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Sherlock Hooves - Die schrumpfende Speisekammer

von

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Der Auftrag

Wenn ich an die Jahre denke, die ich bisher zusammen mit meinem Freund und Mitbewohner Sherlock Hooves verbracht habe, und sie mit den Jahren zuvor vergleiche, so habe ich wahrlich keine bessere Zeit in meinem gesamten Leben zu verzeichnen. Einem so derartig brillanten Pony, mit einem Wissensstand, mit welchem er so manchem Professoren-Pony locker das Wasser reichen konnte, mit einer Auffassungsgabe, welcher nicht das kleinste Detail entgehen konnte, würde ich in meinem gesamten Leben kein zweites Mal begegnen können. Dessen war ich mir seit unserem ersten, recht kurzen Gespräch vor vielen Jahren bewusst.

Auch unsere gemeinsamen Fälle machten mir diesen Umstand immer wieder bewusst. Egal, ob es ein Fall mit höchster nationaler Bedeutung war oder ein kleiner Hilferuf aus der Nachbarschaft, solange Sherlock Hooves seinen hohen Verstand in Bewegung halten konnte, war ihm alles recht. Mir war es noch mehr recht, solange es bedeutete, mein Freund wäre von seinem täglichen Gedankensport insofern davon abgelenkt, um seinem stetigen Kautabak-Konsum nachzugehen.

Der zweite Grund, weshalb ich mich auf die vielen verschiedenen Fälle freute, war die Tatsache, dass ich immer wieder ein Zeuge des unglaublichen Talents von Sherlock Hooves werden konnte., Und mir als seinem bescheidenen, leider nicht so begabtem Mitbewohner bleibt nur noch die Ehre des Erzählers, die Möglichkeit, all unsere Abenteuer schriftlich für die Ewigkeit festzuhalten. Was ich ein jedes Mal auch mit großer Freude tat. Zumal es sonst auch nie zu der Erzählung gekommen wäre, die ich dem treuen Leser nun präsentieren möchte …

 

Es begann an einem üblichen Tag in der Booker Street 221b, es war ein angenehmer Frühlingsmorgen im April. Die Sonne schickte uns ihre gütigen, warmen Strahlen, mit welcher sie bereits das Klima und die Herzen der Ponys erwärmt hatte. Die Vögel waren längst wieder aus dem Süden zurückgekehrt und erfreuten uns mit ihrem schönen, melodischen Gesang. Auch an jenem Morgen, welcher der Beginn eines weiteren aufregenden Abenteuers bilden sollte, konnte ich das zarte Zwitschern mehrerer Meisen vernehmen.

Da ich mich von einigen sehr arbeitsreichen Stunden in meiner Hauspraxis mithilfe eines hart erarbeiteten Urlaubs erholte, ließ ich mich nicht wie üblich von meinem Wecker aus dem Schlaf reißen. Sondern gönnte meinem beanspruchtem Körper die nötige Ruhe, die er brauchte, um nicht an der bedrohlichen Schwächlichkeit zu erkranken, wie sie schon bereits gleichaltrige Kollegen von mir befallen hatte. 

 

Der Schlaf hatte mir gutgetan und so schlüpfte ich in einer Leichtigkeit aus meinem Bett in meinen Morgenmantel hinein, wie ich sie seit Wochen nicht mehr erlebt hatte. Erleichtert streckte ich meine Hufe in alle Richtungen, um auch den letzten Rest an Müdigkeit aus meinem Körper zu vertreiben.

Anschließend verließ ich den Raum und betrat die Stube, wo ich auf meinen guten Freund Sherlock Hooves traf, im Ohrensessel sitzend, ebenfalls im Morgenmantel gekleidet.

„Guten Morgen, mein lieber John!“, sagte er schwungvoll und stellte seine Tasse vor sich auf einen kleinen Holztisch ab.

„Ich hoffe doch, du hast einen erholsamen Schlaf gehabt, nachdem du dich gestern sehr müde in dein Zimmer verabschiedet hattest.“

„Ebenfalls guten Morgen, nach deinem Schlaf frage ich lieber nicht, die Antwort kenne ich mit Sicherheit schon. Mein Schlaf jedenfalls war sehr erholsam, vielen Dank der Nachfrage“, sagte ich und rieb mir den letzten Sand aus den Augenwinkeln. Sherlock begann amüsiert zu lachen.

„Dein noch müde wirkender Blick spricht allerdings eine andere Sprache“, amüsierte sich Sherlock und schlug die Zeitung auf.

„Aber keine Angst, spätestens wenn du von Mrs. Neighsons köstlichem Frühstück probiert hast, werden all deine Lebensgeister im Nu wieder zu alten Kräften zurückfinden. Tue es am besten gleich, sie hat sich sehr viel Mühe gegeben, und du willst doch nicht, dass es kalt wird?“

„Natürlich nicht“, entgegnete ich, rückte meinen Morgenmantel zurecht und setzte mich zu meinen Freund an den angerichteten Tisch. Pancakes, Muffins, Spiegeleier, Toast und Baked Beans; unsere liebe Mrs. Neighson hatte wirklich an alles gedacht. Um in den vollen Genuss zu kommen, nahm ich mir von allem eine Portion und goss mir eine Tasse warmen Kaffee ein.

Tatsächlich hatte Sherlock wieder einmal Recht behalten. Kaum hatte ich ein wenig von meinem Frühstück zu mir genommen, fühlte ich mich augenblicklich besser, erholter.

„Mrs. Neighson hat sich wieder einmal selbst übertroffen“, lobte ich sie, bevor ich mein Mahl fortsetzte.

„Das solltest du ihr auf jeden Fall persönlich mitteilen, John, da wird sie sich sehr darüber freuen“, argumentierte er lächelnd und widmete sich kaffeetrinkend dem nächsten Zeitungsartikel. Neugierig versuchte ich einen Blick zu erhaschen, doch da Sherlock mir genau gegenübersaß, konnte ich nicht über den Rand der Zeitung sehen.

„Steht denn heute etwas Interessantes in der Zeitung?“, versuchte ich nun verbal meine Neugier zu stillen. Sherlocks Blick sah nun mich an.

„Nein, da muss ich dich leider enttäuschen, auch heute enthält die Zeitung nichts an Relevanz“, antwortete Sherlock und ich wusste sofort, dass er sich damit auf einen potenziellen neuen Fall bezog, den er in der Zeitung zu finden erhofft hatte.

„Aber es ist hin und wieder interessant zu beobachten, womit mein Bruder sich gerne die alltägliche Zeit vertreibt. Um ehrlich zu sein, hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass er sich so lange mit dieser Sache aus Saddle Arabia aufhalten würde, normalerweise ist er da viel schneller …“

Er unterbrach sich selbst und sah hinüber zur Tür. Mein Blick folgte dem seinen.

„Doch davon erzähle ich dir ein anderes Mal, jetzt ist nicht die richtige Zeit dafür. Außerdem werden wir Mrs. Neighson um eine dritte Tasse für unseren Klienten bitten müssen. Das verrät mir ihre Art, wie sie die Treppe hinaufgeht.“

Kaum hatte er das ausgesprochen, faltete er seine Zeitung zusammen und legte sie auf die Seite. Da öffnete sich die Tür und Mrs. Neighson trat herein, zusammen mit einem männlich, leicht unsicher wirkendem Pony.

 

„Vielen Dank, das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen, Mrs. Neighson“, bedankte sich der Client überschwänglich, als sie ihm Kaffee in eine Tasse goss und reichte.

„Das habe ich wirklich gebraucht, ich kam leider heute noch nicht dazu …“

„Es betrifft ihren Boss, nicht wahr?“, unterbrach ihn Sherlock mit dem gewohnten scharfen Blick in seinen Augen. Verwirrt sah der Client ihn an, auch das war die übliche Reaktion, sobald ein Pony mit der raschen Auffassungsgabe zum ersten Mal konfrontiert wurde.

„Ja, es ist absolut richtig, ich bin in einer sehr dringenden Angelegenheit zu Ihnen gereist, die meinen Vorgesetzten betreffen. Verzeihen Sie mir die Frage, aber woher wissen Sie das?“

Obwohl ich mit Sherlocks Deduktionen weitaus vertrauter war als unser Gast, blickte auch ich Sherlock an, gespannt auf seine Erklärung. Der Client stellte seine Tasse ab.

„Nun, wenn man sich die offensichtlichen Punkte ansieht und kombiniert, kommt man unweigerlich zu dem Schluss, zu welchem ich gekommen bin.“

Sherlock räusperte sich, schenkte sich erneute Kaffee und Milch hinein, rührte diese um.

„Nun, Sie sind, wie wir alle erkennen können, ein Hausangestellter eines reichen Privathändlers. An der Qualität des Stoffes kann man erkennten, dass es ein sehr reicher Vorgesetzter ist, der Ihnen eine sehr wichtige Position in seinem Haushalt beschaffen hat. Das ist keine Kleidung von der Stange, das ist maßgeschneidert. Die Naht, mit welchem ihr Kragen genäht wurde, verrät es mir, die bekommt man mit Maschinen nicht hin, nur mit Hufen oder Hörnern. Je nach Schneider.“

Der Client sah für einen kurzen Moment auf sein Hemd hinab, dann nickte er kräftig.

„Ja, ich bin sozusagen seine rechte Hand.“

„Nun, Sie und Ihr Vorgesetzter verstehen sich sehr gut, das ist auch wichtig bei Ihrer Position“, fuhr Sherlock fort.

„Um welche Angelegenheit es sich auch immer handelt, es ist etwas, was in irgendeiner Weise Ihren Vorgesetzten negativ beeinflusst, und um dieses Problem zu lösen, kamen Sie zu mir. Angesichts dessen, dass Sie in Ihrer Arbeitsuniform gekommen sind und keine Zeit für einen Kaffee hatten, bedeutet, dass Sie gleich den ersten Zug genommen haben. In manchen Zügen gibt es eine Versorgung durch ein gesondertes Essensabteil, Ihr Zug dagegen schien kein solches Abteil zu haben. Es gibt nicht mehr viele Züge, die um diese Uhrzeit fahren, ohne ein derartiges Abteil angehängt zu haben. Es kommt also nur ein kleines Dorf oder eine Grafschaft in Frage.“

Erstaunt sah der Klient ihn an, seinen Kaffee hatte er komplett vergessen, zumindest hatte er ihn nicht mehr angerührt, seit Sherlock mit seinen Deduktionen angefangen hatte.

„Sie kommen nun also mit dem ersten Zug aus einem kleinen Ort, weil dies der schnellste Weg nach Rondon ist. Es muss sich also um einen Fall mit äußerster Dringlichkeit handeln. Auf der anderen Seite sind Sie mit Ihrer Arbeitskleidung mehr als auffällig, mindestens in Ihrem Wohnort muss Sie jemand gesehen und erkannt haben, als Sie in den Zug gestiegen sind. Sie hätten hier in ziviler Kleidung auftreten können, sind Sie aber nicht.

Stattdessen tauchen Sie in Ihrer Arbeitsuniform auf, die repräsentiert, was Sie sind: Ein loyaler Mitarbeiter, der mit derartigen Dingen früh am Morgen oder spät am Abend vertraut wird, mit der Bitte um baldmöglichste Erledigung. Etwas Brisantes, jedoch nichts … delikates, was ein diskreteres Vorgehen benötigt hätte. Nun, mein lieber Herr, liege ich damit richtig?“

 

Eingeschüchtert sah der Klient Sherlock an, wie ein Reh, welches in Schockstarre verfallen war. Dass Sherlock ihn mit seiner Menge an Deduktion ja geradezu überrollt hatte, war allen im Raum bewusst, außer ihm selbst.

„Nun, ich denke, für den Anfang reicht es mit der Demonstration deiner geistigen Gaben“, mahnte ich Sherlock mit hochgezogenen Augenbrauen an und wandte mich dann dem Klienten zu.

„Stellen sie sich erst einmal vor, mein werter Herr, und dann hören wir uns Ihren Fall an.“

Der Klient erwiderte meinen Blick und lächelte dankbar. Dann nahm er seinen Hut in die Hufe und hielt ihn fest, als hinge sein Leben davon ab.

„Mein Name ist Fancy Starlight, und alles, was Sie bisher gesagt hatten, Mr. Hooves, war vollkommen richtig. Ich arbeite als Assistent im Haushalt von Sir Appledorn Hoofington von Kitzenstein. Wobei Assistent nicht das richtige Wort ist, ich bin viel mehr die rechte Hand meines Vorgesetzten, sowohl in seinem Haushalt, als auch in seiner Kleidermanufaktur. Er ist ein sehr berühmter Modedesigner, müssen Sie wissen. Er hat auch die Kleidung, die Sie an mir sehen können, entworfen und in der Manufaktur herstellen lassen, wie die Kleidung aller, die unter seinem Dach leben und arbeiten.“

„Ja, doch, der Name sagt mir etwas“, erwiderte ich, während unser Klient einen weiteren Schluck aus seiner Tasse nahm.

„Er ist bekannt für diverse Modelabels aus den unterschiedlichsten Preisklassen, vom einfachen Angestelltenpony auf dem Lande bis zum blaublütigen Adel hier in Rondon. Ein sehr erstaunliches Geschäftsmodell, das sich nur die wenigsten Unternehmer zutrauen.“

Fancy Starlight nickte sehr zustimmend in meine Richtung.

„Auch das ist richtig, die Manufaktur des Sir Hoofington von Kitzenstein hat ihren Erfolg und ihre Popularität der Tatsache zu verdanken, dass unser Vorgesetzter sich nicht davor scheut, immer wieder neue Kundenkreise erschließen zu wollen.“

Er stellte seine Tasse ab, offenbar hatte er sie mit seinem letzten Schluck geleert.

„Aber das nur als Information, denn wir Mr. Hooves bereits herausgefunden hat, ist die Angelegenheit, in welcher ich Sie aufsuche, zwar wichtig, allerdings nicht brisant. Mein Vorgesetzter würde nur zu gerne ein Ende in dieser Angelegenheit sehen und genau dafür wären wir auf Ihre Hilfe angewiesen, Mr. Hooves.“

Fancy Starlight sah zu Sherlock hinüber, ich folgte seinem Blick. Sherlock selbst saß konzentriert auf seinem Sessel, die Vorderbeide angewinkelt, mit den Ellenbogen stützte er sich an den Sessellehnen ab. Er sah beinahe so aus, als würde er wir üblich darüber nachdenken, jedoch nur beinahe.

„Wir sind ganz Ohr, Fancy Starlight“, sagte Sherlock, ohne seine Sitzposition zu ändern oder sich anderweitig zu bewegen.

„Um was für ein Anliegen handelt es sich genau, bei der Sie unsere Hilfe so dringend benötigen?“

 

Nervös nach Worten suchend rutschte Fancy Starlight auf dem Stuhl herum, er brauchte ein paar Sekunden, ehe er auf Sherlocks Nachricht antwortete.

„Nun, Mr. Hooves, es betrifft glücklicherweise nicht die Firma, es handelt sich um ein Problem rein privater Natur. Jedoch ist es so komplex, dass wir keinen anderen Rat mehr darauf wissen. Sie müssen wissen … ah, vielen Dank!“, sagte er höflich, als Mrs. Neighson neben ihm auftauchte und ihm eine weitere Tasse Kaffee einschenkte.

„Sie müssen wissen, wir sind insgesamt sieben Personen, die gemeinsam unter einem Dach leben. Da wäre der edler Herr Appledorn Hoofington von Kitzenstein, zusammen mit seiner Gattin Raspberry und ihren zwei gemeinsamen Fohlen, Apple Butter und Lucky Seed. Der Rest von uns sind Angestellte, da wäre die Köchin Golden Cupcake, die Haushälterin Astrantia und meine bescheidene Wenigkeit. Wir arbeiten und leben seit sehr vielen Jahren zusammen, bis auf ein paar unwichtige Kleinigkeiten gab es keine Probleme bei uns, nichts.

Doch seit mehreren Monaten geht etwas Seltsames bei uns vor. Es gibt keinen Grund zum Anlass, dass jemand von uns dahintersteckt, aber wir haben auch sonst keine Anhaltspunkte. Wir sind hilflos!“

Da nahm er seine Tasse, nahm einen großen Schluck und lächelte kurz sehr zufrieden.

 

„Um auf das Anliegen zu kommen, neben dem Haupthaus gibt es auf dem Grundstück noch ein kleines Lagerhaus, in diesem werden all unsere Vorräte aufbewahrt. Natürlich schützen wir unsere Nahrungsmittel mit einem Vorhängeschloss und das reicht aus. Zumindest dachten wir es bis vor einem halben Jahr.

Denn seit diesem Zeitpunkt bricht ein uns unbekanntes Pony in unser Vorratshäuschen ein und entwendet etwas daraus. Wir haben schon alles versucht, egal, wie oft mein Vorgesetzter das Schloss hat ersetzen lassen durch ein neues, der Dieb findet immer noch einen Weg hinein. Selbst das Wachpony, welches wir kurzzeitig beauftragt hatten, hat er täuschen können.

Lediglich auf den Einsatz eines Wachhunds müssen wir verzichten, da die Dame des Hauses seit ihrer Kindheit an einer starken Hundephobie leidet und allein beim bloßen Anblick eines Hundes in Ohnmacht fällt. Zwar konnten Spuren gefunden werden, es führte jedoch zu keinem Ergebnis, bedauerlicherweise.“

„Und daher möchten Sie nun mich mit der Lösung dieses Falls beauftragen?“, fragte Sherlock trocken. Den Grund dafür konnte ich mir bereits denken und schon tat mir das Pony, welches sich extra dafür auf den langen Weg gemacht hatte, leid.

„In der Tat, das möchten wir“, sagte Fancy Starlight und fing an seinen Hut zu kneten.

„Geld spielt für meinen Herren keine Rolle, er wird Sie für Ihre Dienste ausreichen bezahlen können, jeglicher Aufwand wird Ihnen entschädigt“, fügte er hinzu, bevor Sherlocks langsam schüttelnder Kopf ihn zum Schweigen brachte.

„Nun, so wie sich mir der Fall darlegt, handelt es sich wohl um eine einfache Diebstahlserie, mit welcher Sie bei der Polizei am besten aufgehoben sind. Ausgeführt von einem wohl etwas erfahreneren Dieb.“

Zwar klang Sherlock nach wie vor sehr freundlich, aber ich kannte ihn nun lange genug, um zu wissen, dass sein Interesse an Fancy Starlights Fall rapide abgenommen hatte.

„Und wenn Sie bereits mit der Polizei zu tun hatten, lassen Sie das nächste Mal jemand kompetenteren für Sie ermitteln, am besten jemand von einer höheren Rangstufe als die des letzten Ermittlers, mit dem Sie zu tun hatten.

Es wird nicht angenehm für Sie zu hören sein, aber Sie sind völlig umsonst hierhergefahren. Nun, nicht vollkommen, immerhin kamen Sie in den Genuss von Mrs. Neighsons herrlichen Kaffee. Dennoch, mit derartig bagatell-artigen Fällen befasse ich mich nicht und wünsche Ihnen viel Glück, dass der nächste Polizist, an welchen Sie sich anvertrauen werden, fähiger sein wird.“

Mit diesen Worten beendete Sherlock seine kleine Rede, nahm seine Zeitung wieder in die Hufe und las wohl an der Stelle weiter, an der er vorhin aufgehört hatte.

 

Mitleidig sah ich zu Fancy Starlight hinüber und hätte ihm gerne aufmunternd auf die Schulter geklopft, doch ich entschied mich, in meinem Sessel sitzen zu bleiben. Vor allem lag es daran, dass auch unser Gast sitzen blieb, erst meinen Blick erwiderte und dann zur aufgeklappten Zeitung hinübersah.

„Nun, da stimme ich Ihnen zu, wäre es eine normale Diebstahlserie, dann würde ich weniger Ihre Zeit stehlen wollen. Doch zu unserem Bedauern verläuft diese Diebstahlserie nicht wie üblich ab, sie entspricht nicht der Norm, denn das Merkwürdigste habe ich noch gar nicht erwähnt“, sagte unser Gast und trank so seine Tasse aus, als würde er damit rechnen, dass wir ihn jederzeit aus der Wohnung werfen würden.

„Denn es gibt noch mehrere Ungereimtheiten bei der ganzen Sache. Der Dieb bedient sich nicht jeden Tag an unseren Vorräten, er geht nach einem uns unbekannten Muster vor. Auch stiehlt er nicht immer die gleichen Nahrungsmittel. Mal fehlt ein Brot, mal Nudeln und eine Dose Sauce, mal der Reis oder einfach nur der Rest vom vortäglichen Eintopf. Unser Dieb scheint immer wieder ein anderes Objekt der Begierde zu haben.

Außerdem, und das ist nun wahrlich das Merkwürdigste, er nimmt nicht nur, sondern gibt auch. Oft, wenn er etwas geklaut hat, hat er innerhalb weniger Tage, ganz selten noch am gleichen, die Sachen wieder zurückgebracht. Es ist fast nie die gleiche Marke, sondern eine günstigere, die aber auch oft gut schmeckt. Oder, wenn es dem Dieb nicht möglich war, hat er es durch etwas anderes ersetzt. So hat er einmal den Diebstahl eines Sack Kohls zwei Tage später durch einen Sack Brokkoli wiedergutmachen wollen.

Wir sind dem Dieb nicht wirklich böse, nur nervt es meinen Vorgesetzten trotzdem, verständlicherweise. Wir wollen nur die Beweggründe kennen und ihn darum bitte, sein Tun zu unterlassen. Deshalb hoffe ich, dass unser Fall für Sie nun nicht mehr als Bagatelle gilt, denn die Polizei ist damit leider überfordert“, sagte Fancy Starlight noch, da riss Sherlock die Zeitung herunter. Er faltete sie schnell zusammen und legte sie auf die Seite zurück.

„Verzeihen Sie mir meine vorherige Wortwahl, Mr. Starlight, aber selbst jemand wie ich hat die seltene Neigung, vorschnell zu urteilen und sich zu irren. Ihr Fall ist alles andere als eine Bagatelle, nein, im Gegenteil. Vor allem das Verhalten des Diebs nach erfolgreich begangener Tag ist mehr als ungewöhnlich und interessant. Ich übernehme Ihren Fall!“

In den Augen unseres Klienten konnte ich ein feuchtes Glitzern sehen. Und auf seinen Lippen wuchs ein zufriedenes Lächeln.

„Vielen Dank, Mr. Hooves, ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar, dass Sie sich für unsere Angelegenheit die Zeit nehmen möchten.“

„Nun zu einem Fall wie den Ihren kann ich nur zusagen“, erwiderte Sherlock und hob beschwichtigend den Huf. Dann sah er zu mir herüber.

„Da wir gerade von Zeit sprechen, wir können es uns nicht erlauben, noch mehr Zeit als nötig zu verlieren. John, wir müssen zügig sein! Zieh dich um und mach dich reisebereit. Ich werde es genauso tun.“

„In Ordnung“, sagte ich, „Danach werde ich Mrs. Neighson Bescheid geben, dass sie heute nicht mit dem Essen auf uns zu warten hat.“

Sherlock nickte und ich nahm die letzten Reste an Spiegelei und Kaffee zu mir.

„Mach das, wir werden vermutlich den ganzen Tag, wenn nicht sogar noch länger auswärts sein. Und nun hastig, je schneller wir den nächsten Zug zur Grafschaft Kitzenstein nehmen können, desto eher können wir mit den Ermittlungen beginnen“, sagte Sherlock, mehr in meine Richtung herüber.

„Tempo los, meine Herren!“

 



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