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For all the Ghosts that are never gone

von

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Kapitel 15: Richy

Ich hatte den Waldrand erreicht. Erleichtert atmete ich aus. Dieser Wald war seltsam. Zwischenzeitlich hatte ich das Gefühl, beobachtet zu werden. Mit ein Grund, warum ich froh war, mit Phil zu telefonieren. Da ich es jedoch nicht für realistisch hielt, tatsächlich beobachtet zu werden, hatte ich Phil nicht davon gesagt. Schließlich sollte er sich nicht unnötig Sorgen machen.

 

Vor allem, da er sowieso nicht so begeistert von meinem kleinen Spaziergang war.

„Ein Barkeeper ist auch nur ein schlecht bezahlter Therapeut.“, scherzte er, als ich mich abermals für seine Fürsorge bedankte.

 

„Aber wenigstens gibt es Trinkgeld.“, hörte ich sein Lachen durch das Telefon. „Manchmal“

„Dann sollte ich dir wirklich mal ein ordentliches Trinkgeld zahlen.“

„Dafür müsstest du aber wieder in die Aurora kommen.“

„Bevor ich Duskwood wieder verlasse, werde ich das definitiv machen.“

Mir war bewusst, dass ich wieder ein wenig mit Phil flirtete. Auch wenn das nicht gleich hieß, dass ich über Jake hinweg war.

 

Bei weitem noch nicht…

 

Vielleicht wollte ich mir Phil nur warmhalten?

Wenn es so war, war es egoistisch von mir. Die Tatsache, dass Phil meine Situation bezüglich meines vermissten Freundes aus eigen Erfahrungen mehr als nachvollziehen konnte, machte es nicht besser. Vor allem nicht, nachdem er sich so sehr bemühte, dass es mir wieder besser ging.

Ich sollte keine meiner Spielchen mit ihm spielen.

Das hatte er nicht verdient!

 

Gedankenversunken hatte ich das Gespräch ausgeblendet und hörte nicht, wie er antwortete: „Ich wäre auch beleidigt, wenn du nicht noch mal vorbeikommen würdest.“

Da ich nicht antwortete, fragte er besorgt nach: „[MC] ist alles in Ordnung?“

„Ja, klar?“, beschwichtigte ich.

 

Doch Phil erkannte mal wieder, dass ich ihn belog: „Wirklich?“

„Ja“, kam es genervter von meinen Lippen als beabsichtigt. „Tut mir leid, Phil“

„Was bedrückt dich?“, fragte er in einem liebevollen Ton.

Als Antwort seufzte ich.

 

„Du magst es mir nicht sagen, nicht wahr.“, stellte Phil fest, ohne dabei urteilend oder verletzt zu klingen.

„Ja. Tut mir leid, Phil“, wiederholte ich, doch dieses Mal konnte man meiner Stimme entnehmen, dass ich es ernst meinte. „Es ist nur so, dass ich im Moment nicht mal wirklich weiß, was los ist. Ich kann es echt schwer erklären.“

„Ich versteh schon“, kam es einfühlsam von ihm. „Ich müsste lügen, wenn ich damals nicht ähnliches gefühlt hätte. Deswegen anderes Thema?“

„Wir können auch auflegen.“, unterbrach ich ihn. „Ich bin nämlich schon so gut wie wieder zurück bei den anderen.“

„Dann schreiben wir aber später noch mal.“

„Natürlich.“, lächelte ich.

„Bis später [MC]“

„Bis später Phil“

 

Es dauerte nicht lange, nachdem ich aufgelegt hatte, dass Jessy mich entdeckte.

„[MC]!“, schrie sie freudig. Diese freundliche Begrüßung zauberte mir ein Lächeln auf die Lippen

„Ach, du bequemst dich auch wieder hier hin?“, scherzte Dan, als ich die Gruppe wieder erreicht hatte.

„Ach, hast du mich so vermisst?“, ging ich auf seinen Scherz ein.

„Nein, eigentlich habe ich nur Hunger! Und die anderen wollten mit dem Grillen warten, bis du wieder da bist“

„Ich zünde ja schon den Grill an.“, kam es etwas genervt von Thomas.

„Dan ist noch unerträglicher, wenn er Hunger hat“, neckte Hannah, als ich mich zu der Mädels-Gruppe auf die Picknickdecke setzte.

 

Doch bevor ich etwas erwidern konnte, hatte Jessy meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen.

„Ich bin übrigens fertig“, sagte sie, als sie mir die Kette aus Gänseblümchen auf den Kopf legte. „Für eine Kette hat es leider nicht gereicht.“

 

„Eine Krone ist doch viel besser.“, grinste ich. „Die passt zu meiner königlichen Ausstrahlung.“

„Oh große Königin [MC]“, ging Jessy auf meinen Spaß ein.

„Ja, huldigt eurer Königin“, sagte ich in einer übertrieben schauspielerischen Arroganz.

„Ach von welchem Land bist du denn Königin? Vom Idiotenland?“, neckte Dan mich.

„Natürlich! Deswegen bist ja gerade du mein Untertan.“, lachte ich.

„Touché“, gab Dan sich geschlagen.

 

Dennoch oder gerade deswegen brachen die anderen in schallendes Gelächter aus. In welches ich nur zu gerne einstieg. Nicht nur meine Freunde, sondern auch der klar blaue Himmel halfen dabei meine Stimmung wiederaufzuhellen.

 

„Kannst du mir meine Krone in die Haare flechten? Nicht, dass ich sie noch verliere.“, bat ich Jessy.

„Natürlich!“, entgegnete sie und fing zugleich an, meine Haare zu flechten.

Es musste schon recht amüsant aussehen, wie ich hier mit meinen schwarzen Konverse, der schwarzen Hotpants und meinem roten Oversized-T-Shirt mit Sternchen-Aufdruck und der dezent platzierten schwarzer Schattierung und der Blumenkrone dasaß. Irgendwie eine Mischung aus der erwachsenen Variante meiner Teenager-Emo-Phase und dem Schmuck, den ich als Kind getragen hatte.

„Wir habengerade eine Spotify-Playlist für heute erstellt. Du kannst gerne auch Songs hinzufügen, wenn du möchtest.“, informierte Lilly mich.

„Klar.“, entgegnet ich.

 

„Warte, ich schick dir den Link“, sagte Lilly freudig.

„Aber nur gute Laune Songs.“, verwies Jessy mich auf die Regeln, während sie meine immer noch dabei war, meine Haare zu flechten.

 

„Lässt sich einrichten.“, sagte ich und öffnete Lilly Link.

Chillen, Grillen, Kasten killen

Ich schmunzelte und scrollte durch die Playlist. Jessy Vorgabe war wohl nur mehr eine Empfehlung.

Face Down The Red Jumpsuit Apparatus

Es war das erste Lied, welches mir in die Augen sprang. Dan hatte diesen Song ausgewählt. Es überrascht mich keineswegs. Nicht nur die rockigen Beats passten zu Dan. Auch das Thema der häuslichen Gewalt gehörte irgendwie zu seiner Lebensgeschichte. Zu mindestens hatte er als Kind mitbekommen, wie sein Vater seine Mutter behandelt hatte.

Doch als ich seine nächste Songauswahl betrachtete, verdrehte ich nur noch die Augen.

Megamix ⁓ Vengaboys

The Ding Dong Song ⁓ Günther & Sunshine Girls

Cotton Eye Joe ⁓ Rednex

You’re my Mate ⁓ Right said Fred

„Dein Ernst?”, fragte ich zu Dan gewandt.

„Was?“, fragte er verdutzt.

„Vengaboys, Günther & Sunshine Girls, Rednex und Right Said Fred?”, ich hob zwar skeptisch meine Augenbraue, doch konnte ich mein Grinsen nicht ganz verstecken. „Das ist die übelste Trash-Music“

„Kleines, du kannst auch einfach zugeben, dass das deine absoluten Lieblinge sind“, zwinkert er mir zu.

„Wir ignorieren so was einfach.“, wandte sich Cleo an mich.

„Hey! Jessy hat gesagt, es soll gut Laune Songs sein“, verteidigte sich Dan.

“Ja, weil ich hier gute Stimmung haben wollte.“, sagte Jessy. In ihrer Stimme war eine gewisse Verärgerung darüber zu hören, dass die Gestaltung der Playlist nicht so verlief, wie sie es sich erhofft hatte. 

Ich scrollte weiter durch die Playlist. Ich seufzte, als ich die Auswahl von Thomas Liedern sah.

There's Nothing Holding Me back ⁓ Shawn Mendes

You and me ⁓ Lifehouse

Hanging by a Moment ⁓ Lifehouse

Romantische Musik war gerade das letzte, nach dem mir war. Auch wenn es irgendwie zu Thomas Persönlichkeit passte.

Wonderwall ⁓ Oasis

Selbst die Oberschnulze Wonderwall hatte er hinzugefügt. Mein Musikgeschmack war es nicht. Dennoch hätte ich es unter normalen Umständen einfach ignorieren können. Nur jetzt, wo meine Liebesgeschichte geendet hatte, bevor sie überhaupt beginnen konnte, zerriss mir alleine der Gedanke an romantischen Schnulzen das Herz.

„Alles okay?“, fragte Jessy und hörte so gleich auf, mir die Haare zu flechten.

„Ja, sorry. Ich schaue nur gerade, was ihr sonst noch so reingepackt habt.“, lächelte ich die Halbwahrheit.  

How Bizzare ⁓ New Zealand Singers

Girls just want to have fun ⁓ Cyndi Lauper

Maria ⁓ Blondi

Heaven is a Place on Earth ⁓ Belinda Carlise

Bitch ⁓ Meredith Brooks

Cleo hatte sehr unterschiedliche Songs reingepackt. Aber viele davon konnte man schon als alte Klassiker bezeichnen. 

End of Beginning ⁓Djo

Kiss you ⁓ One Direction

Uptown Girl ⁓ Billy Joel

Wannabe ⁓Spice Girls

Weak ⁓ AJR

Wenigstens war Jessy ihren Vorsatz treugeblieben und hatte nur Lieder der Playlist hinzugefügt, die gute Laune verbreiten.

Pre-Teen ⁓ Chrissa Sparkles

Auch wenn ich diesen Song nicht kannte, so war ich mir doch ziemlich sicher, dass dieser Jessys Popmusikgeschmack zugehörig war.

Sweather Weather ⁓ The Neigbourhood

Would you be so kind ⁓ Dodie

When the Suns Hits ⁓ Slowdive

All to Myself ⁓ Marianas Trench

Die meisten von Lilly ausgewählten Songs kannte ich nicht. Vielleicht lag es daran, dass sie doch noch ein paar Jahre jünger war als der Rest der Gruppe. Dies musste jedoch nicht zwangsläufig  bedeuten, dass diese schlecht waren.

Somebody that I Used To know ⁓ Mayday Parade

Den dieses Cover, das sie der Playlist hinzugefügte hatte, mochte ich mehr als das Original. 

Beating Hearts Baby  ⁓ Head Automatic

Mr. Brightside ⁓  The Killers

Vindicated ⁓  Dashboard Confessional

Hannah und ich schienen denselben Musikgeschmack zu haben. Zumindest wirkte es so, als ich ihre Songauswahl betrachtete. Es waren alles Lieder, die auch mochte.

„Du hast einen guten Musikgeschmack.“, wandte ich mich zu Hannah.

Sie antwortete etwas verdutzt: „Danke.“

Danach machte ich mich daran, meine eigene Songauswahl zu treffen. Kurz überlegte ich, ob ich auch einen weiteren Song von The Killers einfügen sollte.

When you were young ⁓ The Killers

Doch hielt ich inne. Spätestens die Textzeile Talks like a Gentleman würde mich nur unnötiger Weise an Jake erinnern. Frustriert scrollte ich durch meine Lieblingssongs. Es musste doch etwas geben, dass mich nicht an diese verfluchten Hacker erinnern würde.

War es den zu viel verlangt, diese gesamte Situation mit ihm nur für ein paar Stunden aus dem Kopf zubekommen?

Nicht durch jede Kleinigkeit an ihn erinnern werden zu müssen.

Mama ⁓ My Chemical Romance

Das Thema Krieg sollte wohl kaum mein Gedanken auf Jake lenken können.

Welcome to Black Parade ⁓ My Chemical Romance

Wenn ich schon mal dabei war, durfte das bekannteste Lied meiner Lieblingsband nicht fehlen. Der G-Note Trend auf den bekannten Social-Media-Kanälen war oft genug n meiner Timeline gewesen. Selbst eine Legende wie Andrew Lloyd Webber hatte diese mit einen eigenen TikTok gewürdigt. Indem er sich zu erst an die die ganzen Musical-Theater-Fans wandte mit der Frage an was sie bei den Noten, die erspielt denken würde. Daraufhin folgte die ersten Riffs der Ouvertüre von Phantom der Oper. Kurz darauf fragte, was alle anderen in den Sinn kam und spielte die G-Note auf seinem Keyboard. Und ich hörte sofort die ersten Zeilen des Liedes in meinem inneren Ohr. Irgendwie hatte es mich für die Band gefreut, dass sie so eine große Ehre erhalten hatten. Verdient war es alle Male.

Still into you ⁓ Paramore

Mein Herz setzte einen Schlag aus bei diesem Vorschlag von Spotify. Ich mochte dieses Lied und sicherlich würde es für bessere Stimmung sorgen als meine bisherige Auswahl über Krieg und das Sterben. Doch war es gerade genau diese Musik, die ich nicht hören wollte.

Wie schön das Gefühl der Liebe war…

 

Als Teenager bin ich so oft zu diesem Song auf meinem Bett herumgesprungen, hatte die Textzeilen in mein Mikrophone, der Haarbürste, gegrölt. Zum Leidwesen meiner Familie.

Sollte ich nun wirklich zulassen, dass meine Gedanken um Jake meine glücklichen Kindheitserinnerungen nahmen?

Zugeben, so viele besaß ich davon auch nicht. Dafür hatte ich als Kind zu sehr unter den ständigen Streits meiner Eltern gelitten. Zu oft war ich Ziel der verbalen Wutausbrüche meines Vaters gewesen. Viel zu oft war ich mit Bauchschmerzen in die Schule gegangen, weil ich das Mobbing kaum ertragen hatte. Doch dann war die Momente mit meinen Jugendfreunden, in denen wir unsere ersten Experimente mit Alkohol gestartet hatten. Und dieses Lied hatte so gut wie immer unsere Feierlaune unterstützt. 

 

Ich durfte doch nicht zulassen, dass meine Trauer um Jake mir alles nahm.

Mit diesem Gedanken hatte ich das Lied auch schon in die Playlist hinzugefügt und bereute es so gleich wieder. Natürlich wäre es ein leichtes gewesen, diesen Song wieder zu entfernen. Doch der Part in mir, der beschlossen hatte Still into you hinzuzufügen, sträubte sich vehement dagegen.

 

Vielleicht lag es sogar daran, dass mittlerweile ein Teil von mir dabei war zu verarbeiten und endlich nach vorne zusehen konnte. In eine Zukunft, in der ich akzeptieren konnte, dass ich die Vergangenheit nicht ändern konnte. Eine Zukunft, in der das wohltuende Kribbeln wieder da war, wenn ich mich an Jake erinnerte. Nicht mehr dieser unerträgliche Schmerz. Phil hatte es bezogen auf Jennifer auch geschafft.

Warum sollte ich das dann nicht auch schaffen?

Chop suey ⁓ System of a Down

Ein weiterer Vorschlag seitens Spotify. Mit einem Lächeln fügte ich diesen Song auch der Playlist hinzu. Es war das perfekte Ventil, um meinen Frust rauszuschreien.

„Chop Suey? Kleines, ich wusste nicht, dass du so einen guten Musikgeschmack hast.“, man hörte in Dans Stimme, dass er wirklich beeindruckt war.

Ich grinste: „Natürlich! Ich bitte dich! Du solltest doch mittlerweile wissen, dass ich rund um perfekt bin.“ In mein Lachen stieg nicht nur Dan mit ein. Auch Jessy konnte ihr Glucksen nicht unterdrücken.

„Kleines, was sagst du zu Snuff von Slipknot?“

„Genialer Song“

„Okay ich pack in die Playlist.“

„Boah, nee Dan! Nicht so ein Depri-Scheiß ‘“,mischt sich Jessy ein.   

„Ist kein Depri-Scheiß. Das ist ein Klassiker! Außerdem gibts kein besser Lied, um sich besoffen in den Armen zu liegen“, warf Dan ein.

„Ich sag nur ungern.“, begann ich. „Aber wo Dan recht, hat er recht.“

„Ich hab immer recht“

„Na ja…“, lachte ich.

„Kleines, eine Sache hast du nicht bedacht. Ohne Bier wird, das nichts mit dem besoffen sein.“

„Bittest du mich gerade, dir ein Bier zu holen?“

„Jow!“

„Wenn das so ist.“, lachte ich. „Kann ich schlecht nein sagen!“

 

Ich wandte meinen Blick kurz zu Jessy, um abzuklären, ob sie mit meiner Frisur fertig war und ich aufstehen konnte. Doch da warf Cleo ein: „Echt Dan? Wir haben nicht mal gegessen!“

„Kein Bier vor vier! Und vier Uhr ist schon längst vorbei.“, grinste er.

„Wir haben nicht mal 12 Uhr mittags!“, genervt verdrehte Cleo die Augen.

„Jow. Sag ich ja. Vier Uhr in der Früh ist schon längst rum!“

 

Ich ließ die beiden in ihrer Diskussion und war aufgestanden. Zwar hatte Cleo recht, dass es noch viel zu früh für Alkohol war. Zudem würde sämtlicher Argumentation meinerseits damit zu Nichte gemacht werden, dass ich noch vor knapp einer Stunde wegen meines Katers rumgejammert hatte. Doch war der Gedanke verführerisch, Alkohol als Unterstützung für meine positive Stimmung zu nutzen.  

   

Schnell hatte ich zwei Dosen aus eine der Kühlboxen geholt und überreicht eine davon Dan. Doch bevor ich meinen Weg zurück zur Picknickdecke machen konnte, wurde ich zurückgezogen. Im nächsten Moment fand ich mich auf Dans Schoss wieder.

 

„Kleines, wir müssen noch anstoßen.“, grinste er mich an. „Und außerdem: Wir beide müssen uns jetzt hier um die gute Musik kümmern.“

 

Ich öffnete das meine Dose und hielt ihm diese zum Anstoßen hin.

„Natürlich, wenn nicht wir, wer dann!“, lächelte ich. 

„Prost.“, sagte Dan, als seine Bierdose, die meine berührte. „Vorschläge?“

„Last Resort vor Papa Roach?“, überlegte ich.

„Ich mag die Weise, wie du denkst.“, grinste er.

„Und wir dürfen es jetzt ausbaden“, kommentierte Hannah lachend. Doch dann verzog sich ihr Lachen ein wenig. „So was in der Art hätte Richy jetzt gesagt.“

Stille…

 

Die entsetzten Blicke, meine Freunde waren nun auf sie gerichtet. Auch mir stockte der Atem. Es war das erste Mal, dass sein Name auch nur erwähnt wurde.

Und dann gerade von Hannah?!

 

Dennoch konnte ich den Gedanken nicht verdrängen, dass sich recht hatte. Richy hätte meinen und Dans unheiligen Zusammenschluss der guten Musik sicherlich mit einem seiner flapsigen Sprüche kommentiert.

„Oder wollen wir weiter so tun, als hätte es ihn nie geben?“, sagte Hannah und stand von der Decke auf.

 

„Was soll der Scheiß, Hannah?“, Dan war der erste, der es zustande brachte, irgendwas zusagen. Kurz darauf war ich von seinem Schoss aufgesprungen. Verdattert stand ich da und wusste nicht, was ich als Nächste tun sollte. Mein erster Impuls ihr zu folgen. Doch sie war an der Kühlbox stehen geblieben.

„Keine Ahnung. Irgendwie kam es mir halt in den Sinn.“, sagte sie teilnahmslos, während auch sie sich eine Bierdose nahm.

 

„Er hat dich entführt, Schatz“, erinnerte Thomas mit entsetzter Stimme.  

Hannah öffnete ihre Dose und sagte: „Ja, daran kann ich mich noch erinnern. Aber genauso auch an die ganzen Jahre unserer Freundschaft.“ Ihr Blick war melancholisch auf die geöffnete Dose gerichtet. Kurz schloss sie ihre Augen nur für eine Sekunde. Dann trank sie einen Schluck.

 

Hannah öffnete ihren Mund, um etwas zu sagen. Doch Jessy kam ihr zuvor.

„Für mich ist Richy gestorben! “, ihre Stimme war kühl, doch ihre gläsernen Augen zeigten ihrer wahre Emotion.

 

Du würdest mir niemals wehtun…

 

Ihre Worte von dem letzten Telefonat mit Richy klangen immer noch in meinen Ohren. Immer noch riss es mir ein genauso so großes Loch ins Herz wie Jakes Verschwinden.

„Jessy…“, hauchte ich. „Das kannst du unmöglich ernst meinen.“

„Und wie!“, keifte sie mich an. „Und warum verteidigst du den Richy überhaupt noch?“

Die Flüssigkeit in ihren Augen sammelte sich, bis dicke Tränen ihre Wange runter kullerten. Doch auch ohne ihren offensichtlichen Gefühlsausbruch konnte ich ihren Schmerz spüren. Es zerbrach mir buchstäblich das Herz. Und das lag nicht nur an der Tatsache, dass ich in den letzten Tagen blind für ihren Verlust war.

 

Egal wie sehr sie immer versucht hatte, es zu leugnen, dass sie Gefühle für den langweiligen Autoschrauber, wie sie ihn immer genannt hatte, hegte, war mehr als nur offensichtlich. Nur sie konnte ihren Verlust besser überspielen, als ich den meinen. So waren unsere beide Liebesgeschichten in dieser einen Nacht auf die unvorstellbarste, dramatischste Weise geendete.

 

„Richy ist der Grund, warum du Jake verloren hast!“ Jessys kalte Aussage ließ alle Gefühle aus meinen Körper weichen. So als wäre es ein Schutzmechanismus, der meine Gefühlsfestplatte vor Überhitzung bewahren wollte.

„Und mitunter seinetwegen ist [MC] überhaupt hier.“, holten mich Hannahs ruhige Worte wieder in die Realität.

„Aber da kann sie doch nichts für.“, mischte sich nun Lilly empörte Stimme in die Diskussion ein. „Sie gehört jetzt doch auch zu uns. Du kannst sie deswegen doch nicht wegschicken!“

 

„Das hat Hannah doch gar nicht gemeint.“, sagte ich ruhig. Ich hatte sehr wohl erkannt, dass der Vorwurf in ihren Worten nicht mir galt.

„Eben.“ Mit einem erleichterten Lächeln wandte sie sich zu mir. „Wir können halt einfach nicht so tun, als wäre das alles nicht passiert.“

 

Ich nickte zustimmend. Hannahs Worte fühlten sich auf eine Art so befreiend an. Ich merkte erst jetzt, wie hoch die Last des Totschweigens der ganzen Thematik war.

„Ich habe keine Kraft mehr, die ganze Zeit den Elefanten im Raum auszublendenden.“, mit dieser Metapher gab Hannah verstehen, dass auch sie es Leid war, immer und immer wieder eine Maskerade der guten Laune aufrechterhalten zu müssen.

 

Ich öffnete meinen Mund. Ich wollte so vieles sagen, wie dass auch mir Richy fehlte und sich unsere Gruppe nie komplett angefühlt hatte. Am liebsten hätte ich auch von den Albträumen erzählt, die mich seit Wochen jede Nacht heimsuchten. Mein Unbehagen gegen Hannah, auch wenn ich sie mittlerweile ins Herz geschlossen hatte. Nur blieb halt nicht aus, dass ich sie in erste Linie kennengelernt hatte, indem ich mir Zugriff zu ihren privatesten Daten verschafft hatte. Das ein Teil von mir am liebsten nicht nach Duskwood gekommen wäre, obwohl ich meine neuen Freunde definitiv nicht mehr missen wollte. Ich hätte ihnen gerne versucht, die Komplexität meiner Gefühlswelt zu erläutern. Doch ich brachte nur ein: „Sehe ich auch so“ heraus.

Hannah lächelte mich an.

 

„Lasst uns einfach aufhören, so zutun, als wäre nie etwas gewesen.“

Ich nickte zustimmend.  

 



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