Zum Inhalt der Seite

Piltover's Finest

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Als Caitlyn Kiramman die Augen aufschlug, wurde sie geblendet. Ihre erste, unbewusste Reaktion war es, sich die Decke über den Kopf zu ziehen und die Augen zusammenkneifen, bis ihr Denken endlich einsetzte. “Schnee!”, schrie sie begeistert und schlug die Decke von sich. Gänsehaut machte sich auf ihren Armen breit, als sie ihre nackten Füße auf den kalten, glatten Marmorboden stellte. Das unangenehme Gefühl wurde allerdings von der Vorfreude verdrängt, die wie eine Flamme in ihr aufloderte.
 

Caitlyn liebte Schnee und alles, was damit zu tun hatte. In den elf Jahren ihres Lebens verband sie den Winter und die weiße Decke aus Schnee, welche sich stets über Piltover legte, mit einer besonderen Magie, die mit nichts auf der Welt zu vergleichen war. Die Stadt des Fortschritts schien unter dem Schneezauber endlich zur Ruhe zu kommen und die Menschen beschäftigten sich nicht mehr nur mit ihrem eigenen Wohlstand, sondern auch damit, Geschenke zu kaufen und anderen eine Freude zu machen.
 

“Ah, Caitlyn, du bist schon wach”, hörte sie ihre Mutter sagen, die nun im Türrahmen stand. Ihre strahlend blauen Augen sahen müde aus und ihre Schultern sprachen von langen Nächten und Diskussionen im Rat. Als ihre kleine Tochter jedoch auf sie zusprang, bekamen ihre Züge etwas weiches und die sonst so verkrampfte Haltung lockerte sich.
 

“Mutter, können wir heute rausgehen?”, fragte Caitlyn und zeigte in Richtung ihres Fensters, “Ich möchte einen Schneemann bauen! Und Weihnachtskekse backen!” Cassandra Kiramman seufzte. “Ich kann leider nicht, Liebes. Aber frag doch Jace. Soweit ich weiß wollte er eh einige Besorgungen für seine Forschungen machen.” Caitlyn hatte bereits früh gelernt, ihre Enttäuschung über die Absagen ihrer Mutter zu verbergen, sodass sie das nagende Gefühl beiseite schob und ihrer Mutter ein überschwängliches Lächeln schenkte. “Ja, Mutter.”
 

“Und zieh dich bitte an, du erkältest dich sonst noch”, befahl Cassandra, ehe sie sich von ihrer Tochter abwandte und den langen Korridor hinunter zu ihrem Schlafzimmer schritt. Vermutlich, um ein oder zwei Stunden wertvollen Schlaf nachzuholen, ehe sie sich erneut um die Angelegenheiten des Rates kümmerte. “Ja, Mutter”, sagte Caitlyn, nickte und verschwand blitzschnell in ihrem Zimmer, um sich anzuziehen. Fünf Minuten später war sie schon auf dem Weg zu Jayces Labor im Herzen Piltovers.
 

Die Straßen der Stadt des Fortschritts waren bereits in einen festlichen Glanz gehüllt. Überall hingen Lichterketten zwischen den hohen Häuserwänden und hier und da konnte Caitlyn kleine mechanische Weihnachtsmänner entdecken, die mit ihren Miniatursäcken über der Schulter auf Fensterbrettern entlang marschierten.
 

Das Denkmal des Fortschritts war ebenfalls in ein Lichtspektakel gehüllt, bei dem die große Kugel in der Mitte des Denkmals mit abertausenden kleiner Lichtpunkte geschmückt war, die sich durch die rotierenden Platten auf der Oberfläche der Kugel zu immer neuen Mustern anordneten. Mal zeigten sie die Wappen der angesehensten Handelshäuser und Ratsmitglieder, mal verwandelten sich die Lichtpunkte in dreidimensionale Abbilder bahnbrechender Erfindungen. Caitlyn erkannte beispielsweise die Sonnentore, die den Handelsfluss regelten oder die große Seilbahn von Cantexta, die zur Warenbeförderung im Hafen verwendet wurde.
 

Das absolute Highlight der weihnachtlichen Dekoration waren aber eindeutig die Geschäfte. Jedes Jahr schienen die Ladenbesitzer einen unausgesprochenen Wettbewerb auszufechten, wer die spektakulärste Weihnachtsdekoration präsentieren konnte.
 

In Hickorys Weinhandlung flogen kleine Rentierschlitten durch den Laden und boten den anwesenden Kunden Gratisproben der aktuellen Angebote an, während daneben bei Gallands Abendmode Zauberkleider ausgestellt waren, die bei der ersten Berührung mit Schnee warme Mäntel um die Tragenden bildeten.
 

Für viele Kinder war Bens Spielzeugladen das absolute Highlight, weil sich der Boden in eine Eisfläche verwandelte, auf der die begeisterten Kinder Schlittschuh laufend durch den Laden jagen konnten, um sich ihr Weihnachtsgeschenk auszusuchen. Doch für Caitlyn gab es etwas noch besseres als Eisflächen und Spielzeug. Mit leuchtenden Augen blieb sie vor der Konditorei “Piltover’s Finest” stehen.
 

In deren Schaufenster rieselte langsam ein Regen aus holografischem Schnee herunter, während sich in der Auslage eine ganze Reihe an besonderen Köstlichkeiten präsentierte. Neben kunstvoll verzierten Lebkuchenhäusern, aus denen mechanische Lebkuchenmännchen winkten, hingen golden-silberne Zuckerstangen und kandierte Äpfel an tannengrünen Haken. Daneben waren auf einzelnen Podesten mindestens fünfzig verschiedene Keks- und Makronen-Sorten ausgestellt, wovon eine köstlicher aussah als die andere.
 

Der wahre Schatz befand sich nach Caitlyns Meinung aber ganz rechts in der Ecke des Schaufensters. Dort hingen, beinahe unscheinbar, zuckrig süße Baumkuchen-Locken von einer silbernen Stange, an deren Ende links und rechts ein Schneemann seinen Zylinder zum Gruß hob. Caitlyn liebte Baumkuchen mehr als alles andere. Vor allem dann, wenn er noch warm war. Leider konnten weder ihre Mutter noch ihr Vater oder gar Jayce ihre Liebe zu Zucker und Zimt aus Hefeteig verstehen, weswegen sie nur selten in den Genuss dieser Leckerei kam, wenn die Familie Gebäck kaufte.
 

Während Caitlyn verträumt auf die Baumkuchen-Locken starrte und ihr das Wasser allein beim Gedanken an den weichen Teig im Mund zusammenlief, nahm sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr. Eine kleine Hand lugte hinter den Zuckerstangen hervor und fischte sie mit beeindruckender Fingerfertigkeit vom Haken. Kurz darauf erschien eine weitere Hand und zog an einer Baumkuchen-Locke, die sich langsam von der Stange löste.
 

Interessiert beobachtete Caitlyn, wie Stück für Stück einige Köstlichkeiten aus dem Schaufenster verschwanden, ehe die Tür aufging und sich zwei Kinder in geduckter Haltung aus dem Laden schlichen. Wobei die Bezeichnung “Kind” vielleicht nicht auf beide zutraf. Das kleine Mädchen mit den blauen, struppigen Haaren, das die Hände fest um die Zuckerstange und einige Schokoladenkekse geschlossen hatte, war definitiv noch ein Kind. Ihr Körper war schmächtig und sie bestand nur aus Haut und Knochen. Caitlyn schätzte sie etwas jünger als sie selbst.
 

Das andere, wesentlich größere Mädchen war definitiv älter als sie. Ihre breiten, muskulösen Schultern zeugten von körperlicher Arbeit, während die feinen Narben an Armen und Beinen von unschönen Begegnungen sprachen. Sie trug ihre pinken Haare kurz und an den Seiten bis auf wenige Stoppeln abrasiert. Beide trugen verdreckte und abgetragene Kleidung mit vielen Taschen, die jetzt mit allerlei Leckereien gefüllt waren.
 

Das Diebesduo schaute Caitlyn fragend an, als ob sie darauf warteten, ob Caitlyn die Wachen rufen oder einen Teil ihrer Beute einfordern würde. Doch Caitlyn stand nur da, überfordert mit der Situation, während ihre Augen immer wieder zwischen dem blau-pinken Duo und den gestohlenen Süßigkeiten wechselten. Ehe sie sich berappeln/entscheiden konnte, waren die beiden Mädchen bereits losgelaufen und hinter der nächsten Ecke verschwunden.
 

Erst jetzt setzte sich auch Caitlyns Bewegungsapparat wieder in Gang und sie fand ihre Stimme wieder. “Hey, das dürft ihr nicht”, war das Einzige, was der jungen Adeligen in dem Moment einfiel, als sie den beiden Dieben hinterher rannte. Weit kam sie aber nicht. Gerade, als sie um die Ecke biegen wollte, hielt sie jemand an der Schulter fest.
 

“Wo willst du denn so schnell hin, kleine Caitlyn?”, fragte eine bekannte, warme Stimme. Caitlyn widerstand dem Drang sich loszureißen und den beiden Mädchen nachzulaufen - das würde ihre Mutter nicht gutheißen. Stattdessen holte sie einmal tief Luft und wandte sich dann zu dem jungen Mann um.
 

“Eigentlich wollte ich zu dir, Jayce”, antwortete Caitlyn. Zwar gehörte der junge Erfinder zu ihren engsten Freunden, ihm von den beiden Dieben zu erzählen, wäre aber vermutlich trotzdem keine gute Idee. Vermutlich würde er sofort die Wachen rufen - und aus irgendeinem Grund sträubte sich Caityln gegen Maßnahme. “Du weißt aber schon, dass mein Studierzimmer in der anderen Richtung liegt, oder?”, fragte Jayce misstrauisch und schaute über ihren Kopf hinweg in die Gasse.
 

Anscheinend fand er dort nichts von Interesse, weswegen er sich wieder ihr zuwandte und den Kopf schüttelte. “Wie dem auch sei, was möchtest du von mir?” Sich auf einmal ihres albernen Anliegens bewusst werdend, errötete Caitlyn vor Scham und blickte zu Boden. “Backst du mit mir Kekse?”, brachte sie schlussendlich nuschelnd heraus, worauf Jayce lachen musste.
 

“Ist es Madame peinlich zu fragen?”, stichelte er spielerisch und legte ihr dann brüderlich eine Hand auf den Kopf, während er ihren Blick einfing. Die honigfarbenen Augen strahlten eine Wärme aus, die Caitlyn immer wieder ein heimeliges Gefühl im Magen verpasste, dass sie manchmal bei ihren Eltern vermisste, wenn sie mit ihr sprachen. Sie verdrängte den Gedanken und konzentrierte sich wieder auf Jace.
 

“Nein. Aber ich dachte vielleicht, du hättest zu viel zu tun. Oder bist du immer noch keinen Schritt weiter in deinem Weihnachts-Projekt für die Akademie?”, stichelte sie zurück und sah mit einer gewissen Zufriedenheit, dass Jayce die Lippen zu einem schmalen Strich zusammenpresste. Anscheinend hatte sie einen wunden Punkt getroffen. Der angehende Wissenschaftler beschäftigte sich lieber mit seinen eigenen Projekten als den gestellten Aufgaben der Akademie.
 

“Los komm, ich muss eh noch was in der Unterstadt abholen. Auf dem Rückweg holen wir alles was wir für die Kekse benötigen. Wenn du willst kaufen wir auch alles für einen Baumkuchen ein”, unterbreitete Jace ihr ein Friedensangebot und bot ihr wie ein echter Piltover-Gentleman seinen Arm an, den Caitlyn spielerisch ergriff: ”Deal!”
 

Caitlyn hatte fast vergessen, was für ein trostloser und dunkler Ort die Unterstadt war. Auch, wenn sie an Jayces Seite keine Angst hatte, so fühlte sie sich unwohl und mulmig, als sie an den abgemagerten und zitternden Gestalten vorbei liefen, die am Straßenrand um Kleingeld bettelten oder ihre Waren feilboten. Im Gegensatz zur Oberstadt gab es hier keine Weihnachtsbeleuchtung oder gar festliche Dekorationen. Alles war genau so düster wie immer - daran konnte auch nichts der Schnee ändern.
 

Eng an Jayce gedrückt, der anscheinend kein Problem mit der bedrückenden Atmosphäre hatte, wandten sie sich durch einige verschlungene Gassen, bis sie irgendwann an einem heruntergekommenen Laden hielten. “Ich bin gleich wieder da Caitlyn, warte am besten draußen”, sagte Jayce, ehe er im Laden verschwand. Warum sie jedes Mal draußen warten sollte, wusste sie nicht, befolgte die Anweisung ihres Ersatzbruders aber kommentarlos.
 

Während der vermutlich im Geschäft um irgendwelche Kuriositäten feilschte, trat Caitlyn unruhig von einem Fuß auf den anderen, bis sie leise Stimmen hören konnte. Vorsichtig lugte sie um die Ecke des Ladens, hinter der ein Junge mit weißen, lockigen Haaren eines der Mädchen von vorhin tröstete. Es war die Kleinere von beiden. Aus ihren großen Augen kullerten Tränen, während der Junge Caitlyn den Rücken zugewandt hatte und die Weinende tröstete.
 

Als Caitlyn zwischen den beiden die zerbrochene und verschmutzte Zuckerstange erkannte, konnte sie auch erahnen, was passiert sein musste. Jayce hatte ihr bereits mehrmals erzählt, dass ein regelmäßiges Essen oder gar Süßigkeiten in der verarmten Unterstadt keine Selbstverständlichkeit waren und es immer wieder zu Kämpfen darum kam. Die Elfjährige fragte sich, wo das pinkhaarige Mädchen von vorhin abgeblieben war.
 

Bevor die beiden Kinder sie entdecken konnten, verschwand Caitlyn wieder um die Ecke. Das weinende Mädchen hatte ihre Stimmung und die Vorfreude auf das Keksebacken getrübt. Unschlüssig, was sie mit sich anfangen oder ob sie nochmal einen Blick um die Ecke riskieren sollte, trat sie unruhig auf der Stelle, bis Jayce wieder den Laden verließ. Er hatte zwei Kisten mit allerlei Zahnrädern und eigenartigen Kristallen im Arm.
 

“Entschuldige, es hat etwas gedauert”, sagte der junge Mann und drückte Caitlyn eine der beiden Kisten in den Arm. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zu Jayces Studentenwohnung. Der angehende Wissenschaftler war bereits tief in Gedanken versunken, sodass Caitlyn darauf wettete, dass er seine früheren Versprechen vollkommen vergessen hatte. Als sie den Lebensmittelladen in der Oberstadt passierten, erinnerte sie ihn aber auch nicht mehr daran. Der Gedanke an das weinende Mädchen hatte ihr die Lust auf Kekse fürs Erste genommen.
 

Über den Nachmittag hinweg half sie Jayce bei seinem Versuchsaufbau, hörte sich seine Theorien an, die sie nicht verstand und ließ sich einfach berieseln. Es war bereits kurz nach sechs und dunkel draußen, als Jayce sich auf einmal mit großen Augen zu Caitlyn umdrehte, die auf Jayces Drehstuhl Runde um Runde im Kreis drehte: ”Deine Kekse! Caitlyn, warum hast du nichts gesagt!” “Habe ich vergessen”, log sie und zuckte mit den Schultern. Insgeheim freute es sie, dass sie die Schuldgefühle in Jayces Mimik deutlich herauslesen konnte. Der kramte in seiner Tasche und holte einige Goldmünzen hervor. “Dann lass mich dir wenigstens ein paar Leckereien in der Konditorei bezahlen.”
 

Caitlyn glitt vom Stuhl, nahm die Münzen dankend an und verstaute sie in ihrer Tasche. “Danke. Ich muss jetzt nach Hause. Mutter erwartet mich zum Abendessen.” Erst jetzt schaute Jayce auf die Uhr. “Oh, ja natürlich! Soll ich dich begleiten?”, fragte er und sprang ebenfalls auf, setzte sich aber direkt wieder hin, als sie den Kopf schüttelte. “Ich kann auf mich aufpassen. Außerdem ist es noch nicht so spät.” Das Lächeln, das Jayce ihr daraufhin schenkte, erfüllte sie mit Stolz. Sie ließ sich von ihm in eine Umarmung ziehen. “Natürlich kannst du das. Ich verspreche dir, dass wir spätestens nach meiner Prüfung Kekse zusammen backen. Und bis dahin kannst du in aller Ruhe Baumkuchen essen ohne mein Gemecker über Zimt zu ertragen.”
 

Auf dem Rückweg nach Hause hatten der Schnee und die weihnachtliche Dekoration etwas von ihrer Magie verloren. Hinter Caitlyns Augenlidern hatte sich das verweinte Gesicht des kleinen Mädchens eingebrannt und begleitete sie durch die Stadt. Kein Kind sollte während der Weihnachtszeit so traurig sein, dachte sie, ehe sie wieder vor ihrer Lieblingskonditorei stand. Sie wischte die dunklen Gedanken weg und betrat das helle und warme Geschäft.
 

“Sieh zu, dass du dich rausscherst, bevor ich die Wachen rufe! Du kannst dir hier eh nichts kaufen und vergraulst unsere Kunden!”, schrie eine Stimme und Caitlyn zuckte unweigerlich zusammen. Es dauerte einige Wimpernschläge ehe sie erkannte, dass die Drohung nicht ihr, sondern einem bekannten grellpinken Schopf mit rasierten Seiten galt. (seufz) Die Diebin von heute Morgen war zurückgekehrt. Bisher schien ihre Tat nicht entdeckt worden zu sein, doch dieses Mal hatte sie anscheinend weniger Glück bei ihrem Beutezug.
 

Wie um sich zu schützen zog der Teenager die Schultern hoch und versenkte die Hände in den Taschen ihrer zerrissenen und dreckigen Hose. Ihr Blick war hasserfüllt, doch Caitlyn meinte, darunter noch etwas wie Verzweiflung und Trauer zu erkennen. Sie hatte anscheinend bei den Zuckerstangen herumgelungert. Die Gelegenheit für einen weiteren Beutezug schien sich ihr aber nicht mehr zu bieten und so trollte sie sich aus dem Geschäft, ehe die Verkäuferin wirklich auf die Idee kam, die Vollstrecker zu rufen.
 

Auf dem Weg hinaus trafen sich ihre Blicke und Caitlyn konnte sehen, dass der Teenager sie erkannte. Sie meinte auch ein geflüstertes “Bitte” aus dem Mund der Verjagten zu hören. Doch der Moment war so schnell verflogen, wie er gekommen war, weswegen sie nicht mit Sicherheit sagen konnte, ob sie sich die Stimme nur eingebildet hatte.
 

Kaum war die Tür ins Schloss gefallen, wandte sich die erboste Verkäuferin Caitlyn zu. Ein Blick auf das Familienwappen der Kiramman an ihrer Jacke und ihre Mimik glättete sich. “Junge Dame, ich entschuldige mich für den kleinen Zwischenfall, was kann ich Ihnen Gutes tun? Vielleicht wieder ein wenig Baumkuchen? Ich weiß doch, wie sehr Sie den mögen”, brabbelte sie und fing an, Caitlyn durch den Laden zu ziehen, um ihr die Backwaren anzubieten.
 

“Bitte seien Sie so freundlich und packen Sie mir drei Baumkuchen-Locken und eine von den Zuckerstangen ein”, bat Caitlyn in ihrer höflichsten Stimme und mit ihrem überzeugendsten Lächeln die Verkäuferin. Während die Angestellte bereits drei Locken des Baumkuchens verpackte, fiel Caitlyn ein Tablett mit kunstvoll verzierten Törtchen ins Auge. Sie waren allem Anschein nach mit Apfelkompott gefüllt und hatten Häubchen aus Buttercreme oben drauf.
 

Die Frau folgte dem Blick der Elfjährigen und hob eines der Törtchen vom Tablett. “Ich möchte Ihnen gerne noch ein Törtchen schenken, das sind unsere Verkaufsschlager. Bitte richten Sie Ihrer Mutter meine Grüße aus”, erklärte sie und packte das Törtchen in eine kleine Pappschachtel.
 

Als Caitlyn vollgepackt mit Süßwaren wieder die Straße betrat, brauchte sie einen Moment um das pinkhaarige Mädchen zu finden. Der Teenager hatte sich geschickt zwischen zwei Hauseingängen positioniert und die Arme vor dem Körper verschränkt. Gleichermaßen neugierig und aufmerksam verfolgte sie, wie Caitlyn langsam zu ihr hinüber ging und ihr die Zuckerstange hinhielt.
 

“Pass dieses mal gut darauf auf, damit sie nicht nochmal kaputt geht”, riet Caitlyn ihr, worauf das Unterstadt-Mädchen lediglich einen Mundwinkel nach oben zog, die Zuckerstange aber an sich nahm. “Ich richte es Powder aus”, sagte sie knapp und wandte sich bereits zum Gehen. “Warte!”, Caitlyn hatte nicht damit gerechnet, dass ihr Gegenüber einfach ohne jeglichen Dank oder ein weiteres Gespräch gehen würde. Immerhin blieb die Pinkhaarige stehen und drehte sich um. “Was ist? Ich hab nicht den ganzen Tag z-”, begann sie, ehe Caitlyn das Törtchen aus dem Karton gezogen und ihr hingehalten hatte.
 

Misstrauisch beäugte die Ältere das Gebäck. “Piltover’s Finest neueste Kreation. Ich glaube sie nennen sie Weihnachts-Cupcakes”, erläuterte Caitlyn und wackelte mit dem Törtchen vor der Nase ihres Gegenübers herum. “Für dich”, erklärte sie, leicht genervt, als noch immer keine Reaktion kam. Zu dem Misstrauen in den silbernen Augen mischte sich Überraschung. “Warum?”, fragte sie baff, ehe sie das Törtchen annahm und es genauer beäugte.
 

“Es ist bald Weihnachten. Niemand sollte gerade traurig oder hungrig sein”, erklärte Caitlyn schlichtweg, was dem Teenager ein kurzes, aber herzliches Lachen entlockte. “Ehrlich, lernt ihr solchen Schwachsinn in der Schule?”, witzelte die Andere, während sie versuchte, die Rührung in ihrer Stimme zu verstecken. Ehe Caitlyn reagieren konnte, hatte sie mit dem Finger etwas Buttercreme vom Törtchen gelupft und es der Elfjährigen auf die Nase geschmiert.
 

“Danke, Cupcake”, sagte sie schließlich, biss herzhaft und mit echter Freude in den harten Zügen in das Gebäck und wandte sich erneut zum Gehen. Noch während Caitlyn sich den Zucker von der Nase wischte und zu protestieren begonnen hatte, war die Pinkhaarige schon längst verschwunden.
 

Caitlyn sah sie den Rest des Jahres nicht mehr wieder und auch von ihrer jüngeren Begleiterin fehlte jede Spur. Allerdings fand sie eines Tages eine kleine Schachtel mit Baumkuchen auf ihrem Fenstersims, die mit einer blauen und einer rosanen Schleife verpackt war. Es war das beste Gebäck, was Caitlyn Kiramman dieses Weihnachten essen würde.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück