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17 Years

von

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Roland

Der Aufbruch der bevorstand war nach Norden. An der Küste entlang nach Baltimore. Von dort aus immer weiter in Gebiete die Roland nie bereist hatte. Davon sprach sie und damit lockte ihn Claire, weil sie immer wusste, wie sie ihn in der Hand hatte. Es würde eine lange Reise werden, länger als die auf die sie bisher an seiner Seite gewesen war. Vor allem aber war es eine Reise einem Schicksal entgegen, das ihm vorausgesagt wurde, seitdem er vor vielen Jahren im Zelt der Wahrsagerin in Florida gesessen hatte. Damals war Claire in sein Leben gestolpert und damals hatte er erfahren wie es war jemanden beschützen zu wollen. Es war ihr Schicksal in den Norden zu gehen - zusammen. Was sie dort erwartete wussten sie nicht. Darauf war Claire ihr ganzes Leben lang vorbereitet worden. Sie hatte ihre Sprache gelernt, sich in seiner Welt zu bewegen. Und trotzdem... – trotzdem würde sie immer herausstechen. Für ihn war sie wie ein Leuchtfeuer, mit den Augen, die ihn ansahen und viel zu erwachsen wirkten für ihr Alter.

Roland schluckte schwer gegen den dumpfen Herzschlag an, von dem sie nichts mitbekam. Umso besser. Sie hätte ihn vielleicht durchschaut, so wie sie es oft tat. In ihrer Art war sie forsch, wenn sie eine Meinung hatte nahm sie kein Blatt vor den Mund und sie wies ihn zurecht. Immer und immer wieder. Er hatte sie so oft abgetan. Als Nervensäge. Als Kind. Als kleines Mädchen. Als Störenfried, wann immer sie ihm in die Quere gekommen war. Aber nie, nicht ein einziges Mal, hatte er sie als seine Schwester sehen können. Am ehesten war er ihr Beschützer. Ihr Revolvermann, wie sie es manchmal dachte, aber nie aussprach.

Roland überprüfte seine Waffe, entsicherte sie aber nicht, als er sie ihr reichte. „Halt sie kurz fest.“ Er versuchte sein Zögern nicht zu zeigen. In ihren schmalen Händen sah sie falsch aus. Ihre Hände waren zu anderen Dingen gemacht. Zum heilen. Bei Sai Spielman ging sie in die Lehre, wo sie doch in ihrer Welt so viel mehr Möglichkeiten hatte. Er war mit ihr in dem riesigen Gebäude gewesen, dass sie Universität nannte. Er hatte sich mit ihr auf die Aufnahmeprüfung vorbereitet, in dem er immer und immer wieder Begriffe abgefragt hatte, die ihm nichts sagten.

„Er ist schwer.“ Das schien sie zu überraschen. Wie bedächtig sie die Waffe in ihrer Hand hielt. Falsch aber immer hin mit dem nötigen Respekt. Aus einer Tasche zog er ein Stück Schreibkohle und wies Claire an ihm zu folgen. Weg von dem Rappen der graste und den sie nicht aufschrecken wollte. Er suchte einen Baum mit heller Rinde, so dass er einen Kreis auf ihn zeichnen konnte.

„Du weißt schon, dass es psychologisch einfacher wäre, wenn du den größer machst, damit ich eine Chance habe je zu treffen“, ertönte prompt die Beschwerde, mit der er gerechnet hatte. Roland lachte auf. Er warf das Stückchen Kohle ins Gras und wischte sich die Finger an seiner Hose ab.

„Wer hat gesagt, dass ich dich alleine schießen lasse?“

Claire war schnell darin Dinge zu überstürzen. Sie war es, die ihn immer wieder antrieb, weil in ihrer Welt alles so viel mehr Tempo hatte. Manchmal machte sie es ihm nicht einfach mitzuhalten und selbst nach alle den Jahren war er nicht so an ihre Welt gewöhnt, wie sie an seine. Hier war sie bekannt als das Mündel der Deschains, deren Eltern im Krieg gefallen waren. Gute Leute, die eine kluge Tochter hatten, auf die selbst Randolph Stolz sein konnte. Jemand, der den Namen seiner Familie nicht besudelte.

„Ich werd' es dir zeigen. Komm ein Stück näher.“ Claire machte ein paar beherzte Schritte nach vorne, mit dem Lauf des Revolvers auf den Boden gerichtet, bis er sie zum Stoppen brachte. Er kam zu ihr, stupste ihre Hand nach oben, damit sie seine Waffe hoch hielt. Er merkte wie unsicher sie in dem war was sie tat, weswegen er es instinktiv ausglich.

„Erinnerst du dich an die alten Worte?“ Ruhig war er dennoch nicht, als er sich hinter sie stellte. Claire drehte leicht ihren Kopf, bis sie über ihre Schulter zu ihm sehen konnte.

„Den Kodex?“ Sie nickte. Es waren nichts was jemand wie sie in den Mund nehmen sollte, aber sie kannte sie, weil Randolph ihn ihr beigebracht hatte. Jetzt wiederholte er sie. Wie ein altes Mantra. Etwas, das sich in sein Gehirn eingebrannt hatte und das er nie vergessen würde. Er musste sich nicht mal anstrengen, um die Worte über seine Lippen zu bekommen. Dazu hoben sich seine Hände. Er schob sich näher an sie heran, bis seine Brust sich an ihre Rücken drückte. Fühlte sie seinen Herzschlag, der heftiger gegen seine Rippen klopfte?

In seinen Arme war sie lange nicht mehr gewesen. Nicht, seitdem sie eine andere Seite in ihm berührte. Sie war immer das Zentrum gewesen, nach dem er sich richtete, selbst wenn er das selten zugeben wollte. Dabei war sein Herz in ihr verankert. Es war es von dem Moment gewesen, in dem er der Elfjährigen in ihrer Schuluniform und diesen traurigen Augen begegnet war, die in ihm einen Halt gesucht hatte. Damals hatte er es nicht verstanden.

„Ich töte mit dem Herzen“, endete sie und er schüttelte hinter ihr sein Haupt. Wenn es nach ihm ging, würde sie das nie tun müssen. Das war nicht ihre Aufgabe, sondern seine. Seine Hände legten sich geschickt an ihre, worunter sie nervöser wurde. „Hier, legt seinen Daumen darauf. Das Handgelenk musst du lockerer lassen. Halt den Arm höher.“ Er klopfte leicht dagegen, damit sie ihn hoch brachte, so weit bis es gut war.

„Muss ich ein Auge zum Zielen zukneifen?“

Er lachte. „Hast du mich das je tun sehen?“

Die Antwort war ein Ellbogen, den er in die Seite bekam.

„Mach dich nicht über mich lustig. Sonst frag' ich Randolph, wie du dich bei deiner ersten Schießübung angestellt hast“, drohte die junge Frau wenig effektvoll. Ihre Haare kitzelten an seinem Kinn, als er seinen Kopf weiter neben ihren schob. „Das würdest du nicht wagen.“ Hielt sie die Luft an? Rasch korrigierte er die Position ihrer Finger.

„Du musst den Hahn mit dem Daumen herunterdrücken. Erst dann kannst du schießen. Bist du bereit?“ Sie war viel zu verspannt. Es war die Aufregung vor dem ersten Schuss, auch wenn ihr Ziel alles andere als lebendig war. Im welchen Alter hatte er zum ersten Mal einen Revolver in der Hand gehalten? Er war mehr als erpicht darauf gewesen. Unter den Jungen hatte man gefeixt und angegeben, aber als es soweit gewesen war, da war ihm mulmig zu Mute gewesen. Von seinem Vater hatte er gelernt, dass man den Respekt vor seiner Waffe nie verlieren sollte.

„Atme ruhig. Ich führe dich.“ Vertrau mir. Das tat sie. Ihr Vertrauen war hell und rein und immer da. Sie würde ihm blind ihr Leben anvertrauen. Er wusste das. Und umgekehrt? Er würde sein Leben für sie lassen. Ohne zu zögern. Verdammt. Roland biss sich auf die Innenseite seiner Wange. Heftig genug, dass er die dummen Gedanken loswurde.

Gemeinsam drückten sie den Hahn herunter, die Trommel drehte sich, rastete ein. Ihre Hand war zu unruhig. Er versuchte es auszugleichen und ihrer Fehlhaltung entgegen zu steuern. Das Wichtigste war, dass sie abdrückte, als er ihr den Impuls dafür gab. Die Überraschung über die Kraft in dem Revolver war groß, der Schreck über den Knall sogar noch mehr. Kanada hatte den Kopf gehoben. Ein paar Vögel stoben aus den Bäumen. Ihren hatte sie nur gestreift.

„Hah. Es ist...“, begann sie und suchte nach den richtigen Worten. Er wäre gerne da, um zu wissen was sie fühlte. „Ich glaube nicht, dass ich gut darin werde.“

„Das hast du über das Reiten auch gesagt und jetzt bist du fast so gut wie ich“, widersprach er ihr mit einem Grinsen in der Stimme. Die leere Patronenhülsen war ins Gras gefallen. „Willst du es nochmal probieren?“ Natürlich wollte sie. Er kannte Claire gut und wusste, dass man in ihr leicht Verbissenheit wecken konnte. Nach dem dritten Schuss, der den Baum nicht mal streifte, war die Enttäuschung da. Sie hatte sich ihre erste Übungsrunde anders vorgestellt und er wusste, dass sie dem entgegen gefiebert hatte.

„Es klappt nicht. Was mache ich falsch?“

„Wo soll ich anfangen?“ Der strafende Blick, aus den dunklen Augen, traf ihn zurecht. „Du ziehst die Hand zur Seite sobald der Schuss losgeht. Wenn du ruhig bleiben würdest, dann hätte der Baum keine Chance.“

„Du willst mich doch nur aufziehen“, beschwerte sie sich. „Dann zeig mir wie es geht.“

Die Forderung war begleitet davon, dass sie seinen Revolver in seine Hand schob und zur Seite trat. Roland hob die Augenbrauen an. „Wie du willst.“ Das Schmunzeln huschte über seine Mundwinkel. Die Waffe lag leicht in seinen Finger. Mit einer Bewegung ließ er sie um seinen Finger drehen, bis sie fest in seiner Hand landete und er nur einen Herzschlag später abdrückte. Drei Schüsse, jeder davon traf kurz nacheinander in die Rinde. Claire musste nicht mal hinlaufen. Sie wussten beide, dass er die Mitte getroffen hatte.

Als er zur Seite blickte, sah er wie sie die Arme verschränkt hatte. „Du bist ein Angeber, Roland“, kommentierte sie.
 

Gegen Ende war sie tatsächlich ein bisschen besser geworden. Sie hatte geahnt, dass es lange dauern würde, trotzdem war sie überrascht wie schwer es tatsächlich war mit einem richtigen Revolver zu schießen. Es gab so vieles, an das man gleichzeitig denken musste. Die Körperspannung, die Höhe, der Rückstoß. Letzteres bereitete ihr am meisten Probleme. Trotzdem hatte es ihr gefallen. Allein die Tatsache, das Roland sich die Zeit genommen hatte. Die paar Äpfel, die er vorsorglich eingepackt hatte, waren zwischen ihnen und Kanada geteilt worden. Die Sonne hatte sich weit hinter den Bäumen gesenkt.

Eleanore hatte sie gebeten zum Abendessen zurück zu sein. Stattdessen war vom Aufbruch nichts zu spüren. Der Abend war noch warm. Warm genug um im Gras zu liegen. Claire zupfte einzelne Grashalme heraus und rupfte sie auseinander. Der Himmel über ihnen färbte sich vom hellen Blau in ein dunkles Orange, das sich an den zarten Wolken spiegelte.

Die Stimmung, die sich über sie gelegt hatte war ruhig. Sie musste nicht viel reden. Roland hatte sich neben sie gelegt und wenn sie ihren Kopf ein wenig zur Seite dreht, konnte sie sein Profil betrachten. Den starken Kiefer mit dem gestutzten Bart. Die Nase, die er sich mindestens zwei Mal gebrochen hatte und die deswegen einen Hügel im Nasenrücken hatte. Die dunklen Augen, die in die Ferne gerichtet waren. Seine Lippen, zwischen denen eine selbstgedrehte Zigarette steckte. Er hatte sie angesteckt, obwohl sie effektvoll die Nase kraus gezogen hatte. Natürlich wusste er, dass sie den Rauch nicht mochte und er tat es trotzdem. Manchmal glaubte sie, dass er es machte, nur um eben zu sehen, wie sie ihn belehrte. Genau wie sie ihn belehrte, weil sie sehen wollte, wie er grinste und sich über sie hinwegsetzte.

Er stieß den Rauch aus, der sich im sanften Wind verfing. Früher hätte sie ihn gebeten Ringe zu pusten. Jetzt richtete sie rasch ihre Augen nach oben, als er ihren Blick bemerkte.

„Ich wollte eigentlich eine Wette mir dir abschließen. Das wenn ich treffe, du für mich die blöden Stickereien übernimmst“, meinte sie leiser.

„Mama hätte es bemerkt. Meine Stickereien sind besser als deine.“ Sie schnaubte empört, obwohl sie damit gerechnet hatte.

„Nur in deinen Träumen“, entgegnete sie. Ihre Finger glitten über das Gras, das an ihrer Handfläche kitzelte. „Trotzdem...“ Seine Hand hatte nah an ihrer gelegen. Sie stupste gegen diese und wollte sich zurückziehen, bis er sie drehte und ihre Finger sich ganz natürlich miteinander verschränkten.

„Danke für heute.“



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