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Let Me Think About It

Bonuskapitel zu 'Samsas Erwachen'
von

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Let Me Think About It

Die Geräusche, die aus dem Schlafzimmer zu mir in die Küche drangen, ließen mich erschauern. Es war nicht so, als hätte ich nicht schon lange damit gerechnet. Dennoch hinterließen sie ein ungutes Gefühl. Ich hatte sie beide lange genug beobachtet, um zu wissen, dass es irgendwann passieren würde.

Toby liebte den Kleinen, er hätte ihm jeden Wunsch erfüllt. Dennoch hatte ich gehofft, dass ihm unsere Regeln wichtiger wären. Vor allem nach dem, was vor ein paar Monaten passiert war. Ich hatte gehofft, er würde sich daran halten, den Kleinen in die Schranken zu weisen.

Ich ließ das Messer in groben Bewegungen durch den Block Schinken gleiten. Man würde sehen, dass ich mir dabei keine Mühe gegeben hatte, doch im Moment brauchte ich die Ablenkung. Ich spürte den Drang, einfach alles hinzuwerfen.

Dabei hatte ich schon immer gewusst, dass es so enden würde. Dass es in den letzten zehn Jahren so gut gelaufen war, hatte mich vergessen lassen, dass das mit uns einfach nicht funktionieren konnte.

Ich schmiss die Fleischstücke in die Pfanne und widmete mich den Zwiebeln. Auch auf diese hackte ich eher lustlos ein. Die Geräusche waren verstummt, doch dafür nahm ich nun das Rauschen in meinen Ohren wahr. Die Wut brodelte in mir. Sie hatte schon in den letzten eineinhalb Jahren immer wieder versucht auszubrechen, doch es war mir immer gelungen, sie zurückzuhalten. Sie konnten nichts dafür und ich hatte keinen Grund, sauer auf sie zu sein.

„Roger?“, hörte ich Toby hinter mir und drehte mich um. Genauso unsicher, wie er geklungen hatte, stand er an der Tür. Er schluckte und kniff die Augen zusammen, dann kam er auf mich zu. Leise flüsterte er: „Oh Gott, Roger, es tut mir leid.“

Als er mich in den Arm nehmen wollte, drehte ich ihm abwehrend den Rücken zu. Das konnte er sich gerade echt sparen. Genauso wie diesen schuldbewussten Blick, mit dem er mich angesehen hatte. Ich wusste, dass es ihm nicht leidtat.

Tobys Hand legte sich auf meine Schulter und ich spürte seinen Atem an meinem Ohr.

Bevor er auch noch den Kopf gegen mich lehnen konnte, drehte ich mich mit einem Ruck herum und entwand mich ihm so. „Hör auf damit!“

Erschrocken sah er mich an. Er hatte sich mir gerade wieder nähern wollen, doch nun blieb er stehen. Obwohl er mir in die Augen sah, merkte ich, dass er den Blick am liebsten gesenkt hätte.

Das verpasste mir einen Stich ins Herz. Er wusste, dass ich es wusste!

Bevor ich mich unter Kontrolle bringen konnte, hatte ich auch schon das Brettchen mit den Zwiebeln von der Ablage gefegt.

Erschrocken über mich selbst, wollte ich mich danach bücken, doch Toby hielt mich am Arm fest. „Jetzt hör mir doch mal wenigstens zu.“

„Nein, Toby! Ich habe euch lange genug zugehört!“

Wie geschlagen wich er ein paar Schritte zurück. „Roger, ich wollte das nicht ...“

„Ja, sicher, der Kleine hat dich dazu gezwungen.“ Ich wusste, dass mich Sarkasmus nicht weiterbrachte, aber anders konnte ich damit nicht umgehen. Es tat zu sehr weh, dass er mich so betrogen hatte.

„Nein!“ Toby stand schweigend da, während ich das Gemüse vom Boden sammelte. Als er wieder sprach, klang er verzweifelt. „Verdammt, Roger, das war doch nicht geplant. Bitte, rede mit mir.“

„War es nicht?“, fragte ich mit hämischen Unterton.

Vermutlich war es das wirklich nicht gewesen. Von keinem von beiden. Sie hatten sich vermutlich wirklich nur treiben lassen. Sie gehörten nicht zu der Sorte Menschen, die über so etwas vorher nachdachten. Vermutlich hatte wirklich noch keiner von beiden darüber nachgedacht, dass es unausweichlich so hatte kommen müssen. Als hätte Isaac zulassen können, dass ihn jemand führte. Warum glaubten die beiden denn, hielt ich mich von ihm fern?

Toby hockte sich zu mir. Nur widerwillig ließ ich zu, dass er mir die Sachen aus meinen Händen nahm und sie neben uns legte. Verdammt, er wusste, dass ich ihn nicht weiter anschreien konnte, wenn er so ruhig und fürsorglich war.

Trotz meines Unwillens drehte er mein Gesicht in seine Richtung. „Nein. Ich könnte dir das nicht antun.“

„Hast du aber.“ Ich riss mich aus seinem Griff los und schnappte mir das Brettchen. Etwas zu heftig legte ich es zurück.

„Aber nicht absichtlich. Roger ... verdammt, hör doch endlich auf damit! Ich will mit dir reden!“

„Ich aber nicht mit dir.“ Ich schmiss die Zwiebeln in den Abfall und holte neue aus dem Netz.

„Roger! Du hast es versprochen!“

„Und du hast mir versprochen, dich nicht bei anderen gehen zu lassen!“ Während ich das Messer zurück auf die Ablage warf, kniff ich die Augen zusammen.

Verstand er denn nicht, dass es so keinen Sinn mehr machte? Er liebte Isaac, das leugnete er nicht einmal, und Isaac liebte ihn, auch wenn dieser das vermutlich nicht einmal selbst wirklich wusste. Ich gönnte es ihnen, ich hatte sie beide doch auch gern, aber ich wollte nicht mehr ständig zwischen ihnen stehen. So wie es im Moment lief, würde niemand glücklich werden.

„Ich weiß.“ Der leidvolle Blick, den Toby in meine Richtung warf, stach in meinem Herzen.

Ich ließ ihn nicht gerne gehen, aber das zwischen uns hatte schon immer ein Verfallsdatum. Ich war nicht das, was er brauchte. Er musste das nur endlich erkennen. „Dann seh ich nicht, worüber wir noch reden sollten.“

Toby atmete hörbar ein und aus. Dann spürte ich seine Hände in meinem Nacken und an meiner Hüfte. Kraftvoll dreht er mich herum und drückte dann seinen Körper gegen mich. Hätte ich Toby nicht schon so lange gekannt und gewusst, dass er keiner Fliege etwas zuleide tun konnte, hätte mir der entschlossene Blick in seinen Augen sicher Angst gemacht. Die Hand im Nacken griff kräftig zu, während er seine Lippen entschlossen auf meine drückte.

Ich spürte, dass er keinen Widerstand zulassen würde, als er seine Zunge hart gegen meine Lippen drückte und öffnete sie für ihn. Ein letzter Kuss würde mich schon nicht umbringen.

Als ich den Kuss erwiderte, wurde er nach und nach sanfter.

Gerade als ich mich fallen lassen wollte, versuchte Toby, sich von mir zu entfernen, doch ich hielt ihn fest. Wenn das hier unser letzter Kuss sein sollte, dann wollte ich ihn so lange wie möglich genießen.

Ich spürte, wie sich Tobys Lippen zu einem Lächeln verzogen und er den Kuss noch einmal intensivierte.

Als er sich letztendlich doch von mir löste, seufzte ich enttäuscht. Das war es dann wohl.

Sanft wischte er mir mit dem Daumen über die Wange und sah mich zärtlich an. „Roger, verdammt, mach doch nicht jedes Mal so ein Theater. Ich weiß, dass ich Mist gebaut habe, es kommt auch nicht mehr vor, aber ich liebe dich doch trotzdem noch. Du weißt, dass ich ...“

„Ihn liebst du auch“, erinnerte ich ihn.

Toby seufzte und legte dann seine Stirn gegen meine. Noch immer strich er sanft über meine feuchte Wange. „Ich dachte, wir hätten das geklärt? Das ändert doch nichts an der Tatsache, dass du für mich immer an erster Stelle stehen wirst. Das war ein Ausrutscher, ich bereue es ...“

„Tust du nicht“, stellte ich leise fest und befreite mich dann aus seinen Armen.

Wie geschlagen sah Toby mich an, widersprach aber nicht.

„Ich weiß, dass du das genossen hast. Ich versteh es doch auch. Du wolltest es schon so lange. Aber Isaac braucht noch Zeit, bis er sich wieder führen lassen kann. Ich hab schon eine Weile damit gerechnet, dass es passieren würde. Ich bin nur traurig, dass du nicht wenigstens vorher mit mir darüber geredet hast.“

Toby blickte mir vorsichtig in die Augen. „Ich wusste nicht, dass es passieren würde. Ich wollte doch warten, bis er wieder so weit ist. Hätte ich das gewusst, hätte ich mich nicht darauf eingelassen.“

Diesmal war ich es, der Toby streichelte. „Toby, du hast dich verliebt. Du hättest gar nicht nein sagen können. Ich kenn dich doch gut genug. Aber für mich ist da einfach kein Platz mehr.“

„Was? Natürlich!“ Toby griff nach meinen Hüften und krallte seine Hände hinein. „Es hat doch sonst auch funktioniert. Roger, hör auf mit dem Mist!“

Ich versuchte sie sanft zu lösen, hatte jedoch keine Chance. Ein tiefes Seufzen trat aus meiner Kehle. Ich versuchte, ihn beruhigend anzulächeln, doch vermutlich durchschaute er sowieso, dass es nur ein sehr kläglicher Versuch war. „Aber jetzt nicht mehr. Isaac braucht dich. Er braucht dich ganz. Nicht nur als Fickbuddy, sondern auch als Freund, als jemanden, dem er vollkommen vertrauen kann. Das funktioniert aber nicht, wenn ich auch noch da bin. Du wirst dich immer entscheiden müssen, ob du ihm oder mir wehtust. Und das möchte ich nicht. Er braucht dich mehr als ich.“

Toby schüttelte vehement den Kopf. „Roger, verstehst du es nicht? Ich würde mich immer für dich entscheiden. Das habe ich dir versprochen.“

Frustriert schnaufte ich. „Nein, du verstehst nicht: Es geht mir nicht um dein Versprechen. Ich will nicht, dass du ihn wegen mir fallen lässt!“

„Lieber lässt du mich fallen?“ Die Herausforderung stand Toby deutlich ins Gesicht geschrieben und ließ mich stocken. „Ich will weder dir noch Isaac wehtun. Und ich weiß, dass du es auch nicht willst. Du hast ihn doch auch lieb, oder nicht?“

„Ja. Deshalb ...“

Toby streichelte mir wieder über die Wange. „Du willst ihn beschützen, ich weiß. Etwas anderes will ich doch auch nicht. Aber glaubst du nicht, dass es ihn verletzten würde, wenn du wegen ihm gehst? Er würde sich dafür verantwortlich fühlen.“

Frustriert seufzte ich. Er hatte ja recht, aber irgendwie mussten wir da raus. Und ich würde es eher aushalten, ihn gehen zu lassen, als Isaac. Er war doch sowieso schon völlig am Ende.

Einträchtig schwiegen wir und lauschten der Dusche.

Völlig überraschend fragte Toby: „Du hast dich auch verliebt, oder?“

Langsam nickte ich. Ich hatte es nie für möglich gehalten, hatte mich immer gefragt, wie Toby es schaffte, sich in andere zu verlieben, dabei aber nie die Liebe zu mir zu verlieren, doch ich hatte ihm vertraut.

Und dann war Isaac in unser Leben getreten. Schon vor sechs Jahren hatte ich gemerkt, dass er für mich anders war als all die anderen Affären, aber ich hätte nicht den Finger darauf legen können, was es war. Doch im letzten Jahr war mir klar geworden, dass ich schon damals angefangen hatte, mich in ihn zu verlieben.

Toby lächelte mich an und zog mich in seine Arme. Zärtlich streichelte er über meine Arme. „Warum muss es dann nur zwei von uns geben?“

Verwirrt blickte ich auf. „Toby, was hast du vor?“

„Ich weiß, du hältst mich für verrückt, aber was spricht dagegen, wenn wir zu dritt sind? Wir lieben Isaac beide und wollen das beste für ihn. Du würdest so weit gehen, mich ganz für ihn aufzugeben.“ Liebevoll lag Tobys Blick auf mir. „Dabei musst du das doch gar nicht. Nicht, wenn du mit dem Gedanken leben kannst, dass der Kleine dieselben Rechte hat wie wir.“

„Ach Toby, ich weiß nicht ...“

„Würde es dich wirklich stören?“

Ich schüttelte den Kopf. Er wusste schon, dass es lediglich der Vertrauensbruch war, der mich störte. „Ich bin mir nur nicht sicher, ob das wirklich funktioniert.“

„Ich weiß es doch auch nicht. Aber wir hätten auch nicht gedacht, dass wir auch nach fünfzehn Jahren noch immer zusammen sind.“ Zärtlich lächelte er und zog mich zu einem Kuss heran. „Aber wir sind es und ich liebe dich noch immer.“

„Ich dich doch auch. Ich weiß nur nicht, ob das für mich wirklich in Ordnung ist. Es stört mich nicht, dich mit jemand anderem zu teilen, aber ich weiß nicht, ob ich es ertrage, zu sehen, wie jemand anders so mit dir umgeht. Es hat mich immer beruhigt zu wissen, dass ich der einzige bin, der dich so erleben darf.“

Nachdenklich nickte Toby. „Ja, ich weiß es auch nicht, ob das für mich wirklich in Ordnung ist, aber ich kann es mir zumindest vorstellen, es mit Isaac auszuprobieren.“

„Ich überleg es mir, okay?“ Ich brauchte etwas Bedenkzeit. So spontan wollte ich das nicht entscheiden.

Toby nickte. „Ich denke auch nochmal darüber nach. Und solange werd ich nichts tun, ohne es mit dir abzusprechen, okay? Kannst du mir verzeihen, dass ich mich so hab gehen lassen?“

Zärtlich zog ich ihn an mich und küsste ihn auf die Stirn. „Natürlich, mein großer Trottel. Wie könnte ich nicht? Immerhin willst du mich noch immer, obwohl ich dich schon wieder in die Wüste schicken wollte.“

Er lachte und drückte mich fest an sich. „Es wird langsam zur Gewohnheit.“
 


 

„You say you want me

You say you need me

You say you love me

How can you leave me then?“

Ida Corr – Let Me Think About It
 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  chaos-kao
2020-04-04T09:01:17+00:00 04.04.2020 11:01
Gut, dass Toby seinen Roger kennt und sich nicht so leicht abwimmeln lässt :) Die beiden sind einfach super süß zusammen.
Antwort von:  Vampyrsoul
13.04.2020 12:26
Ja, Toby würde Roger nie gehen lassen, ohne vorher in Ruhe mit ihm geredet zu haben. So lange würde er sich nicht abwimmeln lassen ^^'


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