich. Sie beobachtete, wie Nemuri einen Schrank öffnete, einige Kleiderbügel von links nach rechts schob und Yu hin und wieder prüfend musterte. Schließlich zog Nemuri ein schwarzes Kleid aus bequemem Stoff aus dem Schrank und reichte es ihrem Gast. "Hier, versuch mal ob das passt."

"Danke, das wird es für den Abend schon tun." Yu nahm ihr den Kleiderbügel ab. "Du glaubst nicht wie froh ich bin, endlich aus meinem Heldenkostüm herauszukommen."
 

Um sich umzuziehen, tappte die Blondine vom Wohnzimmer aus ins Bad und zog die Tür hinter sich zu. Yu war von Natur aus sehr selbstbewusst bis dreist, weshalb sie auch in Wohnungen anderer Leute nicht fremdelte. Sie fragte gar nicht erst, sondern beschloss ganz einfach direkt, unter die Dusche zu springen, nachdem sie sich aus ihrem Heldenkostüm geschält hatte.

Das sie eine Waschmaschine im Bad der Lehrerin entdeckte, war ihrer Meinung nach eine glückliche Fügung des Schicksals. Ihre eigene Kleidung wurde ganz einfach in die Waschmaschine verfrachtet, das Waschprogramm wurde gestartet und ihr Ersatzoutfit am Kleiderbügel von innen an die Tür gehängt.

Schließlich stieg Yu unter die Dusche und genoss das angenehm warme Wasser, welches auf sie herabprasselte. Endlich duschen zu können war nach all dem Chaos, in welches sie so unverhofft geraten war, eine wahre Wohltat.

Während sie duschte, dachte sie über ihre aktuelle Situation nach. Vermutlich stimmte es, dass sie irgendwie in einer Art Parallelwelt gelandet war. Wie das möglich sein konnte, war ihr noch nicht so ganz klar, doch sie hoffte, dass sich dies bald klären würde, genauso wie sie hoffte, dass sich bald die Chance ergeben würde den Rückweg anzutreten. Sie vermisste die Welt die sie kannte, genauso wie sie ihre Freunde und Bekannten vermisste. Natürlich wollte sie schnellstmöglich wieder zurück! Ob man sich Zuhause ihr Verschwinden erklären konnte? Ob man sich Sorgen um sie machte? Auf ihr Team traf das sicherlich zu. Yu seufzte. Wie gerne sie den anderen erklärt hätte, was genau passiert war und wo sie hier war. Aber das würde wohl warten müssen, bis sich eine Möglichkeit ergeben hatte, wieder zurückzureisen. Wenn sich diese Möglichkeit denn jemals ergeben sollte. Parallelwelten waren nicht unbedingt etwas Alltägliches.

Doch so gerne sie auch wieder zurück wollte, da gab es eine Sache, die sie zögern ließ, fast wie ein bitterer Beigeschmack, der unmöglich auszublenden war.

Wenn sie wieder zurück in 'ihrer Welt' wäre, würde das auch bedeuten, dass sie Nemuri hier zurücklassen müsste. Dabei hatte sie sie doch gerade erst wiedergefunden. Na gut, eigentlich hatte sie nicht die Lehrerin wiedergefunden, die sie kannte. Ihre Freundin war tot - bei dieser schrecklichen Schlacht gegen die Schurken ums Leben gekommen. Allein bei dem Gedanken daran schnürte sich der Profiheldin erneut die Kehle zu. Die Nemuri, die sie hier getroffen hatte, war so etwas wie ein Spiegelbild ihrer Nemuri. Sie waren sich so unglaublich ähnlich... und doch handelte es sich um zwei verschiedene Personen. Für Yu war das nur schwer zu ertragen. Doch so hart es für die Blondine auch war, sie war trotz allem froh ihre Zeit in dieser Welt nun hier bei Nemuris 'Spiegelbild' verbringen zu können. Es fühlte sich an, als hätte sie sie wiedergefunden und gleichzeitig auch wieder nicht. Die Nähe der Älteren tat ihr gut und war gleichzeitig Gift, wenn man es denn so wollte. Aber sie hatte ihr vorhin auch versprochen, dass sie sie beschützen würde und das war nicht einfach so dahergeredet. Yu meinte was sie sagte. Sie hatte schon einmal nichts für die Lehrerin ihrer Welt tun können, dies würde ihr nun sicher kein zweites Mal passieren.

Doch Nemuri zu beschützen bedeutete gleichzeitig auch, nicht in ihre Welt zurückkehren zu können, sollte sich jemals die Gelegenheit dazu ergeben.

Yu ließ sich das Wasser der Duschbrause ins Gesicht regnen. Was genau sollte sie tun?
 

Die Wohnungsbesitzerin selbst war es, die sie aus ihren Gedanken riss.

"Hey, sag mal, läuft die Waschmaschine?" Nemuri hatte die Tür geöffnet und blickte nun fragend ins Bad.

Die Jüngere sah hinter dem Duschvorhang vor und nickte, als wäre dies das normalste der Welt.

"Ja, tut sie, wie du siehst."

"Schön, dass du dich so schnell heimisch fühlst, aber wie wäre es, wenn du erstmal fragst, bevor du einfach die Waschmaschine startest?!", blaffte die Lehrerin gereizt.

Yu zuckte lediglich unbeeindruckt mit den Schultern. "Keine Sorge, ich habe die gleiche Waschmaschine Zuhause, ich weiß wie man sie bedient."

"Darum geht es doch gar nicht!"

"Aber meine Klamotten mussten gewaschen werden. Hätte ich sie auf der Hand waschen sollen?!"

"Du dreistes Gör machst mich echt wahnsinnig...!", murrte die Wohnungsbesitzerin halb verärgert, halb resigniert. Einerseits regte sie sich über Yus Dreistigkeit auf, andererseits war ihr auch klar, dass es rein gar nichts bringen würde, das jetzt auszudiskutieren.

Und erneut hatte Nemuri das Gefühl, dass sie Yu viel besser kannte, als es nach der kurzen Zeit erklärbar war. Wie kam das nur? Hätte eine andere Person sich auch nur annähernd dreist verhalten wie Yu, sie wäre ganz sicher wütender geworden. Bei der Blondine hingegen resignierte sie eher.

Kaum merklich schüttelte sie den Kopf. Gut, die Kleine kam aus einer Parallelwelt, was schon ziemlich verrückt war, aber war das wirklich der Grund, der sie so aus der Bahn warf?

"Beeil dich gefälligst, ich will auch noch duschen.", stellte die Lehrerin schließlich klar, ließ sich ihre Grübeleien nicht anmerken und zog die Tür wieder zu.
 

Nachdem die Profiheldin geduscht und sich umgezogen hatte, gesellte sie sich zurück ins Wohnzimmer, ein Handtuch noch auf den Schultern.

"Ich gehe jetzt auch duschen. Traust du dir zu den Ofen so lange im Auge zu behalten?", erkundigte Nemuri sich.

"Hey, ich bin doch nicht bescheuert!", maulte Yu.

Als die Ältere im Bad verschwunden war, riskierte die Heldin einen kurzen Blick in den Ofen und entdeckte zu ihrer Freude eine Pizza darin. Zwar eine Fertigpizza, aber was das betraf, war sie nicht sonderlich wählerisch. Ganz generell war sie ein Fan von Junkfood, auch wenn diese Ernährung vielleicht nicht die Gesündeste war. Noch brauchte das Tiefkühlprodukt allerdings ein Weilchen.

Die junge Frau machte es sich auf dem Sofa gemütlich. Da Nemuri zuvor den Fernseher eingeschaltet hatte, Yu die Fernbedienung so schnell nicht finden konnte und zu faul war nun wirklich danach zu suchen, sah sie sich eben die Nachrichten an. Vielleicht war das auch nicht das Schlechteste um einen besseren Eindruck von dieser Parallelwelt gewinnen zu können.

Wie sie feststellte, hatte sie keinen der Politiker, welche erwähnt wurden, je gesehen. Zwar kannte die Heldin nicht wirklich viele Politiker, da sie sich für Politik und Wirtschaft im Allgemeinen nur sehr begrenzt interessierte, doch die Gesichter im Fernsehen waren ihr allesamt vollkommen fremd. Auch die aktuellen Probleme in dieser Welt waren gänzlich andere als die, mit denen sie sich in ihrer Heimat herumschlagen musste. Es war wirklich verrückt. Diese Orte waren sich einerseits so ähnlich und andererseits doch so fremd.

Unweigerlich fiel ihr Blick in Richtung Badezimmertür. Nicht nur die Welten an sich waren verschieden, wobei es ihr bei der Wohnungsbesitzerin noch schwerer fiel, dies zu akzeptieren.

Diese Nemuri war ihrem Spiegelbild aus der Parallelwelt so ähnlich, dass es fast unmöglich war einen Unterschied festzustellen, bloß dass die Lehrerin aus dieser Welt keine Profiheldin war und mit ihrer Quirk nicht umgehen konnte. Aber ansonsten? Die beiden waren sich so ähnlich, wie konnte es sich da um zwei unterschiedliche Personen handeln?

Kaum dachte Yu an sie, öffnete die Badezimmertür sich und die Ältere betrat das Wohnzimmer. Nemuri trug ein rosanes, bequem wirkendes Oberteil, bei dem es sich entweder um einen zu langen Pullover, oder ein zu kurzes Kleid handelte. Die langen, dunklen Haare hatte sie zu einem unordentlichen Pferdeschwanz zusammengebunden. Hier in der Wohnung trug Nemuri ihre Brille, vermutlich um den Fernseher richtig erkennen zu können. Wie die Profiheldin feststellte, handelte es sich sogar um die gleiche Brille, wie die Nemuri ihrer Welt sie in ihrer Freizeit getragen hatte.

Beim Anblick der Lehrerin machte sich ein vertrautes, warmes Gefühl in Yus Magengegend breit.

Sie musste an die Zeit vor dem großen Kampf zurückdenken, als alles noch in Ordnung gewesen war. Damals, nachdem sie endlich aufgehört hatten sich ständig zu streiten, hatten die beiden Frauen erst angefangen sich öfter in der Stadt zum Shoppen zu treffen, dann hatten sie sogar begonnen miteinander auszugehen. Die Blondine hatte jeden Moment dieser Zeit genossen.

So ähnlich, wie die Lehrerin und deren Spiegelbild sich waren, war das vertraute Gefühl nie verschwunden. Wenn sie sie ansah, empfand Yu fast die gleiche Zuneigung für sie, wie drüben in ihrer Welt. Es wäre so leicht, an all das, was vor dem Krieg gerade angefangen hatte, in dieser Zeit anzuknüpfen. Ja, vielleicht wäre das sogar möglich. Das die Dunkelhaarige ihr gegenüber alles andere als abgeneigt war, hatte sie ihr immerhin gestern schon bewiesen, auch wenn das Interesse eher körperlicher Natur gewesen war. Aber so ähnlich, wie diese Nemuri ihrem Spiegelbild aus ihrer Welt auch charakterlich war, war Yu sich fast schon sicher, dass sie zueinander passen würden, wenn sie dem ganzen eine Chance gaben. Zwar verbunden mit dem ein oder anderen Streit, oder der ein oder anderen Zickerei, aber war das wirklich etwas neues?

Schließlich erschrak Yu über ihre eigenen Überlegungen. Was dachte sie da eigentlich?! In Gedanken schalt sie sich selbst heftig, über so etwas überhaupt nachzudenken und sei es auch nur für den Bruchteil einer Sekunde.

//Die Frau die du geliebt hast ist tot und ihr Spiegelbild aus dieser Welt ist kein Ersatz!//, rief sie sich in Gedanken nur noch einmal deutlich in Erinnerung.
 

"Hey, Erde an Yu. Du starrst ja Löcher in die Luft. Worüber denkst du nach?", riss Nemuris Stimme sie aus den Gedanken. Die Ältere war kurz vor der Küchenecke stehen geblieben und blickte sie an.

Yu blinzelte und fühlte sich schuldig, was sie sich nicht anmerken zu lassen versuchte. "Ich habe mir gerade die Nachrichten angesehen. Vermutlich hat es mich aus der Bahn geworfen, dass unsere Welten sich so ähneln und doch so verschieden sein können.", wich sie rasch aus, denn unmöglich konnte sie der Dunkelhaarigen ihre eigentlichen Gedankengänge verraten, wegen denen sie quasi sofort ein schlechtes Gewissen bekommen hatte.

Fragend zog Nemuri eine Augenbraue hoch und grinste. "Und deshalb siehst du mich an wie ein Hündchen, dass ganz genau weiß, dass es etwas ausgefressen hat?", zog sie sie auf. "Ja wohl kaum. Also sag schon, was hast du angestellt?"

Einerseits fühlte Yu sich ertappt, das man ihr ihr schlechtes Gewissen scheinbar an der Nasenspitze ansehen konnte, doch würde sie mit Nemuri ganz bestimmt nicht über ihre vorherigen Gedanken sprechen und mal ganz davon abgesehen, gefiel ihr der Vergleich, den die Ältere da eben angestellt hatte, ganz und gar nicht.

"Hey! Gar nichts habe ich angestellt! Und vergleich mich nicht mit einem Hund!", empörte sie sich.

"Dann lieber mit meinen Schülern? Die sehen auch so aus, wenn sie ihre Hausaufgaben vergessen haben.", schlug Nemuri amüsiert vor.

"Kauf dir ne andere Brille, deine Sehstärke scheint im Alter abgenommen zu haben!", konterte Yu, meinte ihre Worte jedoch mehr neckend, als das sie wirklich verärgert war.

Rasch griff sie nach einem der Sofakissen und warf es der Lehrerin entgegen.
 

In der Küchenecke schnitt die Wohnungsbesitzerin die Pizza in Stücke, ehe sie mit dem Teller und zwei Gläsern zurück in den Wohnbereich des Appartements lief und alles auf dem Wohnzimmertisch abstellte.

Yu erwartete sie bereits und musterte das heutige Abendessen mit leuchtenden Augen.

"Das riecht herrlich. Mit Pizza kann man eigentlich gar nichts falsch machen.", freute sie sich.

"Ach, findest du?", hakte Nemuri nach und setzte sich neben die Blondine aufs Sofa. "Normalerweise kommt ungesundes Fertigfutter mir nicht auf den Tisch, aber nach dem Tag heute hatte ich keine Lust mehr noch etwas zu kochen." Mal ganz davon abgesehen, dass sie nicht dazu gekommen war einzukaufen.

"Manche Dinge ändern sich nie.", grinste Yu. "Das du auch in dieser Welt lieber frisch kochst, wundert mich kein bisschen."

Die Lehrerin horchte auf. Also bevorzugte ihr Spiegelbild in der Parallelwelt auch frisches und gesundes Essen? Wenn sie sich so ähnlich waren, wie Yu sagte, dann war das allerdings auch nicht weiter verwunderlich. Auch wenn es sie nach wie vor mehr als irritierte, sich überhaupt vorzustellen, dass es irgendwo dort draußen eine Art Parallelwelt gab und es in dieser eine Doppelgängerin von ihr zu geben schien.

Die Profiheldin hatte währenddessen nach einem Stück Pizza gegriffen. Sie biss davon ab und schloss einen Moment genießerisch die Augen. "So gut!", stellte sie noch mit vollem Mund fest. "Aber ein wenig zusätzlicher Käse hätte auch nicht geschadet.", fügte sie hinzu, nachdem sie den Bissen heruntergeschluckt hatte.

Nemuri blickte ihren Gast mit hochgezogener Augenbraue an. "Du meinst, damit das eh schon ungesunde Abendessen noch ungesünder wird?"

Yu zuckte lediglich unbeeindruckt mit den Schultern. "Ist doch egal. Ich kann essen was ich will und nehme nicht zu." Inzwischen hatte die Blondine das erste Pizzastück fast vertilgt. "Das ist außerdem das erste warme Essen, dass ich an diesem Ort zwischen die Zähne kriege."

Schon hatte sie sich ein zweites Stück Pizza geschnappt, während Nemuri gerade mal nach dem für sie ersten Stück Pizza griff und langsam hineinbiss.

Der letzte Satz der Jüngeren ließ sie für einen Moment stutzen. "Was hast du in den letzten Tagen überhaupt gegessen? Hattest du eigentlich Geld dabei?"

Daraufhin zog Yu ein Gesicht. "Natürlich nicht. Ich wollte in meiner Welt immerhin gerade lediglich in der Stadt auf Patrouille gehen, nicht einkaufen.", murrte sie, ehe sich ihre Mimik ein wenig aufhellte. "Aber ich habe dem Bäcker hier am Marktplatz schöne Augen gemacht und mir belegte Brötchen und Teilchen schenken lassen."

Nun war es an Nemuri ihren Gast ungläubig anzusehen. Das Yu dreist war, war ihr schon klar, aber das sie so schamlos zugab, sich Essen erschnorrt zu haben...

"Das ist jetzt nicht dein Ernst.", hakte sie nach.

"Doch, natürlich.", versicherte die Blondine ihr während des Essens vollkommen selbstverständlich. "Wie hätte ich denn sonst an was zu essen kommen sollen? Ist außerdem nicht so, als wenn ein paar verschenkte Backwaren eine so große Bäckerei umbringen würden."

"Du bist wirklich ein dreistes Gör, weißt du das eigentlich?", zog die Lehrerin ihren Gast auf.

"Quatsch, ich würde mich eher als Überlebenskünstlerin bezeichnen.", entgegnete Yu.

Auf Nemuris Lippen stahl sich ein schiefes Schmunzeln. Diese Yu... Aber irgendwie kam die Kleine ihr schon wieder so wahnsinnig vertraut vor. Im ersten Moment hatte sie sich noch darüber gewundert, wie die Blondine so dreist in der Öffentlichkeit Essen schnorren konnte, nun hatte sie viel mehr das Gefühl, als sollte sie sich gar nicht darüber wundern. Fast, als wenn sie diese Angewohnheit der Jüngeren schon längst gekannt, aber irgendwie verdrängt und sich nun wieder daran erinnert hätte. Wirklich merkwürdig.
 

Letztlich überließ Nemuri Yu den größten Anteil der Pizza, schien die Blondine doch wirklich Hunger zu haben.

Nachdem sie gegessen hatten, blieben sie noch etwas auf dem Sofa sitzen und sahen fern.

Die Lehrerin hatte den Arm auf die Sofalehne gelegt. Der Film, der gerade lief, war nicht schlecht, doch es fiel ihr schwer sich wirklich darauf zu konzentrieren.

Wie durch Zufall ließ sie ihren Arm von der Sofalehne und auf Yus Schultern rutschen. Die Kleinere blinzelte kurz, schien sich jedoch nicht wirklich daran zu stören und verfolgte stattdessen lieber die Komödie, die gerade lief.

Für Nemuri selbst hingegen rückte der Film in immer weitere Ferne. Ihre Gedanken kreisten eher um Yu, die entspannt neben ihr auf dem Sofa saß.

Aus dem Augenwinkel musterte sie die Gesichtszüge der Jüngeren. Die Blondine war niedlich und schön zugleich, während ihre ungewöhnlich rötlichen Augen eine starke Ausstrahlungskraft besaßen und ihre Emotionen zumeist offenlegten, wie ein geöffnetes Buch.

Kurz blieb Nemuris Blick an der kleinen Narbe über Yus Auge hängen. Die Heldin hatte ihr vorhin noch erzählt, das besagte Narbe ein Andenken aus der Schlacht war, in der sie gekämpft hatte. Sie fiel kaum auf und zumindest Nemuri störte sich nicht daran, dennoch hatte sie das Gefühl, dass die Narbe dem Gesicht der jungen Frau etwas Ernsteres verlieh. Ernster, als ihre Züge es zuvor gewesen waren, was zweifelsohne an der erlebten Schlacht liegen musste.

Die Lehrerin stutzte über ihre eigenen Gedanken. Ernster als zuvor? Das war dann ja wohl nicht mehr als eine Vermutung, immerhin kannte sie die Kleine erst seit ein paar Tagen.

Yu lehnte sich etwas mehr an die Seite der Dunkelhaarigen. Die Zweifel, die sie vorhin noch beim Betreten des Hausflurs gehabt hatte, musste sie inzwischen wohl abgelegt haben und es scheinbar ganz einfach gemütlich finden, so auf dem Sofa zu sitzen, befand Nemuri. Nicht, dass sie sich beschweren wollte. Der Lehrerin missfiel die Situation keinesfalls. Der Größenunterschied der beiden sorgte dafür, dass Yu praktisch perfekt in ihren Arm passte und dabei noch ganz bequem den Kopf an ihre Schulter lehnen konnte.

Weiterhin verfolgte Yu den Film, ehe sie zum wiederholten Mal leicht die Stirn runzelte und schließlich zu Nemuri hochblickte.

"Weißt du was seltsam ist?", erkundigte sie sich bei der Wohnungsbesitzerin, ließ dieser jedoch keine Zeit zu antworten, sondern rückte bereits mit der Erklärung heraus. "Ich kenne den Film aus meiner Welt. Die Handlung und sogar die Dialoge sind gleich, bloß die Schauspieler sind mir vollkommen fremd."
 

Nachdem die beiden Frauen noch etwas ferngesehen und geredet hatten, siegte nach und nach die Müdigkeit. Da Nemuris Wecker am nächsten Morgen bereits wieder zeitig klingeln würde, beschlossen sie langsam schlafen zu gehen.

Yu zögerte ein wenig, sich zu der Älteren in deren gemütliches Boxspringbett zu legen, doch auf einem Zweisitzer-Sofa konnte sie unmöglich schlafen. Nemuri, die das Zögern der Blondine durchaus bemerkt hatte, zog sie erneut damit auf, dass sie sie schon nicht fressen würde und das die Heldin auch auf dem Boden schlafen könnte, wenn ihr dies lieber wäre. Natürlich war es das nicht.

Auch Yu wollte es möglichst bequem haben und das Missverständnis hatte sich inzwischen glücklicherweise längst geklärt.

Doch obwohl das Bett gemütlich war, sie genügend Platz hatte und der Raum angenehm warm war, lag die Profiheldin dennoch lange wach. Ihre Gastgeberin war schon längst eingeschlafen, als Yu sich immer noch schlaflos hin und her wälzte.

So viele Gedanken ließen sie einfach nicht los. Sie hatte Heimweh, anders konnte sie es nicht sagen.

Yu vermisste ihre Teamkameraden, ihre Freunde und alle bekannten Gesichter. Auch der Alltag als Heldin fehlte ihr. Wie hatte sie nur hier, an diesem seltsamen Ort landen können, den man am ehesten wirklich noch als Parallelwelt bezeichnen konnte? Allein der Gedanke, dass so etwas möglich sein sollte, war auch für Yu weiterhin mehr als verwirrend. Niemals hätte sie sich träumen lassen, mal in so einer Situation zu landen. Ganz allein und ohne einen Heldenkollegen, mit dem sie sich zumindest beratschlagen könnte.

Yu drehte sich auf die Seite. Ihr Blick fiel auf die schlafende Lehrerin, die in der Dunkelheit der Nacht nur als Silhouette zu erkennen war. Eine Weile lang lauschte sie der ruhigen, regelmäßigen Atmung der Älteren.

Nemuris Anwesenheit führte ihr erneut vor Augen, wie sehr sie 'ihre' Nemuri doch vermisste.

Warum konnte es sich bei den beiden nicht einfach um ein und dieselbe Person handeln? Das hätte vieles so viel einfacher gemacht. Doch das war ein Ding der Unmöglichkeit, das war auch der Profiheldin klar. Ihre Freundin war tot, sie würde sie nie wiedersehen. Ihr Spiegelwelt aus der Parallelwelt war ihr zwar unglaublich ähnlich, doch handelte es sich bei ihr eben nicht um ihre Nemuri.

Obwohl sie ein Dach über den Kopf hatte und es ihr hätte schlechter gehen können, fühlte Yu sich unglaublich verloren und allein in dieser verdammten, seltsamen Welt.

Ohne wirklich darüber nachzudenken, rückte sie näher an die Lehrerin heran, legte einen Arm über sie und vergrub ihr Gesicht am Oberarm der Älteren. Die Wärme, die Nemuri ausstrahlte und ihre Nähe ganz allgemein taten ihr gut. Trotz allem führte es Yu auch noch einmal vor Augen, wie grausam das Schicksal eigentlich sein konnte. Sie lag nun hier, dicht angekuschelt an das Spiegelbild ihrer Freundin, welches sogar genauso roch, wie die Nemuri, die sie gekannt hatte. Bloß das sie es nicht war.

"Verdammt, ich habe dich wirklich geliebt.", nuschelte sie leise. Glücklicherweise weckten Yus Worte die Lehrerin nicht.

Es stimmte, sie hatte sich vor der Schlacht, wirklich in die Nemuri ihrer eigenen Welt verliebt und da sie ihrem Spiegelbild so ähnlich war, übertrug die Heldin ihre Gefühle ganz automatisch auf die Lehrerin dieser Welt. Die beiden Nemuris glichen sich äußerlich und charakterlich wirklich wie ein Haar dem anderen. Umso bitterer war es, sich jedes Mal wieder vor Augen zu führen, dass die Lehrerin, die aktuell schlafend neben ihr lag, trotz allem nicht die Person war, in die sie sich verliebt hatte. Ihre Gefühle auf sie zu übertragen, war falsch, das wusste Yu, immerhin war diese Nemuri kein Ersatz und würde nie die Person sein, die sie in ihrer eigenen Welt kennen und lieben gelernt hatte.

Was für eine verdrehte Welt. War es da ein Wunder, das ihre Gefühle Ping Pong spielten und ihr Kopf ihrem Herzen immer wieder aufs Neue sagen musste, das es falsch war, auch nur ansatzweise in diese Richtung zu denken?

Langsam aber sicher legte die Müdigkeit sich auch über Yu. Sie kuschelte sich noch etwas dichter an ihre Gastgeberin. Zu glauben, sie mehr als nur zu mögen, weil sie das Spiegelbild der Lehrerin geliebt hatte, war vielleicht falsch, aber ihre Nähe tröstete sie gleichzeitig auch und einfach nur neben ihr zu schlafen, um am nächsten Morgen einigermaßen ausgeruht zu sein, wäre in Ordnung, oder? Über diese Gedanken schlief Yu schließlich ein.
 

Am nächsten Morgen war Nemuri es, die es schaffte etwa 10 Minuten vor dem Weckerklingeln von allein aufzuwachen.

Verschlafen blinzelte sie. Der Raum war noch dunkel und auch auf den Straßen war es still, doch die roten Ziffern, die ihr Wecker gegen die Wand projizierte, verrieten ihr die Uhrzeit. Noch einmal einzuschlafen würde sich leider nicht lohnen. Bald schon würde sie aufstehen müssen. Es war früher Morgen und auch heute rief die Arbeit bereits in absehbarer Zeit nach ihr.

Doch heute aufzustehen würde schwerer werden als gewöhnlich. Im Normalfall stand die Lehrerin selbst dann problemlos auf, wenn sie noch müde und verschlafen war, aber das heutige Erwachen war viel gemütlicher gewesen, als an normalen, anderen Wochentagen.

Zu ihrer Überraschung hatte Yu sich im Schlaf dicht an sie gekuschelt und sie in eine Umarmung gezogen. Das Gesicht der Blondine befand sich ungefähr auf Höhe von Nemuris Schlüsselbein.

Zwar konnte sie ihr somit nicht direkt ins Gesicht sehen, doch die ruhigen, regelmäßigen Atemzüge verrieten ihr, dass die Jüngere noch schlief.

Auf die Lippen der Dunkelhaarigen schlich sich ein Schmunzeln. Gestern noch war Yu es gewesen, die mit der Schlafsituation nicht ganz einverstanden gewesen war, nun jedoch... Nemuri war es, die auf ihrer Bettseite geblieben war, während die kleine Blondine dicht an sie gerückt war und sogar einen Arm um sie gelegt hatte. Nemuris Schmunzeln wurde breiter. Das war einfach zu niedlich.

Ein wenig tat es ihr schon leid, dass sie Yu gleich würde aufwecken müssen, doch wenn in einigen Minuten der Wecker klingelte, konnte sie das schlecht ignorieren, nur weil es hier im Bett gerade gemütlich war.

Während sie ihren schlafenden Gast musterte, begann die Lehrerin mit einer der blonden Haarsträhnen zu spielen. Yu murrte leise im Schlaf.

Wie süß. Die Kleine hatte ganz eindeutig ein Talent dafür niedlich zu sein und das oftmals sogar vollkommen unbewusst. Nemuri legte der Profiheldin eine Hand an die Wange und strich sanft mit dem Daumen darüber.

"Hey, es wird langsam Zeit aufzuwachen, Süße." Noch klang die Stimme der Lehrerin sanft. Sie wollte es der Jüngeren ersparen schlagartig vom Wecker aufgeweckt zu werden und hatte daher beschlossen, dem Wecker ganz einfach zuvor zu kommen. Außerdem wollte sie Yus Gesicht sehen, wenn diese aufwachte - die Blondine würde mit Sicherheit noch ziemlich verschlafen drein blicken.

Yu murrte vor sich hin, vergrub das Gesicht zuerst einmal jedoch noch etwas mehr in ihrem lebenden Kissen. Da war aber noch jemand sehr müde.

Amüsiert grinsend strich Nemuri ihr erneut über die Wange. "Aufwachen sagte ich.", säuselte sie.

Schließlich blinzelte die junge Frau tatsächlich. Erst nur verschlafen vor sich hin, dann rückte sie ein kleines Stückchen auf Abstand und sah zu Nemuri hoch, kaum dass sie bemerkt hatte, dass sie im Schlaf nicht irgendwann wieder auf Abstand gegangen war.

Nun, zumindest wirkte die Lehrerin nicht so, als würde sie sich sonderlich an diesem Fakt stören.

"Mmmh... ich bin noch müde." Yu gähnte. "Wie viel Uhr ist es denn?"

"Gleich 06:00 Uhr. Der Wecker klingelt jeden Moment."

Nicht ganz glücklich über diese Erklärung zog die Blondine die Stirn kraus. "06:00 Uhr? Das ist ja noch mitten in der Nacht.", grummelte sie verschlafen.

"Nicht in der Woche. Die Arbeit ruft und das heißt, dass du auch aufstehen musst.", beharrte Nemuri darauf, dass die Nacht nun vorüber war. Weiterhin klang ihre Stimme eher sanft, zumal sie gerade arg damit zu kämpfen hatte, keinen Zuckerschock zu bekommen.

Das Yu schön war wusste sie, das die Blondine unglaublich niedlich sein konnte, war ihr ebenfalls bekannt, aber ihr verschlafenes Gesicht und die noch müde blinzelnden roten Augen, das war unbezahlbar.

Die Jüngere fiel ganz genau in ihr Beuteschema, auch das war Nemuri klar, aber war es nur dieser Fakt, dass Yu sie dermaßen aus dem Konzept brachte? Dieses intensive Kribbeln in der Magengegend und dieses Gefühl der Vertrautheit, ließ sich doch nicht damit erklären, dass sie die Heldin einfach attraktiv fand.

Im Normalfall neigte die Dunkelhaarige nicht unbedingt dazu die rosarote Brille aufzusetzen. Sie war mehr als selbstbewusst und wusste ganz genau was, beziehungsweise wen, sie wollte, aber das bedeutete nicht, dass sie Personen, die ihr Interesse geweckt hatten, auch automatisch Gefühle entgegenbrachte. Ihr derzeitiger Gast hingegen... Die Lehrerin konnte nicht leugnen, dass die Kleinere ihr sympathisch war. Sie mochte sie und sie hatte vor allen Dingen das Gefühl, dass sie sie bereits viel besser und länger kannte, als es eigentlich der Fall war. Wie auch immer das sein konnte.

"Du musst zur Arbeit und ich muss auch aufstehen?", hakte Yu noch einmal nach und gähnte schließlich hinter vorgehaltener Hand. "Kann ich nicht ganz einfach noch etwas schlafen und später die Tür hinter mit zuziehen?"

Nemuri blinzelte sie amüsiert an. "Abgelehnt, das kommt gar nicht in Frage.", bestand sie weiterhin darauf, dass die Nacht nun für sie beide vorbei war.

"Sklaventreiberin, elende.", grummelte Yu vor sich hin und rollte sich auf den Rücken, um sich erst einmal zu strecken.

"Immer wieder gern.", zog die Lehrerin sie grinsend auf und warf ihr ein Lächeln zu, als könne sie kein Wässerchen trüben. Dieses wurde jedoch schnell wieder schelmischer. "Ich wusste übrigens gar nicht, dass du so anschmiegsam bist."

Die Blondine setzte sich im Bett auf, während ihre Wangen wie auf ein unsichtbares Kommando hin einen leichten Rosaschimmer annahmen. "Musst du darauf jetzt herumreiten? Ich muss irgendwann nachts zu dir rübergerollt sein." Die Stimme der Kleineren klang peinlich berührt, wusste Yu immerhin ganz gut, dass sie sich nicht versehentlich im Schlaf an Nemuri gekuschelt hatte, sondern schon vorher ganz bewusst, um sich besser zu fühlen. "Du machst mir zumindest nicht den Eindruck, als hätte es dich sonderlich gestört.", murrte sie noch.

Nemuri grinste sie weiterhin an, setzte sich nun ebenfalls im Bett auf und strich sich einige verirrte Ponysträhnen aus dem Gesicht.

"Hat es mich auch nicht.", gab sie ganz unverblümt zu, ehe sie einem plötzlichen Impuls folgte.

Die verschlafene Blondine sah so niedlich aus, dass sie ganz einfach nicht widerstehen konnte.

"Ach und guten Morgen.", holte sie die ganz vergessene Begrüßung nach, lehnte sich zu Yu herüber und küsste sie geradewegs auf die Lippen.

Anders als neulich, hielt sie sie dabei nicht fest. Auch der Kuss an sich war nicht so fordernd wie neulich, sondern viel mehr sanft und zart.

Im ersten Moment hatte sie die Profiheldin damit so kalt erwischt, dass Yu die Augen schloss und darauf einging, bis sie sich erneut der Tatsache bewusst wurde, dass die Lehrerin nun einmal nur das Spiegelbild ihrer Nemuri war und sie so etwas daher nicht tun sollte.

Rasch wich die Blondine ein Stück zurück, Nemuri ließ sie.

"Nemuri, nicht." Yus Stimme klang weder peinlich berührt noch unsicher, viel mehr seltsam belegt, hatte ihr das Schicksal gerade sozusagen mehr als eindrucksvoll vor Augen geführt, was sie niemals haben konnte, obwohl sie sich ihrer Freundin für einen Moment wieder so nah gefühlt hatte. Aber ihre Freundin war...

Überrascht registrierte Yu, dass Nemuri sie anblickte, als hätte sie hinter ihr soeben einen Geist entdeckt. Die Lehrerin wirkte für einen Augenblick gänzlich neben der Spur, dann gewannen ihre intensiv blauen Augen plötzlich überraschend an Kälte.

"Ja, damit hast du wohl Recht." Auch der Klang ihrer Stimme hatte sich schlagartig verändert, war kühler und unnahbarer geworden.

Das Klingeln des Weckers lenkte die Aufmerksamkeit der beiden Frauen sehr nachdrücklich auf sich.

Nemuri schüttelte den Kopf, fast so, als wollte sie sich mit der Geste zurück ins Hier und Jetzt bringen, dann stand sie auf. "Schalt den Wecker aus und dann steh auf, ich geh schon mal ins Bad."

Überrascht und verständnislos zugleich blickte Yu der Älteren nach.

"Nemuri...?" Was für eine Laus war der denn bitte über die Leber gelaufen?

Lag es daran, dass sie den Kuss erneut unterbrochen hatte? Aber es hatte ganz und gar nicht so gewirkt, als wäre das der Grund für ihr plötzliches abweisendes Verhalten.

Der Wecker piepste weiterhin ununterbrochen, sodass Yu ihn nicht länger ignorieren konnte. Schon ging ihr das Geräusch gehörig auf die Nerven.

"Verdammte alte Schachtel! Mach den Wecker doch gefälligst selbst aus, anstatt mich herumzukommandieren!", blaffte sie gereizt in Richtung Badezimmer, ehe sie die Decke zurück schlug, über das Bett rückte, den Wecker zum Schweigen brachte und schließlich aufstand.

Mürrisch blickte sie in Richtung der geschlossenen Badezimmertür. Auch die Nemuri, die sie kannte, war schon immer zickig gewesen, aber so launisch kannte sie sie gar nicht.
 

Derweil lehnte Nemuri an der Innenseite der Badezimmertür. Das Gesicht hatte sie in ihrem Morgenmantel, welcher an der Tür hing, vergraben. Sie kniff die Augen zusammen und massierte sich die Schläfen.

Verdammt, was zur Hölle war da gerade passiert? Bilder blitzten wie eine Diashow vor ihrem inneren Auge auf. Teenager, vermutlich Schüler, in blau-weißen Trainingsanzügen, Bilder aus einem Lehrerzimmer, eine an einem Tisch sitzende Maus, ...ein Eiscafé, das sie nicht kannte... und niemand geringeres als Yu Takeyama, die ihr in besagtem Café gegenübersaß, ihr ein warmes Lächeln zuwarf und mit ihrer Hand sanft die der Dunkelhaarigen hielt.

Die Bilder waren ganz plötzlich da gewesen, kaum dass sie die Blondine eben geküsst hatte. Und obwohl die Lehrerin mit den Bildern nichts anzufangen wusste, hatten sie sich in ihr Gedächtnis gebrannt und wiederholten sich wieder und wieder.

Sie hatte aus dem Raum gemusst, hatte Zeit gebraucht um sich wieder zu fangen.

//Was sind das für Bilder? Was passiert hier?!//

Heftige Kopfschmerzen zogen von ihrem Hinterkopf, über die Seiten bis hin zu ihrer Stirn. Nemuri hatte beide Hände seitlich an ihren Kopf gelegt und taumelte zum Waschbecken, wo sie sich kaltes Wasser ins Gesicht spritzte.

Noch einige Sekunden fühlte sie sich wie in Watte gepackt, dann ebbten die Kopfschmerzen langsam ab und auch der Wirbel an Bildern ließ nach.

Diese Schüler in den merkwürdigen Trainingsanzügen, diese Gesichter und schließlich Yu und sie in einem Café...wo genau kamen diese Bilder plötzlich her?

Auch wenn es inzwischen wieder ging, blieb Nemuri noch einen Moment lang auf das Waschbecken gestützt stehen, schloss die Augen und versuchte sich wieder zu sammeln.



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