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Allein zu zweit…

…oder doch zu dritt?
von

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Geschichten

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2. Geschichten
 

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Seit zwei Stunden starre ich wütend auf die Uhr und laufe unruhig durch das Wohnzimmer. Mai wollte vor mehr als 2 Stunden zuhause sein. Dass sie manchmal später nachhause kommt, ist nichts Ungewöhnliches, denn manchmal können sich die Gäste des Casinos nicht von den Spieltischen losreißen, weil sie gerade eine Glücksträne haben, oder unbedingt noch eine Runde spielen wollen, um wieder alles zurückzugewinnen, was sie verloren haben. Aber in solchen Fällen ruft Mai immer bei mir an, damit wir uns keine Sorgen machen, nur dieses Mal warte ich schon seit 2 Stunden vergeblich auf einen Anruf. Ich habe versucht sie zu erreichen, leider ohne Erfolg. Ihr Handy klingelt zwar, aber es hebt niemand ab. Wo zum Teufel ist sie?
 

„Papa?“
 

Barfuß und mit zerzausten Haaren steht Joanne in der Tür zum Kinderzimmer. In der Hand ihren kleinen schwarzen Drachen, den ich ihr zu ihrem zweiten Geburtstag geschenkt habe.
 

„Süße, Du sollst doch schlafen.“
 

Ich nehm sie in meine Arme und trag sie zurück ins Zimmer. Schläfrig sieht sie mich an.
 

„Ist Mama schon zurück?“
 

Ich seufze verzweifelt. Was soll ich ihr sagen?
 

„Sie wird sicher gleich kommen. Und morgen früh macht sie Dir wie immer Dein Frühstück und bringt Dich in die Schule. Aber damit Du morgen auch pünktlich und putz munter aufstehen kannst, musst Du jetzt wirklich schlafen. Okay, mein Schatz?“
 

„Erzählst Du mir noch eine Geschichte?“
 

Ich fahre mir etwas unsicher durch die Haare. Geschichten erzählen war sonst immer Mais Job. Ich leg Joanne in ihr Bett zurück und nicke.
 

„Deck Dich erstmal ordentlich zu, dann werd ich mal schaun, was mir einfällt. Es wird aber nur eine kurze Geschichte. Ja?“
 

Joanne lächelt erfreut und zieht sich die Bettdecke bis unter das Kinn. Ich zieh mir ihren kleinen Holzstuhl ans Bett und beginne zu erzählen.
 

„Es war einmal ein kleiner schwarzer Drachen…“
 

„So wie dieser hier?“
 

Joanne zieht ihren schwarzen Drachen unter der Bettdecke hervor.
 

„Genau, so wie dieser. Es war also einmal ein kleiner schwarzer Drachen. Der hatte so furchtbaren Hunger, doch es gab weit und breit nichts Brauchbares zu Essen für ihn. Nur Steine und Bäume und Gras. Drachen sind keine Vegetarier musst Du wissen…“
 

„Was sind Vege- … ich kann das Wort nicht aussprechen.“
 

Ich lächle ein wenig und streich meiner Tochter durch die Haare.
 

„Vegetarier. Das sind Leute, die kein Fleisch essen, sondern nur Gemüse und Obst.“
 

„Ach so, also wie ein Hase.“
 

„Genau, wie ein Hase. Der kleine schwarze Drachen ist aber kein Hase, er mag also keine Bäume oder Gras und Steine würden ihm wahrscheinlich nur schwer im Magen liegen. Es ist also nichts Essbares für ihn dabei. Seit Wochen hat sich niemand mehr in seine Nähe getraut, keine Vögel, keine Mäuse, nicht einmal die sonst so fleißigen Bienen summen um ihn herum.“
 

„Haben denn alle Angst vor ihm?“
 

Ich überlege kurz.
 

„Vielleicht. Er ist immerhin ein Drache, noch dazu ein schwarzer. Vielleicht haben wirklich alle Angst vor ihm.“
 

„Aber er ist doch soooo niedlich!“
 

Joanne knuddelt ihren schwarzen Drachen einmal kräftig.
 

„Das ist ja auch nur ein weiches Kuscheltier! Stell Dir doch mal einen echten Drachen vor. Hättest Du vor dem nicht auch Angst?“
 

Meine Tochter schaut mich an und schüttelt dann energisch den Kopf.
 

„Niemals! Ich hab vor gar nichts Angst!“
 

Ich versuche ein Lachen zu unterdrücken.
 

„Das ist meine Tochter! Tapfer und stark wie ihr Vater!“
 

Und das ist noch nicht einmal gelogen, auch wenn der Vater nicht ich bin. Ich seufze und denke den Gedanken nicht weiter.
 

„Es ist also niemand da und der Drache hat Hunger. Und gerade als er überlegt, ob es nicht doch besser wäre, wenn er ein paar Blätter vom Baum rupfen sollte, um sie zu essen, hört er ein leises Wimmern. Er schaut sich um und entdeckt an einem kleinen Bach ein kleines Mädchen.“
 

„Mit langen blonden Haaren?“
 

Joanne sieht mich erwartungsvoll an.
 

„Ja. Ein sehr hübsches Mädchen mit langen blonden Haaren.“
 

Sie nickt zufrieden und kuschelt sich tiefer in ihr Kissen.
 

„Der kleine schwarze Drache fliegt langsam zu dem kleinen Mädchen und weiß nicht so recht, was er tun soll. Er hat noch nie einen Menschen gesehn und daher weiß er auch nicht, ob sie essbar sind.“
 

Joanne keucht erschrocken auf und hält sich die Hand vor den Mund. Ich lächle beruhigend.
 

„Das kleine Mädchen entdeckt den Drachen und flüstert panisch: ‘Bitte, lieber Drache, bitte friss mich nicht!‘ Der kleine Drache landet direkt neben dem kleinen Mädchen. ‘Ich werde Dich nicht fressen, aber nur wenn Du mir sagst, warum Du weinst.‘ Das Mädchen schnieft laut und vergräbt ihr Gesicht in ihre Hände. ‘Meine Mama ist so gemein, sie will einfach nicht verstehen, dass ich kein Fleisch essen will! Ich mag Salat und Tomaten und Äpfel und Schokolade und Torte und Möhren, aber sie sagt immer ich soll auch Würstchen essen und Hähnchenbrust und Frikadellen und Leber, aber ich will das nicht essen! Papa ist auch gemein, der sagt nur, ich soll auf Mama hören und groß und stark werden wie er!‘
 

Meine Tochter nickt zustimmend, sieht aber sehr müde dabei aus. Sicher wird sie gleich einschlafen.
 

„Der kleine schwarze Drache überlegt einen kurzen Moment. ‘Ich habe eine sehr gute Idee! Wieso nimmst Du mich nicht mit zu Dir nachhause und wenn es wieder Fleisch bei euch zum Essen gibt, dann kannst Du mir das doch geben. Ich mag Fleisch und ich habe solchen Hunger!‘ Das kleine blonde Mädchen schaut auf. ‘Aber Du bist doch viel zu groß, ich könnte Dich niemals vor meinen Eltern verstecken.‘ Der Drache lacht. ‘Das ist gar kein Problem. Ich bin kein gewöhnlicher Drache.‘ Und dann wird der kleine Drache noch viel, viel kleiner und ist am Ende nicht größer als ein kleines Kuscheltier. ‘Jetzt kannst Du mich überall mit hinnehmen und keiner wird irgendetwas merken.‘ Das kleine Mädchen lacht hocherfreut, nimmt den ganz kleinen Drachen in den Arm und geht mit ihm nachhause. Und sie lebten dort glücklich und zufrieden und vielleicht leben sie noch heute.“
 

Joanne schläft tief und fest, ihren kleinen schwarzen Drachen fest umklammert und mit einem süßen Lächeln im Gesicht.
 

„Gute Nacht, meine Süße.“
 

„Gute Nacht, liebster Papa.“
 

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Onlyknow3
2014-12-09T07:55:52+00:00 09.12.2014 08:55
So kanns gehen, so schnell wird man zum erzähler kleiner Geschichten wenn man Kinder hat. Weiter so.

LG
Onlyknow3


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