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Des Nachts sind die Labore still

Wie Josh zu Mael fand
von

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Vom Alltag, Courage und Verschwundenem

Extra Kapitel 2: Vom Alltag, Courage und Verschwundenem
 

Ich mochte Joshuas Wohnung mehr als meine eigene. Leider war sie ungünstiger gelegen, so verbrachten wir die meiste Zeit in meiner Wohnung. Der Unterschied beider Wohnungen bestand nicht nur in der Entfernung zum Labor, sondern und vor allem in ihrer Größe.
 

Meine Wohnung war gute 10 m² kleiner als Joshuas. Das Schlafzimmer war kleiner, sodass mein Bett und der Kleiderschrank bereits den gesamten Raum ausfüllten. Wohnzimmer und Küche grenzten direkt aneinander. So gesehen stand meine Couch direkt neben dem Kühlschrank. Das klang cool, war es aber nicht. Nicht wenn man zu zweit dasaß und vor einem viel zu niedrigen Couchtisch auf dem Boden Frühstückessen musste. Mehr und mehr fühlte ich, als würde ich in einer Sardinenbüchse wohnen. Da Joshua öfters bei mir nächtigte, hatten wir irgendwann begonnen gemeinsam zu frühstücken. Beide waren wir keine Morgenmenschen und brauchten einen Moment, um wach zu werden. Heute jedoch … ich biss vom Toast ab und kaute in Gedanken darauf herum. Eigentlich hatte ich kaum Appetit. Mein Kopf war so voll und morgen war bereits Montag …
 

Beim bloßen Gedanken daran, wurde das Stück Toast in meinem Mund zu einer unkaubaren Masse.
 

„Mael, hier.“ Joshua hielt mir seinen Toast vor die Nase. Geistesabwesend biss ich ab. Essen zu teilen und zu schauen, ob der anderen das Gleiche mochte oder nicht, war auch ein fester Bestandteil unserer Esskultur geworden. Dieses Mal jedoch verzog ich angewidert das Gesicht.
 

„Lewawust“, sprach ich mit vollem Mund. Ich hasste Leberwurst!
 

„Ja, ich weiß.“ Ich besah mir seinen Toast und es war offensichtlich, was er draufgeschmiert hatte. Schwerfällig kaute ich es runter und spülte den Rest mit Milch hinter. Uwärg…
 

„Warum bietest du es mir dann an?“
 

„Weil ich wissen wollte, wie geistesabwesend du bist.“
 

Fragend neigte ich den Kopf. Klar war ich in Gedanken gewesen, aber das war kein Grund mir Leberwurst zu reichen! Joshua deutete nur auf den Toast in meiner Hand.
 

„Du isst seit einer halben Stunde an diesem trocknen Toastbrot, hast gerade mal vier bissen getan, beschmierst dein Brett mit Butter, lässt die Marmelade auf dem Messer und schaust als würdest du gleich brechen müssen.“ Ich folgte seinem Blick und tatsächlich war mein Frühstücksbrett ein Schlachtfeld für sich. Das erklärte, warum sich der Toast so schwer kauen ließ…
 

„Geht es dir nicht gut? Bauchschmerzen oder so was? Schwanger kannst du nicht sein, also …“
 

Ich schmunzelte flüchtig und legte meinen angebissenen Toast beiseite.
 

„Du bist süß. Danke. Aber … es ist nichts dergleichen, ich …“ Ich kaute auf meiner Unterlippe herum und wusste keinen Anfang. Joshua legte seinen Toast ebenfalls weg und lehnte sich gegen die Couch in seinem Rücken. Geduldig wartete er, während seine Augen nicht von mir wichen.
 

„Ich will nicht, dass es aufhört…“
 

„Was aufhört?“
 

„… unsere Zusammenarbeit.“
 

„Du meinst, weil ich Montag die fertige Arbeit abgebe?“ Ich nickte schlicht. „Mein Herz, was ist daran so schlimm? Danach kommt das nächste Projekt und das Nächste. Wir finden schon was passendes.“
 

Joshua klang zuversichtlich und ich neidete ihm seine scheinbare Sorglosigkeit.
 

„McFloyd hat mir angeboten in einen anderen Bereich zu wechseln.“
 

„Und du magst diesen Bereich nicht?“, fragte Joshua nach.
 

„Nein, dass … es klingt sehr interessant und ich würde schon gerne, aber das wäre ein ganz neues Labor, ein ganz anderer Gebäudeteil und andere Kollegen. Wer weiß, ob ich mich da überhaupt zurecht finde…“
 

Joshua lehnte sich über den Tisch und nahm mein Gesicht in beide Hände. Ich war so unsicher, dass mein Blick sich einfach nicht vom Tisch lösten konnte.
 

„Mael, du bist ziemlich begabt und schlau. Du lernst schnell und findest dich selbst in unbekannten Bereichen schnell zurecht. Wenn du das nicht hinbekommst, wer dann? Außerdem würde mein Vater dich nicht für eine solche Arbeit vorschlagen, wenn er sich deines Könnens nicht sicher wäre.“
 

„…“ Wenn das wirklich alles wäre.
 

„Was noch?“, fragte Joshua als hätte er meine Gedanken gelesen.
 

„Wir… wir hatten in letzter Zeit kaum Zeit für füreinander.“ Die Proben mussten engmaschiger überprüft werden. Joshua schrieb und ich führte die Kontrollen meist alleine durch. Unsere Arbeitszeiten im Labor überschnitten sich kaum noch und da ich Joshua in der Schreibphase nicht stören wollte, hauste jeder in seiner eigenen Wohnung. Heute war das erste Mal seit drei Wochen, dass wir wieder zusammen frühstückten und er die letzte Nacht bei mir geschlafen hatte. Ich hatte sogar angefangen ihn zu vermissen. Sehr zu vermissen.
 

„Dazu kommen die neuen Gerüchte … Ich weiß, dass einiges davon kaum stimmen kann, aber“, wieder kaute ich an meiner Unterlippe. Ich war nicht eifersüchtig, nein, ich … war es doch. Aber weil ich Joshua eben nicht stören wollte, behielt ich die Gerüchte, sowie meine Sorgen um den Job und dass wir uns zukünftig noch weniger sehen würde, wenn ich den Job annehmen würde, und ich ihn jetzt schon viel zu sehr vermisste, für mich.
 

Da Joshua weder etwas dazu sagte, noch etwas tat, schielte ich hoch. Den ganzen Morgen schon hatte ich ihn kaum angesehen. Nun leuchteten mir glückliche graue Augen entgegen. Joshua wirkte zufrieden und ich verstand nicht wieso. Ungewollt zog ich meine Augenbauen tiefer.
 

„Du-“
 

Mein Protest kam nicht weit. Mein Gesicht in seinen Händen wurde näher gezogen und Lippen verschlossen meine eigenen, schmolzen etwas von meinem Ärger. Ich lehnte mich ihnen entgegen und schloss die Augen. Joshua blieb gefühlvoll und wäre der Tisch nicht gewesen, hätte er mich sicherlich näher gezogen. Ich drückte mich etwas am Tisch ab. So blieb der Kuss sanft und endete etwas verspielt. Weder ich noch er wollten uns vollständig lösen, doch die Pose zwang uns dazu. Es tat so gut! Drei Wochen … nachdem wir praktisch den ganzen Tag aufeinander geklebt hatten, waren drei Wochen die pure Folter gewesen! Wahrscheinlich hatten wir beide vorgehabt, es gestern Abend langsam angehen zu lassen. Im Endeffekt schafften wir gerade mal ein Pizzastück, ehe das erste Kleidungsstück flog. Klardenken, konnte ich erst viel später und selbst dann hing ich an Joshua. Einfach froh darüber ihn endlich wieder bei mir zu haben.
 

„Ich bin froh“, eröffnete mir Joshua das Offensichtliche.
 

„Worüber? Meine leidende Dummheit?“ Joshua strich mir über die Wange und verneinte.
 

„Weil ich dich vermisst habe.“
 

Meine Augen wurden groß. Hatte er wirklich? Ich hatte es gehofft, ja, aber es zu hören war … verlegen drehte ich mein Gesicht in seinen Handflächen und nuschelte ein „Ich dich auch“ hinein.
 

„Mael“, begann Joshua leise. „Du bist nicht dumm. Tatsächlich bist du neben Elias einer der schlausten und adaptivsten Menschen, die ich kenne. Selbst wenn es ein neues Labor und neue Kollegen sein sollten, wirst du dich schnell zurechtfinden. Und wenn das Thema dich interessiert, umso besser. Ich will dich nicht bei mir halten, wenn du dich woanders noch mehr entfalten könntest.“
 

„Und wenn ich einen neuen Kollegen kennenlerne und mich verliebe?“, nuschelte ich meine Frage. Joshua lachte nur, diesmal lauter, sodass ich mich löste und ihn fragend ansah. War das so abwegig?
 

„Wirst du nicht“, sagte er selbstsicher. Ich wollte insistieren, doch seine Hand legte sich zärtlich zurück an meine Wange, sodass ich mich augenblicklich in sie schmiegte. „Nein, du wirst dich nicht verlieben. Weil du Hals über Kopf in mich verliebt bist und ich werde dich nicht gehen lassen. Selbst wenn du in einem anderen Labor arbeitest. Ich liebe dich viel zu sehr um mit irgendjemanden zu teilen. Du bist mein Engel, du bist mein Herz. Ich brauche dich.“
 

Er sah mir direkt in die Augen. Die ganze Zeit! Während er solch schwülstige Dinge sagen konnte ohne rot zu werden, sogar ehrlich und aufrichtig dabei auszusehen(!), wurde ich rot und röter. Vor allem das mit dem Engel… SO hatte er mich noch nie genannt und es trieb mir die pure Scham in die Wangen, weil mein Zweitname durchaus einer aus den himmlischen Heerscharen war.
 

„Josh … i … wi-wirst du das auch noch sagen, wenn wir uns kaum mehr sehen können?“
 

„Das werde ich immer sagen. Außerdem ist es nicht garantiert, dass wir uns dann kaum mehr sehen können.“
 

„Wie meinst du das?“, fragte ich und vergaß für den Moment mein puterrotes Gesicht. Joshua indes strich mit dem Daumen sanft über meine Wange.
 

„Wenn wir zusammenziehen, würden wir uns trotz allem noch sehen.“
 

Überrascht sah ich ihn an. Mein Herz begann einen spontanen Spurt. „Du meinst zu dir?“
 

Er schüttelte den Kopf. „Hatte ich erst überlegt, aber ich denke eine ganz neue Wohnung wäre besser.“
 

Ich dachte ernsthaft über diese Idee nach. Ein Zusammenzug wäre ziemlich perfekt, egal welche Wohnung. Die Idee war so einfach und doch hatte ich sie übersehen. Hätten wir eine gemeinsame Wohnung wäre es deutlich erträglicher, wenn wir in unterschiedlichen Laboren arbeiteten. Zudem machte es deutlich, dass sowohl er als auch ich uns wünschten, dass diese Beziehung nicht endete. Ich gestand es nicht gerne ein, doch je näher das Ende des Projektes kam, desto mehr fürchtete ich, dass diese Beziehung auch zu Ende gehen könnte.
 

Ich stimmte zu und begann endlich ordentlich zu frühstücken.
 

Meine Bedenken wegen des neuen Jobs waren wie weggeblasen. Übrig blieb nur noch die normale Nervosität, welche sich immer einstellte, wenn etwas Neues begann. Ich begrüßte die Idee eines Zusammenzuges. Auch wenn mir – wie immer – erst später dämmerte, was das bedeutete.
 

Wir beendeten das Frühstück und fanden uns eine gute Stunde danach im Labor ein. Joshua hatte bereits alles fertig geschrieben. Wir kontrollierten die letzten Proben, trugen die Daten in die Tabellen ein und fertig. Selbst wenn sie unerwartet anders gewesen wären, hätten sie am Gesamtergebnis nichts geändert. Unser Werk vor uns zu sehen war schon erstaunlich.
 

Nach dem Mittagessen gingen wir zum Drucker und Joshua druckte alles in zweifacher Ausführung aus. Er saß vor dem Laptop und ich neben dem Drucker. Jede frische Seite nahm ich, überprüfte sie auf Schönheit und legte sie ordentlich auf einen Stapel.
 

„Was für Gerüchte sind eigentlich noch aufgekommen?“, fragte Joshua hinter seinem Laptop sitzend. „Ich war doch kaum hier.“
 

Mittlerweile nahm Joshua es ziemlich gelassen, dass einige (Damen) über ihn phantasierten. Bei einer kleinen Teamsitzung vor gut zwei Monaten platzte er ganz zufällig in ein Gespräch über den Grafen. Er spielte den Unwissenden und fragte die Damen über jene Person aus, über die sie gerade geredet hatten. Er war nachts auch oft im Labor, hätte aber solche Dinge noch nie gesehen. Die drei Damen, welche sich eben noch rege unterhalten hatten, verstummten und stotterten Antworten, welche adhoc ausgedacht waren. Joshua ließ sie nach einer Weile vom Harken. Später im Labor mussten wir beide lachen. Es war nicht nur lächerlich und peinlich gewesen, sondern es hatte auch Spaß gemacht zu sehen, wie sie versuchten Joshua auf Teufel komm raus davon zu überzeugen, dass nicht er gemeint war, sondern definitiv das Gespenst des Labors!
 

„Es sind nicht wirklich neue Gerüchte …“, begann ich und spürte wie es mich erneut wurmte. „Ich weiß nicht, ob es so gekommen ist, eben weil du nicht da warst oder die Damen sich das schon geraume Zeit so dachten, aber …“ Ich seufzte schwer und wollte es gar nicht erwähnen. „Ich habe letztens eine E-Mail bekommen. Ich nehme an, dass sie eher versehentlich an mich geschickt wurde. Jedenfalls enthielt sie einen kurzen Text und einen Anhang.“
 

„Was stand in dem Text?“, fragte Joshua.
 

„‘Marry, hier die Neufassung. Ich bin soooo gespannt was du dazu sagen wirst‘“, rezitierte ich. „Dazu gab es noch Herzsmileys.“
 

„Und was stand im Anhang?“, fragte Joshua weiter und lunschte hinter seinem Laptop hervor. Ich sah nur flüchtig zu ihm und nahm das nächste Blatt. Es beschämte mich und machte mich eifersüchtig zur gleichen Zeit. Selbst wenn ich das Original hatte, war das …
 

„Dort standen auf fünfzehn Seiten zwei ältere Gerüchte ausgeschrieben. In Romanform. Ich war neugierig und hab‘s gelesen. War ganz gut geschrieben …“
 

Joshua rollte mit dem Bürostuhl gänzlich von seinem Laptop weg und sah mich an. Sein Blick erst studierend, dann heiterte er sich auf. Mit einem Grinsen frage er: „Du bist eifersüchtig? Was stand darin?!“
 

„Nicht wirklich“, versuchte ich meine Verstimmung abzudämpfen.
 

„Mael, mein liebstes Engelchen, verrat es mir.“
 

„Könntest du das mit dem Engel bitte lassen?“, fragte ich hochrot. Er grinste nur. Wahrscheinlich war das ein „nein“. Er liebte es, wenn ich rot wurde und ich liebte es, wenn er grinste. Charmant, spitzbübisch mit einem Hauch von Unheil. Es stand ihm und machte mich schwach.
 

In deutlich pragmatischeren Worten schilderte ich, was ich gelesen hatte. Das erste Gerücht bezog sich auf eine Kollegin, welche sich dem Grafen in drei Nächten näherte. Jede Nacht war reizvoller und pikanter geworden. Schließlich wäre es beinahe zum Kuss gekommen, doch er biss sie nur und sie floh.
 

Das zweite Gerücht war ähnlich. Eine junge Kollegin, des Nachts allein im Labor. Sie war pragmatischer und verfiel dem Grafen nicht. Zunächst. Am Ende gab es wildes Stelldichein, welches mir die Röte in die Wangen getrieben hatte.
 

„Das ist komisch … Bisher waren die Gerüchte nur kurz und eher witzig. So viel Romantik ist eher ungewohnt“, sinnierte Joshua. Ich schwieg und konzentriere mich auf die Ausdrucke. Joshua schob sich zurück vor den Laptop und nach gut dreißig Minuten waren wir fertig. Alles ordentlich eingeheftet, verließen wir den Druckerraum. Die Flure waren gewohnt leer für einen Sonntag.
 

„Ich glaube, der erste Teil ist wirklich passiert.“
 

„Was meinst du?“
 

„Es gab mal eine Kollegin, die einige Tage mit mir zusammengearbeitet hatte und sich ständig in meiner Nähe aufhielt. Aber das war tagsüber gewesen.“
 

Ich blieb abrupt stehen. Unwillkürlich spannte ich mich an und spürte eine Welle von hässlichen Emotionen in mir aufwallen. Joshua drehte sich zu mir um und lächelte nur sanft.
 

„Das war vor mehr als zwei Jahren“, erzählte Joshua, während er vor mich trat. „Ich bemerkte ihre Annäherungsversuche zunächst gar nicht, weil ich nicht interessiert war. Schließlich wurde sie sehr deutlich mit ihren Avancen, sodass ich sie zurechtweisen musste.“ Joshuas Hand legte sich an mein Kinn und hob es an. Nicht mehr ganz so verstimmt, aber auch nicht glücklich darüber, sah ich ihn an. „Danach sah ich sie kaum mehr. Zu keiner Zeit kam ich ihr näher als dir jetzt. Es wurde also deutlich ausgeschmückt.“
 

Ich seufzte schwer. Mein Blick wich flüchtig zur Seite aus, fixierte dann wieder das Grau seiner Augen. Nach dem Lesen hatte ich mir selbst eingeredet, dass die Autorin einige Stellen sicherlich nur ausgeschmückt hatte. Jedoch tat es gut, es von Joshua selbst zu hören.
 

„Und das andere Gerücht?“
 

Joshua schüttelte den Kopf. „Ich bin nur mit einer Person je zu weit gegangen und die steht vor mir.“
 

Es war das erste Mal, dass mir Gerüchte so zu schaffen gemacht hatten. Vielleicht war es wirklich so, dass die Fans sich zunehmend Dinge ausdachten, wenn ihnen ihr Vorbild keine realen Ereignisse mehr lieferte. Nach der Sache mit der blonden Schönheit im Laborkittel dürfte ihre Fantasie angeregt genug sein, oder nicht?
 

Am Montag fanden wir uns beide im Büro des Laborleiters ein. Joshuas Vater hatte ich bisher zweimal privat getroffen. Seitdem sah McFloyd mich immer mit einem sehr wohlwollenden, väterlichen Lächeln an. Es war gruselig und bestärkend zur gleichen Zeit. Jetzt gerade war es gruselig.
 

Joshua legte den Bericht vor McFloyd auf den Tisch und lehnte sich anschließend in seinem Stuhl zurück. Schön, dass Joshua so gelassen war, ich konnte mich hier einfach nicht entspannen, selbst wenn die gläsernen Wände eingefärbt waren.
 

„Danke für eure harte Arbeit. Die Ergebnisse hatte ich bereits mit dem Ausschuss diskutiert. Sie sind hier rauf schon gespannt“, erklärte McFloyd und tippte auf den gebundenen Blätterstapel. „Was eure nächsten Projekte angeht … habt ihr darüber nachgedacht?“
 

Mir wurde mulmig im Bauch. Auch Joshua hatte ein neues Themengebiet bekommen. Würden wir beide annehmen, sähen wir uns wirklich kaum mehr auf Arbeit. Mit dem Wissen, dass wir zusammenziehen würden, legte sich diese Beklemmung etwas. Jedoch … Ein Zusammenzug bedeutete viel Stress. Wohnungssuche, Zusammenwurf von zwei Haushalten in einem … als ich mir das genauer überlegt hatte, wurde mir bewusst, was wir vorhatten. Schließlich zogen wir nicht als Freunde zusammen, sondern als Paar und das verursachte einen neuen Ausbruch an Ameisen und Schmetterlingen in meinem Bauch.
 

„Passt schon. Ich werde mich daran versuchen“, sagte Joshua.
 

„Und du?“, fragte McFloyd mich. Meine Kehle war so trocken, ich bekam kaum den Mund auf.
 

„Ich … würde mich ebenfalls versuchen“, nahm ich mir Joshuas Antwort als Vorlage.
 

„Gut, gut. Ich habe euch vorgeschlagen, weil ich denke, ihr habt das Potenzial dafür. Ich hoffe, die unterschiedlichen Labore werden euch nicht die Zeit füreinander rauben.“ Ich wurde rot. Ich mochte meinen Chef ja irgendwo, aber er wechselte von geschäftlich zu privat in nur einem Satz.
 

„Das ist ok“, warf Joshua ein. „Wir ziehen zusammen, dann sollten unterschiedliche Labore kein Problem darstellen.“
 

„Ohh, davon höre ich zum ersten Mal.“ Ich würde jetzt gerne im Boden versinken, danke.
 

Joshua sah mich an und grinste nur. „Warum auch nicht? Es ist die einfachste Variante sich täglich zu sehen.“
 

„Hmm“, machte McFloyd nachdenklich und es gefiel mir nicht. Als Chef wahrte er Grenzen, als Vater, und Schwiegervater in meinem Fall, leider nicht. Kein Wunder, dass Joshuas sich nicht bei seinem Vater gemeldet hatte, als er krankgewesen war. „Braucht ihr Hilfe bei der Wohnungssuche? Ich kenne eine gute Maklerin.“
 

Joshua schüttelte den Kopf. „Noch nicht, danke.“
 

„Nehmt ihr eure alten Möbel mit? Wir können euch auch neue besorgen“, schlug McFloyd begeistert vor. „Ich kenne auch einen Maler, falls ihr die Wände streichen wollt. Andererseits … das macht zu zweit mehr Spaß, nicht wahr?! Ah, wir haben auch noch den großen Sprinter. Den könnt ihr gerne für den Möbeltransport benutzen. Zurzeit nutzt den keiner.“ Ich fand es zuvorkommend und irre peinlich, dass mein Chef nach zwei Sekunden sachlicher Besprechung in den Familienmodus wechselte und uns allerlei Dinge vorschlug an die ich noch nicht mal gedacht hatte. Möbel, Streichen, Transport, Kisten für den Kleinkram, Nachmieter … SO WEIT WAR ICH NOCH NICHT!
 

„Wenn ihr zusammenzieht, kann ich dann auch mit Enkeln rechnen?“
 

Ich hatte angestrengt auf meine Hände im Schoß gesehen. Nun sah ich auf. Puterrot. „Wa-was?“
 

„Es müssen keine biologischen sein“, winkte McFloyd gnädig ab. „Aber ein paar Enkel wären schon schön.“
 

„E-ein paar?“ Schon wich das Puterrot einer Leichenblässe. Joshua nahm meine Hand und drückte sie sanft.
 

„Darüber haben wir noch nicht gesprochen. Aber ich fände es auch nicht schlecht, erstmal eine Weile zu zweit zu leben.“ Mein Herz fing bei dem Gedanken an wieder gleichmäßiger zu schlagen.
 

„Wie ihr wollt. Aber denkt dran, ich bin nicht mehr der Jüngste“, warf McFloyd ein.
 

„Das weiß ich. Aber du kennst meine Meinung zu dem Thema.“
 

„Ja, ja. Hätte ja sein können, dass Max sie mittlerweile geändert hätte. Immerhin wirkt er sehr fürsorglich.“
 

„Bitte?“, warf ich ein und spürte meine Wangen aufflammen.
 

„Das ist er auch. Aber noch bin ich nicht bereit, das zu teilen“, antwortete Joshua.
 

„Aber heiraten werdet ihr doch! Das muss sein. Ich möchte so gerne eine Hochzeit ausrichten oder wenigstens die Flitterwochen bezahlen.“ Auch darüber hatten wir noch nicht gesprochen. Herrje! Wir wollten doch nur zusammenziehen! Auch wenn ich, spontan gedacht, nichts dagegen hätte Joshua ewig an mich zu binden oder dass wir all das nicht zahlen müssten, so mussten doch wenigstens er und ich darüber geredet haben! Mein Herz fuhr eine Achterbahn, bei der mir schwindlig wurde. Tatsächlich fühlte ich mich schwach auf den Beinen, als wir endlich das Büro verließen und durch die gefüllten Flure wandelten. Die alltägliche Hektik brachte mich zurück ins Jetzt und ließ mich alles andere auf später vertagen.
 

Joshua ging neben mir her. Er schwieg, doch spürte ich seinen Blick auf mir. „Darf ich denn?“
 

Mein Kopf schoss hoch und ich wurde rot. „Wa-was genau meinst du?“ Frag mich jetzt nicht nach einer Heirat oder Kindern, bitte, frag nicht!
 

„Dich versuchen.“
 

„Hä?“
 

„Du hast gerade gesagt, dass du dich ‚ebenfalls versuchen‘ würdest. Dem stimme ich zu und möchte dich auch versuchen.“ Er lächelte amüsiert, beugte sich dann zu meinem Ohr und flüsterte: „Oder vernaschen, welches Verb auch immer dir lieber ist.“
 

Mit erneuten roten Wangen drehte ich mich weg. Dieser…! „V-vernaschen ist ok. Aber nicht auf Arbeit.“
 

„Schade, aber ok. Dann eben heute Abend.“ Ich sah zu ihm und er lächelte wie immer. Das Grau glänzte wie frischer Schnee und seine Haltung wirkte entspannt und zufrieden. Es beruhigte mich. Auch dass Joshua scheinbar einen Schritt nach dem anderem gehen wollte. Ich freute mich auf den Zusammenzug und die gemeinsame Zeit. Kinder oder Heirat, so verlockend das ein oder andere auch klingen mochte, waren mir noch zu groß. Mit einem neuen Arbeitsbereich genügte es mir Joshua für mich allein zu haben.
 

Im Labor angekommen, begrüßten wir Elias. Neugierig wie er war, schielte er nur kurz von seinem Mikroskop auf und fragte sogleich wie es gelaufen war. Joshua berichtete, während ich mich auf meinen Stuhl setzte und etwas Wasser trank.
 

„Und warum schaut Max so aus, als hätte er einen Marathon hinter sich?“ Weil dem so war? Eine emotionale Achterbahnfahrt mit fünf Loopings.
 

„Mein Vater hatte gefragt, ob uns die baldige Trennung durch die Labore etwas ausmachen würde. Du kennst ihn doch. Er will möglichst immer das doppelte, positive Ergebnis erzielen. Da habe ich ihm gesagt, dass wir zusammenziehen werden und er-“
 

„Josh!“, fiel ich ihm ins Wort.
 

„Ja?“
 

„Nicht hier auch noch. Elias …“ Ich sah zu Elias und merkte, es war zu spät. Seinen Blick von den Mikroben abgewandt, funkelten seine Augen bereits vor Neugierde.
 

„Ihr zieht zusammen?“
 

„…“
 

„Wann? Wohin? Wenn ihr Hilfe braucht, sagt Bescheid.“ Diesmal wiegelte ich ihn ab. Vor Elias hatte ich nicht so viel Schiss wie vor Joshuas Vater. Obwohl etwas Hilfe seitens meines Freundes hilfreich gewesen wäre. Stattdessen stand er neben mir an den Tisch gelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt und feixte.
 

„Ich finde das toll“, sagte Elias aufrichtig. Entspannt, das Thema beendet zu haben, lehnte ich mich zurück und nahm noch einen Schluck Wasser. „Heiratet ihr dann auch? Ihr könntet ein Kind adoptieren.“
 

Ich prustete beinahe, verschluckte mich jedoch mehr an dem Schluck Wasser in meinem Mund.
 

„Was?“, fragte ich keuchend, denn Joshua amüsierte sich mehr über meine Reaktion als mir zu helfen.
 

„Ich meine, du kannst ja schlecht Schwanger werden. Oder wollt ihr ein Kind über eine Leihmutter haben?“ Zum wiederholten Mal lief ich rot an. Ich konnte mittlerweile einige verwerfliche Dinge mit Joshua tun ohne prüde zu sein. Aber das hier? Dafür war ich noch nicht bereit!
 

„Wir wollen nur zusammenziehen. Mehr. Noch. Nicht.“ Meine Stimme klang streng und gereizt, doch wurde die Warnung darin von meinem glühendroten Gesicht verharmlost.
 

Dass die Wohnungssuche ihre Zeit brauchen würden, war mir bewusst gewesen. Dass sich währenddessen alles so verworren gestaltete, war einfach schlechtes Karma. Oder das Universum mochte es mich zu ärgern. Meine Mutter hätte gesagt „Der Herr legt dir eine Prüfung auf. Bestehe sie.“ Was auch immer es nun war. Ich war gestresst. Jede Aktion einzeln für sich genommen, machte mir Spaß, aber alles zusammen war organisatorisch schwer zu bewältigen, wenn man vom Essen, Schlafen oder einer Pause absah.
 

In der letzten Woche im gemeinsamen Labor hatten Joshua und ich unsere verbleibende gemeinsame Arbeitszeit sinnvoll nutzen wollen. Zum kuscheln oder so. Aber es gab viel für den Umzug ins neue Labor vorzubereiten, Sachen zu packen und hin und her zu schleppen. Ich wusste nicht mal, dass sich so viel Zeug angesammelt hatte. Ein Teil meiner Arbeitszeit ging beim Vorstellen der neuen Kollegen drauf sowie der Besichtigung des neuen Labors. Joshua würde mit Elias in dessen Labor bleiben. Er bekam lediglich ein neues Projekt, welches zwar umfangreich, aber leicht alleine zu bewältigen war.
 

Ich war in einem ganz neuen Komplex. Wir waren ein Team aus zehn Leuten, elf mit mir. Unsere Aufgabe bestand darin alte Rezepte aufleben zu lassen. Vor einiger Zeit hatten Archäologen ein mittelalterliches Rezeptbuch gefunden. Das meiste darin waren Essensrezepte. Doch einige wenige stammten aus der Feder eines Arztes oder Quacksalbers, wie man auch immer die frühen Ärzte und Apotheker nannte. Aus Knoblauch, Zwiebeln und einigen anderen schnell zu bekommenden Zutaten, entstand ein Sud, der zumindest im Büchlein angepriesen wurde. Nach zahllosen versuchen, um die richtige Mischung herauszufinden, da es keine Mengenangaben enthielt, entstand ein frühes Antibiotikum.
 

Die Aufregung in den Reihen der Forscher war enorm. Viele versuchten ihre Finger an solche Rezepte zu bekommen und damit selbst einen Durchbruch zu erzielen. Der Ruhm lockte viele. Mein Arbeitgeber hatte eines dieser Bücher in die Hände bekommen. Seit knapp einem halben Jahr tüftelten meine neuen Kollegen an einigen Rezepten. Manches davon, so wurde mir berichtet, ergab ein wirklich leckeres Essen oder eine leicht ölige Handcreme.
 

Ich war aufgeregt hier arbeiten zu dürfen. Alles war neu, so auch die Zusammenarbeit mit einer Germanistin. Die alten Texte waren schwer zu lesen und zu verstehen. Sie half uns dabei. Das Klima war locker und wie Joshua bereits vorhergesagt hatte, fand ich mich schnell zurecht und bügelte fehlendes Wissen durch schnelle Recherchen aus. Die Stimmung in meinem Labor war gut. Ab und an traf ich mich mit Joshua und Elias zum Mittagessen. Die Feuertaufe war bestanden, die Gerüchte geklärt und dennoch fühlte ich mich nicht wohl, wenn ich alleine war. Beinahe etwas gehetzt ohne einen Grund zu haben.
 

Während dieser Eingewöhnungsphase fanden Joshua und ich eine Wohnung. Sie lag näher am Labor als Joshuas, aber weiter weg als meine. Die Quadratmeter passten und wir hatten drei Zimmer zur Verfügung. Ich hätte gedacht uns würden zwei Zimmer ausreichen, doch Joshua meinte, dass ein Arbeitszimmer immer praktisch wäre. Die Miete war ok und nach einem kleinem Lärmtest schienen die Wände auch bestanden zu haben. Das Gute daran war, dass die Wohnung bereits leer und weiß gestrichen war. Mit den großen Fenstern wirkte sie hell und luftig. Da ich gerne etwas Farbe hätte, einigten wir uns darauf erst zu Malern.
 

Wir gingen in den Baumarkt, suchten Farben aus und entschieden uns für grau und beige. Es würde maximal eine Wand pro Zimmer Farbe bekommen. Wir nahmen an, dass wir schnell fertig werden würden und zügig anfangen könnten einzuräumen. Jedoch kamen wir durch die Arbeitszeiten kaum dazu, zu zweit zu agieren. Es kostete uns viel Geduld und eineinhalb Wochen, ehe wir endlich anfangen konnten. Während dessen liefen die Kündigungsfristen für unsere Wohnungen langsam aus.
 

Joshua schien das alles sehr entspannt zu sehen, während ich mich immer öfter dabei erwischte wie ich ungeduldig mit dem Bein wackelte. Es machte mich nervös, dass wir noch immer am hin und her räumen waren. Es machte mich nervös, dass wir zusammenzogen. So richtig, als Paar und verliebt und so. Es machte mich auch nervös, dass sowohl Joshuas Vater als auch Elias sofort auf das Thema Heirat und Kinder zu sprechen gekommen waren. Ich liebte Joshua wirklich sehr, aber das waren Themen über die ich noch nicht nachgedacht hatte. Die ich bisher für mich noch nicht mal in Betracht gezogen hatte! Kinder, ja schon, irgendwann mal. Obwohl ich gehofft hatte, zuvor mit meinen Eltern ins Reine kommen zu können, was ich nach heutiger Sicht eher als äußerst Unwahrscheinlich einschätzte. Zudem waren das Gedanken für den Fall gewesen, wenn ich mit einer Frau zusammen gewesen wäre, die mir eröffnete, dass sie schwanger sei. Mit Joshua waren diese Gedanken hinfällig und irgendwie … auch nicht greifbar.
 

Über eine Heirat hatte ich bisher noch nie nachgedacht. Allein weil meine Mutter immer gewollt hatte, dass ich ein gläubiges Mädchen heiratete und es eine große kirchliche Feier gäbe. Ich hatte ihnen immer noch nicht gesteckt, dass ich nun vergeben war. An einen Mann.
 

Obwohl die Vorstellung, dass meine Mutter einen Herzinfarkt bekommen könnte, sobald sie davon erführe, wiederum sehr verlockend war.
 

Nachdem wir meine Wohnung leergeräumt hatten, fühlte ich mich etwas ruhiger. Eine Kündigungsfrist weniger, welche wir einhalten müssten. Glücklicherweise hatten Elias und Michael von der Arbeit Zeit uns zu helfen. Es waren Hauptsächlich Kisten. Ich besaß wenig Mobiliar und noch weniger davon nahm ich mit in die neue Wohnung. Einiges passte gut ins Arbeitszimmer, der Rest kam auf den Sperrmüll. Couch, Bett und dergleichen nahmen wir von Joshua. Den Rest kauften wir neu.
 

Ein paar Tage später, machten wir uns an Joshuas Wohnung zu schaffen. Wir hatten einen großen Umzugswagen bestellt und die schweren Möbel, wie Bettgestell, Kleiderschrank, Couch, Couchtisch, Fernseher, etc., von Möbelpackern bereits nach unten bringen lassen. Den Rest schafften wir alleine. Wir hatten vereinbart, dass die Möbelpacker von uns angerufen werden würden, sobald wir in der neuen Wohnung angekommen wären. Dann würden die freundlichen Schwergewichte helfen, alles an Ort und Stelle zu tragen. Die meisten Umzugskartons befanden sich ebenfalls im Umzugswagen.
 

Nach einer frühen Mittagspause ging es weiter.
 

Ich packte einen der letzten Umzugskartons mit diversen Resten, welche sich hier und dort noch hinter Möbeln und Schränken in Joshuas Wohnung angefunden hatten. Ein Foto, welches hinter einen Schrank gerutscht war, Knöpfe, Geld, ein Handschuh und ähnliche Dinge. Ich versuchte alles ordentlich in den Karton zu stapeln, was bei der schieren Menge an unterschiedlichen Gegenständen unmöglich erschien.
 

„Mael?“
 

„Hm?“, antwortete ich, ohne mich umzudrehen.
 

„Hattest du die Zettel damals gezählt?“
 

„Meinst du die Klebezettel, die ich in deiner Wohnung verteilt hatte? Ja, es waren Vierundvierzig. Warum fra-“, ich brach ab und drehte mich zu Joshua um. Er stand im Flur neben seinem Schlafzimmer und hielt einen pinken, sehr staubigen Notizzettel in der Hand. Er las die Worte auf dem Zettel. Mit zwei Schritten war ich bei ihm und haschte nach dem Zettel. Ich bekam das pinke Ungetüm zu greifen und zerknüllte es in meiner Hand.
 

Joshua agierte einen Tick zu spät. Als er sah, wie ich den Notizzettel zerknüllte, haschte er nicht mehr nach dem Zettel, sondern nach mir. Eifrig verschränkte ich die Arme vor der Brust und wollte verhindern, dass Joshua dieses peinliche Zeugnis meiner Verliebtheit und Unfähigkeit noch mal zu Gesicht bekam. Verdammt, ich hatte angenommen, dieses Stück Pink würde nie gefunden werden! Es war mir nicht nur peinlich, weil ich solch schnulziges Zeug geschrieben hatte, sondern auch, weil ich den Kuss damals als ein persönliches Geschenk für mich angesehen hatte, weil es mein Geburtstag gewesen war.
 

Joshua zog mich in eine feste Umarmung. Statt meine Arme auseinander zu ziehen und den Zettel zu bekommen, umschloss er mich mit seinen und verbarg sein Gesicht an meinem Hals. Langsam legte sich meine hektische Aufregung, wandelte sich in Verwunderung und schließlich leichtes Herzrasen. Küsse bedeckten meinen Hals, Zähne zogen an der empfindlichen Haut.
 

„Josh…“
 

„Warum hast du es mir damals nicht gesagt?“
 

„Was denn?“
 

„Dass ein Zettel fehlt. Ich-“
 

„Du- was? Hättest ihn gesucht? Wie hätte das denn ausgesehen? Vor allen mit dem Inhalt! Wer bitte schreibt so was Altmodisches noch auf? Und wer bitte verlangt eine Antwort auf so eine peinliche Frage!“
 

„Das ist nicht peinlich, sondern süß. ‚Ich habe mich in dich verliebt. Willst du mit mir gehen. Ja, Nein, Vielleicht.‘ Das finde ich süß.“ Er vergrub sein Gesicht erneut und nuschelte warm gegen meinen Hals. „Ja. Ich kreuze ‚Ja‘ an.“
 

Abrupt löste sich Joshua von mir und drehte mich um. Seine Hände legten sich an mein Gesicht und zogen mich zu einem Kuss. Etwas überrascht blinzelte ich, ehe ich Joshua nachgab und erwiderte. Der Notizzettel in meiner Hand war schnell vergessen. Ich schlang meine Arme um Joshuas Nacken und seine Hände wanderten an mir herunter, griffen mich fest am Hintern und zogen mich nah an Joshua heran. Meine Beine wickelten sich von selbst um ihn und der Kuss wurde hitzig. Mit gewohnter Leichtigkeit trug Joshua mich in das Schlafzimmer zurück. Die Matratze lag noch auf dem Boden, war blank, etwas rauer als üblich und Joshua war sanfter als jemals zuvor.
 

„Das war unnötig“, meckerte ich und stellte den letzten Karton in den Umzugswagen.
 

Joshua grinste hämisch und überglücklich. „War es nicht.“
 

„Doch war es“, hielt ich streng dagegen. „Wir müssen nur mehr bezahlen, wenn wir zu spät anrufen.“ Joshua stellte den von ihm getragenen Umzugskarton ebenfalls in den Wagen und sah mich an, eine Hand locker in die Hüfte gestemmt.
 

„Und dennoch hast du es genossen.“
 

Ich wurde rot. Wie könnte ich nicht? Joshua war zärtlich und wusste genau, welche Stellen meines Körpers er berühren musste, damit ich vergas was ich eigentlich tun wollte.
 

„Deine Matratze ist noch neu… Wenn wir wenigstens ein Laken oder so was drunter getan hätten“, insistierte ich. Joshua hatte zwar aufgepasst, trotzdem war von diesem kurzen Intermezzo etwas danebengegangen. Während ich mich schämte, seine gute Matratze beschmutzt zu haben, wobei wir meine Alte erst weggeschmissen hatten, freute Joshua sich wie ein Trollkönig, der aus dem Grinsen nicht mehr herauskam. Zugegeben, so glücklich hatte ich ihn lange nicht gesehen. Es war schon irgendwie süß und ließ meinen Ärger etwas verfliegen.
 

Joshua kam mir näher und kesselte mich zwischen sich und dem Laderaum ein. Sein Blick war fröhlich, verspielt mit einem Hauch von Verschlagenheit. „Bald kannst du so viele Laken darunter haben wie du magst. Dieses Bisschen ist nun wirklich nicht der Rede wert im Vergleich zu dem was wir bisher schon getan haben.“ Den letzten Rest sprach Joshua leiser, verruchter und trieb mir allein der Erinnerung wegen die Röte wieder in die Wange.
 

„Maximillian?“, erklang eine strenge, wie fragende Stimme. Mein tuffiges Gefühlsleben wurde tiefgefroren und mit Eiswasser übergossen. Stocksteif sah ich an Joshua vorbei, ehe er zur Seite trat und sich umdrehte. Meine Mutter stand in ihrem Freitagskostüm adrett und fein wie eine Dame aus den späten 1920ger Jahren vor mir. Ihr Gesicht war leicht entgleist und erste rote Flecken zeichneten sich auf ihrem Hals ab.
 

„Mutter … was … machst du denn hier?“
 

Das Letzte, nein, die Letzte, die ich in der Innenstadt, in diesem Stadtteil und dieser Straße erwartet hätte, war meine Mutter gewesen. Nicht nur, dass Joshua und ich ziemlich eng beisammengestanden hatten, seine Worte waren auch deutlich gewesen.
 

„Maximillian Mael Finnigan! Erkläre mir SOFORT was du hier tust. Wer ist dieser Mann und warum stehst er so unziemlich bei dir?“
 

„…“
 

„Deine Mutter?“, fragte Joshua sanft, während mir sämtliche Worte verloren gegangen waren. Ich schämte mich nicht für meine Liebe zu Joshua, doch das was jetzt kommen würde, würde mehr als unschön werden. Joshua war durchaus sehr offen aufgestellt, doch würde er auch meine Mutter überstehen können? Stumm nickte ich auf seine Frage hin.
 

Joshua wandte sich vollends meiner Mutter zu und reichte ihr die Hand. „Schönen guten Tag. Mein Name ist Joshua Fritz. Schön Sie kennenzulernen.“
 

„Das kann ich nicht erwidern“, waren die kalten Worte meiner Mutter. „Ich bin hergekommen, weil mein Sohn mal wieder seine Pflichten vernachlässigt und seine Familie nicht besucht. Lange genug habe ich mir das mit angesehen und wäre es nur das, hätte ich es vielleicht noch geduldet, dass sein Verstand von dieser Wissenschaft so irregeführt wurde. Aber DAS hier.“ Mit ‚DAS hier‘ meinte sie Joshua und sah abfällig an ihm hoch und runter. Solch eine Abneigung hatte ich noch nie bei einem Menschen einem anderem gegenübersehen können. Nicht mal bei Binks, als er mich abserviert hatte.
 

„Maximillian, so habe ich dich nicht erzogen. Du kannst nur eine echte, funktionierende Familie aufbauen, wenn du eine Frau ehelichst, die fromm und gläubig ist. Was denkst du dir dabei mit ‚so was hier‘ zu verkehren? Und dann auch noch vor mir und deinem Vater geheim zu halten! Schäm dich. Vor Gott und deiner ganzen Familie. Wie willst du mir so je Enkel schenken können! Und dieses Auto? Ich hoffe, du hilfst dieser Person nur umzuziehen und nichts anderes. Alles andere wäre ein Skandal für unsere Familie! Und das nachdem dein Bruder endlich zu uns gefunden hat. Oh Gott, oh Gott! Ich hatte so sehr gebetet, dass diese grässlichen Gerüchte nicht wahr sein mögen.“
 

„Was für grässliche Gerüchte? Und von wem bitte?“, fragte ich perplex.
 

Meine Mutter schnaubte abfällig und verschränkte die Arme vor ihrer hochgeschnürten Brust. „Lenk nicht vom Thema ab! Du bist schon so alt, da hätte ich längst zwei oder drei Enkel von dir haben können. Ich preise deinen Freund, der war so freundlich war, mich auf deine Missstände hinzuweisen.“
 

„Was für Missstände?“, fragte nun Joshua.
 

„Junger Mann halten Sie sich da raus. Das ist eine Familienangelegenheit.“
 

„Dann möchte ich umso mehr wissen, von welchen Missständen Sie reden“, beharrte Joshua. „Mael ist mein fester Freund seit fast einem Jahr. Wir ziehen zusammen und ich werde mir nicht ihre Erlaubnis holen, wenn ich ihn ehelichen will.“
 

Mir lief bereits der kalte Schweiß herunter, doch nun war es als wären meine Schweißporen zugefroren und ich entwickelte mich zu einem Vulkan, der jeden Moment an innerer Hitze implodieren würde. Bitte was?!
 

Meiner Mutter schien es ähnlich zu gehen. Ihre Flecken wurden zu großen Quaddeln und ihre Gesichtsfarbe wechselte von aschgrau, zu grün zu wütend-rot. Tadelnd erhob sie ihren Finger. Früher hatte ich vor dieser Geste immer Angst. Ihr erhobener Finger gefolgt vom kommenden Wutausbruch war für mich schlimmer als eine Ohrfeige. Indes wirkte diese Pose gegenüber Joshua einfach nur kläglich und klein. Wie ein wütendes, hüpfendes, aufgeblähtes Hühnchen.
 

„Was erdreisten Sie sich! ICH bestimme wer in diese Familie einheiratet und SIE werden das bestimmt nicht sein! Maximillian! Komm sofort hierher und entsage diesem … Etwas!“
 

Joshua bewegte sich, bereit zu kontern, als ich einen Arm ausstreckte und ihn zurückhielt. Ich war immer noch panisch, mein Inneres chaotisch und trotzdem sprach ich mit einer Ruhe, die selbst ich als gruselig empfand.
 

„Josh ist ein Mensch, Mutter, kein Etwas. Er ist gütig, geduldig und sieht die Menschen wie sie wirklich sind. Er ist wesentlich toleranter als du es jemals warst. Verrate mir bitte, was hieran falsch ist. Heißt es nicht, Liebe ist rein und nährt ihre Nächsten. Liebe entbehrt jeder Verurteilung und verzeiht, wo es alles Weltliche und Herrschende nicht kann. Ich liebe ihn und ziehe mit ihm zusammen. Verzeih, dass ich nicht zu Hause vorbeigekommen bin, aber meine Arbeit hat es zeitlich einfach nicht zugelassen und das bisschen Freizeit wollte ich lieber mit meinem Freund verbringen. Da Andreas bei euch ein und aus geht, dachte ich, ihr seid mehr als zufrieden ‚ein‘ gelungenes Kind zu haben.
 

„Josh hat recht, wenn er sagt, dass er deine Erlaubnis nicht braucht, denn ich allein werde sie ihm erteilen. Ob es eine Heirat oder Kinder sind und ja, Mutter selbst wir können Kinder haben. Aber selbst, wenn wir jemals Kinder haben werden, würde ich mir alle Mühe geben, sie vor dir und deiner selbstzerstörerischen Art fernzuhalten.“
 

„Dass du die edlen Lehren so auslegst! Was habe ich nur falsch gemacht, dass du so geworden bist? Wo ich dir solch einen schönen Namen gegeben habe“, klagte sie. „Ich hätte den Pastor den Exorzismus machen lassen sollen. Nein, einer hätte sicherlich nicht gereicht. Das was DU Liebe nennt ist Verwirrtheit und unnatürl-“, murmelte sie vor sich her, ehe sie von Joshua arg unterbrochen wurde.
 

„Hören Sie sich eigentlich selbst reden?“, fragte Joshua aus dem Blauen heraus. Meine Mutter sah giftig auf, als stände der Leibhaftige vor ihr. Mein Joshua legte indes seinen Arm um meine Schulter und zog mich an sich. „Ich habe weder meine Mutter noch meinen Vater gekannt, doch ich bin mir sicher, jeder von ihnen wäre fürsorglicher und liebevoller gewesen als Sie es jemals sein könnten. Wie hält Ihr Mann es an Ihrer Seite aus? Können Sie überhaupt über Liebe reden? Verstehen Sie die Bedeutung dahinter? Mein Ziehvater war nicht der strengste Vater. Hier und da hätte ich mir eine andere Federführung von ihm gewünscht. Aber ihn ziehe ich Ihnen hundertmal vor. Mael tat gut daran sich von Ihnen zu lösen. Wahrscheinlich ist er das Wärmste was Sie jemals hervorgebracht haben.“
 

„Was erdreisten Sie sich?! Ich sollte die Polizei rufen! Man sollte Sie wegschließen!“, geiferte meine Mutter, während Joshua von mir ließ und die Türen zum Laderaum schloss. „Ich werde Sie anzeigen!“ Joshua griff meine Hand und zog mich sanft zurück ins Haus. Meine Mutter wetterte weiter. Es war nicht schön und nicht mal peinlich. Sie tat mir einfach nur leid, dass sie aus ihrer verborten, steinalten Haltung nicht herausfand. Zu gerne hätte ich gewusst, was in ihrem Leben passiert war, dass sie sich so gegen Änderungen wehrte. Sie benahm sich nicht wie eine normale Gläubige, sondern wie eine verdrehte Sektenanführerin. Ähnlich wie in dem Kinofilm Midsummer. Krank und doch musste man hinsehen.
 

„Was war das?“, fragte Joshua mich als wir nicht nur die Eingangstür hinter uns geschlossen hatten, sondern auch die Haustür. Mit mindestens zwei geschlossenen Türen zwischen uns und meiner Mutter, könnte man meinen, sicher zu sein. Joshua hatte die Augenbrauen tief nach unten gezogen. So sauer habe ich ihn nicht mal bei der Sache mit Johannes erlebt.
 

„DAS ist deine Mutter?“, fragte er ungläubig. „Als du mir von deinen Eltern erzählt hattest, dachte ich sie wären so typisch verbohrt und unwissend, aber das ist … das ist richtig übel.“
 

Ich nickte nur stumm. Mir war auch übel. Selbst wenn ich mich eben noch behaupten konnte, steig nun die Übelkeit in mir hoch.
 

„Diese Frau hätte ich als Sektenführerin oder fanatische Gläubige betitelt, aber sicher nicht als Mutter zweier Kinder. Ich war wirklich gespannt auf deine Familie, aber ehrlich, jetzt würde ich sie lieber nicht kennenlernen. Ich mein, ich hatte wirklich vor sie mal um ihren Segen zu fragen, aber jetzt?“
 

Joshua lief in der Mitte seines leeren Wohnzimmers hin und her. Unruhig, wütend. Mir wurde noch schlechter, während ich ihm zusah wie er in Kreisen lief. Meine Mutter mal beiseite genommen, hatte ich irgendwie immer irgendwo gehofft, vielleicht doch mit meinen Eltern ins Reine zu kommen. Dieser Wunsch war groß gewesen. Ebenso groß wie meine Liebe zu Joshua. Um es theatralisch zu verfassen, war Joshua alles Lichte und Gute, während meine Eltern eher Mordor und den Schicksalsberg verkörperten. Ich bräuchte sie nicht. Ich könnte mich einfach umdrehen, mich nie wieder melden und den Ring der Macht vergessen. Aber könnte ich das, hätte ich Binks damals ebenso einfach abhaken können. Nichtsdestotrotz wollte ich mich nicht von ihnen lösen. Hoffte immer und immer und immer wieder, dass etwas Gutes passieren würde, wenn ich nur lange genug durchhalten würde. Dass sie mich annehmen würden, wie ich nun mal war. Dass sie ihr Kind in den Arm nehmen und einfach drücken würden, wenn es sich einsam und verletzt fühlte.
 

„Mael?“
 

Ich hatte gehofft, dass meine Eltern normal werden könnten. Mein Vater nicht nur seine Rennen im Kopf hätte, meine Mutter nicht nur ihren Glauben und mein Bruder nicht nur seinen eigenen Vorteil sah. Ich lebte doch normal. Hatte Freunde, eine gute Arbeit, ein gutes Einkommen, war nicht verschuldet und bemühte mich die Menschen so zu sehen wie sie wirklich waren. Ich war doch nicht so viel anders!?
 

Arme schlangen sich um mich und mein Sichtfeld verdunkelte sich. Eine Hand strich über meinen Kopf, die andere hielt mich fest an den warmen Körper gedruckt. Ich schluchzte eh mir bewusst war, was ich fühlen sollte.
 

Ich hatte nicht bemerkt, wie ich vor mich hingestarrt hatte und wie weich meine Knie geworden waren. Eben noch hatte ich eine wunderschöne Zeit mit Joshua in dieser Wohnung gehabt. Nur ein Zimmer weiter! Und jetzt war mir als würde der Boden mich verschlucken wollen.
 

„Es tut mir leid. Ich wollte nicht so über sie reden.“ Ich schüttelte nur meinen Kopf. Meine Finger krallten sich in Joshuas Hemd.
 

„‘S schon gut. Das … is' ok“, ich schluchzte richtig. Dabei war ich traurig und wütend zugleich.
 

„Wie kann es ok sein? Du bist gerade kreideweiß geworden.“
 

Ich drückte mich von ihm weg und er nutzte die Chance mein Gesicht sanft zu sich zu drehen. Er musste mir nicht über die Wangen streichen, da keine Träne rollte. Stattdessen sah er mich musternd an. Mein Schluchzen war nicht durch Traurigkeit entstanden, sondern durch eine japsende Schnappatmung des Schocks.
 

„Ich hatte erwartet, dass sie dagegen ist und es nicht billigen würde, aber nicht, dass sie so ausflippt. Sie kennt dich doch gar nicht! Was ist, wenn ich mein Leben lang bei dir bleiben will? Wenn ich mit dir zusammenziehe und was weiß ich nicht noch alles? Das geht sie nichts an! Und überhaupt- Wenn ich so ein Fehler bin, warum verschwendet sie noch ihre Energie an mich? Soll sie sich doch um meinen Bruder kümmern. Dem hat sie doch sowieso alles in den Arsch geschoben, nachdem ich sie so enttäuscht hatte!“
 

Während meine Wut wuchs, schwand Joshuas. Er prustete los, als ich mich richtig in Rage geredet hatte. „Ich liebe dich auch sehr, Mael. Für mich bist du kein Fehler und auch auf Arbeit gibt es genügend Leute, die bezeugen können, wie wertvoll du bist.“
 

„Lass das. Ich bin immer noch sauer auf sie. Alles was ich von ihr wollte, war dass sie sich normal benimmt und mich sieht wie ich bin. Aber egal was, ich habe sie immer nur enttäuscht. Ich hätte nie erwartet, dass sie hier auftauchen würde. Und gerade heute.“
 

„Hatte sie nicht etwas von einem guten Freund von dir erzählt, der ihr den Hinweis gegeben hat?“
 

Stimmt, hatte sie. Leider fiel mit nur ein alter Freund ein, der die Möglichkeiten hätte meinen Eltern irgendwas zu stecken. Zudem war diese Person nicht wirklich einverstanden mit meiner Beziehung zu Joshua gewesen.
 

„Warum grinst du so?“, fragte ich indes Joshua, immer noch sauer.
 

„Diesmal bist du derjenige, um den sich die Gerüchte drehen.“
 

Ich starrte Joshua ungläubig an. Einen Moment, noch einen weiteren. Dann schlug ich ihm gegen die Schulter, was Joshua noch mehr lachen ließ. Ich konnte ihn verstehen. Seit wir uns kannten, drehten sich alle Gerüchte um Joshua, den Grafen und dessen Eroberungen. Endlich war ich die Hauptperson und er nur das adrette Beiwerk.
 

Joshua ließ sich von mir ohne große Gegenwehr auf den Boden drücken. Sitzmöbel hatten wir keine mehr. Selbst die Matratze war bereits verladen. Diese Wohnung war so leer wie es nur ging, wenn man davon absah, dass die Küche nicht mitgenommen wurde. Joshua lag auf dem besenreinen Fußboden und lachte immer noch. Es wurmte mich und freute mich zeitgleich. Aber ihn einfach gewähren zu lassen, fand ich auch doof. Ich zog seinen Arm vom Gesicht und ersetzte diesen mit meinem Mund, oder besser gesagt mit einem Kuss. Dieser war zunächst brüchig, weil Joshua noch lachte, entwickelte sich jedoch in eine gefühlvolle Mischung aus Freude und Sehnsucht. Ich legte mich immer mehr auf Joshua, fühlte seinen wilden Herzschlag neben meinen.
 

Nach dem Kuss blieb ich auf Joshua liegen, meine Hände in seinen Haaren und kraulte ihn beharrlich.
 

„Soll ich ihn mal anrufen?“, fragte ich, meiner Wut beraubt.
 

„Wen?“
 

„Den, der wahrscheinlich das Gerücht verbreitet hat.“
 

„Du weißt wer?“ Ich stemmte mich auf meine Ellenbogen und nickte schlicht. Joshua überlegte kurz, dann nickte auch er. „Mach auf laut.“
 

Ich fischte mein Handy aus der Hosentasche, wählte und legte das Handy neben uns auf den Boden, den Lautsprecher an. Es klingelte und ich bettete meinen Kopf wieder auf Joshua.
 

„Jau, hi.“
 

„…“
 

„Max? Hey bist du dran?“
 

„Hi“, sagte ich matt.
 

„Was’n mit dir los?“, fragte Binks Stimme durch das Telefon.
 

„Meine Mutter hat mich gerade mit Josh gesehen und ist voll ausgetickt.“
 

„Oh … Alter, das tut mir echt leid.“
 

„Mmmhm“, brummte ich ins Telefon. Ich musste sehr geknickt wirken, denn Binks begann rumzustochern, ohne den sarkastischen Ton meines Brummens herauszuhören.
 

„Was … hat sie denn gesagt? Ich mein, sie ist ja eher konservativ.“
 

Ich stemmte mich wieder auf meinen Ellenbogen ab und sah Joshua direkt in die grauen Augen. „Was wohl. Ich muss Schluss machen.“
 

Binks schwieg einen kurzen Moment. Es klang beinahe so, als würde er mit sich hadern, doch …
 

„Hey Mann, das ist doch ok. Ich mein … deine Eltern wollen ja nur dein Bestes und das mit diesem Josh war doch eh eher eine Verwirrtheit, meinst du nicht? Das mit mir hat dich ja auch nicht lange am Ball gehalten. Haha, Gott, und ich hab Evelin noch gesagt, dass das keine dumme Idee war. Sie war doch ernsthaft der Meinung, ich würde dir dein Glück nicht gönnen. Aber mal ehrlich: Das ist doch nicht gesund, oder? Wozu gibt es sonst Frauen, wenn wir sie nicht lieben? Haha, Alter, das erleichtert mich voll!“
 

„…“
 

Ich sah auf Joshua hinab und ein lächeln legte sich auf meine Lippen. Ich beugte mich vor und ich genoss das feine Kribbeln, welches sich immer noch in meinem Magen ausbreitete, wenn ich ihn küsste.
 

„Ich weiß, du hast den Typen – warum auch immer – gern. Aber findest du nicht, dass es besser ist, eine normale Beziehung zu führen und … ich weiß, nicht … zu heiraten und Kinder zu bekommen?“, redete Binks weiter.
 

Ich grinste gegen Joshuas Lippen und löste mich minimal. „Du hast Recht. Eine normale Beziehung klingt echt gut.“
 

„Nicht wahr?“, rief Binks erleichtert ins Telefon. Ich entfernte mich etwas von Joshua und sah von oben verliebt in seine Augen.
 

„Kinder ist vielleicht noch zu früh, aber heiraten würde ich schon gerne irgendwann.“ Joshuas überlegenes Grinsen wandelte sich in eine wunderschöne erstklassige Überraschung. Ich meinte sogar ihn schlucken zu sehen.
 

„Darum finde ich es besonders schön, dass Josh und ich jetzt zusammenziehen“, fuhr ich fort. Während ich Joshuas Hände auf meiner Hüfte spürte, hörte ich Binks erschrockene Laute von sich geben. „Ich finde unsere Beziehung normal und würde ihn gegen nichts austauschen. Vor allem nicht, um es meiner Mutter oder sonst wem Recht zu machen. Ich bin ziemlich sauer auf dich, dass du es wirklich meiner Mutter gesteckt hast. Aber immerhin hast du es zugegeben.“
 

„Max … ich …“
 

Joshuas Hände glitten lautlos unter meinen Hosenbund. Seine Augen leuchteten wie frisch gefallener Schnee.
 

„Binks“, sagte ich zuckersüß und melodisch. „Misch dich noch mal ein und du lernst mich richtig kennen. Wenn es dir so wichtig ist, was meine Eltern denken, darfst du gerne ihr Sohn werden und ihnen nach Lust und Laune in den Arsch kriechen. Meinen Segen hast du.“
 

Ich legte auf. Joshua zog seine Hände von meinem Hintern und drehte mich auf den Rücken. Seine Lippen fanden meine, teilten sie und eroberten mich stürmisch. Seine Hand glitt unter mein Shirt und fühlte meine Brust, spielte an sensiblen Stellen und bescherten mir im Zusammenspielt der Zungen eine ordentliche Gänsehaut.
 

Ich musste Joshua irgendwie aufhalten… Die Wohnung war leer. Jeder Ton war doppelt so laut. Es hier zu tun, war nicht … der Umzugswagen … und … ich meine, wir sollten nicht …



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