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Totale Finsternis

von

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Ein Mädchen, das so lächeln kann

Es war schon weit nach Mitternacht, als die letzten Gäste aufbrachen. Der Schneesturm hatte sich gelegt. Nur noch vereinzelt fielen kleine Flocken gen Boden. Auf der aufgeklarten Himmelscheibe schimmerten abertausende Sterne und der helle Mond machte die Laternen beinahe überflüssig.

Ohne das laute fröhliche Geigenspiel war es angenehm still. Lediglich das Klirren der Krüge, welches aus der Küche schallte und das Wiehern der Pferde, die der Kutscher in einen nahegelegenen Stall unterbrachte, war zu hören.

Die Luft war immer noch stickig, obwohl alle gegangen waren. Selbst der Professor war zu Bett gegangen.
 

Adrien und Marinette hatten es sich vor dem Kamin bequem gemacht, dessen Feuer so tief heruntergebrannt war, dass nur noch die Glut glimmte, was ihm nicht davon abhielt die Gaststube unerträglich aufzuhitzen.

Der Blonde seufzte laut und streckte sich. Er war von der langen Reise erschöpft und wäre am liebsten ins Bett gefallen, aber die Vorstellung seines betrunkenen Vaters und dem Gestank nach Alkohol schreckte ihn zu sehr ab. Vielleicht sollte er noch einmal frische Luft schnappen.
 

Kaum hatte er den Gedanken gefasst, erhob er sich, bekleidete sich mit seinem dicken Wintermantel und wand sich zum Gehen. Ein leises Rascheln verriet ihm, dass seine Begleiterin es ihm gleich tat. Die kalte Winterluft kam ihnen entgegen und fraß sich durch ihre Kleider, kaum hatten sie die Tür durchschritten. Trotz oder gerade wegen des Frostes war die Luft reiner, als der Junge es je aus Paris kannte.

Der Schnee glitzerte im Schein der Laternen und vereinzelt tanzten Flocken um die beiden herum, als sie langsam durch die kaum erkennbaren Straßen des Dorfes flanierten. Die Häuser waren zwar klein, hatten aber einen rustikalen Charme, was man von den Einheimischen nicht behaupten konnte. Ein jeder schien das Pärchen mit feindlichem Blicken zu beobachten, sobald sie an ihren Fenstern vorbei schritten. Vorhänge wurden zugezogen, ehe man in die Stuben schauen konnte.
 

„Ein seltsames Dorf ist das hier“, murmelte Adrien und verzog dabei leicht das Gesicht.

Marinette nickte kurz und pflichtete ihm bei: „J-ja... Die Greif äh- Angst... viel ähm...“

Seine Augenbraue wanderte nach oben. Vielleicht hatte die Blauhaarige eine Sprechstörung, obwohl sie im Umgang mit dem Professor keine Probleme hatte. Oder es war die Kälte, die sie so stark erzittern ließ, dass sie keinen vernünftigen Satz zustande bekam. Das würde auch ihre erröteten Backen erklären.

Er schnaufte abfällig: „Ja... Abergläubisches Pack... Als ob es Vampire wirklich geben würde!“

Zu spät viel ihm auf, dass er sich mit der Assistentin eines Mannes unterhielt, der sein Leben der Erforschung der Blutsauger gewidmet hatte. Peinlich berührt murmelte er eine Entschuldigung, doch das Mädchen lächelte nur leicht und schüttelte den Kopf.

„Schon gut... Ich...ähm... glaube in Wirklichkeit gar nicht an Vampire.“

„Bitte?!“, empörte sich Adrien lautstark, „Aber du-“

„Ich bin hier, um zu beweisen, dass es keine Vampire gibt.“

Darauf wusste der Blondschopf keine Antwort. Er konnte lediglich verwirrt blinzeln.

Seine Begleiterin schmunzelte gedankenverloren und fuhr fort: „Weißt du.. Ich- ähm-...sollte eigentlich mit niemanden darüber sprechen... Aber... Ich weiß, dass du es verstehen wirst...
 

„Der Professor war nicht immer so, wie er heute ist. Er... Er war ein Genie. Jedes noch so erdenkliche Problem konnte er lösen. Er war ein Koryphäe auf dem Gebiet der Naturwissenschaften. Seine Logik hat viele angebliche Geister, Hexen und Monster überführt. Für ihn existierte nichts Übernatürliches auf der Welt.

Er lebte mit seiner Frau, seiner Tochter und deren Kindern eine Zeit lang in Paris. Wir waren Nachbarn und gut befreundet. Ich spielte oft mit Isabelle – So hieß eine seiner Enkeltöchter. Sie war meine beste Freundin und- Ah! Ich schweife ab. Also ähm... Er war geachtet, hoch intelligent und hatte eine wundervolle Familie... Nun ja... Und dann...“

Marinette machte eine Pause und atmete schwer. In ihren Augenwinkeln glitzerten Tränen.
 

„Ich wurde durch die hellen Flammen wach. Abronsius' Schreie werde ich nie vergessen. Er rief verzweifelt ihre Namen. Immer und immer wieder. Doch sie waren schon tot, noch bevor das Feuer gelegt wurde. Er konnte als einziger gerettet werden. Man fand ihn in einem Meer aus Flammen an einem Stuhl gefesselt. Anscheinend musste er mit ansehen, wie seine gesamte Familie ermordet wurde.“
 

Adrien schluckte schwer, als sich sein Kopf die schrecklichen Bilder ausmalte. Der Professor, jung an Jahren, an einen Stuhl gefesselt. Vor seinen Augen starben gerade seine Frau, seine Tochter und seine kleinen Enkelkinder. Und er konnte nichts tun. Ihm waren im wahrsten Sinne des Wortes, die Hände gebunden. Was für eine grauenhafte Geschichte.

„Und dann?“, fragte er leise und unsicher, ob er die Fortsetzung wirklich hören wollte.

„Er begann zu fantasieren. Er sagte, ein Vampir habe seine Familie getötet, um ihn zu beweisen, dass es das Übernatürliche wirklich gibt. Natürlich glaubte ihn keiner in Frankreich, dafür aber in Königsberg. So zog er aus, um Vampirismus zu studieren. Über die Jahre sammelte er immer mehr angebliches Wissen an, sprach mit 'Experten' und ernannte sich bald selbst zu einen. Die Welt der Wissenschaft wandte ihm den Rücken zu und er wurde von seinen ehemaligen Kollegen nur noch als Spinner verspottet.“

„Aber deine Familie hat ihm geglaubt?“

„Nein natürlich nicht... Aber wir haben es hingenommen, in der Hoffnung, dass er bald zur Vernunft kommen würde...

Nun ja... Vor vier Jahren wurde es jedoch noch schlimmer. Die Geschichte kennst du ja...
 

„Wir wollen ihn helfen wieder zur Vernunft zu kommen, in dem wir ihn zeigen, dass es keine Vampire gibt. Verstehst du?! Wir halten es einfach nicht aus, dass ein guter Freund von uns immer mehr seinen Wahnvorstellungen zum Opfer fällt.“
 

Sie sah ihn tief in die Augen und mit einem Schlag, wurde Adrien bewusst, warum sie ihn all das erzählte: Sie sah in ihm einen Leidensgenossen. Jemand, der einen für ihn wichtigen Menschen an den Glauben an diese Monster zu verlieren droht.

Der Junge nahm eine entschlossene Haltung an und fasste eine ihrer Hände.

„Wir werden es schaffen“, verkündete Adrien und sah ihr tief in die Augen, „Wir werden den hiesigen Grafen finden und beweisen, dass er kein Blutsauger ist!“

Marinettes Wangen erröteten. Schüchtern nickte sie zurück und schenkte ihn ein kleines aber bezauberndes Lächeln.
 

Eine Weile lang liefen sie einfach nur schweigend nebeneinander her, ein jeder tief in Gedanken. All ihre jahrelangen Sorgen schienen nichtig. Sie gaben sich gegenseitig Halt, ohne sich dessen bewusst zu sein.
 

Adrien war der Erste, der das Schweigen brach: „Meine Mutter war das blühende Leben. Sie war bildschön, beliebt und immer von Menschen umringt. Als es ihr noch besser ging, organisierte sie fast jedes Wochenende prächtige Feste oder verreiste mit ihren Freunden in ferne Länder. Vater hingegen war schon immer eher ein Einzelgänger. Nur meiner Mutter zu Liebe begab er sich unter Leute.

Als sie dann... erkrankte... brach eine Welt für ihn zusammen. Sie war sein Ein und Alles. …
 

„Er... kann ihr nicht helfen und das weiß er auch. Aber er kann ihren kommenden Tot einfach nicht wahrhaben. Er hat schon alles versucht. Und ich meine wirklich alles: Hexen, Mönche, Zaubertränke... Doch nichts kann ihr helfen. Sie stirbt, doch ich darf nicht trauern. Ich darf nicht mit ihren Leben abschließen, weil mein Vater es nicht kann, verstehst du? Ich... Ich werde beide verlieren, Marinette. Wenn meine Mutter stirbt, wird sein Herz brechen und sein Körper wird es ihm gleichtun. Meine einzige Chance wäre, dass er vorher aufgibt – dass er endlich einsieht, dass es Dinge gibt, die unaufhaltsam sind.“

„Das heißt... Er will einen Vampir finden, um deiner Mutter zu helfen?“, hauchte Marinette und blickte ihn geschockt an.

Die Blonde nickte und starrte in den Nachthimmel. Die Sterne funkelten.

„Ich... äh... Wir... Wir werden es sicher schaffen.“

„Danke“, murmelte er mit einem leichten Lächeln.
 

Erneut entstand eine lange Pause, in der beide nur schweigend durch den Schnee flanierten.

Erst ein paar Minuten später fiel Adrien auf, dass er gar keine Häuser mehr sah. Sie wurden durch dicke Bäume abgelöst, deren Wipfel sich unter der schweren Schneedecke bogen.
 

„Wir sollten zurück gehen“, bemerkte er und wand sich um. Doch zu seinem Schrecken, konnte man ihre Fußspuren nicht mehr erkennen. Auch schienen sich die Bäume bewegt zu haben, denn nichts erinnerte mehr an ihren Hinweg.

„H-Haben wir uns etwa verirrt?“, stotterte Marinette und suchte erbleicht nach irgendeinem Hinweis, der sie wieder ins Dorf führen würde. Doch die dicken Baumstämme versperrten den Blick auf etwaige Laternen oder Hausdächer.

Auch Adriens Gesicht hatte sichtlich an Farbe verloren. Die Kälte kroch ihn bereits unter die Haut.
 

Wenn sie nicht schnell zurück finden würden, dann...



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Yuna_musume_satan
2019-05-29T23:11:41+00:00 30.05.2019 01:11
Klasse ich bin schon gespannt wie es weiter geht


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