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Momente

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Die Idee dazu kommt natürlich von der herrlichen Person, die Kurosaki in unserem Stück spielt... Sowohl Pairing als auch Situation <3 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Das hier passt wohl nirgends in den Verlauf der eigntlichen Geschichte, aber es ließ mich nciht mehr los.

Jaja, da nimmt man sich mal vor, sich bei einem Kapitel richtig Mühe zu geben und dann schnetzelt man es doch wieder nur irgendwie runter xD Komplett anzeigen

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1. Rückblick

Ein schwerer Seufzer bahnte sich den Weg seine Kehle hinauf, als er die kleine, turnende Gestalt am Boden beobachtete, blieb ihm dann aber schwer im Halse stecken.
 

Wie viele Jahre waren es nun schon? Wie lange waren sie schon auf diese Weise verbunden? Und wie lange war es her, dass er ihr wahres Ich erlebt hatte?
 

Der Seufzer in seiner Kehle wurde zu einem Kloß, der ihm die Luft abschnürte und alle Erinnerungen frisch und heiß wieder in seine Wahrnehmung trieb.
 

Ein kleines Mädchen, das klatschend die Arme nach ihm ausstreckte, damit er es noch einmal in die Arme nahm und an sich drückte, während es mit seinem noch zahnlosen Grinsen auf seine Schulter sabberte. Das gleiche Mädchen nur wenige Monate später, wie es sich auf die pummeligen Beinchen stemmte und zitternd seine ersten, wackeligen Schritte auf ihn zu tat. Und ihre wimmernde, helle Stimme, die durch die offene Tür in den Garten wehte und klar vernehmbar „Papa!“ erklingen ließ.
 

Sein Brustkorb schien mit einem Mal zu klein für auch nur einen einzigen Atemzug zu sein und das Herz pochte nun hart gegen seine Rippen. Ein Brennen stieg in seine Augen, als mehr Bilder immer weiter auf ihn eindrangen.
 

Der Beginn eines Spiels, das er noch nicht als ein Solches wahrnahm und nicht verstand; Ein Lichtblitz, ein Knall und das Ertönen eines schmerzverzerrten Schreies einer schrecklich vertrauten, hellen Stimme. Unglaube… unendlicher Schmerz… und schließlich eine wilde Entschlossenheit, die von ihm Besitz ergriff. Schemen von Frauen und Männern - das blanke Entsetzen stand ihnen für immer in die Augen geschrieben - und das gurgelnde Geräusch ihres Überlebenskampfes.

Der Anblick war nicht mit dem Ende des Spieles verschwunden und wartete immer gerade unter der Oberfläche seines Bewusstseins auf Momente wie diese.
 

Nach dem Sieg kam eine tiefe, allumfassende Dunkelheit, die nur allmählich vom Lachen einer hellen Stimme unterbrochen wurde und ihn langsam wieder zur Besinnung brachte. Das Lachen gehörte einer verdrehten Gestalt am Boden, die ihm zuerst merkwürdig vertraut war, bis das Lachen schrill alle Trägheit zerriss, die seine Glieder noch umfangen hatte. Bald wurde das Lachen zu einem Kreischen, halb belustigt, halb von dem Schmerz erfüllt, den er das letzte Mal darin gehört hatte.
 

Wie es sich herausgestellt hatte, war das Erneuern eines Körpers nicht schwierig. Doch die Seele eines Menschen, das musste er schmerzlich erfahren, ging mit seinem Tod endgültig verloren. Da er dennoch viel zu heftig an der Vorstellung gehangen hatte, dass er es schaffen könne, sollte er es nur wirklich versuchen, hatte sich die Leere der kleinen Gestalt auf alles gestürzt, was an Erinnerung und Gefühl noch für sie übrig war. Wie ein Verhungernder stürzte sie sich auf alles, was er von ihr zu geben hatte und schlang es in sich hinein…

Das Ergebnis seiner Verzweiflung schrie und tobte nun auf dem Boden zu seinen Füßen, Augen und Kopf verdrehend, die langen Haare in den Fingern verknotet. Bevor er damals auch nur realisieren konnte, was er getan hatte, war sie entkommen, wütete wahnsinnig und zerstörungslustig, bis er es schaffte, ihre Kräfte zu binden.
 

Und nun saß sie da, immernoch zu seinen Füßen, innerlich gefesselt wie eine Gefangene, ohne auch nur eine leise Ahnung, wer oder was sie einmal gewesen war - und was sie für ihn gewesen war. Es war seine Schuld, dass sie nun eine Gefahr für sich und andere war, doch sie zu erlösen… dazu fand er auch nach all den Jahren nicht die Kraft. Es war egoistisch, doch ohne sie wollte er nicht leben.
 

„Deee-uuus!“, quietschte die helle Stimme, plötzlich ganz nah. „Sitz doch nicht immer nur da und starr in die Luft, wenn es doch etwas zu tun gibt“, ein diebisches Grinsen breitete sich auf ihren Lippen aus, „Es gibt ein Spiel vorzubereiten.“
 

„Ich weiß… Gedulde dich nur, Murmur.“

2. Tagtraum

Einige Jahre war es nun schon her, dass die berüchtigte Terroristin Hexe Minene Uryuu einen Fluch über ihn ausgesprochen hatte, nach dem sich Kurosaki eines düsteren Tages an einer Heftklammer stechen sollte und daraufhin in einen hundertjährigen Schlaf fallen sollte, eingesperrt in einen mit Dornen bewachsenen Turm. Die besten Dermatologen und Vertreter für Bürobedarf der Stadt hatten versucht, ihn von diesem Fluch zu befreien, doch schlussendlich waren sie alle nur zu dem einen Schluss gekommen: Nur wahre Liebe konnte diesen Fluch brechen, denn davon verstand die böse Minene herzlich wenig.
 

Vorsorglich entfernte Kurosaki alle Tacker aus seinem Büro, bewirkte sogar eine Zusatzklausel in den Gesetzen zum Vertrieb von Büroartikeln, welche besagte, eine jede Klammer sei nur noch mit einem Sicherheits-Plastiküberzug zu erwerben. Tatsächlich brachte er nur das Eine nicht über’s Herz: Dem Bürgermeister von dem Fluch zu berichten. Was wäre, wenn dieser ihm Zwangsurlaub androhte, oder sogar einen zweiten Sekretär einstellte? Das würde Kurosaki niemals verkraften.
 

Doch Kalenderwoche um Kalenderwoche verging, ohne dass eine Heftklammer den Weg in sein Büro fand und langsam wähnte Kurosaki sich vor dem Fluch in Sicherheit.
 

Es war der Tag vor Valentinstag, an dem Kurosaki wie üblich seiner Arbeit nachging, als der Bürgermeister wortlos in sein Büro trat und einen Umschlag auf seinen Schreibtisch warf. Kurosaki konnte kaum den Blick auf den Brief fallen lassen und wieder aufsehen, da war der Bürgermeister schon wieder hinausgegangen.
 

Ein warmes Gefühl breitete sich auf seinen Wangen aus: Ein Brief vom Bürgermeister, und das auch noch am Tag vor Valentinstag… Er war sich sicher: das konnte nur eine Einladung zu einer Verabredung sein, oder vielleicht sogar ein ganzes Liebesgeständnis? Hastig riss er den Umschlag auf, sein Atem ging vor Freude nur stoßweise, und holte die Papiere darin hervor.
 

Das Lächeln verschwand von seinen Lippen, als er die Überschrift las: „Gehaltsabrechnung von Ryuji Kurosaki, Obersekretär“. Sein Herz schien ihm in den Bauch zu sacken und ein dumpfes Gefühl in seiner Brust zu hinterlassen. Enttäuscht fuhr Kurosaki mit dem Finger über das feine Druckerpapier, als er einen Schmerz spürte und ein einzelner roter Tropfen das weiße Papier traf.
 

Verwirrt besah er sich die kleine Wunde am Finger und dann den purpurnen Fleck auf der Überschrift, folgte der schwarzen Schrift mit den Augen, bis er sie sah: Die Heftklammer in der linken oberen Ecke. Die Heftklammer des Bürgermeisters… Aus seinem Büro hatte er sich nicht getraut sie zu entfernen, aus Angst, er könnte es verdächtig finden, und so war diese Klammer in diesem Schreiben gelandet.
 

Schwere legte sich Kurosaki auf die Brust, erfasste seine Glieder und seinen Kopf, bis ihm ein Gedanke kam: „Wenn das eine Klammer aus dem Büro des Bürgermeisters ist, dann muss er es persönlich zusammengetackert haben… Und das würde er für niemanden anders tun, als für mich“
 

Kurosakis Augenlider schlossen sich und sein Kopf sackte zur Seite, dann merkte er nichts mehr.
 

~
 

Er musste mehrere Male blinzeln, um seine Umgebung ganz klar wahrnehmen zu können. Er war in einem Zimmer, das er noch nie gesehen hatte; die Mauern und der Boden aus Stein, nur ein Fenster gab es und zu diesem wuchsen dornige Rosenranken in den Raum hinein.
 

Er fasste sich an den Kopf, ihm war noch immer ein wenig schwindelig, doch die Erinnerung an das Geschehene kehrte langsam zurück. Er hatte sich gestochen… an einer Klammer. Aber warum war er dann wach und schlief nicht tief und fest, wie in dem Fluch beschrieben? Hatte die Hexe am Ende doch ein Einsehen mit ihm gehabt? Oder - konnte das möglich sein? – war der Fluch etwa unwirksam geworden? Er konnte doch nur durch wahre Liebe gebrochen werden! Und wenn, und bei diesem Gedanken machte Kurosakis Herz einen Hüpfer, wenn mich der Bürgermeister nun doch liebt? War denn nicht das persönliche Heften seiner Unterlagen ein Zeichen? Vielleicht konnte der Bürgermeister sich ja nicht anders ausdrücken? Vielleicht traute er sich ja einfach nicht… Sein Atem beschleunigte sich und sein Herz pochte nun fröhlich gegen seine Rippen. Natürlich! In dem Moment, da der Fluch von ihm Besitz ergriffen hatte, hatte er doch die Gefühle erkannt, die hinter dieser kleinen Geste steckten? Und Kurosakis Liebe, seine wahre Liebe für den Bürgermeister, hatte ihn von dem Fluch erlöst, den er so lange gefürchtet hatte. Der Bürgermeister hatte ihn gerettet!
 

Überglücklich stürmte er zum Fenster und sah draußen auf dem schmalen Landweg einen Polizisten vorbeilaufen. Von einer überschwänglichen Freude gepackt winkte er dem Mann eifrig zu – sicher konnte dieser ihn gleich wieder zurück zum Rathaus nehmen, heute war wirklich sein Glückstag.
 

Der Polizist blickte erst verwirrt und dann erstaunt zu Kurosaki auf. „Hey, sind Sie nicht der Sekretär vom Bürgermeister? Man hat die ganze Stadt nach Ihnen abgesucht!“
 

„Ich bin hier!“, rief er strahlend zurück und deutete überflüssiger Weise auf sich selbst, „Ich war verflucht, wurde in diesen Turm gesperrt. Aber jetzt bin ich frei, frei! Ich hatte mich an einer Klammer gestochen, sehen Sie?“ Er hielt seinen Finger aus dem Turm, an dem eine kaum sichtbare Schramme zurückgeblieben war und der Polizist zuckte unbeeindruckt mit den Schultern. „Ja, ich weiß. Jeder in der Stadt weiß es. Der Bürgermeister hat nach Ihrem Verschwinden von dem Fluch erfahren und die Bürger angewiesen nach diesem Turm hier zu suchen. Naja, das war nicht allzu schwer. Ich soll hier Wache stehen… Soviel ich gehört habe, will der Bürgermeister sie aus diesem Turm herausholen. Aber jetzt kann ich ja der Zentrale-“
 

„Den Teufel werden Sie!“, rief Kurosaki hastig zurück und wedelte so stark mit den Armen, dass er fast das Gleichgewicht verlor. Der Bürgermeister wollte ihn retten… er musste ihm so wichtig sein, dass er ohne ihn nicht leben wollte. Das war die einzige Erklärung! „Hören Sie, das ist eine direkte Anweisung des Obersekretärs des Bürgermeisters“, hob Kurosaki dann mit aller Autorität an, die er in seiner Situation noch aufbringen konnte, „Gehen Sie nach Hause. Machen Sie Feierabend und gehen Sie. Kein Wort davon zu irgendjemandem! Ich werde mich darum kümmern, dass Sie für diesen Aufwand entschädigt werden!“
 

Anscheinend hatte sein Gerede den Wachmann bis zu diesem Punkt relativ kalt gelassen, doch nun hörte er auf und sah sich verstohlen zu allen Seiten um. „Wie Sie wünschen, Sir“, rief er schließlich zurück, fasste sich einmal kurz an seine Mütze und schritt dann davon, wahrscheinlich zu seinem Auto, das hier irgendwo parkte.
 

Doch in Kurosaki reifte währenddessen schon ein Entschluss heran: Wenn er dem Bürgermeister so viel bedeutete, konnte er ihn mit dieser schwierigen Aufgabe nicht allein lassen, er würde ihm auf diesem Weg beistehen!
 

Entschlossen sprintete Kurosaki die Wendeltreppe des Turmes herunter und rannte dann mit von seinen Armen bedecktem Gesicht durch die dichte Dornenhecke, die rings um den Turm wuchs und sich gleich hinter ihm wieder unbarmherzig schloss.
 

~
 

Schwer atmend erreichte Kurosaki den Wohnsitz des Bürgermeisters – ein Eigenheim nicht weit vom Rathaus entfernt – und spähte durch das Wohnzimmerfenster. Es stand einen kleinen Spalt weit offen und so konnte er hören, was der Bürgermeister leise vor sich hinmurmelte:
 

„Aber wie geht das? Es war doch irgendwie… nein… nein“ Der Bürgermeister saß auf einem Stuhl, seine Füße nur mit Socken bekleidet und starrte das Paar Schuhe an, in das er gerade seinen Zehen hineinstreckte. Er sah unfassbar hilflos aus, sodass Kurosaki nicht anders konnte als leise die Tür zum Haus aufzudrücken und sich zum Wohnzimmer zu schleichen. Er wagte es gerade den Kopf hinter dem Türrahmen hervorzustecken, als der Bürgermeister unverhofft aufsah und ihre Blicke sich trafen. Kurosaki zuckte innerlich zusammen, sah seinen Plan schon in viele spitze Teile zerbrechen, die sich in sein Herz bohrten, doch die Mine des Bürgermeisters hellte sich plötzlich auf.
 

„Kurosaki! Vermiss ich dich schon so sehr, dass ich träume?“
 

Er überlegte nur einen Augenblick, bis er strahlend in die Tür trat und auf den Bürgermeister zuschritt. „Jawohl Herr Bürgermeister“, erklärte er und ließ sich auf die Knie sinken, um dem Bürgermeister seine Schuhe anzuziehen, „Das hier ist eine Einbildung, Sir. Als ob Sie nicht wüssten, wie man sich die Schuhe bindet…“
 

„Natürlich, Kurosaki, ausgezeichnet, ausgezeichnet“, nickte der andere zufrieden und sah auf seine Füße herab, wo bereits der erste Schuh fertig verschnürt war. „Egal, wie schwer es wird, ich muss ihn befreien“, sagte sich der Bürgermeister und Kurosaki nickte freudig, „Einen besseren Sekretär find‘ ich doch nicht mehr! Schon gar nicht zu dem Gehalt!“
 

Glücklich darüber lachend vollendete Kurosaki schwungvoll die letzte Schlaufe am Schuh des Bürgermeisters. Rasch sprang er auf und verschwand hinter einer Ecke, hörte den Bürgermeister sich erheben und dann ging die Haustür einmal auf und fiel ins Schloss zurück.
 

Leise folgte er ihm aus dem Haus heraus und sah zu, wie der Bürgermeister ein Taxi bestieg. Kurosaki atmete tief ein, blickte zu dem Turm in der Ferne und fing an zu joggen.
 

~
 

An dem Turm angekommen hätte Kurosaki erwartet, dass der Bürgermeister schon dabei war eine Schneise in die Dornen zu schlagen, vielleicht sogar schon an der Tür war und Kurosaki sich beeilen musste, doch er stand nur ein wenig ratlos blickend vor dem Gesträuch.
 

„Herr Bürgermeister?“
 

„Kurosaki“, erwiderte der Bürgermeister mit einem Nicken und starrte die Hecke an, „Ich erwarte Ideen, wie diese… Pflanze hier beseitigt werden kann.“
 

Bei dieser Frage sank ihm das Herz in den Magen. Ja, wie sollte man es anstellen? Er konnte den Bürgermeister nicht so hineinbringen, wie er hinausgerannt war und eine Schere oder ein Messer hatte er auch nicht dabei. Nachdenklich nagte er an seinem Daumennagel, als ihm die rettende Idee plötzlich und unverhofft kam. Aufgeregt starrte er seinen Fingernagel an und richtete sich dann an den Bürgermeister: „Sir, haben Sie Ihren Nagelknipser dabei?“
 

Dieser nickte langsam und zog dann ein schwarzes Etui aus seiner Hosentasche hervor, öffnete es und hielt es Kurosaki hin. Er ergriff das kleine Metallgerät, stürmte auf die Hecke zu und begann die Dornen abzuknipsen.
 

Es war eine langwierige Arbeit und bald taten ihm alle Finger weh, doch der Bürgermeister wiederholte immer: „Erstaunlich, wozu ich in der Lage bin, wenn ich es wirklich darauf anlege“ und Kurosaki antwortete stets: „Jawohl, Herr Bürgermeister“
 

Endlich kam die Tür des Turmes in Sicht und beide atmeten erleichtert auf. „Na das wird ja auch Zeit, hat ja lange genug gedauert!“, stellte der Bürgermeister fest, als er durch die Tür schritt, die Kurosaki ihm aufhielt.
 

Schon hastete Kurosaki die Wendeltreppe hinauf, schmiss sich eilig auf das Bett, in dem er noch vor wenigen Stunden erwacht war und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, um sie zu ordnen. Brav verschränkte er danach die Finger auf seinem Bauch und schloss die Augen, bereit, seinen Retter zu begrüßen.
 

Doch als die Minuten verstrichen und nichts geschah, öffnete Kurosaki erst das eine, dann das andere Auge, setzte sich schließlich auf. Am Fußende der Treppe hörte er den Bürgermeister tief seufzen. Leise stahl er sich die Treppe wieder ein Stück hinunter, nur um den Bürgermeister zweifelnd vor den Stufen zu finden.
 

„Das wird so nichts“, stellte der Bürgermeister fest und besah abermals kritisch die Treppe. „Kurosaki! Wir müssen einen anderen Weg finden!“
 

Kurosaki sah sich ratsuchend um, bis sein Blick auf einen kleinen Lastenaufzug viel. Er war nicht gerade groß und sah ziemlich alt aus, aber für seine Zwecke sollte er reichen…
 

„Herr Bürgermeister, lassen Sie mich Sie zum Fahrstuhl bringen.“, bat er freundlich und wies dem anderen mit einer kleinen Geste den Weg. Dieser nickte wiederum knapp und ging bereitwillig auf den Lastenaufzug zu, setzte sich auf die hölzerne Fläche und sah Kurosaki an. „Sie müssen die Beine anziehen, Sir.“
 

„Das kommt mir aber sehr eng vor…“, erwiderte der Bürgermeister, sobald er getan hatte, worum Kurosaki gebeten hatte. Aufgebracht besah er sich seine Lage und verengte die Augen zu Schlitzen.
 

„Ja, Sir, die Bauarbeiter haben offensichtlich schreckliche Arbeit geleistet, aber ich habe mich schon darum gekümmert. Das wird morgen ersetzt, bis dahin werden wir damit vorlieb nehmen müssen“, erklärte Kurosaki in ernstem Ton, woraufhin der Bürgermeister nur leise schnaufte.
 

„Nun gut, Kurosaki… wenigstens einer, der hier mitdenkt.“
 

„Sir“, murmelte er nur untergeben, bevor er sich verbeugte und wieder die Treppe hinaufeilte. In dem Zimmer musste er nicht lange nach dem Schacht für den Lastenaufzug suchen und er ergriff entschlossen die schwere Eisenkette, die daneben hing. Der erste Ruck brachte nichts als ein lautes Knirschen, gefolgt von dem Quietschen von Metall auf Metall. Kurosaki zog ein weiteres Mal heftig an der Kette, hängte sich mit seinem gesamten Gewicht daran, bis schließlich ein dumpfes Geräusch ertönte und die Kette sich langsam bewegen ließ.
 

Stück für Stück tauchte mehr von der rostigen Kabine über dem Fußboden auf, bis er den Kopf und die Schultern seines Erretters erblicken konnte. Dessen durchdringender Blick fixierte ihn, dass sich ein heißer Schwindel in Kurosakis Magen ausbreitete und der Bürgermeister öffnete den Mund.
 

„Kurosaki!“, tönte die Stimme des Bürgermeisters durch die Büroräume und riss den Sekretär aus seinem Traum, bevor er auch schon im Türrahmen erschien. „Was machst du da?“, fragte John Balks in forschem Ton nach.
 

Kurosaki schreckte von dem Stapel Papier auf seinem Schreibtisch hoch und konnte die Rötung seiner Wangen nur verbergen, indem er hastig die Kappe seines Füllers unter den Notizen suchte. „Sir, ich… Ihre nächste Rede vor dem Ausschuss zum Bau der neuen Autobahn muss noch geschrieben werden.“
 

Es war zwar keine direkte Lüge, aber auch nicht die Antwort auf das Fragen des Bürgermeisters, der nun langsam erst auf die Zettel, dann auf den Füller und schließlich zu Kurosaki blickte.
 

„Ausgezeichnet, Kurosaki, der Opposition immer einen Schritt voraus sein!“
 

„Jawohl Sir, immer einen Schritt voraus.“
 

„Ausgezeichnet. Ich erwarte erste Ergebnisse in einer halben Stunde!“
 

Er nickte, obwohl der Bürgermeister sich schon umgedreht hatte und auf dem Weg zurück in sein Büro war. Kurosaki entfuhr ein leiser Seufzer, als er auf seine Papiere sah und gedankenverloren einen kleinen Wirbel in eine Ecke zeichnete.

3. Funke

Die Worte klingen in seinen Ohren nach wie das helle Geräusch einer Glocke, dringen langsam in sein Bewusstsein und hinterlassen dort tiefe Fußabdrücke.
 

"Ich liebe dich, Yuki"
 

Eigentlich sollte ihn das nicht überraschen - seit sie in dieses Spiel hineingezogen wurden hatte sie sich stets schützend vor ihn gestellt, ihm so oft versichert und geschworen, dass alles gut werden würde, wenn sie nur beieinander sein würden. Alle Berührungen, Blicke und Bitten hatten immmer nur den einen Schluss zugelassen; und doch steht er jetzt vor ihr - das Herz unangenehm schnell gegen seine Rippen hämmernd und seine Kehle schlagartig zu eng um Luft zu holen - während der ganze Sinn dieses Satzes sich über seine Sinne legt. Scham brennt auf seinen Wangen und färbt sie rot, sodass er seinen Kopf heftig schüttelt um wenigstens diese Empfindung zu vertreiben.
 

Bitte nicht, denkt er verzweifelt. Bitte nicht. Schon dringt das leise Geräusch eines zittrigen Atemzuges an seine Ohren, bis es sich zu einem vollen Schluchzen entwickelt. Bitte nicht, fleht er innerlich immer weiter. So gern er es auch möchte, er kann nicht und wird es nie erwidern können; er liebt sie, aber nicht so, wie sie es möchte. Er liebt es, sich bei ihr sicher und geborgen zu fühlen, sie immer bei sich zu wissen und seine Sorgen ihr und ihr allein anvertrauen zu können. Unweigerlich fragt Yukiteru sich, ob sie seit dem Tod seiner eigenen Mutter für ihn nicht genau das geworden ist: eine Mutter.
 

"Es tut mir so leid...", bringt er an dem Knoten in seiner Kehle vorbei hervor und richtet dann seinen Blick auf Yuno.
 

Ihr rosafarbenes Haar hängt glatt über ihre Schultern, nur einige Strähnen werden vom Wind erfasst und umspielen ihre schluchzende Gestalt wie ein Schleier, als ein Knall die Luft um sie herum zerreißt. Mit einem Mal besteht die Welt nur noch aus Hitze und Feuer, das über seine Haut leckt und tiefe Furchen hinterlässt, das das pinke Haar erfasst und in seiner Gänze verzehrt, als hätte es dieses nie gegeben. Ein ersticktes Schreien entrinnt dem in Schmerz und Agonie geöffneten Mund des brennendes Wesens, das vor Sekunden noch Yuno war und als eine zweite Explosion direkt hinter ihr losgeht, kann er sich nicht mehr auf dem schmerzenden Beinen halten. Rückwärts fliegt er, fällt er, dem Boden entgegen, während sich das helle Licht wie ein Blitz in seine Augen hineinfrisst und er seine Mutter ein zweites Mal sterben sieht.
 

~
 

Schmerz empfängt seine Sinne, als er wieder zu sich kommt. Hastig versucht er die Augen zu öffnen, um der schrecklichen Dunkelheit zu entkommen, in der Yunos Schrei ihn noch immer verfolgt, doch es passiert nichts und er tastet panisch nach seinen Augen. Mit zitternden Fingern erfühlt er eine raue Binde, die um seinen Kopf gewickelt ist. Als ein Prickeln über sein restliches Gesicht geht, will er auch danach tasten, doch sachte Finger ergreifen seine Hand und halten sie zurück. "Yukiteru... ich bin es, Mao."
 

"Mao... Was ist passiert und... wo bin ich?"
 

Er hört ein schwaches Seufzen über sich und seine Hand wird von ihrer fest umschlossen. "Hör zu... Der Bürgermeister hat wohl mehrere Gebäude sprengen lassen, um uns endlich aus dem Weg zu räumen. Wir haben nur von weitem die Explosionen gehört und haben euch gleich gesucht. Du... Da war eine Menge Blut und wir konnten dich in ein nahes Haus bringen, da sind wir jetzt noch, in einem derSchlafzimmer. Das Areal der Bombadierung ist abgesperrt, aber sie werden sicher bald die Häuser stürmen und sehen wollen, wie viele sie von uns erwischt haben. Yuki...", ihre Hand schließt sich noch enger um seine Finger, dass er ihren Puls an seinen Fingerspitzen spüren kann, "Du hast es ziemlich übel abbekommen. Die Verbrennungen konnten wir mit ein paar Mitteln hier aus dem Bad behandeln, aber... d- deine Augen..."
 

Ihre Stimme wird leiser und er hört sie wimmern, da beendet eine andere Stimme an seinen Füßen ihren Satz - Hinata:"Als wir ankamen, waren deine Augen ziemlich schwer verletzt und wir konnten nichts mehr tun. Wir glauben nicht, dass du wieder sehen können wirst."
 

Auch ihre Stimme ist leise, aber ganz ohne Ausdruck, als wäre Situation weniger schrecklich, wenn sie es ihm nur schnell genug sagt. Doch die Wahrheit durchkämmt seinen Geist erbarmungslos: Er ist blind. Das Wort hört sich merkwürdig und unpassend für sich selbst unpassend an - blind... Nie mehr seine Umgebung sehen, nie mehr die Leute, seine Freunde und Lehrer bei den kleinen Tätigkeiten ihres Alltags beobachten, nie mehr Tiere in der Nacht durch die Hecken schleichend erblicken, nie mehr wahrnehmen, welche Farbe die Bäume jeden Tag aufs neue haben, wie die Leute ihre Zäune und Häuser streichen, nie mehr lesen und niemals wieder in die Augen eines vertrauten Menschen gucken. Nie mehr. Es ist ein schrecklicher Gedanke, der schnell von Unglauben abgelöst wird, bis ihn der Schmerz beim Schütteln seines Kopfes von der Richtigkeit dieser Dinge überzeugt. Nie mehr. Sein Atem geht schnell und ängstlich greift er mit der Linken nach Maos Hand, die seine Rechte immernoch festhält. Was bedeutet das für ihn? Das Spiel zu gewinnen ist ihm immer egal gewesen, doch nun kann er den anderen nicht einmal mehr helfen. Sie würden den Bürgermeister allein umbringen müssen. Vielleicht würde er sich als Lockvogel opfern können, um einem anderen den Platz zum Gott zu ebnen... Akise, oder Y-
 

"Was ist mit Yuno?", fragt er mit bebender Stimme nach, während er gegen die Erinnerung ankämpft, die das verzerrte Bild einer brennenden Figur in sein Bewusstsein und deren Hitze in seine Brust treibt.
 

Auf seine Frage hin schweigen alle um ihn herum einen Augenblick lang. Er weiß nicht, was er davon halten soll und die Stille macht ihn zunehmend wütend "Antwortet mir!"
 

"Sie... hat es nicht überlebt", gibt eine tiefe Stimme zu, die wohl Ouji gehört.
 

Zum zweiten Mal an diesem Tag hört er etwas, das er schon weiß und dennoch kommen die Worte genauso unerwartet, treffen ihn genauso hart wie die Ersten und machen die Welt noch dunkler, als sie für ihn sowieso schon ist. Noch einmal spielt sich das Letzte, das er jemals auf der Welt sehen wird, schrecklich lebendig in seinem Gedächtnis ab.
 

Das heiße Brennen in seiner Brust trifft auf den kalten Schauer, den diese Nachricht in ihm auslöst und treibt ihm die Übelkeit in den Magen, den Schwindel in den Kopf. Sein Mund ist erfüllt vom Geschmack seiner Galle, als die Gewalt der Realität über ihn hereinbricht und ihn komplett einnimmt und droht ihn zu ertränken.
 

Er möchte weinen, um seiner Verzweiflung und Trauer Ausdruck zu verleihen, um zu zeigen, wie ungerecht das alles ist, um dieses Gefühl aus sich zu vertreiben und sich mit den salzigen Tränen reinzuwaschen von allem, woran er allein die Schuld trägt. Doch mit dem Stechen in seinen leeren Augenhöhlen merkt er schließlich, dass selbst diese einfache, menschliche Reaktion ihm jetzt verwehrt ist, dass das Spiel ihm selbst noch das genommen hat. Er wird niemals um Yuno weinen können.
 

Plötzlich geht sein Atem schwer und rasselnd, seine Muskeln gehorchen ihm nicht mehr und er fällt mit dem Oberkörper nach vorn, krümmt sich unter der Last und dem Schmerz in seiner Brust zusammen und schreit sein Leid in die ihn umgebende Dunkelheit.
 

Eine Hand tastet über seinen Nacken und zitternde Fingerspitzen fahren durch sein Haar.
 

"Es tut mir so leid, Yukiteru. Sie hat das nicht verdient", wispert eine Stimme in sein rechtes Ohr und er erkennt sie als die von Akise, dessen warmen Atem er nun auf seiner zerschundenen Haut brennen spürt, "Ich weiß, ich habe sie nie so gemocht wie du, aber das hat sie nicht verdient."
 

Das Brennen scheint sich durch seine Haut zu fressen und ihn auszufüllen, bis er ein bebendes Keuchen ausstößt. Heftig schlägt er seinen Arm in die Richtung, aus der Akises Stimme gekommen war, trifft aber nichts als die stickige Luft. "Oh ja, du hast Recht, du kannest sie nicht!", donnert er los, als sich die Hitze in ihm zu einem Feuer entfacht - dem gleichen Feuer, das ihm das hier angetan hat, das Yuno umgebracht hat und ihn sein Augenlicht gekostet hat, "Ihr! Ihr kanntet sie niemals wie ich, keiner kennt sie so!" Er spürt, wie seine Hände sich in das dünne Laken verkrampfen und sein ganzer Körper erzittert. "Ich will nicht mehr! ICH WILL DAS NICHT MEHR! Geht weg, lasst mich hier, LASST MICH STERBEN!", brüllt er jetzt aus Leibeskräften dem leisen Geräusch von zurückweichenden Schritten entgegen, "Lasst mich, ich WILL NICHT MEHR! Lasst mich allein!"
 

Sein Körper wird von hefitgen Schluchzern durchzuckt und die ungeweinten Tränen beißen in sein verwundetes Fleisch. Alle Angst, Trauer und Wut steigt in ihm auf und legt sich als erstickender Druck in seinen Nacken, als wäre sein Schmerz etwas tatsächlich Greifbares, das ihn nun erdrosseln wollte. Yukiteru würde das nur begrüßen. Kraftlos und trocken wimmert er in seine Armbeuge, als Akise wieder die Stimme erhebt, diesmal von weiter entfernt: "Bitte... Wir können dich nicht hier lassen, das ist keine Lösung." Seine Stimme, die sonst so gefestigt und ruhig ist, scheint unsicher und hell zu sein. Yukiteru dreht sich von dem Klang weg und beißt die Zähne aufeinander, bis er sich zu einem hastigen Atemzug zwingen kann.
 

"Dann bringt mich doch um. Ich bin doch jetzt eh nur noch eine Last! Erschießt mich, erstecht mich, ist mir egal! Ich will nicht mehr." Der letzte Satz ist nur noch ein Hachen und sein Oberkörper sackt zur Seite, sodass seine geschundene Haut auf die Berührung hin vor Schmerzen zu singen scheint.
 

Einige Sekunden lang geschieht nichts und er hofft wirklich, dass jeder von ihnen darüber nachdenkt, ihm endlich Erlösung zu gewähren. Er hört Holz knarzen und Schuhe, die über den Boden auf ihn zu schlurfen. Gleich wird alles vorbei sein. Sie sehen es ein und bringen mich um. Neben ihm senkt sich die Matratze und er hört den flachen Atem einer Person. Gleich ist alles vorbei, bitte lass es gleich vorbei sein. Hände, weich und vorsichtig, streichen über seine Schultern und die sanfte Berührung erschreckt ihn mehr, als es der Knall eines Revolvers getan hätte. Für einen verzweifelten Augenblick hofft er noch, dass sie sich um seine Kehle schließen werden, doch dann presst sich ein Gesicht in sein Haar und an seiner Schläfe fließt ein warmer Tropfen hinab, der eine nasse Spur an seinem Ohr hinterlässt.
 

"Tut mir leid, Yukiteru, aber das können wir nicht. Das kann ich nicht."



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Kommentare zu dieser Fanfic (3)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Vespasian
2014-09-26T21:15:47+00:00 26.09.2014 23:15
oh mein gott, ich krieg mich kaum ein vor lachen <3
Von:  Perochii
2014-09-24T12:40:56+00:00 24.09.2014 14:40
uwu ...mein Bürgermeister ♥
Von:  OceanSoul
2014-09-18T21:03:47+00:00 18.09.2014 23:03
Ich liebe es. Es ist so wunderschön und märchenhaft und toll. ♥


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