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Ein einfaches Ende

Yamato Ishida x Taichi Yagami
von

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Mit dröhnenden Kopfschmerzen schließe ich die Tür zu unserer Wohnung auf. Als ich mich im Flur meiner Schuhe entledige, bemerke ich Taichi, der sich an den Türrahmen zum Schlafzimmer lehnt und mich beobachtet.

„Du kommst spät. Probt ihr in nächster Zeit wegen des bevorstehenden Konzertes wieder länger?“

„Der neue Song muss noch einstudiert werden“, weiche ich seiner Frage aus, um nicht lügen zu müssen. Ich habe kein schlechtes Gewissen, weil ich mit Shinya geschlafen und Taichi ein weiteres Mal betrogen habe. Aber die Tatsache, dass ich mich bei einem anderen konnte fallen lassen, bei meinem Freund jedoch nicht, lastet schwer auf mir.

„Verstehe“, meint dieser knapp und wendet sich von mir ab.

„Taichi“, flüstere ich und halte ihn so davon ab, ins Schlafzimmer zu gehen. Bedächtigen Schrittes laufe ich auf ihn zu und ziehe ihn dicht an mich. Als Reaktion legt er seine Hände um meine Taille und küsst mich innig. Ohne uns voneinander zu lösen, stolpern wir ins Schlafzimmer, wo ich rücklings auf die Matratze des Bettes sinke. Über mich gebeugt zwingt mein Freund meine Beine mit seinem Knie ein Stück auseinander, öffnet hastig meine Hose und gleitet mit seiner Hand in meine Unterhose. Ich spüre, wie sich mein Körper verkrampft. Meine Lippen beben vor Erregung, weshalb ich derart kräftig auf meine Unterlippe beiße, dass ich Blut schmecke.

„Entspann dich, Yamato“, raunt Taichi mit heiserer Stimme in mein Ohr. Sein warmer Atem liebkost sanft meine Haut. Ich schließe meine Augen. Nach dem Sex mit Shinya war ich nicht unter der Dusche, sein Sperma klebt somit möglicherweise noch in mir. Der Gedanke, so mit Taichi zu schlafen, widert mich an und doch sehne ich mich danach, ihn in mir zu spüren.

„Tai, ich…“

„Shh“, unterbricht er mich. Erneut fühle ich seine Zunge fordernd in meinem Mund. Halbherzig versuche ich ihn von mir zu schieben, gebe aber auf, als ich merke, dass er sich nicht abweisen lassen will. Wüsste Tai, dass Shinya kurz zuvor in mir war, würde er mich sicher nicht mehr ficken wollen. Andererseits macht er in solchen Situationen eher seine Besitzansprüche deutlich und nimmt mich auf besonders brutale Weise. Erst jetzt registriere ich, dass mein Freund mich bereits meiner Hose entledigte und dabei ist, seine eigene ein Stück herunterzuziehen.

„Taichi… warte…“, fordere ich ihn mit stockendem Atem auf, da er mich noch immer mit seiner Hand befriedigt.

„Warum sollte ich?“, erwidert er kühl, ohne sein Tun zu unterbrechen.

„Ich will… nicht.“

„Das interessiert mich nicht.“ Grob hält er mich an den Handgelenken fest. „Jetzt halt still und mach die Beine breit.“ Ich drehe meinen Kopf zur Seite, als Taichi sich schmerzhaft in mich stößt, bis er vollständig in mir ist. Ungewollt laufen Tränen über mein Gesicht. Wie eine leblose Puppe liege ich unter meinem Freund und lasse den Sex über mich ergehen. Tai wird ohnehin schnell genug von mir haben. Wie immer, wenn er mich auf diese rücksichtslose Weise fickt. Ihm geht es in solchen Momenten nicht darum, mich zu spüren. Er will mir wehtun, mich erniedrigen. Nur verstehe ich nicht, wodurch dieses Mal sein grobes, vielleicht sogar dissoziatives Verhalten ausgelöst wurde. Qualvolles Stöhnen entweicht meiner Kehle und ich bäume mich leicht auf. Die Schmerzen sind zwar erträglich, aber ich fühle mich unglaublich dreckig.

„Genießt du es, dich an Abschaum wie mir zu vergehen?“, frage ich mit brüchiger Stimme. Taichi lässt meine Handgelenke los und schlägt mir hart ins Gesicht. Dann zieht er sich aus mir zurück.

„Du bist kein Abschaum. Nur eine kleine billige Hure.“ Er wendet sich von mir ab. „Wenn du dich das nächste Mal von einem anderen vögeln lässt, wasch dir wenigstens seinen Gestank ab, bevor du in meine Nähe kommst.“ Ohne auf eine Reaktion meinerseits zu warten, geht er aus dem Zimmer. Kurz darauf höre ich, wie die Badtür abgeschlossen wird. Mit tränenverschleiertem Blick und brennenden Augen drehe ich mich auf die Seite und krümme mich schluchzend zusammen. Mein Körper bebt und ich beginne durch den auskühlenden Schweiß auf meiner Haut zu frieren. Nur mit Mühe gelingt es mir, aufzustehen. Ich schleppe mich zum Kleiderschrank und entnehme ein paar saubere Sachen. Anschließend verlasse ich den Raum, laufe durch den Flur zum Badezimmer. Ich klopfe gegen die Tür. Als Taichi diese öffnet, ist sein Blick herablassend.

„Was ist? Ich will duschen, dein Dreck klebt an mir. Und wenn ich daran denke, wie viele Schwänze möglicherweise zuvor in dir abspritzten, wird mir schlecht.“ Ich lächle verzerrt.

„Warum wolltest du mich dann unbedingt ficken? Um zu beweisen, dass du es mir besser besorgen kannst? Ich muss dich enttäuschen. Momentan fühle ich, wenn du in mir bist, genauso wenig wie bei meinen Freiern.“ Ich schaue meinen Freund nicht an. Eigentlich wollte ich ihm diese Wahrheit nicht an den Kopf werfen. Zumal sich die vorhandenen Empfindungen sehr unterscheiden. Bei Taichi verspürte ich noch nie Ekel, egal, was er mit meinem Körper machte. Meine Freier hingegen brauchen mich nur zu berühren und Übelkeit ergreift Besitz von mir. Warum aber ließ mich der Sex mit Shinya etwas fühlen? Lag es an der Situation? Mitleid wegen Shota hatte ich nicht mit ihm, immerhin verlor er die Beherrschung und vergewaltigte seinen Sohn. Zwar verurteile ich ihn nicht, denn er ist anders als der Sportlehrer, der mich damals…

„Also bin ich für dich inzwischen nicht mehr als einer deiner Freier, wenn du mich schon mit denen vergleichst?“, reißt Taichi mich aus meinen Gedanken. Seine Worte klingen kalt und gleichgültig, aber an seinen Augen erkenne ich, dass ihn meine Aussage sehr verletzte.

„Lässt du mich bitte zuerst ins Bad? Ich muss zur Arbeit“, ignoriere ich die Frage meines Freundes.

„Du sagtest, du hast heute frei“, gibt er argwöhnisch zurück.

„Ich springe für Reiji ein“, erkläre ich mit einem Schulterzucken. Tais Blick verfinstert sich.

„Das wirst du nicht.“ Ohne weiter auf mich zu achten, geht er an mir vorbei in den Flur, nimmt unsere Wohnungsschlüssel an sich und verschließt die Tür.

„Was soll das werden?“ Ungläubig starre ich meinen Freund an.

„Wonach sieht es denn aus? Du gehst nirgendwohin.“

„Verdammt, Yagami! Drehst du jetzt durch?“ Allmählich werde ich unruhig, doch sein Gesichtsausdruck bleibt ernst und ohne jede Regung.

„Yamato. Dein Körper gehört mir, hast du das noch immer nicht verstanden?“ Taichi kommt auf mich zu und packt mich unsanft am Kinn. „Ich akzeptiere deine Eskapaden nicht mehr, mein Liebling. Glaubst du wirklich, ich bekam nicht mit, dass du über die Jahre nie aufgehört hast dich von anderen vögeln zu lassen? Deine sogenannte Arbeit ist nur ein Vorwand, nicht wahr? Auf diese Weise lernst du viele potentielle Kunden kennen. Und mit diesem Wichser Reiji treibst du es auch, hab ich recht? Du bist und bleibst eben nichts weiter als eine schmutzige Hure.“ Er will mir einen Kuss aufzwingen, doch ich stoße meinen Freund derb von mir.

„Und was ist mit dir?“, schreie ich ihn verzweifelt an. „Warst du nie mit einer deiner zahlreichen Verehrerinnen von der Arbeit im Bett?“

„Nein, Yamato. Obwohl ich zugebe, daran gedacht zu haben, um dich zu verletzen. Aber wahrscheinlich wäre es dir…“

„Egal? Willst du das sagen?“ Wut steigt in mir auf. Unwillkürlich balle ich meine Hand zur Faust und schlage meinem Gegenüber ohne Vorwarnung derb ins Gesicht. Blut läuft aus Tais Nase, doch er bleibt unerwartet ruhig, fixiert mich durchdringend mit seinen Augen. „Ich gehe jetzt ins Bad und mache mich für die Arbeit fertig. Wenn ich wieder rauskomme, ist die Wohnungstür offen“, fordere ich mit drohendem Unterton.

„Nein.“

„Das war keine Bitte, Taichi!“

„Ich weiß.“ An seinem starrem Blick erkenne ich, dass mein Freund fest entschlossen und jede Diskussion sinnlos ist. Heftig schlage ich die Badezimmertür hinter mir zu. Zitternd vor Erregung schaue ich zum Medizinschrank. Ein paar Schnitte mit der Rasierklinge könnten mich vielleicht etwas beruhigen. Ich betrachte meinen inzwischen nahezu komplett vernarbten linken Unterarm und fahre mit den Fingern leicht über die Unebenheiten. Seufzend entkleide ich mich vollständig. Unter der Dusche schrubbe ich meinen Körper mit dem dampfend heißen Wasser, bis meine Haut stark gerötet ist. Der brennende Schmerz ist zwar kein gleichwertiger Ersatz, aber auch er schafft es, mich etwas zu beruhigen. Vorsichtig führe ich zwei meiner Finger in mich ein, in der naiven Hoffnung, die Unreinheit aus mir herauswaschen zu können. Dabei weiß ich genau, dass ich dieses dreckige Gefühl, welches sich schon zu meiner Schulzeit tief in mich einbrannte, nicht mehr loswerde. Behutsam tupfe ich mich mit einem Handtuch trocken und ziehe mich anschließend mit bedächtigen Bewegungen an. Als ich die Badtür öffne, sehe ich Licht im Wohnzimmer und Laute von Handfeuerwaffen sowie Kriegslärm dringen an mein Ohr. Offenbar reagiert sich Taichi einmal mehr mit Hilfe eines Konsolenspiels ab.

„Gibst du mir bitte meinen Schlüssel?“, rufe ich ihm zu, da ich weiß, wie stur mein Freund sein kann, und somit davon ausgehe, dass die Wohnungstür nach wie vor verschlossen ist. Keine Reaktion. Als ich den Raum betrete, sehe ich wie Taichi auf dem Boden vor dem Fernseher sitzend auf den Kontroller einhämmert. Unerwartet drückt er die Pause-Taste, kramt in seiner Hosentasche nach etwas und wirft mir dann meinen Schlüssel zu.

„Geh“, sagt er mit monotoner Stimme.

„Tai…“ Traurig betrachte ich ihn.

„Die Nachtschicht beginnt immer um zweiundzwanzig Uhr, oder? Wann hast du Schluss? Ich hole dich ab. Nach Mitternacht fährt keine Bahn mehr und ich hasse es, wenn du in einem Hotel übernachtest.“

„Es macht mir nichts aus, in einem Hotel zu übernachten. Zudem musst du morgen wie immer früh aufstehen, oder?“, wende ich mit Zurückhaltung ein.

„Verstehe. Du hast dich mit jemandem zum Ficken verabredet.“

„Meine Schicht endet um drei Uhr“, gebe ich schließlich nach. Ohne mich weiter zu beachten, widmet sich Taichi erneut seinem Spiel. Ich wende mich wortlos ab und gehe in den Flur. Während ich meine Schuhe anziehe, verschwimmt allmählich meine Sicht und der Druck in meinem Hals beim Schlucken ist unangenehm.
 

Gedankenversunken stehe ich am Bahnsteig der Hibiya Line. Die Musik, die aus meinen Kopfhörern an meine Ohren dringt, nehme ich kaum wahr. War es ein Fehler, noch einmal den Kontakt zu Shinya zu suchen? Oder nutzte ich nicht vielmehr die Konfrontation mit Shota als vorgeschobenen Grund, um wieder in seiner Nähe sein zu können? Schließlich war es mir nicht möglich, ihn über die Jahre zu vergessen, auch wenn ich es mit aller Gewalt versuchte. Ich vermisste ihn als eine Person, die mir Halt geben konnte und die mein Verlangen nach Drogen, das Entfliehen vor der Realität verstand, ebenso wie den Sex, der sich stark von dem mit Taichi unterscheidet, jedoch sehr an meinen Vater erinnert, nur dass mein Vater wesentlich zärtlicher, allerdings auch weniger leidenschaftlich war. Taichi lässt mich, vor allem in letzter Zeit, überwiegend seine Verachtung spüren, wenn er mit mir schläft. Dabei interessiert es ihn nicht, ob er gegen meinen Willen handelt und mich zum Sex zwingt. Er nimmt sich, wonach ihm verlangt. Zudem macht er deutlich, dass er mich oft einfach nur erniedrigen will. Ebenso vorhin, als er mich ziemlich gefühlskalt, nahezu routiniert fickte, Hure nannte und auf meinen Körper reduzierte. Unsere Beziehung lief nie besonders gut, doch im Laufe der Jahre wurden die Augen meines Freundes immer ausdrucksloser. Unser Spiel, die Lüge, auf der alles aufbaute, zerstört ihn. Ich zerstöre ihn, weil ich mein selbstschädigendes Verhalten nicht in den Griff bekomme, vielleicht nicht in den Griff bekommen will. Geistesabwesend steige ich in die U-Bahn und nehme auf einem der freien Sitze Platz. Um diese Uhrzeit ist es beinahe angenehm, mit einem öffentlichen Verkehrsmittel unterwegs zu sein, da die Passagiere kontinuierlich weniger werden und ich eigentlich nie stehen und die Berührungen anderer Menschen ertragen muss. Ein Spiel. Ist es das für mich wirklich jemals gewesen? Und Taichi? Ist es für ihn wirklich jemals mehr geworden? Andererseits bezweifle ich, dass er aus Gefälligkeit oder Mitleid mit mir zusammen ist. Tai ist zwar um einiges empathischer als ich, aber nicht heuchlerisch. Erschreckt zucke ich zusammen, als mich jemand unerwartet an der Schulter berührt. Ich blicke nach oben, um zu sehen, wer vor mir steht.

„Masao“, flüstere ich und schiebe dabei meine Kopfhörer vom Kopf in den Nacken.

„Hallo Yamato“, begrüßt er mich mit einem Lächeln. „Du siehst überrascht aus.“

„Ja, ich hatte nicht erwartet dich zu treffen.“

„Meine Freundin wohnt in Ebisu“, erklärt mein Gegenüber, während er sich neben mich setzt. „Ich war bis eben bei ihr und bin nun auf dem Weg nach Hause.“

„Ebisu?“

„Ihre Eltern sind sehr wohlhabend. Sie selbst ist erst einundzwanzig Jahre alt und studiert noch.“ Ein leises Seufzen kommt über Masaos Lippen. „Weißt du, oft ist es gar nicht so einfach, den Anforderungen der Oberschicht gerecht zu werden. Die Eltern meiner Freundin dulden mich derzeit zwar, aber sie akzeptieren mich noch nicht. Sie verlangen, dass ich die Band verlasse, weil ein derartiger, wie sie es abfällig nennen, Zeitvertreib nicht standesgemäß ist. Solch eine Diskussion verschuldete auch mein Zuspätkommen zur Probe am Nachmittag.“ Nachdenklich starre ich zu Boden. Über persönliche Angelegenheiten sprechen wir selten und eigentlich bin ich froh darüber, weil ich nie weiß, wie ich auf die Worte oder die Situation reagieren soll.

„Dieses Mal gibt es nach dem Konzert eine After-Show-Party“, wechsle ich unbeholfen das Thema, wobei ich diesbezüglich wenig Enthusiasmus in meine Stimme lege.

„Bei welcher zudem Anwesenheitspflicht für die Bands besteht. Ich dachte mir schon, dass du nicht begeistert sein wirst. Vielleicht reicht es aber, wenn du nur zu Beginn da bist. Andererseits stehst du gerade als Sänger im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.“

„Machen dir solche Events nichts aus?“ Ich wende mich wieder Masao zu, der mich mit einer Mischung aus Verständnis und Ernsthaftigkeit betrachtet.

„Ehrlich gesagt kann ich mir auch Schöneres vorstellen. Trotzdem gehört es dazu, dessen sollten wir uns immer bewusst sein. Vor allem, da wir anstreben erfolgreicher zu werden, um unseren Lebensstandard allein durch Musik finanzieren zu können. Wir brauchen die Öffentlichkeit, verlieren im Gegenzug jedoch ein Stück Privatsphäre.“

„Du hast recht“, murmle ich etwas betreten. „Diesmal versuche ich bis zum Schluss zu bleiben.“

„Nein, Yamato. Für dich ist die Nähe zu vielen Menschen, noch dazu überwiegend Unbekannten, die dich außerdem einfach berühren können, beinahe unerträglich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du es so einfach schaffst, durchzuhalten.“ Ich bringe meinem Gegenüber ein Grinsen entgegen.

„Dann hilf mir, indem du mir Gesellschaft leistet.“

„Wenn der sonst eher scheue Herr mich höchstpersönlich darum bittet und Wert auf meine bescheidene Gesellschaft legt, kann ich ihm diese unmöglich verweigern. Es wäre mir sogar eine Ehre.“ Masao deutet eine Verbeugung an, woraufhin wir beide zu lachen beginnen. „Bist du gerade auf dem Weg zur Abeit?“ Die Frage kommt unerwartet und lässt mein Lachen abrupt verstummen.

„Was?“ Ich schaue meinen Bandkollegen erst irritiert, dann abschätzig an. Masao lächelt noch immer.

„Im Gegensatz zu Kozue glaube ich dir. Und ich kann mir vorstellen, welcher Art von Job du nachgehst.“

„Wie…“

„Keine Sorge, Yamato. Es war nur ein Scherz.“ Masaos Mimik lässt nichts erkennen, doch ich bin mir sicher, dass er seine Aussage durchaus ernst meinte. Warum immer wieder diese Andeutungen? Einbildung meinerseits ist es jedenfalls nicht, dessen bin ich mir inzwischen sicher.

„Masao?“, beginne ich, unterbreche mich jedoch sofort wieder. Ihn jetzt darauf anzusprechen, würde nichts bringen, da ich an der nächsten Haltestelle aussteigen muss. Unzufrieden schaue ich aus dem Fenster, bemerke im Augenwinkel aber Masaos Blick, der abwartend auf mir ruht.

„Yamato?“, fragt er schließlich.

„Es ist nichts“, entgegne ich versucht gelassen und erhebe mich, da die Bahn allmählich zum Stillstand kommt. „Ich muss hier raus. Wir sehen uns dann bei der Probe.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, eile ich aus der Bahn, weg von meinem Bandkollegen, der mich aus unerfindlichen Gründen immer wieder verunsichert und Gefühle wie Schutz- und Haltlosigkeit in mir auslöst. Ich schiebe meine Kopfhörer zurück auf meine Ohren, in der Hoffnung, mich mit Hilfe der Musik etwas beruhigen zu können. Mein Herz rast, als ich durch die Roppongi Station zur Oedo Line laufe, um nach Shinjuku zu gelangen.
 

„Hey Yamato, bring diesen Drink bitte dem Gast an Tisch sieben. Eine kleine Geste, geht aufs Haus“, fordert mich mein Vorgesetzer mit einem vielsagenden Lächeln auf. Verwundert folge ich seinem Blick. Reiji. Eigentlich hätte ich es wissen müssen. So freudig verschwörerisch verhält sich mein Chef nur, wenn er wieder einmal versucht, Reiji und mich zu verkuppeln. Seit er mitbekam, dass Reiji mich rumzukriegen versucht, lässt er keine Gelegenheit aus, um Situationen zu schaffen, in denen potentiell etwas in sexueller Richtung passieren könnte. Vor längerer Zeit fragte ich ihn nach dem Grund, doch er meinte nur, dass er es lustig fände. Dabei scheint die Beziehung zwischen ihm und Reiji nicht nur auf beruflicher Ebene zu basieren. Meines Erachtens ist ihr Verhältnis eher freundschaftlich, wenn nicht sogar intim. Wortlos nehme ich das Tablett, halte jedoch verdutzt inne.

„Für wen ist das zweite Glas? Er scheint nicht in Begleitung zu sein.“

„Für dich. Er ist allein hier, leiste ihm ein wenig Gesellschaft. Wenn er vor drei Uhr gehen will, kannst du gern mit ihm gehen. Selbstverständlich zahle ich dir trotzdem deinen vollen Lohn.“ Bedeutungsvoll zwinkert er mir zu. Mit einem Seufzen komme ich der Aufforderung nach. Es bringt nichts, diesbezüglich mit ihm zu diskutieren. Ein paar Mal versuchte ich es bereits. Erfolglos.

„Ist dein kleines Abenteuer etwa schon vorbei? Er war wohl nicht gut im Bett?“, begrüße ich meinen Arbeitskollegen spöttisch, während ich das Tablett auf dem Tisch abstelle.

„Doch, es war ganz nett. Aber da ich weiß, dass deine Schicht drei Uhr endet…“ Reiji grinst und nippt kurz an seinem Glas. Dann greift er nach meinem Handgelenk und zieht mich zu sich auf das Sofa hinab. Gerade noch schaffe ich es, mein Gleichgewicht so zu verlagern, dass ich nicht auf seinem Schoß lande. Dennoch lässt er mich nicht los. „Ich dachte, wir könnten den Rest der Nacht miteinander verbringen.“

„Falsch gedacht. Ich sagte dir bereits mehrfach…“

„Ich würde es als Geburtstagsgeschenk betrachten“, grinst mein Arbeitskollege und leert sein Glas in einem Zug bis zur Hälfte.

„Glückwunsch, wenn du Geburtstag hast, aber das mit der Nacht kannst du vergessen“, entgegne ich und versuche mich unauffällig, aber vergeblich aus seinem Griff zu befreien.

„Es muss nicht unbedingt Nacht sein. Ich hätte auch gern am Tag Sex mit dir.“ Bei diesen Worten streicht er mit seiner freien Hand die Innenseite meines Oberschenkels hinauf. Ich gebiete ihm Einhalt, indem ich ihn grob am Handgelenk festhalte, meine aufkommende Erregtheit unterdrückend.

„Hör auf!“, zische ich genervt.

„Aber es gefällt dir, wenn ich dich berühre. Dein Körper reagiert, nicht wahr?“

„Habe ich das jemals abgestritten? Ich finde dich auch sehr attraktiv und anziehend, dennoch…“ Reiji unterbricht mich, indem er mich plötzlich zu sich zieht und mir einen Zungenkuss aufzwingt. Der Geruch von Alkohol steigt in meine Nase und erinnert mich, ebenso wie der Geschmack, an Taichi, als er noch abhängig war. Für einen kurzen Moment schließe ich meine Augen und stelle mir vor, Taichi würde mich küssen. Sehnsüchtig lasse ich mich auf das Spiel ein, doch es ist nicht mein Freund, der mich küsst. Taichi schmeckt, trotz Alkohol, anders. Er riecht anders, fühlt sich anders an und berührt mich anders, geht anders mit mir um. Resolut drücke ich meinen Arbeitskollegen von mir, der zu meiner Überraschung ohne Widerstand von mir ablässt.

„Gut so. Gib dich mir hin“, flüstert er mir liebevoll ins Ohr. „Du musst nicht so verkrampft sein, Yamato. Lass dich einfach fallen.“ Er nimmt das noch unangerührte Glas vom Tisch und hält es mir entgegen. „Trink, das hilft dir etwas lockerer zu werden.“ Ich bleibe unbewegt.

„Willst du mich abfüllen, in der Hoffnung, mich dann ins Bett zu bekommen? Ziemlich armselig, findest du nicht?“, bemerke ich geringschätzig. „Zudem weißt du, dass ich keinen Alkohol trinke.“

„Gibt es dafür einen Grund?“ Reijis Gesichtsausdruck ist ungewohnt ernst und er wirkt aufrichtig interessiert. Ich schaue auf das Glas, welches er noch immer in der Hand hält.

„Schlechte Erfahrungen“, antworte ich knapp, da ich keine Lust habe, das Thema zu vertiefen. Mein Gegenüber mustert mich erstaunt.

„Du blockst nicht ab? Und dann ist deine Aussage noch recht persönlich. Was ist los?“

„Nichts, verdammt“, herrsche ich Reiji an. Mein Blick fällt erneut auf das mit Alkohol gefüllte Glas. Unüberlegt nehme ich es ihm aus der Hand und trinke dessen Inhalt, ohne abzusetzen. Dann verziehe ich angewidert das Gesicht.

„Yamato, du hättest dich nicht zwingen müssen, das zu trinken.“

„Wieso nicht? Du willst mich doch ohnehin abfüllen. Ich helfe dir lediglich dabei.“ Ein leichter Schauer durchfährt meinen Körper, als Reiji mir unerwartet und sehr sanft über die Wange streicht.

„Versuchst du nicht eher dich zu enthemmen, um später eine Rechtfertigung vor dir selbst für den Sex mit mir zu haben?“

„Ich muss mich nicht vor mir selbst rechtfertigen, wenn ich mit einem Typen schlafe.“

„Interessant. Klingt, als würde das häufiger vorkommen. Offenbar bist du doch nicht so verklemmt, wie ich dachte.“ Ich sage nichts. Zudem merke ich, dass ich es nicht gewohnt bin, Alkohol zu trinken. Dass ich kaum etwas gegessen habe, kommt verstärkend hinzu. Mir ist heiß und mein Gesicht scheint zu glühen. „Yamato“, raunt mein Arbeitskollege, dann spüre ich seine Lippen, die meinen Hals liebkosen, sowie seine Hand, die erneut zwischen meine Beine greift. Nahezu widerstandslos lasse ich ihn gewehren, lehne mich schwer atmend zurück und schließe die Augen. Meine Erregung ist offensichtlich, Leugnen wäre ziemlich sinnlos. Ein leises Stöhnen entweicht meiner Kehle, als Reiji weitergeht und mit seiner Hand in meine Hose gleitet.

„Nicht… am Arbeitsplatz“, bringe ich keuchend hervor.

„Dem Boss scheint zu gefallen, was er sieht“, entgegnet Reiji belustigt. „Aber du hast recht. Hier kann ich nicht sehr viel mehr mit dir anstellen, als dir einen runterzuholen. Gehen wir zu mir.“

„Nein.“

„Ist dir ein Hotel lieber?“

„Nein. Nicht… mehr.“ Warum stoße ich ihn nicht einfach von mir? Dieses eine Glas Alkohol kann mich nicht derart willenlos gemacht haben. Ich bin nicht einmal angetrunken.

„Reiji… ich habe einen Freund.“

„So?“ Wie erhofft unterbricht er sein Tun. „Erwartest du jetzt, dass ich mein Begehren, mit dir zu schlafen, aufgebe? Ich mag dich, ich will dich, aber ich liebe dich nicht. Nur Sex ist doch okay, wenn man Sex von Liebe trennen kann. Oder kannst du das nicht?“ Ich öffne meine Augen und schaue ihn schweigend an. „Betrachte es als Sammeln von Erfahrung.“ Ein verzerrtes Lächeln legt sich auf meine Lippen. An Erfahrung mangelt es mir nicht und auf einige hätte ich lieber verzichtet.

„Mein Freund ist sehr besitzergreifend.“

„Und trotzdem gehst du mit anderen Männern ins Bett, nicht wahr? Ich bin mir sicher, auch er hat hin und wieder mit einem anderen Mann Sex.“

„Wenn, dann eher mit einer Frau“, murmle ich missmutig.

„Er ist bi? Dann ist es sogar noch wahrscheinlicher, dass er fremdvögelt.“

„Darum geht es nicht, Reiji“, weise ich meinen Arbeitskollegen in strengem Tonfall zurecht. „Akzeptiere endlich, dass zwischen uns nichts laufen wird.“

„Vorhin sah das aber ganz anders aus“, erwidert er mit einem Grinsen. „Irgendwann werde ich dich rumkriegen. Und das weißt du.“ Sanft küsst er meine Lippen, dann meine Wange, bevor er mit dem Daumen leicht darüberstreicht. „Mir ist egal, ob du einen Freund hast…“

„Ich muss los“, werfe ich plötzlich ein, schließe meine Hose und erhebe mich, doch Reiji hält mich am Handgelenk zurück.

„In diesem Gespräch hast du mehr von dir preisgegeben als in den letzten drei Jahren. Warum?“ Verlegen senke ich meinen Blick.

„Ich weiß es selbst nicht“, flüstere ich kaum hörbar, aber anscheinend laut genug, damit mein Arbeitskollege es versteht. Er tritt hinter mich und legt seine Arme schützend um meinen Körper. Ein weiteres Mal küsst er meine Wange.

„Pass auf dich auf, okay? Wir sehen uns.“ Dann gibt er mich frei. Ohne Reiji noch einmal anzusehen, eile ich, selbst meinen Chef ignorierend, in den kleinen Raum zum Umkleiden. Hastig wechsle ich Hose und Oberteil, anschließend verlasse ich schnellen Schrittes die Bar. Es ist bereits nach halb vier. Taichi wird aus meiner Verspätung sicher falsche Schlüsse ziehen und mir einmal mehr an den Kopf werfen, eine billige Hure zu sein. Beim Erblicken des Autos überkommen mich gemischte Gefühle, trotz allem überwiegt die Sehnsucht, als ich die Tür öffne und auf dem Beifahrersitz Platz nehme.

„Entschuldige bitte“, murmle ich schuldbewusst, doch mein Freund reagiert nicht, sein Blick ist starr in die nächtliche Dunkelheit gerichtet. Vereinzelt fallen Schneeflocken vom Himmel und lösen sich, sobald sie die Erde berühren, auf. Wortlos startet Taichi den Wagen. Auch während der gesamten Fahrt herrscht unangenehme Stille zwischen uns. Erst als die Wohnungstür hinter uns ins Schloss fällt, breche ich das Schweigen.

„Tai, ich…“

„Lässt du dich neuerdings mit Alkohol abfüllen, bevor du die Beine breit machst?“ Seine Stimme ist kalt, ebenso wie seine Augen, die mich nun fixieren.

„Nein“, antworte ich bestimmt. „Ich habe lediglich Reiji zu seinem Geburtstag etwas Gesellschaft geleistet und dabei ein alkoholisches Getränk zu mir genommen.“ Derb stößt mich Tai mit dem Rücken gegen die Wand, presst seinen Körper dicht an meinen und küsst mich lieblos, aber voller Begierde. Ich gebe ihm nach, obwohl ich weiß, dass er nicht mich, sondern den Alkohol schmecken will, da ich ihn einfach spüren möchte, egal auf welche Weise. Schmerzhaft schlägt mein Herz gegen meinen Brustkorb und einmal mehr wird mir bewusst, wie viel ich für Taichi empfinde, wie sehr ich ihn liebe und dass ich letztlich nur ihn brauche. Tränen laufen meine Wangen hinab und benetzen auch die Haut meines Freundes. Der löst sich von mir und schaut mich herablassend an.

„Du bist erbärmlich, Yamato.“ Trotz seiner Worte zittert seine Stimme, er wirkt zerbrechlich und haltlos. Ich gehe einen Schritt auf ihn zu, doch er weicht beinahe ängstlich zurück. „Fass mich nicht an! Du bist nichts weiter als eine willenlose, vollgewichste Sexpuppe, die zwar zum Ficken gut, aber ansonsten wertlos ist.“ Meine Miene verfinstert sich.

„Ich weiß. Das lässt du mich jedes Mal spüren, wenn du mit mir schläfst.“ Tai sieht mich nicht an. Sein Körper bebt, vermutlich, weil ihm durch den Kuss wieder nach Alkohol verlangt. „Warum riskierst du einen Rückfall?“, frage ich besorgt, ohne jeglichen Vorwurf.

„Weil ich das alles so nicht mehr ertrage!“, schreit Taichi mir ungehalten entgegen. Ich sehe seine Verzweiflung und bin doch unfähig darauf zu reagieren. „Weil ich dich nicht mehr ertrage.“ Den Autoschlüssel fest umklammert, verlässt mein Freund die Wohnung. Eine Weile stehe ich reglos im Flur, vielleicht, weil ich hoffe, dass Tai zurückkommt. Aber er kommt nicht zurück. Wie in Trance gehe ich ins Badezimmer. Hinter mir verschließe ich die Tür.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Muto_Yuugi
2015-01-22T04:05:21+00:00 22.01.2015 05:05
*wein*yama sei doch einmal treu D=
du brauchst nur Tai!
*bestimmend meine*
Von: abgemeldet
2015-01-14T05:53:42+00:00 14.01.2015 06:53
Wow das Kapitel war tiefgründig und traurig, aber auch echt toll. Hoffentlich vertragen sich Tai und Yamato wieder.


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