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Ein Leben für das Druidentum

von

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Kapitel 5

Paracelsa hatte die letzten Tage sehr viel geschlafen. Ana hatte ihr ein Bett in einem der Wagen zugewiesen. Sie hatte dort ihr eigenes kleines Reich. Und war völlig überfordert davon. Plötzlich durfte sie Dinge besitzen, ohne sie verstecken zu müssen. Und hier gab es Privatsphäre. Sie wurde von niemandem gezwungen morgens aufzustehen. Alle gingen sehr locker und freundschaftlich miteinander um. Paracelsa fühlte sich an die Zeit in ihrem Heimatdorf erinnert.

Doch so rosig es auch für Paracelsa schien, gab es doch Situationen, die dieses Bild trübten. Denn sobald sie sich mit ihrer Wagenkolonne einer Stadt oder einem Dorf näherten, wurden alle angespannt. Manchmal wurden sie auch beschimpft und sofort wieder verjagt. Paracelsa versuchte sich nichts anmerken zu lassen, was ihr aber sichtlich schwer fiel. Sie hatte Angst. Und jeder konnte ihr das ansehen. Also versuchte sie sich wann immer es ging in Momenten wie diesen ins Innere ihres Wagen zurückzuziehen. Erst, wenn sie wieder Halt machten, kam sie nach draußen.

Sie fasste schnell Vertrauen zu Ana. Diese hatte hier das Sagen. Sie entschied, wo sie als nächstes hinfahren würden und wie ihr Programm aussehen würde. Gerd machte ihr manchmal immer noch Angst. Aber das lag nur an seiner Erscheinung. Er war fast doppelt so groß wie Paracelsa und sah meistens grimmig in die Welt. Und wenn sie ihr Lager nicht schnell genug abbauten, trieb Gerd sie zur Eile. Seine Stimme war ebenso gewaltig wie seine Statur. Paracelsa versuchte sich schnell einzubringen. Sie half, wo sie konnte: Bei der Zubereitung des Essens packte sie mit an, sammelte Kräuter, nähte Knöpfe an. Doch anders als sie vermutete, sagte ihr Ana mehr als einmal, dass sie sich auch entspannen durfte. Paracelsa wusste mit dieser Aussage aber nichts anzufangen... Sie benahm sich wie immer. Warum vermutete Ana also, dass sie angespannt war?

Sie näherten sich immer mehr dem „Düsterwald“. Dieser riesige dunkle Wald war voller unheimlicher Kreaturen: Trolle, Works oder auch Werschweine. Kein Mensch, dem sein Leben lieb war, ging freiwillig dorthin. Druiden und Heiler wagten sich allerdings immer wieder an den Rand dieses Waldes heran. Sie waren auf der Suche nach Kräutern, die heilen konnten, Schutz boten oder kleine Geister vertreiben konnten. Doch das alles wusste Paracelsa zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Für die Schausteller stellte sich jetzt die Frage, ob sie weiterfahren oder in der Nähe dieses Waldes rasten sollten. Die Nacht würde schon bald hereinbrechen, und sie entschieden sich dafür im Tal zu bleiben. Auch wenn sie nur Schausteller waren, hatten sie doch alle genug Übung im Umgang mit Waffen, um gefährlichen Tieren oder den Kreaturen des Düsterwalds etwas entgegen setzten zu können. Alle, bis auf eine.

Sie saßen am Abend zusammen am Feuer und diskutierten darüber, wer Nachtwache halten sollte. Ronan und Gerd lieferten sich einen heftigen Schlagabtausch, da beide zwar sehr gute Kämpfer waren, aber dennoch schlafen wollten. Ana stellte sie schließlich vor die Wahl, dass sie entweder gemeinsam Wache hielten oder sich endlich einigten. Ronan und Gerd tauschten noch einen Blick aus, dann seufzte Ronan und gab sich schließlich geschlagen. Aber er wollte auf keinen Fall allein wach bleiben. Ana entschied daraufhin kurzerhand, dass Paracelsa mit ihm die Wache übernehmen würde. Sie fügte sich in ihr Schicksal, während Ronan vor Freude jauchzte. Die anderen warfen ihm dafür einen missbilligenden Blick zu.

Als Paracelsa nachts mit Ronan allein am Feuer saß, zeigte ihr Ronan eine andere Seite von sich. Denn der immer gut gelaunte junge Mann schien nur eine Fassade zu sein. Jetzt blickte er nachdenklich ins Feuer. Paracelsa saß ihm gegenüber und sah ebenfalls in die Flammen. Ronan sprach mit ganz ruhiger, fast schon verträumter Stimme. Paracelsa fragte sich die ganze Zeit, ob er ähnliches durchgemacht hatte wie sie. Sie traute sich allerdings nicht ihn so etwas persönliches zu fragen. Stattdessen lauschte sie einfach seinen Geschichten. Er hatte ein Talent dafür Geschichten zu erzählen. Und dabei war es egal, ob er etwas erzählte, das ihm selbst widerfahren war oder ob es ein uraltes Märchen war. Ronan schaffte es mit seinen Worten und einigen Gesten die schönsten Bilder zu erschaffen. Für Paracelsa war es wie eine Flucht in andere Welten, wenn sie ihm zuhören durfte. Doch an diesem Abend erzählte er ihr nicht nur von den Abenteuern der Schaustellertruppe, sondern versuchte auch mehr über sie herauszufinden. Da Paracelsa allerdings nicht mehr allzu viel von ihrer Zeit im Birkental wusste, beschloss Ronan, dass sie zusammen dorthin reisen würden. Irgendwann, wenn sich die Gelegenheit ergab. Sein schier unerschöpfliches Repertoire an Geschichten rief in ihm einige Sagen wach, die er aus der Gegend um Birkenwald kannte. Paracelsa kannte diese Märchen und Sagen ebenfalls. Und so redeten sie lange über die verschiedenen Versionen vom Meister Hase mit dem Eichenstab oder den Drei Marienkäfern.

Als eine Pause zwischen ihnen entstand, holte Ronan Metbecher für sie beide und setzte sich dann neben Paracelsa. Sein Ton war wieder ernst geworden, denn jetzt wollte er genaueres über Paracelsa Leben erfahren. Und über die Bräuche, die sie kannte. Paracelsa fürchtete im ersten Moment, dass er ihr zu nahe kommen würde, doch sie entspannte sich schnell und genoss schließlich seine Nähe. Denn Ronan besaß genügend Taktgefühl, um immer noch eine Armlänge Platz zwischen ihnen zu lassen.

Ronan begann schließlich Paracelsa von den alten Göttern zu erzählen. Für sie klang es immer noch fantastisch, doch Ronan erklärte nebenbei auch den Grund für verschiedene Traditionen, die auch Paracelsa kannte und gepflegt hatte. Für sie war es sehr aufschlussreich zu erfahren, wieso an Beltane Feuer die ganze Nacht brennen mussten oder wieso sie mitten im Sommer Erntedank feierten. Es waren immer noch besondere Geschichten, aber sie halfen ihnen beiden die Zeit bis zum Sonnenaufgang gut zu vertreiben. Dennoch fielen ihr irgendwann fast die Augen zu. Und auch Ronan schien es ähnlich zu gehen. Er machte mehr Pausen, wenn er erzählte, musste nach Worten suchen und gähnte immer wieder herzhaft. Er blickte sie müde an, schenkte ihr aber auch ein ehrliches Lächeln. Dann stand er auf, holte seine Ausrüstung und kam zum Feuer zurück. Erst, als er wieder vom Schein des Feuers erfasst wurde, erkannte sie, dass er seine Waffen mitgebracht hatte. Er warf Paracelsa ein Kurzschwert zu, dass diese zwar versuchte zu fangen, aber bloß ungeschickt fallen ließ. Ronan musste laut auflachen und zog sie ein wenig auf. Dann erklärte er ihr, dass sie ein bisschen üben könnten, um die Müdigkeit zu vertreiben. Paracelsa willigte ein, doch Ronan konnte schon an ihrer Haltung sehen, dass sie keinerlei Kampferfahrung hatte. Er war davon ausgegangen, dass sich Paracelsa selbst etwas angeeignet hätte, dass sie zumindest wüsste sich zu wehren. Doch den Tränen nahe erklärte Paracelsa ihm, dass sie bei den Orks nur häusliche Tätigkeiten verrichtet hatte und jeden Tag, den sie keine Schläge bekommen hatte, erleichtert war.

Ronan hatte sein Schwert schnell gesengt als er sah, was sein Scherz bei Paracelsa ausgelöst hatte. Er lief zu ihr, legte sein und ihr Schwert auf die Bank, auf der sie vorhin noch gesessen hatten und nahm sie in den Arm. Er entschuldigte sich für die Taktlosigkeit. Paracelsa allerdings erstarrte. Sie wusste nicht, ob sie ihn auch einfach umarmen konnte oder sich lieber von ihm lösen sollte. Doch noch während sie innerlich um die für sie richtige Entscheidung rang, schlossen sich auch schon ihre Arme um Ronans Taille. Er redete ruhig auf sie ein und strich ihr immer wieder über den Rücken. Und endlich fing Paracelsa an sich zu entspannen. Erinnerungen aus ihrer Kindheit im Birkental kamen ihr wieder in den Sinn, Erinnerungen an ihre Mutter und ihren Vater. Denn zuletzt war sie von ihnen so in den Arm genommen worden.

Am liebsten hätte sie Ronans Umarmung noch länger genossen. Doch sie löste sich schließlich von ihm und blickte ernst drein. Es war höchste Zeit, dass sie lernte zu kämpfen. Ronan sah sie zwar besorgt an, willigte aber sofort ein. Er zeigte ihr die richtige Haltung und wie sie mit Dolchen und Kurzschwertern gute Hiebe ausführte. Für Paracelsa waren das fiele Informationen. Die Müdigkeit hinderte sie daran, alles auf Anhieb richtig zu verstehen. Doch Ronan war geduldig mit ihr, noch zumindest. Sie gingen immer wieder die gleichen Bewegungen durch, bis Paracelsa alles sicher beherrschte.

Der Morgen graute, als beide erschöpft wieder auf der Bank saßen. Paracelsa wollte nur noch schlafen. Ihr fielen fast die Augen zu. Ronan klopfte ihr auf die Schulter, nahm seine Waffen wieder an sich und ging zu seinem Wagen. Auf dem Weg dorthin meinte er noch, dass es jetzt Zeit wäre, dass sie sich eine eigene Waffe besorgte. Paracelsa löschte derweil das Feuer. Sie stand etwas unschlüssig neben den Überresten als Ronan wieder nach draußen trat, aber direkt zu Anas Wagen ging, um laut an die Tür zu klopfen. Zur Sicherheit rief er noch nach ihr. Verschlafen trat diese schließlich zu ihnen. Paracelsa brachte ihr ein schüchternes „Guten Morgen“ entgegen, während Ronan unvermittelt nach einem von Anas belebenden Tränken verlangte. Ana wiederum schickte Paracelsa ins Bett und herrschte Ronan an, dass dieser erst einmal alle anderen wecken sollte. So früh am Morgen war mit Ana nicht zu spaßen. Ronan tat deshalb auch gleich wie ihm geheißen.

Paracelsa hörte, wie die Pferde angeschirrt wurden und das Lager wieder abgebaut wurde. Gerd gab lauthals Anweisungen und auch Ronan glaubte sie zu hören. Auch, wenn sie die Augen vorhin kaum noch offen halten konnte, hatte sie jetzt Schwierigkeiten einzuschlafen. Ana brüllte etwas, eines der Pferde wieherte. Alles war so lebhaft. Paracelsa drehte sich auf den Rücken und blickte zur Decke. Bevor sie einschlief, hörte sie noch einmal, wie Ana und Gerd etwas brüllten.

Ein paar Tage später kamen sie in ein Tal, das ihr vage vertraut vorkam. Interessiert blickte sie sich um, in der Hoffnung ihr würde endlich einfallen, wo sie waren. Ana, die neben ihr auf dem Kutschbock saß, freute sich darüber, dass Paracelsa langsam auftaute und sich endlich für die Orte interessierte, die sie bereisten. Doch Paracelsa erklärte ihr, dass sie diese Gegend zu kennen glaubte. Daraufhin kam sie mit Ana ins Gespräch. Ana schien jede größere Stadt des Kontinents zu kennen. Sie hatte ein umfangreiches wissen über Geografie. Als sie Paracelsa beschrieb, wo sie sich gerade befanden, fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: Das Birkental war weniger als einen Tagesritt von hier entfernt. Sie war schon einmal mit ihrem Vater hier gewesen. Sie griff an ihren Hals, um den sie das Tuch, das sie vor so vielen Jahren von ihm bekommen hatte, trug. Doch dann blickte Paracelsa wieder zu Ana und begann zu erzählen, wie sie mit ihrem Vater die umliegenden Städte bereist hatte. Ana hörte ihr erfreut zu und erzählte dann wiederum, was sie in dieser Gegend alles erlebt hatte.

Während sie ihren Weg fortsetzten, erkannte Paracelsa immer mehr wieder. Und als sie ihren Blick so schweifen ließ, bemerkte sie in der Ferne jemanden. Sie konnte nicht sagen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte. Die Person war groß und schlank, trug Hosen und hatte lange Haare. Paracelsa war fasziniert von dieser Silhouette und brannte darauf diese Person endlich aus der Nähe betrachten zu können.

Auf ihrem Weg kamen ihnen jetzt immer mehr Menschen und Halblinge entgegen – sie näherten sich einer Stadt. Paracelsa hörte wie sich eine Gruppe Menschen, an denen sie vorbei fuhren, abfällig über „Langohren“ unterhielten. Dabei hatte sie hier gar keine Hasen gesehen...

Endlich kamen sie dieser Person so nahe, dass Paracelsa mehr von ihr erkennen konnte: Ein Teil der Haare, die so hell waren wie die von Paracelsa, war am Hinterkopf zusammengebunden, ein weites Hemd verbarg die genaue Statur. Die dunklen Hosen steckten in kniehohen Stiefeln. Und dann drehte sich die Person schließlich zu ihnen um. Paracelsa sah sehr überrascht drein, Ana dagegen wandte den Blick nicht von der Straße ab. Der Elf, den sie jetzt passierten, sah freundlich zu Paracelsa. Er nickte ihr sogar zu, was Paracelsa sehr verwunderte und sie erröteten ließ. Schnell sah sie deshalb zu ihren Fußen.

Als eine Stadt in Sichtweite kam, meinte Ana schließlich, dass bei Elfen Vorsicht geboten war. Denn auch, wenn sie immer freundlich schienen, waren sie doch herablassend zu all jenen, die nicht zu ihresgleichen gehörten. Sovara, der Elf, der zu ihrer Truppe gehörte, bildete da keine Ausnahme. Doch er war geschickt und sorgte für Aufmerksamkeit. Es war eine Zweckverbindung, das wussten sie alle. Doch Paracelsa wollte nicht so recht glauben, dass alle Elfen so wären, wie Ana ihr beschrieben hatte. Sie hatte schließlich einen Elf kennengelernt, der gut mit ihrem Vater befreundet war. Und auch, wenn sie sich nicht mehr an den Namen erinnern konnte, hätte sie ihn doch detailliert beschreiben können. Zudem hatte ihr Vater mit dem höchsten Respekt von ihm gesprochen. Von Anfeindungen oder Missgunst war keine Spur.

Paracelsa dachte noch lange über Anas Worte nach. Denn sie hatte das Gefühl, dass sie schon recht bald wieder Kontakt zu diesem Elf haben würde...



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