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Wo du Zuhause bist

von

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Mittelerde

Sehr langsam blinzelte Anna. Einmal, Zweimal und noch ein drittes mal. Hatte sie eben richtig gehört? Sie war in Mittelerde und Gandalf hätte auf sie gewartet? Der Gandalf? Der aus den Büchern? Nein. Das war alles so verrückt! Ein hysterisches Lachen brach aus ihr heraus. War sie wahnsinnig geworden? Ganz bestimmt! Spätestens nach ihrem Lachanfall war es jedem klar.

Gandalf räusperte sich laut, um ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihn zu lenken, brauchte es jedoch einen weiteren Moment, bevor sie ihm wieder ins Gesicht blickte und sich die Tränen vom Gesicht wischte. „Nochmal zum Mitschreiben“, begann Anna amüsiert, stemmte ihre linke Hand an die Hüfte und sah zum Zauberer hinauf. „Ich bin in Mittelerde. Du bist Gandalf. Und du hast auf mich gewartet?“

„Ihr scheint also zu wissen, wer ich bin. Sehr schön“, sagte der alte Zauberer angenehm überrascht. „In der Tat habe ich auf Euch gewartet. Wie lautet Euer Name?“

Anna legte ihren Kopf schief. Gandalf schien das Ganze ziemlich locker zu sehen, was bei ihr nur auf Unverständnis stieß. Und ihr Name? War das wichtig? Viel wichtiger war es doch, dass er ihr sagte, wieso er auf sie gewartet hatte. „Anna Schubert“, sagte sie beiläufig, da sie sich auf den wichtigeren Teil konzentrierte: „Und warum hast du auf mich gewartet?“

Ein mildes Lächeln umspielte seine Lippen. „Ein außergewöhnlicher Name. Kommt erst einmal mit mir, Liebes. Die Dunkelheit bricht herein und Ihr seht aus als könntet ihr etwas zu Essen vertragen“ Er hob wieder eine seiner buschigen Augenbrauen. „Ebenso ein Bad und andere Kleidung.“, fügte er abschließend mit einem argwöhnischen Blick hinzu. Ihr Kleidungsstil und Aussehen war äußerst sonderbar, ganz wie ihr Name. Das wunderte ihn jedoch nicht, war er darauf eingestellt eine junge Dame aus einer anderen Welt zu empfangen.

Anna sah an sich hinunter und zuckte mit den Schultern. Ihre Boots, schwarze Jeans, besonders ihr weißes Tanktop und ihre Lederjacke waren voller Dreck. Sie war schon schlimmeres gewohnt gewesen. Das bisschen Schmutz brachte sie schon nicht um. Viel wichtiger war, dass sie Antworten bekam. Warum war sie hier? Und lebte sie überhaupt noch oder halluzinierte sie? „Ein, zwei Fragen noch bevor du mich entführst“ Der Zauberer runzelte die Stirn, sagte aber nichts. „Bin ich tot? Ist das ein Scherz?“

„Seid kein Narr, Kind“, verließ es den Zauberer mit seiner tiefen Stimme. „Ihr seid ganz offenbar bester Gesundheit.“

Die junge Frau grummelte. Wollte Gandalf sie verarschen? Langsam riss ihr der Geduldsfaden. „Okay, passen Sie... was auch immer, mal auf. Ich war gerade noch auf dem Weg zu meinem Onkel, jetzt befinde ich mich hier. Mitten in Mittelerde, das eigentlich gar nicht wirklich existiert! Das gibt es nicht! Es ist Fiktion! Dann rede ich mit Gandalf dem Grauen und der sagt mir, er hat auf mich gewartet. Was soll ich denn denken? Ich muss träumen oder tot sein! Und wenn ich tot bin, ist das wirklich ein schlechter Scherz! So hab ich mir den Himmel nämlich nicht vorgestellt! Oder bin ich in der Hölle? So unartig war ich echt nicht! Vielleicht doch, manchmal... aber das ist nicht der Punkt!“, ratterte sie außer Atem und aufgewühlt herunter. Sie stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch. „Ich habe zu viel Zeit mit Büchern verbracht... und ganz eindeutig zu viel mit Herr der Ringe“, seufzte sie schwer und massierte ihre Schläfen. Ihr Kopf hatte begonnen stark zu pochen. Das war doch bestimmt ein Irrtum. Das alles hier.

„Ich werde Euch alles in Bree näher bringen. Sorgt Euch nicht. Alles hat seine Ordnung, Liebes“ Seine Gesichtszüge entspannten sich, während seine Augen Mitleid ausdrückten. Einladend hielt er seine große Hand zu ihr hinunter. „Kommt jetzt. Bei Nacht ist es gefährlich an diesem Ort.“ Gandalf schenkte dem Wald einen kurzen Blick.

Anna war viel zu müde, hungrig und durstig um jetzt weiter zu diskutieren. Sie nahm kopfschüttelnd und besiegt seine Einladung an und wurde mit einem kurzen starken Ruck, was sie dem alten Mann gar nicht zugetraut hätte, schon direkt auf sein Pferd gezogen. Unschlüssig legte sie ihre Arme um den großen Zauberer, der bereits begann dem Pferd die Sporen zu geben. „Was ist das überhaupt für ein Wald? Die Bäume waren nicht besonders freundlich.“

„Der alte Wald“, verließ es dunkel seinen Mund. „Kein Ort, an dem man sich lange aufhalten sollte.“
 

„Jetzt, wo wir so kuschelig auf dem Pferd sitzen und hin und her schaukeln“, begann Anna doch ungeduldig als sie die vorbeiziehende grüne Landschaft betrachtete, die genauso wunderschön war, wie sie es sich immer vorgestellt hatte. „Haben wir doch auch ein bisschen Zeit? Wie wäre es jetzt schon mit ein paar Antworten?“ Sie konnte nicht tatenlos auf dem Pferd sitzen, während ihr Magen rebellierte und ihr Mund unsagbar trocken war. Also versuchte sie sich mit etwas abzulenken und wie konnte man die Zeit besser nutzen? Ein lautes Seufzen war von vorn zu hören.

„Habt Geduld. Mit etwas Essen und Trinken im Magen ist die Welt schon ein anderer Ort.“

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass es danach immer noch Mittelerde ist“, gab sie leise trocken zurück. „Was hier das Kernthema ist. Also, Gandalf, gibt es einen Grund, wieso ich hier bin? Und damit meine ich einen so richtig, starken, triftigen Grund, der rechtfertigt, dass man mich aus meiner Welt reißt“, fuhr sie fort. Wenn das hier tatsächlich real war, was sie irgendwie noch immer bezweifelte, war das eine gute Frage. Wieso war sie hier? Da fiel ihr direkt eine weitere wichtige Frage ein. „Und welches Jahr haben wir?“ Vielleicht klärte das schon etwas auf.

Gandalf ließ sich einen Moment Zeit. War das Datum von Bedeutung? In dieser jungen Menschenfrau steckte mehr als er auf den ersten Blick vermutet hatte. „Wir schreiben das Jahr 2941 des dritten Zeitalters. Und ich fürchte Eure Ankunft hat in der Tat einen wichtigen Grund.“

Anna zog ihre Stirn in Falten. Wann ging die Ringgemeinschaft noch einmal los? War das nicht irgendwann um 3000? Wenn es sich also nicht um den Ring der Macht drehte, in welcher Geschichte hing sie nun fest? Oder war es gar keine? Da gab es noch den Hobbit. Nein, sie würde nicht wirklich in die Geschichte vom Hobbit geworfen werden. Oder doch? „Ich frage mal vorsichtig“, tastete sie sich behutsam vor und versuchte alles ernster zu nehmen als sie wahrscheinlich sollte. „Ihr wollt Erebor zurückerobern?“

„Ihr seid wirklich gut informiert.“

„Großer Gott, Gandalf! Heißt das, ich bin deswegen hier?! Soll ich mit zum Erebor?“, krächzte sie entsetzt und rutschte ein Stück näher an den alten Mann heran. War das der Grund? Sie sollte mit Erebor erobern und einen Drachen töten? Sie zog eine Augenbraue hoch. Nicht ganz. Der Drache wurde von jemand anderem erledigt, aber dennoch war es extrem gefährlich. Wozu war sie da? Der Berg war am Ende wieder in Zwergenhand. Wozu ihr auftauchen? „Warum? Auch ohne mich wird Erebor wieder den Zwergen gehören.“ Sie war schlichtweg überflüssig.

„Also sind die Zwerge siegreich“, murmelte Gandalf gedankenverloren. „Ihr kennt offenbar das Schicksal der Zwerge.“

„Moment“, sagte sie verwirrt. Hieße das, Gandalf hatte absolut keine Ahnung wie die Reise endete?Warum hatte er sie dann geholt. Er war es doch gewesen, der sie in diese Welt geholt hatte? Vorausgesetzt das alles war natürlich real. „Ihr habt keine Ahnung?“

„Oh, natürlich nicht, mein Kind. Niemand kennt die Zukunft“ Gandalf lachte leise. „Mit Ausnahme von Euch. Dies wird der Grund sein, wieso Ihr geschickt wurdet.“

„Ich komme immer noch nicht mit. Ihr habt mich nicht geholt?“

Der Zauberer hustete einmal schuldbewusst auf. „Doch, doch, Kind.“

In einem mal riss sie die Augen auf. „Hieße das, Ihr könnt mich zurückbringen?“ Wenn er sie herbrachte, konnte er sie auch wieder fortschicken, richtig? Denn eigentlich hegte sie absolut kein Interesse daran an dem Selbstmordkommando teilzunehmen.

„Möchtet Ihr denn zurück?“

„Och nein, wo denkt Ihr hin. Ich ende gern als Happen für die dunkle Seite...“, meinte sie salopp. „Aber hallo will ich das!“

„Wollt Ihr nicht noch einmal darüber nachdenken?“

„Nein? Das ist Wahnsinn hier. Ich kenne die Welt doch nur aus einem Buch. Auch wenn ich recht gut mit meinem Bogen umgehen kann, ist das hier echt. Eine falsche Bewegung und das war es für mich“ Alleine der Gedanke ließ sie kreideweiß werden. Sie wäre schneller tot als ihr lieb wäre. „Wie gesagt, die Zwerge schaffen das auch super ohne mich. Ich werde nicht gebraucht.“

„Seid Ihr da ganz sicher? Gibt es nichts, worauf ihr noch Einfluss haben könntet? Auch wenn ich verantwortlich für Euer Kommen bin, seid Ihr es die gesandt wurde.“

Was meinte er denn jetzt damit? Worauf sie Einfluss haben könnte? Hatte er nicht genau sie im Sinn als er jemanden heraufbeschwörte? „Was meint Ihr damit?“

„Ich bat die Valar um Beistand. Ihr seid das Resultat“, begann er ebenso in Gedanken versunken. „Die Entscheidung Euch zu senden hat also ein bestimmtes Ziel. Denkt noch einmal nach. Was könntet Ihr noch weiteres leisten?“ Sie musste zweifelsfrei ein bestimmtes Ziel erreichen, so war sich Gandalf sicher. Die Valar sandten nicht leichtfertig jemanden. Doch das verblieb noch abzuwarten.

„Nein.... Nein“, hauchte Anna leise. Hieße das, Gandalf konnte sie doch nicht zurückschicken? Wieso holten die Valar sie hierher? Die Zwergenkompanie war am Ende erfolgreich! Dáin wurde König unter dem Berge. Dáin. Thorin starb in der Schlacht der fünf Heere, ebenso seine Neffen und Erben Fíli und Kíli. War sie deshalb hier? Sollte sie diese drei Zwerge retten? Doch die Zukunft kam auch ohne sie zurecht. Was wollten die Valar damit erreichen? Vor allem da die Valar die Zwerge doch gar nicht so sehr mochten? Oder erinnerte sie sich falsch? Sie hätte eindeutig in der letzten Zeit noch einmal die Bücher lesen sollen. „Ich weiß vielleicht warum ich hier bin. Was ich tun muss.“

„Gut, ... gut. Doch verratet es mir nicht, Liebes. Niemandem, hört Ihr mich?“, sagte Gandalf mit ernster Stimme. „Niemand darf davon wissen, dass Ihr Kenntnis von der Zukunft habt.“

Damit konnte Anna gut leben. Sie hatte nicht vor ein Wort darüber zu verlieren, oder überhaupt hier zu bleiben. Alleine die Idee in Mittelerde zu bleiben, um den Zwergen zu helfen, war absolut verrückt. Würden sie sie überhaupt akzeptieren? Sofort schüttelte sie diesen Gedanken ab. Nein. Sie würde nicht anfangen darüber nachzudenken. Anna wollte ihr Leben behalten, konnte sich dennoch kein bissigen Kommentar sparen. „Schade, ich wollte schon mit einem Schild auf dem fett steht 'Ich kenne die Zukunft' und einer Glaskugel auf Tour gehen.“

Gandalf seufzte schwer. Die Reise mit dieser Frau sollte sich als eine Herausforderung darstellen.
 

Müde öffnete Anna langsam ihre Augen. Verwirrt blickte sie vor sich, neben sich und schließlich wieder vor sich. Wo war sie? Da traf es sie wie ein Blitz, sodass sie sofort kerzengerade saß. Gandalf! Sie saß mit diesem alten Mann auf seinem Pferd. Nach dem Gespräch war sie wohl vor Erschöpfung irgendwann eingenickt. Ein Glück, dass sie nicht vom Pferd gefallen war.

„Ihr seid wach. Sehr schön. Wir sind eben angekommen“, sagte Gandalf erleichtert, jener sich vom Pferd hievte.

Erst jetzt fiel ihr auf, wo sie sich befand. Auf einer breiten fast menschenleeren Straße, die schwach von den vielen Fackeln der dicht stehenden Häuser beleuchtet wurde. Sie war in Bree angekommen und standen vor dem Gasthaus 'Zum tänzelnden Pony'. Unmittelbar stieg ihr ein strenger Geruch in die Nase und es traf sie ein weiterer Schock als sie dabei zusah wie jemand aus einem Fenster weiter hinten einen Topf entleerte. Angewidert rümpfte Anna ihre Nase. Die Menschen entsorgten ihren Unrat und auch ihre Hinterlassenschaften auf der Straße, weshalb es so roch, wie es roch - abartig. Das Mittelalter war eben nicht so toll, wie es sich viele in ihrer Welt vorstellten. Und der Gedanke in einen dieser mittelalterlichen Toiletten ihr Geschäft zu verrichten, verstörte sie abgrundtief. Spätestens jetzt wollte sie zurück in ihre Welt – und sie verkniff sich jegliches Bedürfnis eine Toilette aufzusuchen.

Als Gandalf zu ihr hinauf sah, fragend und nicht recht wissend, was sie dermaßen Entsetzte, räusperte er sich. Anna löste sich dadurch aus ihrer Starre und stieg mit Zögern vom Pferd und landete mit einem Platsch im Matsch der Straße.

Im Gasthaus war es nicht viel besser. Zu dem unangenehmen Geruch gesellten sich jedoch noch ein paar weitere, woraufhin sie den beißenden Gestank tatsächlich vergaß und ihr gleich das Wasser im Mund zusammen lief. Essen! Und Trinken! Wohin sie auch sah, die Besucher der Schenke waren schwer damit beschäftigt zu trinken, zu essen und zu feiern. Gelächter mischte sich mit Gesang und einigen Instrumenten. Es war laut, aber dennoch erträglich. Mit großen Augen folgte sie Gandalf, der sich in einer Ecke an einem freien Tisch niederließ. Kaum hatte sie sich ihm gegenüber gesetzt, kam eine Frau mittleren Alters an den Tisch. Kritisch beäugte Anna die Frau. Ihre Oberweite schien ihr fast aus dem engen, von dunklen Flecken übersäten Kleid zu hüpfen. „Was darfs sein?“, fragte sie mit einem weiten Lächeln, das ihre faulen Zähne zeigte. Direkt schüttelte Anna sich wieder vor Ekel. Das Mittelalter. Gandalf schien unbeeindruckt und bestellte zwei Portionen vom Angebot des Abends.

Nachdem die Frau kehrt machte, bemerkte Anna wie sie von einigen Augenpaaren beobachtet wurde. In einigen konnte sie klares Misstrauen ausmachen, andere wirkten verwundert. Schnell wandte sie sich ab, räusperte sich und lächelte schief. „Das ist also das tänzelnde Pony?“, meinte sie plötzlich. „Sieht so aus wie im Film.“

Der Zauberer blickte sie unter seinem Hut neugierig an. „Habt Ihr etwas anderes erwartet?“

„Oh? Nein, nein. Ich dachte nur, dass es wie im Film ist.“ Anna machte eine Pause und runzelte die Stirn. „Und Ihr wisst natürlich nicht, was ein Film ist. Ich wollte nur sagen, dass es wohl die Filmvorlage ist, in der ich mich befinde?“ Verwirrt über ihre eigene Aussage, zog sie ihre Augenbrauen zusammen. Das war ein berechtigter Gedanke. Im Film liefen ein paar Dinge anders als im Buch. Da erinnerte sie sich vor allem an einen Buch-Thorin, der seinen Mund nicht halten konnte und im Film sagte er kaum etwas. Sie würde lieber dem Buch-Thorin begegnen. Der war nicht so unheimlich und unfreundlich.

„Ich fürchte, ich kann Euch nicht folgen, Liebes“, sagte der Zauberer, welcher sich seine Pfeife aus der Robe holte und sie begann zu säubern.

„Schon gut“, winkte sie ab. Da sie nicht mitkommen würde, war es egal was für ein Thorin in Beutelsend auf sie wartete. „Sagt mir lieber, wie Ihr mich wieder zurückschickt.“

Bei diesem Satz, sah Gandalf verblüfft von seiner Pfeife auf. „Ihr gedenkt also nicht Euch dem Unternehmen anzuschließen?“

„Sagte ich doch schon. Das ist mir zu gefährlich. Die Unternehmung ist auch ohne mich erfolgreich“, fing Anna an. „Ich sehe keinen Grund mitzukommen. So überhaupt nicht.“

„So? Sagtet Ihr nicht, dass es doch einen Grund gäbe?“

Anna seufzte. „Nein, … Ja. Das ist nicht wichtig.“ War es wirklich unwichtig? Der Tod von Thorin und seinen Neffen hatte sie schon als Kind mitgenommen. Und nach den Filmen konnte sie sich selbst als Erwachsene kaum mit den Tränen zurückhalten. Verweint hatte sie damals das Kino verlassen und war bereit gewesen mit in die Schlacht zu ziehen, alleine um die Tode abzuwenden. Das klang in dieser Situation so ironisch, dass sie dümmlich auflachte. „Gandalf. Das ist purer Wahnsinn. Ich denke nicht, dass ich fähig bin diese Dinge zu ändern. Ich habe zwar meinen Bogen, aber das wars. Von Schwertern, Äxten und all dem Nahkampfzeug habe ich keine Ahnung! Und für gewöhnlich kommen die Gegner immer schnell in Nahkampfreichweite und machen Hackfleisch aus einem“, gab sie ihren Bedenken eine Stimme. „Ich wäre nur eine Last.“

„Darum müsstet Ihr Euch nicht sorgen, Liebes. Die Zwerge sind ausgezeichnete Kämpfer und würden Euch mit Freuden unterrichten“, sagte Gandalf, als er sich die Pfeife mit Kraut stopfte und sie anzündete.

Anna stieß hörbar die Luft aus. So kam sie Gandalf nicht bei, der ganz klar von ihr überzeugt war. Woher nahm er diese Sicherheit? „Was ist, wenn ich die Geschichte so stark beeinflusse, dass es eher schlimmer wird?“, sagte sie leise, doch der Zauberer schien sie durch den Lärm zu hören, da er abermals seine Augenbrauen anzog.

„Es liegt Euch also etwas an den Zwergen?

„Natürlich! Das waren früher meine Helden.“

„Dann müsst Ihr dem Unternehmen beitreten“, sagte er unmittelbar mit fester Stimme. „Habt Vertrauen, Kind“, fuhr er mit einem mysteriösen Glitzern in den Augen fort. „Ihr wurdet aus einem bestimmten Grund auserwählt. Ändert das Schicksal. Schreibt die Geschichte neu. Ihr seid dazu imstande. … Ah das Essen, wundervoll.“

Die Frau kehrte mit dem bestellten Essen und zwei Krügen wieder und stellte es wortlos auf dem Tisch ab. Sofort griff Anna nach dem Brot auf einem Teller und biss ab. Es schmeckte himmlisch! Begeistert seufzte sie auf. Trotzdem hatte es einen bitteren Nachgeschmack, da die Worte von Gandalf in ihrem Kopf kreisten. Sie sei also dazu imstande die Zukunft zu verändern? Ganz sicher würde sie das, aber nicht positiv, wie es sich der alte Zauberer vorstellte. Das bisschen Bogenschießen würde Thorin nicht retten. Oder seine Neffen. Und sie konnte dem Zwerg unter keinen Umständen sagen, dass sie wusste, was passierte. Wahrscheinlich würde sie nicht nur jeder für verrückt halten, sondern würde auch großen Schaden anrichten. Nicht auszudenken, wenn sie alleine an das Treffen mit Gollum in dem Nebelgebirge dachte. Wenn Thorin nie diesen Weg einschlug, oder gewarnt war. Bilbo würde nie den Ring der Macht erhalten. Aber das musste stattfinden. Nein, besser sie mischte sich nicht ein. Denn es war das Schicksal von ganz Mittelerde, was in Gefahr war. Der Tod vom Zwergenkönig und seinen Neffen war unausweichlich. Anna konnte einem so riskanten Plan niemals zusagen. Geschweige denn ob sie das überlebte. Ihr Leben stand nämlich auch auf dem Spiel – nach wie vor.

„Nein, es tut mir leid, Gandalf. Ich kann das nicht. Das ist zu viel Verantwortung“, sagte sie zwischen einem weiteren Biss vom Brot und einem Löffel des Eintopfes. „So sehr ich Abenteuer mag, aber das hier ist zu groß, zu gefährlich. Nicht nur für die Zwerge.“

Gandalf ließ sich etwas Zeit, ehe er zum Verständnis nickte aber ein kleines geheimnisvolles Lächeln zu verbergen wusste, während er ebenfalls von seiner Schüssel Eintopf aß. „Ich verstehe. Doch ich muss Euch sagen, dass Ihr mich ein Stück auf dieser Reise begleiten müsst.“

„Was soll das heißen?“ Anna blickte von ihrer Schüssel auf, direkt in das von Falten gezeichnete Gesicht des Zauberers.

„Mir wird es nicht möglich sein Euch noch zeitig heimzuschicken. Aus diesem Grund müsst Ihr an einem sicheren Ort verbleiben und auf meine Rückkehr warten.“

„Nein“, begann sie entsetzt. „Ihr wollt mich zurücklassen? Wo? Bitte sagt nicht hier in Bree.“ In dieser Stadt wollte sie nicht länger als nötig bleiben!

„Nicht doch, Liebes. Wir werden auf der Reise einen Ort aufsuchen, an dem Ihr verweilen könnt.“ Die Gesichtszüge des Zauberers entspannten sich sichtlich und ein Lächeln fand sich auf seinen Lippen wider.

Angestrengt runzelte sie die Stirn, ehe es ihr wie Schuppen von den Augen fiel. Ein sicherer Ort in Mittelerde. Da fiel ihr auf der Stelle nur eines ein. „Bruchtal.“, hauchte sie. Sie würde Elben sehen? Und dort viele Monate auf die Rückkehr von Gandalf warten? Das kleine Mädchen in ihr schrie vor Glück. Vielleicht war es doch nicht so schlecht eine Weile zu bleiben. Überwältigt von der Idee, nickte Anna abwesend. Wer träumte nicht davon einmal Elben kennenzulernen? Das war wohl die beste und einzige Gelegenheit.
 

Verwirrt blinzelte sie der Sonne entgegen, die sie durch das milchige Glas des Zimmer blendete. Stöhnend richtete sie sich vom Bett auf, während sie sich gähnend den Schlaf aus den Augen rieb und ihr Kopf wieder zu arbeiten begann. Was für einen verrückten Traum sie gehabt hatte. Und er fühlte sich dazu noch so real an. Sie in Mittelerde? Das war mal was anderes. Zum Glück war es nur ein Traum und die Benutzung des Nachttopfes ein Albtraum gewesen. Leise kicherte sie als sie ihr Umfeld realisierte und ihr Kichern starb. Das Bett, die Kommode, der Kamin, dazu der hölzerne Boden. „Nein... Nein!“, rief sie aus, schlug die Bettdecke von sich und stürmte aus dem Bett, stolperte dabei fast über ihren Rucksack. Als wenn das Zimmer nicht schon Beweis genug war, öffnete sie das Fenster, um auch sicherzugehen. Die bekannte Luft vom Vorabend, die mittelalterlich gekleideten Menschen auf der sehr belebten Straße, Pferde wieherten und zogen Karren hinter sich her. Sie war tatsächlich in Mittelerde! Haare raufend stieß sie laut diverse, mit unter derbe, Flüche aus.

„Ist alles in Ordnung bei Euch?“, war es plötzlich von der Türe her zu hören, sodass sie inne hielt und zu jener blickte. Das war definitiv nicht Gandalf, es sei denn, er war über Nacht eine Frau geworden. Es war die Bedienung von letzter Nacht, die voller Schrecken im Gesicht im Türrahmen stand, in den Händen frische Laken. Anna musste sie aufgeschreckt haben. „Ach, du meine Güte, Kindchen! Ihr seid ja voller Farbe!“ Verwirrt prüfte Anna die Aussage der Frau, konnte jedoch nichts an ihren nackten Beinen, Oberarmen, Slip oder an ihrem großen T-Shirt erkennen, dass sie immer zum Schlafen benutzte.

„Nein?“, fragte sie sich selbst, als schon die Frau mit einem besorgten Gesichtsausdruck hinein kam und die Laken auf dem Bett ablegte.

„Seht Ihr das denn nicht? Eure Arme... Was ist das?“ Neugierig geworden sah die Frau genauer hin.

Mit wachsender Panik überprüfte Anna noch einmal ihre Arme, konnte jedoch nichts außer ihren Tattoos feststellen, die von ihren Schultern bis zum Unterarm reichten. Meinte das die Frau? Aber es gab doch auch schon im Mittelalter so etwas wie Tattoos? Schulterzuckend verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Das sind Tattoos. Ich habe auch eins auf dem Rücken.“

„Oh, wie interessant. Es sieht wie ein Gemälde aus! Ja, ein wahres Kunstwerk! Sind das Rosen? Sie wirken so echt!“, sagte sie verzückt, beugte sich und wollte eine dieser Kunstwerke berühren als Anna sich dem entzog.

„Ja Rosen und ja, Kunstwerke sind das wirklich, aber nicht anfassen.“

„Entschuldigt, aber so etwas sehe ich das erste mal. Die Tattoos sind überwiegend ein Schmuck der Zwerge und keines davon war je so ausgeschmückt. Oder gar so farbig! Ihr stammt wohl nicht von hier?“

„Oh nein, ganz und gar nicht.“, meinte Anna amüsiert, während sie abwinkte. Wenn diese Frau wüsste. Und was würde diese Frau erst zu ihren Piercings sagen? Zumindest denen, die man nicht sah. Was so gut wie fast jedes einschloss. Die normalen, wenn auch vielen, Ohrpiercings ausgeschlossen. An jedem Ohr hatte sie mindestens vier davon. „Ah, Ihr seid wach!“, meldete sich nun eine bekannte Stimme, sodass sich Anna und die Frau umdrehten. „Und wie ich sehe noch nicht bekleidet“, fuhr Gandalf fort und räusperte sich. „Ihr solltet die Türe stets geschlossen halten, wenn Ihr Euch hier aufhaltet“, gab er ihr mit freundlicher Stimme den Rat. „Ich werde unten auf Euch warten.“ Mit diesen Worten suchte der alte Mann anschließend das Weite. Seufzend kratzte Anna sich an der Schläfe und die Frau verabschiedete sich mit einen ihrer unschönen Lächeln, sodass die junge Frau allein mit geschlossener Türe zurückblieb. Unschlüssig ging sie zum Bett, nahm den Rucksack vom Boden auf und legte ihn aufs Bett. Ob sie neue Kleidung anziehen sollte? Nein, die würde in wenigen Stunden genauso dreckig aussehen wie ihre alte, weshalb sie sich nur dazu entschied das weiße Tanktop gegen ein schwarzes zu tauschen und den Rest so beließ wie er war. Zuletzt bürstete sie sich noch ihre dunkelblonden, langen Haare und band sie gut sie konnte, wie am Vortag, zu einem dicken Knubbel am Hinterkopf fest.

Mit besserer Laune zog sie den Rucksack, samt Bogen und Köcher wieder am Rücken fest. Ein neuer Tag, neues Glück.
 

„Gandalf? Warum habt Ihr da zwei Pferde im Schlepptau?“, fragte Anna überrascht, obwohl es ihr übel vorschwärmte. Sie hatte nichts gegen Pferde. Sie liebte sie sogar, aber was Gandalf damit ausdrückte, gefiel ihr nicht. Ein eigenes Pferd bedeutete, dass sie eines benötigte. Und das tat man für gewöhnlich, wenn man vor hatte lange unterwegs zu sein. Aber wäre sie es denn nicht, wenn sie ihn eine Weile begleiten musste? Moment. Was genau hatte sie da gestern zugestimmt? Sie erinnerte sie an die Elben, an Bruchtal, aber weiter? Ihr Kopf war ein einziges Chaos!

Gandalf antwortete ihr nicht, sondern reichte ihr die Zügel des schwarzen Hengstes, welche sie zögerlich in die Hand nahm. „Wir müssen uns eilen. Steigt auf. Ihr könnt doch reiten?“

„Natürlich!“, gab sie sofort mit etwas Empörung von sich. Zwar war es schon lange her, dass sie geritten war, aber man verlernte es nicht. Das war wie mit Fahrrandfahren. Einmal gelernt und es saß. Aber ihr machte das Pferd etwas Angst. Es war im Vergleich zu ihr gewaltig! „Hat sie...“, begann sie, sah aber einmal nach. „Er einen Namen?“

Verwundert über diese eigenartige Frage, zog der Zauberer seine Stirn kraus. „Nein.“, sagte er kurz gebunden und stieg auf sein eigens Pferd.

„Oh, dann nenne ich dich Khal Drogo“, meinte Anna mit einem wissenden Grinsen stolz und streichelte dem Hengst über die weichen Nüstern. „Du siehst mir stark aus. Also sei nett zu mir, ja? Reiten ist lang her...“
 

Und es stellte sich heraus, dass Drogo ein sanfter Riese war. Sein Gang war angenehm groß und er bewies Geduld. Wie es schien, war das Glück heute etwas mehr auf ihrer Seite. Wobei sie sich noch immer nicht sicher war, ob es überhaupt Glück war, hier gelandet zu sein. Erst einmal genoss sie nochmals die unberührte Landschaft und vor allem die sehr saubere Luft.

„Sind wir auf dem Weg zu Bilbo?“, fragte Anna nach einer Weile des Schweigens und schloss zu dem Zauberer auf, da ihr die Stille langsam zu viel wurde. Jener warf ihr einen kleinen Seitenblick zu.

„Oh, aber gewiss“, sagte Gandalf gefestigt. „Bilbo wird eine wichtige Rolle spielen.“

„Das wird er... und wie. Ich mag Bilbo“ Anna nickte bekräftigend. „Das heißt, ich werde also auch auf Thorin und Co treffen“ Eine logische Schlussfolgerung, die sie nachdenklich stimmte. „Und ein kleines Stück mit den Zwergen reisen“, fuhr sie fort und wandte sich Gandalf zu, der ihr einen weiteren Seitenblick schenkte. „Wie wollt Ihr Thorin davon überzeugen mich mitzunehmen? Auch wenn es nicht lang ist, aber dieser Zwerg ist ganz besonders eigen.“

Bei ihrem letzten Satz lachte Gandalf auf. In der Tat war Thorin Eichenschild besonders eigen. „Da Ihr Euch nicht der Kompanie anschließt und nur ein Stück des Weges mit den Zwergen teilt, wird er es schnell akzeptieren. Ihr fallt nicht in seine Verantwortung.“

„Sagt mir, wie ist Thorin? Ist er... “, begann Anna vorsichtig. Wie konnte sie es gut ausdrücken? Besser sie sagte gleich, was los war. „die Labertasche, oder der griesgrämige Stinkstiefel?“

Erneut lachte der Zauberer auf. „Wie mir scheint, gibt es in Eurer Welt keine Eindeutige Darstellung von Thorin Eichenschild.“

„Oh, doch. Ihr müsst wissen, es gibt zwei Arten von Thorin in meiner Welt. Quasi, hm, wie zwei Bücher eben. Das Ende ist dasselbe, aber der Weg ist ein leichter Unterschied. Und ich frage mich nur, in welcher Version ich gelandet bin.“

„Dann lasst Euch überraschen, Liebes. Jeder Thorin ist es wert geachtet zu werden. Sei er ein Stinkstiefel oder ein geschwätziger Geselle.“

„Oh Gott, bestimmt ist es der Stinkstiefel, wenn Ihr schon so antwortet.“ Anna hoffte es inständig nicht. Allerdings fragte sie sich, ob er dann auch so aussehen würde wie im Film. Ohnehin wie jeder Zwerg aussah. Buch und Film waren ein wirklicher Unterschied. Der größte fing wohl bei Fíli und Kíli an. Waren beide im Buch blond und hatten anständige Bärte. Fíli war im Film zwar blond, aber sein Bart nicht so lang und an Kíli mochte sie gar nicht erst denken. Er war groß, braunhaarig und hatte kaum Bart. Eigentlich eine Verstümmlung. Ein Zwerg musste haarig sein! Was hatte sich Peter Jackson nur dabei gedacht? Wütend schnaubte sie. In ihrer Vorstellung gab es nur sehr männliche, sehr breite und sehr behaarte Zwerge. Alles andere war eine Beleidigung. Nichtsdestotrotz. Sollten die Zwerge so wie im Film aussehen, konnte keiner etwas dafür. Verantwortlich war allein Peter Jackson. Und so schlecht sahen die kleinen Kerle ja nicht aus. Sie konnte sich noch gut an ihre Schwärmerei für Dwalin erinnern. Kichernd hielt sie sich den Mund. Ihr Geschmack war wirklich ein Fall für sich, was besonders ihre Freundin fand. Aber was sollte sie tun? Dwalin machte eine gute Figur und sie mochte schon vorher den Schauspieler. So gesehen war es direkt ein dicker Pluspunkt gewesen.

Gandalf beobachtete die Regung der jungen Frau und runzelte abermals über ihr Verhalten die Stirn. Die Reise mit diesem Mensch sollte einiges an Überraschungen mit sich bringen und auch für den ein oder anderen lustigen Abend sorgen.
 

Je weiter sie westlich kamen, desto schöner wurde es. Staunend und mit einem Kribbeln im Bauch beobachtete Anna, wie die Landschaft immer hügeliger wurde. Beinahe, so dachte sie, befand sie sich im Paradies. Wenige Wölkchen schoben sich über den blauen klaren Himmel, die Vögel zwitscherten aufgeregt, die Luft war noch nie so rein und überall erblühten Massen an Blumen. Nirgendwo hatte sie je so satte und viele Farben gesehen. Ganz egal wie sehr sie gegen die gefährliche Reise war, es war ein Wunder hier zu sein, all das zu erleben, all das zu sehen. Ein wahr gewordener Traum eines jeden Fantasyliebhabers. Ja, für einige Zeit wäre es in Ordnung zu bleiben. Aber eine gefährliche Reise antreten? Dafür fühlte sie sich nicht bereit.

Es musste kurz vor Mittag sein, da die Sonne bald am höchsten Punkt stand als Gandalf und Anna die ersten Hobbits sahen. Verzückt lächelte sie über beide Ohren, hingegen die Hobbits Abstand nahmen und misstrauische Blicke den Reisenden zuwarfen. „Ganz genau wie Beschrieben.“, lachte Anna zu sich selbst leise. Und sie hätte am liebsten die Hobbitkinder, die aufgeregt eine kleine Strecke mitliefen, zu Tode gedrückt. Sie waren so winzig und niedlich, dass sie schon Schmerzen in der Wange hatte vor lauter Lächeln.

Als Gandalf sein Pferd hinter eine weitere Hügelkette auf einen weiteren Pfad führte, klappte Anna buchstäblich der Mund auf. Auf dem ersten Blick konnte sie in der Ferne den großen Hügel weiter oben erkennen. Unverfälscht und leibhaftig. Da lebte der berühmte Hobbit Bilbo Beutlin! Ihre Anspannung war so groß, dass sie ungeduldig auf dem Sattel hin und her rutschte, was sie auf Drogo übertrug. Er schnaufte und trat nervös von einem Huf auf den anderen. „Alles gut, mein großer Khal.“, sagte sie und streichelte dem Pferd über den Hals, beruhigen konnte sie sich allerdings selbst nicht.

Anna konnte es kaum glauben und ihre Anspannung wuchs mit jedem weiteren Schritt, der sie näher zum Hobbitloch brachte. Wie sollte sie reagieren? Bekam sie überhaupt einen Ton heraus?

„Halten wir hier und lassen die Pferde zurück.“, meinte der Zauberer als er schon sein Pferd stoppte und abstieg, was Anna ihm gleichtat. Gandalf band das Pferd an einen Zaun, der große Grundstücke voneinander trennte und machte sich ungeachtet auf den restlichen Weg hinauf den Pfad entlang.

Abrupt blieb Anna nach einem kleinen Fußmarsch stehen. Dort saß er. Der junge Bilbo, wie man ihm aus dem Film kannte. Mit seinen braunen, stark gelockten Haaren, sein doch schmales Gesicht, die großen, spitzen Ohren, und vor allem seine nackten, stark behaarten großen Füße, saß er auf seiner Bank vor seinem Hügelhaus und rauchte genüsslich seine Pfeife, umgeben vom Grün seines Grundstücks. Bei dem Anblick hüpfte ihr beinahe das Herz aus der Brust. Gandalf trat näher an das Grundstück vom Hobbit heran, sodass dieser aufmerksam wurde. Gespannt lauschte Anna dem Gespräch, das wenige Meter vor ihr stattfand. Bilbo hatte sie wohl noch nicht bemerkt, ganz eingenommen von dem großen alten Mann.

„Guten Morgen“, sagte Bilbo mit hochgezogenen Augenbrauen.

„Was meint Ihr damit?“, fragte er interessiert. „Wünscht Ihr mir einen guten Morgen oder meint Ihr, dass dies ein guter Morgen ist, gleichviel, ob ich es wünsche oder nicht? Meint Ihr, dass Euch der Morgen gut bekommt oder dass dies ein Morgen ist, an dem man gut sein muss?“

Da konnte Anna kein Kichern unterdrücken, vor allem nicht als Bilbo ratlos blinzelte. Der arme Hobbit. Gandalf überfiel den kleinen Mann regelrecht.

„Alles auf einmal“, antwortete der Hobbit als er mit der Nase wackelte. „und ein sehr feiner Morgen für eine Pfeife Tabak vor der Tür obendrein. Wenn Ihr eine Pfeife bei Euch habt, dann setzt Euch her und bedient Euch! Nichts drängt zur Eile, wir haben noch den ganzen Tag vor uns!“ Genüsslich zog er an seiner Pfeife und blies einen Ring in die Luft.

„Sehr schön“, sagte Gandalf. „Aber ich habe heute Morgen keine Zeit, Ringe zu blasen. Ich suche jemanden für ein Abenteuer, das bestanden sein will, und es ist außerordentlich schwierig, jemanden dafür zu finden.“ Der Zauberer wandte sich nach diesem Satz an Anna, die bisher unentdeckt einige Schritte entfernt gestanden hatte und nun beschämt den Kopf einzog.

„Oh, ein weiterer Besucher! Einen guten Morgen auch Euch“, kam es ehrlich vom Hobbit, der im nächsten Augenblick ihre eigenartige Kleidung bemerkte. Verwundert blinzelte er.

Anna hob ihre verschwitzte Hand hoch, kam die letzten Schritte näher und winkte dem Hobbit schüchtern zu. „Ja, auch Euch einen guten Morgen.“ Gott, hatte sie wirklich gerade Bilbo begrüßt? Es wirkte alles nun viel surrealer als ohnehin schon. Sie befand sich tatsächlich im Buch oder Film! Und erlebte die erste Szene live am eigenen Körper, die ihr eine Gänsehaut bescherte.

Bilbo wandte sich wieder dem großen Mann zu, jener gestützt auf seinem Stab den Hobbit anblickte. „Ein Abenteuer?“, begann er konfus und griff damit das Thema auf, das der sonderbare Mann angeschnitten hatte. „Nein, ich glaube nicht, dass irgendjemand westlich von Bree sonderlich viel Interesse an Abenteuer hat!“ Verunsichert, da sich der Mann ihn nur genau zu beobachten schien, stand Bilbo auf und ging zum Briefkasten. „Dabei hat man nichts als Ärger und Scherereien“, meinte er und holte Briefe aus dem Kasten heraus. „Und man kommt zu spät zum Essen!“ Während er seine Briefe überprüfte, blickte er mehrmals verkrampft zum alten Mann, der noch immer dort stand und ihn mit seinen durchdringenden Augen beobachtete. Bilbo räusperte sich. „Guten Morgen.“

„Dass ich von Belladonna Tuks Sohn mit einem Guten Morgen abgewimmelt werde, als ob ich Knöpfe an der Tür verkaufe.“, kam es entrüstet von Gandalf als er sah, wie sich der Hobbit entfernte.

Das ließ Bilbo auf seinen Treppenstufen vor seinem Haus stoppen, sodass er sich wieder dem alten Mann zuwandte. „Wie bitte?“

„Ihr habt Euch verändert. Und nicht nur zum Besseren, Bilbo Beutlin.“

„Verzeihung, kenne ich Euch?“ Verwirrt blinzelte Bilbo und zog die Stirn kraus. An so einen großen alten Mann würde er sich doch erinnern?

„Nun, Ihr kennt meinen Namen, obwohl Ihr nicht wisst, dass er zu mir gehört“, begann Gandalf und stellte sich straff auf. „Ich bin Gandalf. Und Gandalf …“ Eine Pause setzte ein, in welcher er nach Worten suchte. „bin ich.“

„Doch nicht Gandalf, der wandernde Zauberer, der immer so ein unglaubliches Feuerwerk gemacht hat?“ Mit jedem Wort hellte sich das Gesicht von Bilbo auf, was sich bei Gandalf widerzuspiegeln schien. „Der alte Tuk ließ zu jeder Sommersonnenwende eins abbrennen!“, sagte er begeistert, aber besonnte sich kaum später. Er schweifte ab. „Hatte keine Ahnung, dass Ihr noch im Geschäft seid.“

„Und wo sollte ich sonst sein?“, kam es doch etwas ungehalten von Gandalf.

„Nunja … Ahem“, verließ es leicht verlegen den Mund des Hobbits und versuchte es mit einem Zug von seiner Pfeife zu überspielen.

Gandalf war sichtlich enttäuscht von dem kleinen Hobbit. „Nun, es freut mich, dass Ihr noch irgendwas von mir wisst“, sagte er etwas unzufrieden. „Und wenn es auch nur mein Feuerwerk ist“ Der Zauberer atmete einmal tief durch und nickte schließlich. „Ja, das wäre dann entschieden“, kam es diesmal entschlossen von ihm. „Es wird Euch äußerst gut tun“, fuhr er ebenso fort, indessen die Falte zwischen den Augen des Hobbits tiefer wurde. „und für mich sehr belustigend sein. Ich werde es den anderen mitteilen.“ Dieses mal war es Gandalf, der sich zum Gehen umwandte.

„Mitteilen, wem denn? Was? Nein. Nein... wartet!“, verließ es von Panik ergriffen Bilbo, der sich die restlichen Stufen zu seiner Tür flüchtete. „Wir haben keine Verwendung für Abenteuer, schon gar nicht hier. Weder heute, noch ...“ Bilbo stoppte in seinem Redeschwall, während er wild mit den Händen gestikulierte, um seinen Worten Ausdruck zu verleihen. „Ich schlage vor, Ihr versucht es hinter dem Bühl oder jenseits der Wässer.“ Zögernd trat Bilbo zu seiner Tür und blickte zu Gandalf hinunter. „Guten Morgen.“, beendete er damit das Gespräch, erinnerte sich jedoch im nächsten Moment an die junge Frau, die noch immer neben Gandalf stand und recht interessiert dem Gespräch gelauscht hatte. Er öffnete schon seinen Mund um sich in voller Höflichkeit zu verabschieden, schloss ihn jedoch verunsichert wieder, da Gandalf wieder zum Sprechen ansetzte. Schnell verschwand er somit in seinem Haus, verschloss die runde Türe hinter sich und seufzte laut.
 

Kichernd sah Anna dabei zu, wie Gandalf unbeeindruckt von dem Ganzen, die kleine Zauntür öffnete, die Treppen hinauf ging und mit seinem Stab ein Zeichen in die grüne Tür zeichnete. Armer Bilbo, der nun dachte, er hätte alles überstanden. Sie musste dabei sein, wenn er dem ersten Zwerg morgen die Türe öffnete!

„Und was jetzt?“, fragte sie neugierig. Sie kannte nur die Sicht von Bilbo, jedoch nicht die von Gandalf, da es nie gezeigt oder geschrieben war. Wie traf er auf den Rest der Zwerge? Ritt er ihnen entgegen? Über was würde er sich mit ihnen unterhalten? Sie musste es irgendwie wissen.

Nachdem Gandalf fertig mit dem Einzeichnen der Rune war, gesellte er sich wieder zur jungen Frau, welche voller Unruhe mit den Füßen vor und zurück wippte. Ihre blauen Augen brannten vor Leidenschaft und Eifer. Insgeheim lächelte er. Sein Plan schien Wirkung zu zeigen. „Ihr werdet dem Hobbit Gesellschaft leisten bis ich morgen mit den Zwergen zurückkehre.“

„Was? Wieso? Jetzt wo es so spannend wird.“, meinte sie unglücklich und verzog nur den Mund als sie sah wie Gandalf breit zu lächeln begann.

„Ihr scheint voller Begeisterung zu sein“, merkte der Zauberer an, das ihr ein Grummeln entlockte. „Wollt Ihr Eure Meinung bezüglich des Abenteuers ändern?“

„Nein, ganz und gar nicht. Das … habt Ihr missverstanden.“, sagte sie hastig und winkte ab. „Mir gefällt Euer Grinsen nicht.“

„Wie dem auch sei. Ich werde morgen zurück sein“ Gandalf setzte zum Gehen an als er sich noch einmal an sie wandte. „Seid so gut und erzählt dem guten Bilbo nichts davon.“

„Jaja, alles klar. Ich weiß wie das läuft. Werde die Stellung halten... aber was soll ich ihm sagen?“

„Das bleibt Euch überlassen. Ich bin mir sicher, Ihr werdet eine Lösung finden. Aber lasst Euch sagen, Hobbits sind bemerkenswert gastfreundlich.“

Mit diesem Wink von einem Zaunpfahl, ging Gandalf zurück aus der Richtung, aus der sie gekommen waren. Er ließ sie jetzt wirklich einfach so hier stehen? Da fiel ihr wieder Khal Drogo ein. „Was ist mit Drogo?!“, rief sie Gandalf hinterher, der sich aber nicht mehr umdrehte sondern weiter dem Pfad folgte.

Sollte sie wirklich bei Bilbo bleiben? Sie wollte seine Gastfreundschaft nicht überstrapazieren. Aber insgeheim wollte sie den Hobbit besser kennenlernen. Was konnte schon falsch daran sein? Wann hatte man eine solche Gelegenheit? Ob sie sich noch immer in einem Traum befand oder nicht. Sich sein berühmtes Hobbithaus ansehen, war gerade ganz oben auf ihrer To-Do-Liste – gleich nach der Benutzung einer Toilette. Besaß Bilbo nicht sogar ein ziemlich modernes Badezimmer? Mit Rohren und all dem Zeug, was dazu gehörte? Sie hatte es plötzlich sehr eilig sich bei Bilbo bis morgen einzunisten.



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