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Allein zu zweit…

…oder doch zu dritt?
von

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Beerdigung

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5. Beerdigung
 

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Eine Woche ist vergangen seit Mais Unfall. Eine schwere Woche voller Tränen und Wutausbrüche, voller Kratz- und Bisswunden. Es ist Mais Beerdigung und obwohl es bei Beerdigungen angeblich immer regnet, strahlt heute die Sonne mit dem riesigen Trauerkranz hinter Mais noch offenem Grab um die Wette. Ich stehe ziemlich steif am Fuß des Grabes und habe Joanne in meinem Arm. Sie weint nicht, sondern schnieft nur leise und vergräbt ihr Gesicht in meinen Haaren. Um uns herum stehen die anderen Trauergäste. Freunde, Bekannte und Unbekannte. Meine Schwester Serenity ist ebenfalls gekommen, meine Mutter jedoch nicht. Sie hat Mai nie als Schwiegertochter akzeptieren wollen und auch Joanne sieht sie nicht als Enkeltochter, wobei sie ja nicht einmal so Unrecht hat, da Joanne ja nicht mein leibliches Kind ist.
 

Ich schaue nach links zwischen ein paar Trauergäste hindurch und mein Blick fällt auf Seto Kaiba, der mit Duke Devlin weiter entfernt steht. Ich weiß nicht warum er hier ist, er kannte Mai doch so gut wie kaum und ich glaube nicht, dass er meinetwegen hier ist, dafür haben wir uns einfach zu lange nicht gesehn. Oder denkt er noch immer an Mai? War sie nicht nur ein simpler One-Night-Stand für ihn? Oder fühlt er sich nur verantwortlich, weil sie in der Nacht ihres Unfalls ausgerechnet an seinem Spieltisch gearbeitet hat und sie seinetwegen ein paar Minuten länger blieb als sonst, weil er noch eine letzte Runde Roulette spielen wollte? Wäre Mai ein paar Minuten früher die Stadtautobahn entlang gefahren, wäre sie vermutlich den Jugendlichen nicht begegnet, die ihr die Vorfahrt nahmen und auch nicht dem LKW, der schließlich ihren Tod herbeiführte. Aber ich bin der Letzte, der Kaiba dafür Vorwürfe machen würde, Mai würde das nicht wollen und das weiß ich.
 

„Liebe Angehörige, werte Trauergemeinde. Wir haben uns heute hier versammelt, um uns von einem geliebten Menschen zu verabschieden, Mai Valentine-Wheeler. Bemerkenswerte Angestellte, liebenswerte Kollegin, aufrichtige Freundin, geliebte Ehefrau und liebevolle Mutter. Ihr Verlust reißt ein tiefes Loch in unsere Mitte. Wir haben einen wertvollen und lebensfrohen Menschen verloren. Wir trauern. Wir weinen. Wir vermissen. Aber wir sind nicht allein. Wir nehmen gemeinsam Abschied, wir trauern gemeinsam. Diese Trauer verbindet uns und lässt uns den Schmerz besser verstehen. Der Schmerz wird mit der Zeit nachlassen, doch der Verlust bleibt ein Leben lang. Mai war als Lebenskünstlerin bekannt, sie hat viel gesehen und viel erlebt. Sie war aber auch eine gute Ehefrau und eine noch bessere Mutter. Sie hinterlässt einen trauernden Ehemann und eine sehr traurige Tochter, doch in unseren Herzen wird sie ewig leben. Lasst uns nun für eine Weile schweigen und in Stille Abschied nehmen von unserer geliebten Mai.“
 

Joanne schluchzt leise auf und vergräbt ihr Gesicht noch tiefer in meinen Haaren, ich drücke sie an mich, um ihr zu zeigen, dass ich da bin. In meiner rechten Hand hab ich zwei hellblaue Rosen, die ich nachher auf Mais Sarg werfen werde. Jeder der hier Anwesenden hat so eine Rose. Das Casino hat sich gut um alles gekümmert, alles ist perfekt. Die Trauerfeier, die Trauerrede, der Trauerkranz, die Trauergäste. Mai würde es hassen, könnte sie es sehen.
 

„Es erklingt nun das Lied: November Rain von Guns N`Roses. Ich bitte alle Trauergäste nun persönlich an das Grab heranzutreten und auf ihre eigene Weise Abschied zu nehmen von Mai Valentine-Wheeler.“
 

Das Lied hab ich ausgesucht. Es ist zwar nicht November und es regnet auch nicht, aber Mai hat dieses Lied geliebt und immer gesagt, dass sie gerne mit diesem Lied ihre letzte Ruhe antreten möchte. Ich hatte nicht gedacht, dass ich ihr diesen Wunsch so früh würde erfüllen müssen. Als ich als Erster an Mais Grab herantrete, zuckt Joanne auf meinem Arm zusammen, schaut aber nicht auf.
 

„Möchtest Du Mama auch eine Rose schenken?“
 

Joanne sieht mich an und schüttelt den Kopf.
 

„Mama hasst Rosen!“
 

„Aber nur die roten. Die hier sind hellblau, die wird sie mögen.“
 

„Wirklich?“
 

Ich nicke aufrichtig.
 

„Die Rosen haben die Farbe Deiner Augen, natürlich wird Mama sie mögen.“
 

Ich halte ihr eine Rose hin und Joanne nimmt sie.
 

„Und jetzt wirf die Rose in das Grab zu Mama und sag, dass Du sie liebst.“
 

Joanne wirft die Rose auf den Sarg und schnieft leise.
 

„Ich liebe Dich, Mama. Sei nicht besorgt um mich, ich hab ja noch Papa und ich komm Dich auch bestimmt ganz bald wieder besuchen. Versprochen. Und ich bring Dir immer hellblaue Rosen mit, Papa sagt, dass Du sie magst, weil meine Augen auch diese Farbe haben. Ich vermiss Dich, Mama, aber ich will so stark sein wie Papa und nicht mehr so viel weinen. Aber sei nicht böse, wenn ich doch mal weine, wenn ich traurig bin, ja? Ich muss jetzt gehen, aber morgen komm ich wieder, versprochen. Ich liebe Dich, liebste Mama.“
 

Hinter mir höre ich ein schnaubendes Geräusch, als sich Tea die Nase putzt, neben mir wischt sich Yugi ein paar Tränen aus den Augen. Joannes kleine Ansprache hat alle, die es gehört haben, mehr zu Tränen gerührt als die Grabrede und auch ich muss mir ein paar Tränen wegwischen.
 

„Das hast Du schön gesagt.“
 

Ich küsse meiner Tochter auf die Stirn und werfe meine eigene Rose zu Mai ins Grab.
 

„Ich liebe Dich, Mai. Keine Sorge, wir kommen schon zurecht. Ich werd mich gut um Joanne kümmern. Und wie sie schon gesagt hat, kommen wir Dich ganz bald wieder besuchen und bringen Dir blaue Rosen mit. Versprochen.“
 

Ich werfe noch einen letzten Blick auf den weißen Sarg in dem Mais Leichnam liegt und versuche nicht daran zu denken, wie ihr Gesicht nach dem schrecklichen Unfall ausgesehen hat. Mit einem Seufzen wende ich mich ab und trete ein paar Schritte beiseite, um den anderen Trauergästen einen persönlichen Abschied zu ermöglichen. Einige bleiben wie wir einen Moment stehen, um etwas zu sagen, aber die meisten gehen schweigend am Grab vorüber und werfen ihre Rosen auf den Sarg.
 

Als auch der letzte Trauergast am Grab vorbeigegangen ist und uns sein Beileid ausgedrückt hat, wird das Grab langsam mit Erde gefüllt. Ich wende den Blick ab und drücke Joanne fester an mich. Jetzt ist es endgültig. Mai ist fort. Für immer. Und ich ziehe ein Kind groß, dass nicht mein eigenes ist, während der leibliche Vater nicht einmal weiß, dass er eine Tochter hat.
 

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Onlyknow3
2014-12-09T08:26:43+00:00 09.12.2014 09:26
Da wäre ich mir nicht so sicher, vielleicht weiß er das sehr gut, schon allein wegen der Augen die sie hat. Vielleicht war er deshalb auf der Beerdigung. Das weiß man bei Seto nie. Weiter so.

LG
Onlyknow3


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