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What's it for

von

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I wish you hell

Es war noch dunkel, als der Wecker klingelte. Im Halbschlaf tastete sie nach dem Snooze-Button und hieb mit der Faust darauf. Endlich Ruhe. Zumindest für die nächsten zehn Minuten. Zufrieden kuschelte sie sich in die Kissen und zog die Decke noch etwas mehr ins Gesicht, sodass nur noch ein Büschel ihrer langen schwarzen Haare zu sehen war. Sie atmete tief ein und der Duft von Waschmittel, der ihrer Bettwäsche anhaftete, erfüllte sie mit Behagen. Sie war kurz davor, wieder einzuschlafen, da klingelte es an ihrer Haustür.
 

"Himmel-Herrgott!", brummte sie erbost. Sie schlug die Bettdecke schwungvoll beiseite, schlüpfte in ihre Hausschuhe und schlurfte zur Sprechanlage. "Was?!", bellte sie und hoffte inständig, dass ihr nächtlicher Besuch einen guten Grund für sein Klingeln hatte. Andernfalls konnte sie nicht garantieren, dass er glimpflich davon kam.
 

"Guten Morgen, Sonnenschein. Mach auf!", ertönte die Stimme ihres besten Freundes gut gelaunt. Sie seufzte schwer und drückte den Knopf, welcher ihm die Tür öffnen würde. Sie öffnete die Wohnungstür einen Spalt und schlurfte in ihre Küche. Diese lag mit den Fenstern zur Straße hin; sie brauchte nicht einmal Licht machen. Verdrießlich warf sie einen Blick auf die Küchenuhr. 4:30 Uhr. War der noch ganz bei Trost?

Sie machte sich an ihrer Kaffeemaschine zu schaffen und lauschte in den Flur. Dort raschelte es gerade und sie hörte, wie er die Wohnungstür ins Schloss fallen ließ, so laut, dass nun vermutlich auch ihre Nachbarn wach waren. Sie füllte Wasser in den Tank und schaltete das Gerät ein. Als sie sich umdrehte, stand er im Türrahmen, eine Tüte in den Armen, auf der sie unschwer das Logo des Bäckers zwei Blocks weiter erkannte, und musterte sie amüsiert. "Was gibts denn da zu gucken?", blaffte sie und kniff die Augen zusamen, sodass eine kleine Zornesfalte auf ihrer Stirn erschien. Er machte ein paar Schritte auf sie zu und lud die Brötchentüte auf dem Küchentisch ab. "Ach, ich bin gerade nur so verzaubert von deiner morgendlicher Anmut und deines Charmes", erwiederte er grinsend und fuhr ihr durch die Haare. Sie wischte seine Hand beiseite und war sich plötzlich der Tatsache bewusst, dass sie außer ihren plüschigen Hausschuhen, einem Höschen mit Erdbeergesichtern (eigentlich so gar nicht ihr Stil, aber die Höschen hatte es im Dreierpack gegeben und sie waren erschreckend niedlich gewesen) drauf und eines übergroßen T-Shirts nichts weiter anhatte. Zu allem Unglück war das Shirt auch noch eines von seinen. Er hatte es bei ihr vergessen, als er nach einer durchzechten Nacht auf ihrer Couch übernachtet hatte. Da es scheinbar nicht sein Lieblingshemd war und er es auch nicht zu vermissen schien, zog sie es hin und wieder zum schlafen an. So wie heute. Blöder Mist.
 

"Ach, red doch nicht. Sag mir lieber, was du so früh morgens hier willst. Wie du vielleicht weißt, fängt mein Dienst erst um halb zehn an. Ich hätte also gut und gerne noch etwa dreieinhalb Stunden schlafen können." Sie verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen ihre Arbeitsplatte, auf welcher die Kaffeemaschine vor sich hin brummte und gluckerte. Auf seine Antwort war sie ja mal gespannt. Sie starrte ihn an und versuchte, besonders grimmig zu schauen. Dass sie dabei aussah wie ein gerupftes Huhn, erschwerte die Angelegenheit etwas.

Er war somit auch nicht im geringsten beeindruckt, sondern grinste nur überlegen und ließ sich an ihrem Küchentisch nieder. "Willst du damit sagen, du hast unsere Abmachung vergessen?", fragte er mit gespieltem Entsetzen und wippte mit dem Fuß hin und her. Ihr grimmiger Blick verschwand. Abmachung? Was meinte er denn? Schnell warf sie einen Blick auf den Wandkalender mit Wolfsmotiv. Dumme Angewohnheit, sie kam da irgendwie nicht aus ihrer Haut. Haha. Sie kniff die Augen zusammen, sah natürlich nichts und griff missmutig zu dem Etui mit ihrer Lesebrille. Prompt fiel ihr die Kinnlade runter. "Ach du Scheiße...", murmelte sie und sah ihn entsetzt an. "Das ist heute?!" Er nickte. Sie nahm die Brille ab, stopfte sie zurück ins Etui und pfefferte es auf die Ablage. Sie schlurfte zu ihm rüber und ließ sich auf dem gegenüberliegenden Stuhl nieder. "Daran hab ich ja so gar nicht mehr gedacht... bei all dem Stress in letzter Zeit."
 

Betreten knibbelte sie an ihren Fingern rum und verfluchte sich für ihr Siebhirn. Natürlich hatte sie die Verabredung zum morgendlichen Jogging völlig vergessen. Verdrängt passt wohl eher, korrigierte sie sich in Gedanken. Sie wusste seit ihrem dritten Besuch in der Pizzeria von seiner Leidenschaft für morgendliche, sportliche Betätigung. Er sah es als Ausgleich zur Arbeit. Verwundert hatte sie ihn gefragt, ob ihm der Job als Pizzabäcker nicht schon genug Bewegung einbrachte. Immerhin beschränkte sich seine Tätigkeit nicht nur auf die Zubereitung von Pizzen jeglicher Art (ob Standard oder Scheußlichkeit), sondern auch auf das Bedienen der Gäste und die damit verbundene Rennerei zwischen Theke und Tischen, die er zu betreuen hatte. Dazu kamen Botendienste, wenn mal wieder alle Laufjungen gleichzeitig ausgefallen waren und diverse andere Arbeiten, und sei es nur das gelegentliche Aufwischen von verkleckerten Getränken und Speisen.
 

Er hatte sie angestarrt und dann laut losgelacht. "Sicher, über Bewegung kann ich nicht klagen, aber du glaubst gar nicht wie schnell die hier im Einssatz tätigen Körperteile verspannt und überlastet sind. Da tut es gut, die Muskulatur ein bisschen zu lockern." Als er ihr dann noch von seinen regelmäßigen Besuchen im Fitnessstudio erzählte, hatte sie ihn endgültig für bescheuert erklärt. Zumindest, was seine übertriebene Sportlichkeit anging. An einer ihrer "Sauftouren", wie er es liebevoll getauft hatte, war ihr dann die unüberlegte Zusage entschlüpft, ihn für eine Woche morgens zu begleiten. Und er hatte sie prompt beim Wort genommen. Leider war sein Gedächtnis in dieser Hinsicht hervorragend.
 

Und nun war es also soweit.
 

Cory seufzte und erhob sich schwerfällig von ihrem Stuhl. "Dann geh ich mich mal ausgehfertig machen", witzelte sie und schlurfte an ihm vorbei ins Schlafzimmer, auf den Kleiderschrank zusteuernd, so würdevoll wie es ihr in ihrem Erdbeerhöschen möglich war. Sie musste irgendwo eine Jogginghose und die dazu passende Jacke haben. Dumm nur, dass sie die seit mindestens drei Jahren nicht mehr gebraucht hatte. Sie kramte hektischer und erblickte in der tiefsten Ecke des Schrankes einen grauen Fitzel. Das musste das Ding sein. Sie zog etwas heftiger und förderte das Kleidungsstück zu Tage. Zehn Minuten später war sie fertig angezogen. Sie ging, sich die Haare zusammen bindend, in die Küche zurück. "Also, ich wäre jetzt soweit."
 

Scott hockte immer noch am Tisch, vor sich die aktuelle Tageszeitung. Er musste sie mitgebracht haben. Es war schlicht unmöglich, hier eine Tageszeitung per Abonnement zu empfangen, ohne dass sie von den Nachbarn geklaut wurde. Das war in der alten Wohnung so gewesen, und hier war es nicht anders, wie Cory gleich am zweiten Tag in der neuen Wohnung hatte feststellen müssen. Die Wohngegend war kein Nobelviertel, aber auch kein absolutes Ghetto. Nur das mit den Zeitschriften war wohl hier in New York ein Kreuz, das man zu tragen hatte.
 

Als sie ihn ansprach, hob er den Kopf und sah sie an. "Schick!", kommentierte er ihren Aufzug und zog ein schiefes Grinsen. Sie erwiderte es, sah allerdings dabei aus, als habe sie auf eine Zitrone gebissen. Die Küchenuhr zeigte 4:55. Einfach nicht ihre Uhrzeit. "Normalerweise drehe ich mich jetzt noch mal auf Seite und genieße mein neues, weiches Kopfkissen", murmelte sie und sah ihn anklagend an. Er erhob sich, und wieder einmal war sie sich des enormen Größenunterschiedes nur allzu bewusst. Zum Teufel, wie konnte man nur SO GROSS sein. Scott grinste, vermutlich dachte er gerade dasselbe, und bugsierte sie vor sich her zur Wohnungstür. "Nicht weinen. Wenn du brav bist, gibt es nachher frische Brötchen!" Er schob sie aus der Wohnung und schloss die Tür hinter sich. Kurzzeitig hatte sie die Befürchtung, er habe bei all dem Eifer vergessen, den Schlüssel einzustecken. Die Sorge entpuppte sich zum Glück als unbegründet, denn kurz darauf wedelte er mit selbigem vor ihrer Nase rum. Cory schnaufte unwillig, entriss ihm den Schlüssel und stopfte ihn in die Tasche ihrer Joggingjacke. Dann trottete sie Scott die Treppen herunter hinterher und schickte ein Stoßgebet Richtung Himmel an den Jogginggott, er möge gnädig mit ihr sein.
 

Sie hatte ihre Arbanduhr vergessen. Deswegen konnte sie nicht sagen, wie lange er sie nun schon um den Pudding scheuchte. Er hatte sie in einen Park getrieben, strammen Schrittes war er hinter ihr her gelaufen und hatte sicher gestellt, dass sie mindestens in einem Meter Abstand zu ihm lief. Dabei hatte er Weisheiten wie ¨Keine Müdigkeit vorschützen!¨ und ¨Müßiggang ist aller Laster Anfang!¨ von sich gegeben und sein umwerfendes Trinkgeldlächeln aufgesetzt. Bei Kunden mochte das ziehen, aber Cory kannte die Masche nun schon viel zu lange, als dass sie sich davon hätte einlullen lassen. Als sie im Park ankamen, hatte sie um eine Verschnaufpause gebeten, war aber sofort enttäuscht worden. Er gestand ihr einige kurze Dehnübungen zu, um ihre nicht trainierten Muskeln zu lockern, und dann war die Hölle auf Erden losgebrochen. Das Tempo was er vorgab, war vielleicht für ihn ¨langsam¨, aber Cory hatte schon nach der ersten Runde Seitenstechen bekommen und gejappst wie ein Asthmakranker. Während sie sich Runde für Runde vorwärtsquälte, schwor sie sich, beim nächsten Besuch in der Pizzeria von Scotts Onkel lediglich einen Salat zu essen. Mit jedem Schritt, den sie tat, spürte sie die zahlreichen Knoblauchbrötchen durch ihren Körper wabbeln. Nicht, dass sie dick wäre, ihre Figur war standardmäßig in Ordnung. Allerdings völlig untrainiert. Dies bekam sie jetzt zu spüren. Scott hingegen schien es prächtig zu gehen. Er drehte munter Runde für Runde und strahlte jedes Mal wie ein Atomkraftwerk, als er an ihr vorbei rauschte. Cory jaulte gequält auf und schlappte träge vorwärts. Den Versuch, ihn einzuholen, hatte sie längst aufgegeben. Sie war einfach nur froh, wenn sie die nächste Dreiviertelstunde überlebte.



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