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Szenen einer Ehe

~ Weihnachtsedition ~
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Das Kapitel hier ist für alle, die eine Aufmunterung heute genauso dringend nötig haben wie ich. <3 Komplett anzeigen

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~*~ Szene 3 ~*~

Die nächsten Stunden huschte Yukke von einem Raum zum anderen, um noch mehr Dekorationen zu verteilen, oder saß auf dem Sofa und wickelte in minutiöser Kleinstarbeit Geschenke ein. Im Hintergrund dudelten noch immer Weihnachtslieder in Dauerschleife vor sich hin, während aus der Küche gelegentliches Klappern zu hören war und ein herrlicher Duft seine Nase kitzelte. Eigentlich war alles genau so, wie er es sich vorgestellt hatte, und dennoch war er unzufrieden. Unzufrieden und hungrig, wenn man es genau nahm, und gegen beides würde er nun etwas unternehmen.

 

„Ach Mensch, so hab ich mir das echt nicht vorgestellt“, murrte er dem leeren Wohnzimmer entgegen und legte die Schere zurück auf das Sofa, mit der er gerade das Band am letzten Geschenk eingekräuselt hatte. Schwungvoll erhob er sich und ging zielstrebig zur Küche hinüber. Ohne anzuklopfen, betrat er den Raum und sah sich sogleich mit Tatsuros tadelndem Blick konfrontiert.

 

„Was machst du hier?“ Sein Mann wedelte mit dem Kochlöffel vor seiner Nase herum und ohne darüber nachzudenken, griff er nach Tatsues Handgelenk, hielt es still und leckte über den Löffel.

 

„Mmmh, lecker.“

 

Zwei Herzschläge lang starrte ihn Tatsue nur an, als könnte er nicht fassen, was er gerade getan hatte, bevor er in schallendes Gelächter ausbrach. Auch Yukke grinste frech, ließ sich an den etwas größeren Körper ziehen und seufzte leise, als ihm ein Kuss auf den Schopf gedrückt wurde.

 

„Sag doch, dass du Hunger hast.“

 

„Soweit bin ich nicht gekommen.“

 

Tatsuro wollte sich schon von ihm lösen, aber er verstärkte den Halt um seine Mitte, wovon sich der selbst ernannte Küchenchef jedoch nicht beirren ließ. Stattdessen drängte er Yukke noch immer umarmend wieder aus dem Raum, tupfte ihm einen Kuss auf die Lippen und befreite sich aus seinem Klammergriff.

 

„Ich bring dir was, okay?“

 

„Aber …“

 

„Nix aber, die Küche ist tabu für dich.“

 

„Menno“, maulte er, doch die Tür war bereits wieder geschlossen und sein Freund dahinter verschwunden. Schmollend verschränkte er die Arme vor der Brust. Als nach mehreren Minuten nichts weiter passiert war, als dass er Tatsuro in der Küche herumwerkeln hörte, wollte er schon unverrichteter Dinge wieder gehen, als die Tür noch einmal geöffnet wurde. Tatsuro hielt ihm eine Schüssel entgegen, die mit aufgewärmtem Reis und etwas Gemüse vom Frühstück gefüllt war.

 

„Hier. Mehr war auf die Schnelle nicht zu finden, aber wir hätten auch noch Pudding im Kühlschrank, wenn du einen magst.“

„Nee, lass mal“, seufzte er und nahm unglücklich sein Mittagessen entgegen. Sein Hunger hatte sich verflüchtigt, dafür war er jetzt noch unzufriedener als zuvor. Tatsuro erwiderte seinen vorwurfsvollen Blick nur mit einem frechen Lächeln und er rechnete fest damit, dass er nun wieder weggeschickt werden würde. Stattdessen fanden lange Finger den Weg in seine Haare, bevor weiche Lippen seinen Mund verschlossen und ihn in einen tiefen Kuss zogen. Beinahe hätte er die Schüssel fallenlassen, so dringend wollte er seinem Mann noch näher kommen. Ein unwillkürliches Seufzen schlich sich über seine Lippen, bevor sie erneut von Tatsuro in Beschlag genommen wurden. Genau das war es doch, was er schon den ganzen Tag über vermisst hatte und was mehr noch als jeder Kitsch Weihnachten für ihn ausmachte.

 

„Ich bin gleich mit dem Gröbsten fertig, dann kann ich das Essen auch mal für eine Stunde allein lassen“, wisperte Tatsue gegen seinen Mund, knabberte an seiner Unterlippe, was ein wildes Kribbeln durch seinen Magen jagte, und löste sich viel zu früh von ihm. „In Ordnung?“

 

„Mhmh“, brummte Yukke, leckte sich über die Lippen und freute sich diebisch, als Tatsuros dunkle Augen dieser Bewegung wie hypnotisiert folgten. „Sicher, dass du nicht gleich ein bisschen Zeit für mich hast?“

 

„Ganz …“ Tatsuro musste sich tatsächlich räuspern, was Yukkes anhaltendes Lächeln zu einem ausgewachsenen Grinsen werden ließ. „Ganz sicher.“

 

Ohne weiteres Zögern drehte sich sein Mann herum und keine Sekunde später fand sich Yukke erneut einer geschlossenen Tür gegenüber. Wieder seufzte er, diesmal aber nicht mehr gar so niedergeschlagen, und fuhr mit dem Zeigefinger seine eigenen Lippen nach. Sie kribbelten noch immer, ganz so, als würden sie sich ebenso nach Tatsuro sehnen wie er selbst. Was hielt ihn eigentlich davon ab, jetzt in die Küche zu stürmen, sich seinen Mann zu schnappen und dort weiterzumachen, wo sie gerade eben aufgehört hatten? Vermutlich die Tatsache, dass er an seiner Lage selbst schuld war. Lustlos trabte er zurück zum Sofa, um zu versuchen, sich sein Mittagessen schmecken zu lassen. Eines musste man Tatsuro lassen, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, zog er es auch durch. Er griff nach den beiden Fernbedienungen, die sich unter Geschenkpapier und Schleifen versteckten, schaltete erst die Stereoanlage aus, bevor er den Fernseher zum Leben erweckte. Wenn sich sein Mann so sehr an seiner Ehre gepackt sah, dass er keine Zeit für ihn hatte, würde eben erneut ein Weihnachtsfilm als stimmungsvolle Unterhaltung herhalten müssen.

 

Tetochi maunzte, als sie sich streckend ihren Platz auf der Bassbox verließ, auf der sie den ganzen bisherigen Tag verschlafen hatte, und zu ihm herübergetapst kam. Schnell stapelte er seine eingewickelten Pakete auf dem Couchtisch und räumte das viele Geschenkpapier, die Schleifen und sonstiges Zubehör beiseite, damit es sich die alte Dame neben ihm wieder bequem machen konnte. Kaum flimmerte die erste Szene des Films über die Mattscheibe, sprang Teto aufs Sofa, drehte sich dreimal um die eigene Achse, bevor sie sich gegen seinen Oberschenkel gelehnt wieder hinlegte und zu schnurren begann. Lächelnd kraulte er über das mehrfarbige Fell, aß hier und da einen Happen, während er darüber sinnierte, wie kurios es war, dass es einmal eine Zeit gegeben hatte, in der er sich vor Tatsuros Katzendame gefürchtet hatte. Damals war er der festen Überzeugung gewesen, dass Tetochi ein mürrisches, unberechenbares Monster war, das nur darauf wartete, ihm die Augen auszukratzen. Bis ihm eines Tages bewusst geworden war, dass sie ihrem Herrchen gar nicht so unähnlich war. Genau wie Tatsuro hatte auch Tetochi nur viel Geduld, Liebe und gutes Essen gebraucht, um sie für sich zu gewinnen. Yukke grinste und lehnte sich zurück, um sich ein wenig auszuruhen.

 

 

Er hatte gar nicht gemerkt, wie ihm irgendwann die Augen zugefallen waren. Selbst, als Tatsuro etwas später aus der Küche gekommen war und ihn grinsend mit ihrer flauschigen Wolldecke zugedeckt hatte, war er nicht aufgewacht. Erst, als es still im Wohnzimmer wurde, weil der Film zu Ende gegangen war, ohne dass Yukke auch nur eine Sekunde davon bewusst wahrgenommen hatte, schlug er müde blinzelnd die Augen auf. Für einen Moment wusste er weder wo er war, noch warum er seine Beine nicht bewegen konnte, aber ein Blick an ihm herab genügte, um zumindest für letztere Frage eine zufrieden schnurrende Antwort zu bekommen.

 

„Oh, Teto“, murmelte er groggy und setzte sich auf. „Dein Schnurren ist wirklich einschläfernd, weißt du das?“

 

Vor den Fenstern war es dunkel geworden und dicke Schneeflocken fielen träge vom Himmel. Nach einem kurzen Blick auf seine Armbanduhr stellte er erschrocken fest, dass es bereits Viertel nach vier war. Wo bitte war die Zeit hin und warum hatte er seinen Weihnachtstag bislang kaum mit seinem Mann verbracht? Yukkes Mund verzog sich schmollend. Hatte sich Tatsuro nicht etwas Zeit für ihn nehmen wollen? Warum hatte er ihn nicht aufgeweckt und warum zum Geier war er überhaupt eingeschlafen? So ein Mist aber auch. Gähnend streckte er sich, bis seine Wirbelsäule ein zufriedenstellendes Knacken von sich gab und erhob sich vorsichtig, um die Mieze nicht zu stören. Dabei fiel ihm erst die Wolldecke auf, die ihn so herrlich warm gehalten hatte. Der missmutige Zug um seinen Mund verschwand und machte einem liebevollen Lächeln Platz, als ihm bewusst wurde, dass Tatsuro ihn zugedeckt haben musste. Gerade, als er ein wenig in schwärmerische Gedanken an seinen manchmal erstaunlich umsichtigen Mann versinken wollte, holte ihn ein lautes Scheppern unsanft in die Realität zurück.

 

„Oh, nein! Mist, Mist, Mist!“, rief Tatsuro aufgebracht aus und Yukke war beinahe erleichtert über diese Störung, als er Tetochi einen langen Blick zuwarf.

 

„Mh, das ist wirklich schon zu lange gut gegangen.“ Er grinste, streichelte der Katze noch einmal übers Köpfchen und wisperte ihr verschwörerisch zu: „Ich schau mal, was dein Herrchen so treibt. Er meinte zwar, ich hätte zutrittsverbot, aber na ja, er wird es überleben. Alles ist schließlich besser als ein handfester Kochunfall.“

 

Diesmal klopfte Yukke dreimal kurz gegen die geschlossene Küchentür, wartete jedoch nicht auf eine Reaktion, sondern öffnete sie und streckte vorsichtig den Kopf hindurch. Er wappnete sich schon dafür, angemotzt oder im schlimmsten Fall mit etwas beworfen zu werden. Damit, dass Tatsuro nur regungslos in der Mitte der Küche stehen würde und wie versteinert auf ein zerbrochenes Glas auf dem Boden starrte, hatte er jedoch nicht gerechnet.

 

„Hey“, murmelte er leise, schob die Tür weiter auf und ging auf seinen Mann zu, ohne in die Pfütze zu treten, die verdächtig nach Entenfond roch. Die Arme um Tatsuros Mitte legend drückte er ihm einen Kuss auf die Wange und riss ihn damit aus seiner Starre. Laut seufzend erwiderte Tatsue die Umarmung, vergrub sein Gesicht an Yukkes Halsbeuge und sagte für eine ganze Weile überhaupt nichts. „Ist alles in Ordnung? Du hast dich nicht geschnitten oder so?“

 

„Nein, ich versuch nur gerade, meinen Ärger runterzuschlucken, und überlege gleichzeitig, mit was ich nun die Soße hinbekommen soll, wenn der Fond hier auf den Fliesen schwimmt, statt im Topf.“ Yukke lachte leise, auch wenn er Tatsuros Groll gut verstehen konnte, aber so, wie sein Freund die Situation beschrieb, hörte sie sich echt urkomisch an.

 

„Sorry.“ Er stupste Tatsue an, bis er endlich den Kopf hob und seinen Blick erwiderte. „Es hat zu schneien begonnen“, stellte er komplett aus dem Zusammenhang gerissen fest und sah das vorfreudige Funkeln in den ausdrucksstarken Augen. „Sollen wir einen kurzen Spaziergang zum Supermarkt machen und einen neuen Fond kaufen?“

 

„Ich kann hier nicht weg, aber du könntest mir einen mitbringen.“

 

„Kann ich auch machen. Dann nehm ich den Wagen und bring gleich noch die Päckchen auf die Post. Wird aber eine halbe Stunde mindestens dauern.“

 

„Gut, das krieg ich organisiert.“ Tatsuro straffte die Schultern und ließ sich einen weiteren Kuss aufdrücken, bevor er ihn sanft aber mit Nachdruck beiseiteschob. „Und nun raus mit dir. Das hier ist Yukke-freie-Zone, schon vergessen?“

 

„Bin schon weg.“ Yukke lächelte, auch wenn das schlechte Gewissen an ihm nagte. Tatsuro wirkte gestresst und alles nur, weil er sich so ein aufwendiges Gericht zu Weihnachten gewünscht hatte. Und nun kniete er zu allem Überfluss auch noch auf dem Boden, um die Sauerei wegzuwischen. Er seufzte unhörbar, hatte die Küche beinahe schon verlassen, als ihm noch etwas einfiel.

 

„Was hältst du davon, wenn wir nach dem Essen nach draußen gehen? So kalt, wie es geworden ist, bleibt der Schnee bestimmt liegen.“

 

Tatsuro hob den Blick, schaute ihn von unten herauf an und ein derart freudiges Lächeln zierte plötzlich seine Lippen, dass Yukke gleich ganz warm ums Herz wurde.

 

„Machen wir.“

 

Wieder etwas froher gestimmt schloss er die Küchentür hinter sich und machte sich daran, alle Pakete in eine große Tüte zu stecken. Sich selbst packte er in eine dicke Winterjacke, Schal und Zipfelmütze ein, bevor er im Flur noch in seine Stiefel schlüpfte.

 

„Ich bin dann weg!“, rief er, wartete noch kurz auf Tatsuros unverständliche Antwort aus der Küche und nahm den Fahrstuhl in die Tiefgarage. So gerne, wie er den Schnee genossen hätte und zu Fuß zum nächsten Supermarkt gegangen wäre, mit dem Wagen war er deutlich schneller. Außerdem freute er sich auf den Spaziergang, den ihm sein Mann mehr oder weniger versprochen hatte.



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