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Iramon - Die Katze des Königs

Eine Pokemon Geschichte von Kanto
von

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Kapitel 4

>>>Neru<<<
 

"Ich möchte mich bei euch allen entschuldigen. Der Plan, den ich ersonnen habe, hat euch alle viel mehr in Gefahr gebracht, als ich das beabsichtigt hatte, vor allem hatte ich nicht beabsichtigt, euch alle bei der Entwicklung so zu übergehen. So gut meine Motive auch immer gewesen sein könnten, habe ich doch mehr von euch verlangt, als ich selber zu geben bereit gewesen wäre." Voller Enthusiasmus warf Neru sich in die Brust. "Mir tut es schrecklich leid, deine Verletzungen, Texomon, dich überfordert zu haben, Nerina, und auch deine Feigheit Evoli... äääähhh..." Neru stockte und die Möwe vor ihm legte den Kopf schief. "Wollt ihr meine Entschuldigung annehmen, mit dem Vorsatz, nie wieder so über eure Köpfe hinweg zu entscheiden?" Die Möwe ließ einen heiseren Schrei hören, der eher wie ein Lachen klang und Neru wurde rot. "Ja, das könnte man so sagen", erwiderte er tonlos. Die Möwe breitete ihre Schwingen aus und flog davon. "Ja, das finde ich auch", murmelte Neru vor sich hin, "Zum davonlaufen. Was soll ich den anderen nur sagen?" Schon zu Anfang der Schiffsreise hatte Neru sich auf das verlassene, im Schatten liegende Deck des Wassertaxis von Anemonia nach Azuria City zurückgezogen, während Nerina und eine stolze Evoli ganz oben den Fahrtwind und die Sonne genossen. Tatsächlich schienen die beiden komplett zufrieden mit sich zu sein, nur Neru war das eben nicht. Er hatte Evoli, als er sie abholen kam, kaum in die Augen sehen können, so schämte er sich für das, was er ihr zugemutet hatte und so ähnlich ging es ihm auch mit Nerina. Wie sollten sie ihm je wieder vertrauen? Ein lautes, dröhnendes Hupen riss ihn unsanft aus seinen Gedanken. Erschrocken wirbelte er herum und sah die Hafeneinfahrt von Azuria City vor sich liegen. Hatte er etwa tatsächlich die ganze Fahrt mit Grübeln verbracht? Nerina und Evoli machten sich bestimmt schon Sorgen um ihn, immerhin war er nur verschwunden, um, wie er es gesagt hatte, sich auf dem interessanten Schiff umzusehen und aufs Klo zu gehen. Doch jetzt musste er schon seit einer guten Stunde verschwunden sein. Er hoffte nur inständig, dass Evoli - Ach was hatte die Kleine doch einen guten Kern! Kein Laut des Vorwurfs war über ihre Lippen gekommen - noch nicht angefangen hatte, nach ihm zu suchen. Rasch schnappte er sich seinen Rucksack mit dem kleinen, weiße Netbook darin und rannte, hier und da Leute anrempelnd, über das Schiff wieder hinauf zu den anderen. "Bist du ins Klo gefallen?", fragte Nerina mit verschmitztem Grinsen und Evoli kugelte sich bei der Vorstellung vor unterdrückter Heiterkeit auf dem Boden. Das mit dem Sprechverbot hatte sie gut heraus und auch das Lachen, das in ihr aufkeimte, konnte sie gekonnt unterdrücken, dennoch sah man ihr die Heiterkeit deutlich an. Offenbar hatten die beiden sich einen Spaß daraus gemacht, sich Geschichten darüber auszudenken, wo er denn stecken könnte. Liebevoll und dabei seine Scham vergessend fing er an, ihren Bauch zu kitzeln, was Evoli allerdings noch viel mehr zum Lachen brachte. Die meisten Gäste waren schon verschwunden, so hörte niemand, wie Evoli irgendwann tatsächlich erst zu glucksen und dann zu lachen anfing und Neru lachte mit ihr und das, obwohl er doch noch vor Minuten selber so besorgt gewesen war. Als sie das Ufer erreichten, brachen sie sofort in Richtung des Strandes auf, an dem sie die Nacht vor ihrem ersten Arenakampf geschlafen und trainiert hatten. Sinnend dachte Neru darüber nach und irgendwann platzte es aus ihm heraus. "Ist schon Wahnsinn, was, seit dem wir das letzte Mal hier waren, alles passiert ist, oder?" Nerina lächelte ihn an. "Ja, das ist es", meinte sie, "Und wie anders wir damals noch gewesen sind." "Wieso?" Neru starrte sie verdutzt an. "Inwiefern denn anders?" "Naja, ich weiß noch, wie verbissen du hier mit Evoli trainiert hast und, wie du damals mit dem Kanu rausgefahren bist. Ich weiß auch noch, wie unbeherrscht damals Texomon gewesen ist. Wenn ich mir überlege, wie er jetzt herumläuft, kommt es mir vor, als lägen schon Jahre zwischen heute und damals." "Hab ich mich eigentlich auch verändert?", fragte Evoli in die sinnierende Stille. Lachend hob Nerina das kleine Pokemon vom Boden auf und streichelte ihr den Rücken. "Wenn ich daran denke, wie viel Angst du damals noch vor dem Wasser hattest, glaubst du dann nicht, dass auch du dich verändert hast?" "Stimmt wohl", meinte Evoli und sprang von ihrem Arm aus auf Nerus Schulter. Neru dachte nach. Irgendwie hatte Nerina schon Recht, es war nicht nur viel passiert, sie hatten sich auch verändert und waren nicht mehr, wie sie früher einmal gewesen waren. Oder doch? Hatten sie sich wieder mehr angenähert? War er nicht zwischendurch anders gewesen und hatte sich jetzt wieder auf seine richtigen Wurzeln zurückbesonnen? Er spürte, wie die Botschaft, die er auf dem Boot schon hatte senden wollen, jetzt an die Oberfläche kam und heraus musste. Er spürte, dass er seine Worte nicht mehr länger zurückhalten konnte und so brachen sie aus seinem Mund, noch bevor er ein weiteres Mal darüber nachgedacht hatte. "Evoli, es tut mir leid, dass ich dich so in Gefahr gebracht hab." Evoli sah ihn mit großen Augen an, sprang von seiner Schulter und blieb stehen. Auch Neru und Nerina blieben stehen, dann sagte sie mit dem Brustton der Überzeugung: "Ich hab es gerne getan. Nur, wer seine Angst überwindet, ist wirklich mutig und ich wollte mutig sein. Außerdem hab ich es doch geschafft, wofür entschuldigst du dich dann eigentlich?" Neru war sprachlos. Er hätte alles von seiner Begleiterin erwartet, aber nicht, dass sie seine Entschuldigung so zurückwies. "Aber..." "Kein Aber, Neru", lachte Nerina, "Du hättest uns am Anfang schon ein bisschen mehr einbeziehen können. Aber dein Plan hat funktioniert, also war es richtig." "Und Texomon?" "Wenn du dich bei Texomon entschuldigen möchtest", fuhr sie ihn an, "Dann mach das heute Abend mit ihm aus und nicht mit mir." Neru sah ein, dass er hier und jetzt nicht mehr erreichen konnte und verfiel wieder in Schweigen. Nerina hatte recht. Sie alle hatten sich sehr verändert, doch was ihr vielleicht nicht auffiel: Auch sie selbst hatte sich verändert. Früher war sie nur auf den Spaß aus gewesen, doch mittlerweile schlich sich in ihre Art ab und an eine sehr ernste Note, in der sie den Späßen von Texomon nicht mehr so leicht nachgab. Sie hatte sie sozusagen synchron mit Texomon entwickelt. Schon erstaunlich, dachte Neru, wie die Iramon sich und uns verändern, obwohl ich mir sicher bin, dass keiner von ihnen das wollte.

Als er es am Abend bei einer großen Portion Fish and Chips, die er zur Feier ihres Sieges mit Evoli noch aus der Stadt besorgt hatte, bei Texomon mit einer Entschuldigung versuchte, wehrte dieser genauso ab, wie es Nerina und Evoli am Nachmittag getan hatten. Er war nicht so schwer verwundet worden, wie er und Nerina gefürchtet hatten und hatte den ganzen Tag durchgeschlafen. Jetzt brüstete er sich damit, der Held der ganzen Aktion gewesen zu sein. "Jetzt komm, Neru", meinte er, "Entschuldige dich nicht lange und red nicht so lange um den heißen Brei herum, sondern erzähl, was Blaze gesagt hat." Neru schluckte seine Bemerkung hinunter. Normalerweise wurden seine Entschuldigungen nicht so mir nichts dir nichts hinweg gewischt, doch die anderen schienen offenbar mit dem Gelingen der Mission und damit mit der ganzen Mission zufrieden zu sein. "Also gut", begann er feierlich, doch er wurde von Evoli unterbrochen, die just in diesem Moment damit begann, ihre eigene Heldentat neben der von Texomon in der abendlichen Salzluft auszubreiten. Eine ganze Weile diskutierten die beiden darüber, wer von ihnen denn nun die wichtigere Rolle gehabt hätte. "Ich hab Blaze immerhin erreicht", erklärte Evoli von sich selbst komplett überzeugt. "Ja, aber ohne mich hättest du das nie geschafft." "Ihr wart beide sehr wichtig", erklärte Nerina, die sich schnell einschaltete, denn Evoli begann vor lauter Aufregung, schon blau zu glühen. Offenbar wollte sie ihre größere Gestalt annehmen, um damit mehr Gewicht im wahrsten Sinne des Wortes in dieser Diskussion zu haben. "...und als wir Blaze erreicht hatten...", erklärte Aquana. "Sang der ein Lied", beendete Nerina ihren angefangenen Satz und Texomon starrte mit offenem Maul vom einen zum andern. "Wie jetzt?", fragte er verdutzt, "Ein Lied? Keine Karte? Kein Feuerstein?" "Nein, nur das Lied, und das schlimmste daran ist", erklärte Neru, "Dass uns sogar eine Strophe fehlt, wie gesagt, Blaze hat schnell reagiert und bis ich wusste, dass das Lied wichtig ist, war die erste Strophe auch schon vorbei. Den Rest konnte ich aufnehmen, aber die erste Strophe haben wir verloren." Nerina begann, sich im Schein des Lagerfeuers hin und her zu wiegen und zu summen. Dann sang sie:
 

"In finstrer Nacht, da warte ich,

in Felsen hart und schwer,

der Mond, der schien einst hell auf mich,

nun ist der Himmel leer."


 

Texomon hörte begeistert den Noten und Zeilen zu. "Und was bedeutet das?", fragte er begeistert und Nerina warf Neru eine ratlosen Blick zu. Neru ließ sich die Zeilen durch den Kopf gehen, doch Evoli antwortete an seiner statt. "In finstrer Nacht da warte ich, in Felsen hart und schwer... Das klingt, wenn ihr mich fragt, nach einer Höhle, aber was die Anspielung mit dem Mond sein soll, versteh ich nicht." "Vielleicht will der Stein damit sagen, dass er nicht immer in der Höhle war oder, dass er den Mond jetzt nicht mehr sehen kann", erwiderte Neru. "Wäre ja auch logisch. In einer Höhle scheint kein Mond", schnaubte Texomon. "Aber das sagt ja noch gar nichts aus. Wir haben auch noch den Rest", erklärte Neru und schaltete den Computer ein.
 

"Steinern ruht mein Himmelszelt,

in ewger Einsamkeit,

denn Feuer trennt mich von der Welt,

und ach - der Weg ist weit.

Ein Gang führt in mein stilles Heim,

schmal und voller Tück'

durch Feuerwalzen, Flammenpain

der Gang führt nie zurück.

Er endet, so entsinn' ich mich,

im Herzen des Vulkan,

ich sah ein neblig, silbrig Land,

zu meinen Füßen an.

Es war so reich, voll goldnen Lichts,

voll kleiner Feuerwesen,

nur ein Schandfleck schien erpicht,

wo Menschen bös' gewesen.

So komme nun und rette mich,

der nach dem Feuer tracht'

sei mutig, stark und finde mich,

wenn's sei in deiner Macht.

Am Tag, an dem des Sommers Flamm,

beendet ihren Gang,

da soll dir offenstehn das Lamm,

es wird nicht sein für lang",


 

klang blechern Blaze' Stimme aus den Lautsprechern. Nerina hatte sich währenddessen ein Blatt und einen Stift geschnappt und die Strophen aufgeschrieben. Neben der ersten hatte sie sich schon die Notizen gemacht, die ihnen schon gekommen waren. "Der Stein liegt in einer Höhle, in der er nicht schon immer gewesen ist. Die nächste Strophe beweist unsere Vermutung", erklärte Neru, "Steinern ruht mein Himmelszelt." "Was ist denn ein Himmelszelt?", fragte Texomon verwirrt. "Wenn man sich den Himmel anschaut und die Sterne darauf sieht, dann könnte man sich auch vorstellen, man stünde in einem unendlich großen Zelt, von dem man nur die Plane sehen kann, verstehst du?", erklärte Nerina und Texomon nickte, sah dabei aber immernoch nicht viel überzeugter aus. "Aber was meint der Stein mit der ewigen Einsamkeit?", fragte Evoli in die Stille hinein. "Wohl, dass er nicht viel Besuch bekommt?", erwiderte Texomon in Gedanken. "Was wiederum an dem Feuer liegt, das im Weg ist", sagte Nerina, "Und der Weg durch das Feuer muss schwierig oder weit sein, sonst würde die letzte Zeile anders lauten." Neru nickte. "Ja, das muss es sein. Diese Strophe ist genau so zu verstehen, wie sie da steht, nur Nerina, du hast Recht, weit kann in diesem Fall mehrdeutig sein." "Wie war denn nochmal die nächste Strophe?", fragte Evoli an Neru gewandt und Nerina boxte ihren Bruder lachend in die Seite. "Na komm, sing doch mal, Brüderchen!" "Ich... äh, ich kann nicht so gut singen", erwiderte Neru, der auf einmal ganz klein und rot wurde. "Jetzt hab dich nicht so", gluckste Texomon, "Sing uns doch mal was vor." "Na gut, auf eigene Gefahr", lachte Neru und begann wie er fand, längst nicht so schön wie Nerina, die Zeilen vom Blatt ablesend, den Vers zu singen:
 

"Ein Gang führt in mein stilles Heim,

schmal und voller Tück'

durch Feuerwalzen, Flammenpain,

der Gang führt nie zurück."


 

"Was für ein Gang?", fragte Texomon aufgeregt, "Er erzählt, dass es einen Zugang zu ihm gibt!" "Ja, das wussten wir aber schon von dem weiten Weg", erklärte Evoli verächtlich. Ihr schien es sichtlich Spaß zu machen, einmal etwas besser zu wissen wie Texomon. "Ja, aber es scheint kein angenehmer Weg zu sein", wandte Nerina ein, "Schmal und voller tück. Das "schmal" ist, glaube ich, auch wieder mehrdeutig, da ist nicht ganz klar, ob er wirklich eng ist oder, ob es nur ein schmaler Grad ist. Und auch die Feuerwalzen und Flammenpain klingen nicht sonderlich schön", meinte Neru, "Aber was meinen die damit, dass der Gang nie zurückführt?" Diesmal war es Texomon, dem die Idee kam. "Wahrscheinlich, dass man nicht umkehren darf, welchen Weg man auch eingeschlagen hat." "Für mich klingt das Ganze ziemlich gefährlich", meinte Evoli und Neru und Nerina nickten beide. Nerina begann wieder, die nächste Strophe zu singen:
 

"Er endet, so entsinn' ich mich,

im Herzen des Vulkan,

ich sah ein neblig, silbrig Land,

zu meinen Füßen an."


 

"Da ist der Zugang", frohlockte Texomon und begann vor lauter Aufregung, im Kreis herum zu hüpfen. "Jetzt müssen wir nur noch den Vulkan finden", sagte Evoli, "Aber so viele kann es davon ja auch nicht geben." "Es gibt schon ein paar", warf Neru ein und warf einen Blick auf die Landkarte. "Hier oben -" Er deutete auf eine Gebirgskette, "- soll es zum Beispiel von Vulkanen wimmeln." "Ja, aber wir haben ja noch mehr Hinweise", warf Nerina ein, "Ich sah ein neblig, silbrig Land zu meinen Füßen an." "Ein Land kann doch nicht silbrig sein. Vielleicht enthält es viel Metall?", überlegte Neru. "Oder es ist nur Dichtersprache, um es schöner klingen zu lassen", erwiderte Evoli. Nerina und Texomon sahen auf das Meer hinaus und der Zufall wollte es, dass just in diesem Augenblick eine Wolke vor dem Mond verschwand und die Wellen in ein silbriges Licht tauchten. "Hey, wie wäre es denn damit?", rief Nerina beglückt aus und deutete auf die Wellen, die vor ihr, so wie es im Gedicht hieß, tatsächlich ein silbriges Land bildeten. "Dann kann es nur das Meer sein", sagte Neru und ging schon die Karten durch, "Auf der Zinoberinsel gibt es Vulkane und rund herum auch Wasser, das könnte gemeint sein." "Das ist eine gewagte Theorie", warf Evoli ein. "Vielleicht löst die nächste Strophe das auch wieder auf", meinte Neru und begann zu singen:
 

"Es war so reich, voll goldnen Lichts,

voll kleiner Feuerwesen,

nur ein Schandfleck schien erpicht,

wo Menschen bös' gewesen."


 

"Feuerwesen! Da haben wir es doch!", erklärte Nerina, "Die Zinoberinsel ist bekannt für sie." "Aber was meint der Stein mit dem "goldenen Licht"?", warf Neru ein, "Waren wir nicht gerade eben noch bei Nacht und dem Mond im Meer. Auch der Schandfleck, wo Menschen bös' gewesen, leuchtet mir nicht ein." Doch Nerina hatte die Stirn gerunzelt. "Mach mal eine Glut", forderte sie Texomon auf und Texomon spie einen gelbroten Strahl Feuer in die Luft. "Das nenn ich goldenes Licht", rief Evoli, "Also noch eine Anspielung auf die Feuerpokemon." "Und der Schandfleck, wo könnte der denn sein?", fragte Nerina mit übertriebener Stimme ihren Bruder. Der wiederum zuckte nur mit den Achseln. "Naja, vielleicht das Labor?" "Genau", erwiderte sie. "Was denn für ein Labor?", fragte Texomon und Nerina begann, die Geschichte zu erzählen, dass ein paar Forscher versucht hatten, ein Mew aus alten Skeletten zu klonen und dabei Mewtwo erschaffen hatten und, dass sie versucht hatten, Mewtwo für ihre Zwecke zu missbrauchen und das übermächtige Psychopokemon dann das Labor komplett in die Luft gejagt hatte. "Man sieht die Trümmer und das Höllenfeuer von damals noch heute", erklärte sie begeistert.
 

"So komme nun und rette mich,

der nach dem Feuer tracht'

sei mutig, stark und finde mich,

wenn's sei in deiner Macht",


 

verkündete Neru, als niemand mehr Einwände hatte.

"Das ist wieder eindeutig", meinte Texomon, "Da stecken keine Botschaften drin, aber ich denke, das wir uns die Leitsätze: Mutig und stark zu eigen machen sollten, bevor wir da reingehen, sonst liegt's vielleicht nicht in unserer Macht." "Aber wir wissen immer noch nicht genau, welcher Vulkan, und wir können doch nicht blindlings in Vulkankrater klettern in der Hoffnung, irgendwo mal einen Tunnel zu finden", begehrte Neru auf. "Das Tunnelfinden ist nicht schwer", erwiderte Nerina. "Ich bin früher oft auf ihnen rumgeklettert, auch wenn ich das nicht durfte", erklärte sie, "Da drinnen gibt es massenhaft Tunnel, die Frage ist nur, welche der richtige ist." "Was haben wir noch?", fragte Texomon und Neru sang die letzte Strophe:
 

"Am Tag, an dem des Sommers Flamm,

beendet ihren Gang,

da soll dir offenstehn das Lamm,

es wird nicht sein für lang."


 

"Oh jeh", brummte Texomon, "Das klingt irgendwie kompliziert." "Wir sind nicht geschaffen für so was", pflichtete ihm Nerina bei und streichelte ihm den Bauch. "Was ist denn "des Sommers Flamm"?", fragte Evoli. "Naja, im Sommer brennt die Sonne herunter, das könnte also die Sonne sein, nur... "beendet ihren Gang"? Beendet die Sonne nicht jeden Abend ihren Gang?", fragte Neru. "Ja, aber da ist noch was", sagte Nerina, "Es gibt doch lange und kurze Tage, vielleicht ist damit ja die Sommersonnenwende gemeint." "Ja, das könnte sein." Begeistert klatschte Neru in die Hände. "Aber beim Letzten hab ich keine Ahnung. Was zur Hölle für ein Lamm? Ein Opferlamm? Aber das kann nicht offenstehen." Nerina wurde ganz still. "Als ich einmal in einem der Krater war, du weißt schon, der in der Nähe vom Labor, hab ich an einer Felswand die Zeichnung eines Lammes gesehen. Vielleicht ist das ja gemeint." Schweigen breitete sich in der Gruppe aus. "Es wird nicht sein für lang", brummte Texomon, "Das heißt, der Tunnel ist nach einer gewissen Zeit wieder verriegelt." "Na, das kann ja heiter werden", meinte Neru, "Wir müssen in einen Tunnel voll Feuer und Pain, um einen Stein zu suchen und das Ganze auch noch unter Zeitdruck und ohne die Möglichkeit, abzubrechen. Das wird ja lustig."
 

>>>Nerina<<<
 

"Dann gehen wir also wieder nach Hause", sinnierte Neru und stocherte mit einem Stock im Feuer herum, "Hättest du gedacht, dass wir unsere Eltern so schnell wiedersehen?" Inzwischen hatte der Mond bereits sein Zenit überschritten und befand sich auf dem Weg in die fernen, westlichen Berge. Die beiden Iramon schliefen bereits, immernoch erschöpft von den Strapazen der vergangenen Tage, Evoli eng zusammengerollt auf Nerus Schoß, während Texomon sich ganz dicht neben dem Feuer ausgestreckt hatte. Nur sein Kopf ruhte in Nerinas ausgestreckter Hand und seine weiche Echsenhaut rieb sacht an ihrer Handfläche, wenn er sich im Schlaf bewegte. Doch die beiden Menschen fanden keinen Schlaf. Zu aufregend war diese ganze, lange Aktion gewesen, zu aufregend würde werden, was ihnen noch bevorstand. Nerina seufzte schwer. "Irgendwie war mir klar gewesen, dass unsere Reise anders als gewöhnlich verlaufen würde, sobald Eich mit diesem Spezialauftrag kam, aber dass sie dann tatsächlich so anders wird... Ist Feuer nicht normalerweise eine der Endprüfungen?" Neru schaute es auf dem Pokedex nach. "In Kanto kommt zuerst Felsen", las er langsam vor, "Dann Wasser, dann Elektro, Pflanze, Psycho und Gift, also nur noch sechs, seit die Feuerarena geschlossen wurde und die Normal-Arena ja nur noch für Mitglieder des Team Rocket zugänglich ist. Aber soweit ich mich erinnern kann, kam Feuer doch auch direkt nach Gift, oder?" "Soviel hat sich verändert, seit es Gringo gibt", erwiderte Nerina traurig, "Und soviel wird sich noch ändern. Auch Unlicht will er schließen und wer weiß was noch alles. Es ist, glaube ich, wichtiger, als wir früher so geglaubt haben, dass wir erfolgreich sind." "Jaaa", machte Neru gedehnt und streichelte vorsichtig Evolis Wange, "Und wir haben erst eine einzige Prüfung geschafft und sind noch so schwach..." "Wir sind in ein Hochsicherheitsgefängnis eingebrochen!", protestierte Nerina, "Ich finde das gar nicht schwach!" "Nun, Seedraking ist auch nicht schwach", versetzte Neru mit einer Mischung aus Schärfe und leisem Zweifel, "Er hat diesen ganzen Hafen aufgerieben!" "Und Evoli war alleine dort unten!", entgegnete Nerina nicht minder scharf, "Das war sehr mutig, Neru!" "Ja, ich weiß!", versetzte Neru ärgerlich, "Aber mit herumschleichen, ducken und ausweichen können wir Gringo nicht besiegen! Evoli ist sehr, sehr mutig, aber das wird ihr nichts helfen im Kampf gegen dieses Snobilikat! Sie kann ja schließlich kaum in es hineinschleichen!" "Na wenn du dir da mal nicht zu sicher bist", brummte Nerina, eher protesthalber, ließ es dann aber dabei bewenden, beugte sich zu ihm herüber und legte eine Hand auf die seine. "Aquana ist ein sehr starkes Pokemon", sagte sie eindringlich, "Der Traum somanchen Trainers! Du solltest ihre Fähigkeiten stärker nutzen und ausbauen! Sie ist nunmal kein so selbstständiger Drauf-los-Stürmer wie Texomon, der schon von sich aus stärker werden will. Du musst sie ermutigen, mehr Zeit in ihrer neuen Form zu verbringen und sich mit dem Wasser anzufreunden!" "Aber Evoli mag das Wasser nicht", murrte Neru, "Und ich hab mir nunmal geschworen, dass ich nie etwas von ihr verlangen werde, was sie nicht will!" "Der Trick ist", antwortete seine Schwester und beugte sich verschwörerisch noch weiter zu ihm herüber, "Dass du sie ermutigen sollst, es selbst zu wollen." "Und wie genau soll ich das anstellen?", fragte Neru schulterzuckend, "Wenn ich sie hier trainieren oder auch nur spielen lasse, wo dein Seeungetüm herumplanscht, ist sie ja erstrecht frustriert! Nichts gegen dein Iramon - Er ist sehr stark und dabei gar nicht mal ein zu schlimmer Angeber, aber mich würde es auch nerven, ständig in seinem Schatten zu stehen!" Betroffen ließ Nerina sich zurück auf ihren Platz sinken und starrte nachdenklich in die Flammen. Sie selbst war immer einfach nur stolz auf Texomons Leistungen und vor allem Seedraking gewesen, hatte geglaubt, diese wahnsinnige Errungenschaft zum Wohl ihrer ganzen Gruppe und Mission erobert zu haben. Nie hatte sie sich darüber Gedanken gemacht, dass Seedrakings Auftreten zu Aquanas Nachteil gereichen würde... "Nerina?", fragte Neru etwas unsicher von der Seite und stupste sie vorsichtig an, "Hee, Nerina! Ich hab’s nicht so gemeint..." "Hast du doch", erwiderte Nerina, riss sich vom Anblick des Feuers los und sah ihn an, "Und du hast recht. Seedraking ist bereits groß und selbstständig. Ich muss ihn nicht weiter trainieren, zumal ich ihn in der Arena ja doch nicht einsetzen kann, denn wer kauft mir ein Seedraking mit Level 16 ab. Nein, es ist essenziell, dass ich Texomon trainiere und du Aquana, hörst du?" "Aber wie soll das gehen? Du kannst ihn nicht davon abhalten zu schwimmen, wenn wir am Meer sind? Und ohne Meer kann Aquana auch schlecht Freude daran entwickeln... Es sei denn..." Rasch nahm er wieder den Pokedex zur Hand und begann, in den Karten zu blättern. "Es sei denn, wir folgen der Küste nur bis Wala hier unten und dann dem Lauf dem Kimbara bis hier rauf in die Berge. Bei Tula biegen wir dann rechts ab, diesen gestrichelten Pfad da hinunter bis Azulon. Von da können wir die Fähre nehmen bis zur Zinoberinsel und beinahe den ganzen Weg hätten wir einen Fluss neben uns, sodass Aquana gut schwimmen kann..." "Seedraking aber zu groß ist", ergänzte Nerina, sah einen Augenblick auf Texomons Gesicht hinunter, das im Schlaf so friedlich wirkte und nickte. "Ja, so sollten wir es machen", sagte sie fest, "Texomon liebt seine Wasserentwicklung, aber genau deswegen will ich ihn eigentlich sowieso dazu bringen, endlich seine Glut auszubauen. Er mag Feuer nicht sonderlich gern, ich glaube, er fürchtet sich etwas vor seiner eigenen Wildheit. Aber wie sollen wir einen Feuerparcour schaffen, ohne uns mit dem Feuer beschäftigt zu haben - und Texomons Glut könnte durchaus noch ein bisschen eindrucksvoller aussehen, wenn wir den Feuerstein beeindrucken wollen!" Für einen Augenblick sah Neru so aus, als wolle er sie darauf hinweisen, dass Evoli nicht einmal eine Glutattacke hatte, doch dann ließ er es dabei bewenden und rief stattdessen den Kalender im Pokedex auf. "Sommersonnenwende ist in drei Wochen", erklärte er nachdenklich, "Und der Weg bis Azulon ist nur etwas weiter als der nach Vertania. Wenn wir uns also ranhalten, könnten wir Ende nächster Woche dort sein und haben dann zu Hause noch zehn Tage Zeit, dein mysteriöses Lamm zu finden und unsere Vermutung zu überprüfen." "Klingt perfekt", erwiderte Nerina begeistert, "Dann lass uns also nach Azulon gehen! Ich kann es kaum erwarten, es wiederzusehen." "Du warst schonmal dort?", fragte Neru verwundert, als Nerina sich bereits neben Texomon in den Sand legte, sich eng an seinen warmen Körper schmiegte und die Augen schloss. Sie nickte träge. "Vater hat mich doch mal mitgenommen, zum Trost dafür, dass du mit dieser Computer-Freizeit in Viola warst. Das war ein voll schöner Urlaub!" "Merkwürdig, dass ich von so vielen deiner Ausflüge gar nichts weiß", brummte Neru nachdenklich, legte ihr vorsichtig Evoli auf den Bauch und begann, sein Swag zu entrollen, "Auch von deinen Vulkanwanderungen hast du nie erzählt!" Nun hob Nerina doch den Kopf, um ihn anzusehen. "Es war Maleas, Siluras, Inolas und mein Geheimversteck", versetzte sie scharf, "Damit du und die anderen Chaoten uns nicht dauernd ärgert! Auch wenn ich dir davon hätte erzählen wollen, wäre das den anderen gegenüber kaum fair gewesen, meinst du nicht?" "Aber Nerina! Das ist verbotenes, gefährliches Gebiet! Ihr könnt da doch nicht einfach euer Geheimversteck hinbauen!", protestierte Neru mit heftigem Kopfschütteln. Nerina schnitt ihm eine Grimasse. "Was soll da schon passieren?", fragte sie gereizt ob der längst verjährten Missetat, "Wenn dieser dumme Vulkan ausbricht, fliegen euch auch in Zinobia Innenstadt die Köpfe weg und vor ein paar Feurigel und Magby fürchte ich mich nicht." "Unverbesserlich", brummte Neru, nahm Evoli von ihrem Bauch und kroch mit ihr im Arm in sein Swag, "Gute Nacht, du verrücktes Huhn."

Das Flussdelta des Kimbara war das reinste Paradies eines jeden Pokemon-Trainers. In zahlreichen großen und kleinen Verästelungen wälzte sich der mächtige, braune Fluss hinab ins türkisblaue Meer, unterbrochen von unzähligen kleineren und größeren Inselchen, Schilf und jeder Menge kleinerer Wasser- und Flugpokemon, die hier zuflucht vor ihren größeren Verwandten und außerdem ein reiches Nahrungsangebot gefunden hatten. "Na das wäre doch ein großartiger Ort, um eine Runde fangen zu spielen, findet ihr nicht?", rief Nerina überschwänglich aus, als das riesige, sandig-matschige Gebiet hinter der Kuppe eines der immergleichen, grünen Hügel auftauchte, über die sie nun schon seit Stunden wanderten, statt, zu Texomons Enttäuschung, einfach dem Strand zu folgen. Nun richtete er begeistert die Ohren auf. "Au ja! Das wird total lustig! Komm, Evoli!" Doch Evoli warf ihm nur einen verächtlichen Blick zu. "Scherzkeks", brummte sie verärgert, "Wie willst du denn da reinpassen? Du wirst dir ständig den Bauch aufschürfen!" "So ein Quatsch!", entgegnete Texomon kopfschüttelnd und stürmte los, geradewegs hinein ins kühle Nass. Übermütig planschte er im ersten der kleinen Bäche herum, dessen Wasser ihm gerademal bis zu den Schultern reichte. "Komm schon!", rief er begeistert, "Der Boden ist aus reinem Sand! Besser geht’s nicht!" "Meine Beine sind ja doch zu kurz", entgegnete Evoli und betrachtete angewidert das trübe Wasser, doch Neru schubste sie verschwörerisch an. "Hee", flüsterte er aufmunternd, "Aber wenn Texomon gar nicht zu Seedraking werden kann, du aber zu Aquana... Meinst du nicht, Nerinas kleiner Angeber hat mal 'ne Lektion verdient?" Bei dem Gedanken hellte sich Evolis Miene schlagartig auf und ihr Fell begann blau zu leuchten. "Ich komme, Texomon!", flötete Aquana mit ihrer süßesten Stimme, dann stürmte auch sie los, nicht ganz so flink wie Evoli, doch auf ihren langen Beinen immernoch um einiges flinker, als Texomon sie erwartet hatte. Kurz zögerte sie noch am Ufer, doch dann sprang sie ebenfalls in das warme Wasser, schlug zweimal kräftig mit der Schwanzflosse und riss Texomon von den Füßen, der sich einige male überkugelnd im Schilfdickicht landete. "Hee du alte Dampfwalze!", rief er aufgeregt, "Das kann ja richtig lustig werden!" "Freu dich nicht zu früh!", rief Aquana, schoss auf ihn zu und Texomon konnte sich nur noch mit einem Bocksprung über ihren schlagenden Schwanz retten, der ihn allerdings den Boden unter den Füßen kostete und als Aquana herumschnellte, drückte sie ihn mühelos unter Wasser. Dann verschwanden die beiden in einem Wirbel aus Blubberblasen und Nerina legte amüsiert den Kopf schief. "Siehst du?", fragte sie leise, während sie ihre Rucksäcke ablegten und sich anschickten, ein Mittagessen vorzubereiten, "Jetzt ist Texomon derjenige, der ausweichen und springen muss. Wird ihm gut tun!" Dennoch quälte sie ein leicht angeschwärztes Gewissen, ihren treuen Freund auf so heimtückische Weise seiner Schande zu überlassen. Doch allen Bedenken zum trotz schien Texomon einen riesigen Spaß im Delta zu entwickeln. Mal sah sie ihn sich in die Binsen ducken und das suchend vorbeischwimmende Aquana mit einem riesigen Sprung tunkend, mal ritt er sogar auf ihrem Rücken, riss dabei die Arme hoch und johlte, als sei sie ein überschnelles Motorrad mit automatischer Lenkung. Die vielen Male, die Aquana ihn unter Wasser drückte oder ihre stärkere Aquaknarre die seine beiseite schob, nahm er scheinbar gelassen auf und als sie gemeinsam ein aufdringliches Quaputzi aus ihrem Teil des Deltas verjagten, klatschte er triumphierend in die Hände. "So macht das bedeutend mehr Spaß, mit ihr zu spielen", erzählte er Nerina stolz, als diese vor dem Mittagessen darauf bestand, mit ihm zum Strand zu gehen und seine schlammverkrusteten Schuppen sauberzuwaschen, "Jetzt ist sie endlich mal nicht mehr so ein zerbrechliches Ding!" "Macht es dir denn nichts aus, dass sie stärker ist?", fragte Nerina besorgt, doch Texomon sah sie nur mit großen, schwarzen Kulleraugen an. "Nein", sagte er dann im Brustton der Überzeugung, "Gar nicht. Ich weiß ja, dass ich im Notfall nur zu Seedraking werden muss und es ist gut, gegen stärkere Pokemon zu trainieren, da lerne ich bedeutend mehr! Trotzdem ist es komisch, immer ausweichen zu müssen, vor allem, wenn ich mir vorstelle, dass ich nicht zu Seedraking werden könnte. Evoli muss eine harte Zeit hinter sich haben..." "Aus diesem Grund dachten Neru und ich ja auch, dass es gut wäre, wenn Aquana ein bisschen mit dir spielen würde", vertraute sie Texomon dann doch ihr Geheimnis an, "Damit sie selbstbewusster wird für die Feuerprüfung." "Ach so ist das!" Zu ihrer Verwunderung lachte er herzlich, "Darum mussten wir auch auf den Dünen laufen und ab hier diesem Fluss folgen. Mach dir keine Sorgen, Nerina! Bis wir dein Zuhause erreichen, wird Aquana genauso viel Freude am Wasser haben, wie ich! Wenn ich auch sonst nicht besonders viel kann, aber das krieg ich hin!" "Und wir beide üben weiter an deiner Glut, damit du diesen Feuerwalzen auch ordentlich sagen kannst, wo's lang geht!", rief Nerina begeistert, "Evoli kann zwar Wasser, aber Feuer ist es, was den Feuerstein rettet, wenigstens, wenn die Prüfung so ist, wie in der Wasserarena. Wir zählen also auf dich!" "Ihr könnt euch auf mich verlassen!", rief Texomon begeistert, "Und jetzt lass uns endlich essen gehen! Die letzten zehn Minuten hat Aquana mich dauernd gefunden, nur, weil mein Magen so laut geknurrt hat!"
 

>>>Neru<<<
 

"Na, hast du dem Angeber eine Lektion erteilt?", fragte Neru, als sich Aquana mühevoll aus dem Wasser zog. Das Wasser perlte von ihrer blauen Haut und ihre Schwanzflosse hob sie grazil in die Luft und spritzte damit noch mehr Wasser durch die Gegend. Neru war gar nicht aufgefallen, wie lang der Schwanz von Aquana war, doch nun, wo sie sich direkt vor ihm aus dem Wasser stemmte, sah sie unheimlich groß aus. Evoli hatte ihre Wasserform bis jetzt nun angenommen, wenn es unbedingt sein musste und sich dann auch sofort bei der erstbesten Gelegenheit wieder zurückverwandelt. Doch diesmal trottete sie in Aquanas Form auf ihn zu und stupste ihm glücklich die noch immer nasse Schnauze in den Bauch. "Ich hab ihm eine Lektion erteilt", erklärte sie, doch ihre Stimme hörte sich dabei nicht ganz so glücklich an, wie Neru es eigentlich erwartet hatte. Er ließ sich zu ihr auf den Boden sinken. "Hat es dir denn keinen Spaß gemacht?", fragte er ehrlich verwundert, doch Aquana schüttelte den Kopf. "Nein, es hat mir sogar sehr viel Spaß gemacht", widersprach sie, "Aber..." Sie brach ab und ließ den Blick über ihr kleines Lager schweifen. Nerina war gerade damit fertig geworden, Texomon den Schlamm von den Schuppen zu bürsten und ging mit ihm zusammen in Richtung des Feuers. "Wir sind gleich wieder da", rief ihr Neru zu und zusammen mit Aquana, die sich immernoch nicht wieder zurückverwandelt hatte, gingen sie ein Stück aus dem Lager hinaus. "Was ist denn los?", fragte Neru, immernoch verwundert über die Stimmung seines Iramons. "Ist es das Wasser?" wagte er noch einen Vorstoß. "Das ist noch so was", erklärte sie, "Da stimmt sowieso was nicht mit mir." Sie stockte, dann sagte sie sehr zögernd und so, als müsste sie jedes Wort noch einmal auf der Zunge umdrehen, bevor sie es hervorwürgte: "Ich mag Wasser." "Was?" Neru sah sie entgeistert an. "Ja, richtig", erklärte sie, "Ich mag das Wasser, mit mir ist wirklich was kaputt. Aber weißt du, was das schlimmste ist? Ich schäme mich nicht mal dafür." Neru war für einen Augenblick zu perplex, um etwas sagen zu können. Dann erwiderte er: "Dafür brauchst du dich auch nicht zu schämen. Du bist ein Wasserpokemon, warum solltest du dich dafür schämen?" Einen Augenblick lang sah Aquana ihm tief in die Augen, dann brachen sie beide in schallendes Gelächter aus, bei dem Aquana versehentlich mit ihrer Aquaknarre sich selbst, Neru und auch einen Großteil des Bodens mit Wasser besprühte. "Hey!" Neru sprang einen Schritt zurück, "Pass auf, wo die hinspritzt! Ich will jetzt nicht baden!" Doch dann überkam ihn der Lachanfall aufs Neue und bei Aquana kam immer noch mehr Wasser. "Das muss ich wohl noch üben", erklärte sie immernoch erheitert, "Aber das Schwimmen ist total klasse." "Da hat Texomon aber Augen gemacht, oder?", fragte Neru begeistert weiter. Doch jetzt wurde Aquana mit einem Schlag ernst. "Das ist es, was mich wundert", erklärte sie, "Versteh doch, Neru, seitdem Texomon und die anderen Iramon existieren, waren sie immer stärker als ich und das, obwohl ich viel älter bin", fügte sie trotzig hinzu, "Das fand ich schon immer unfair, aber warum hat Texomon sich nicht auf Seedraking entwickelt? Ich meine, das wäre trotz des flachen Wassers möglich gewesen." Neru hielt inne. "Vielleicht hat es ihm ja Spaß gemacht, so mit dir zu spielen?", fragte er zurück, "Meiner Meinung nach sah er nicht danach aus, als würdest du ihn in Bedrängnis bringen." Aquana legte den Kopf schief und dachte nach. "Da ist auch wieder was dran." Mit einem Anflug von schlechtem Gewissen fügte Neru noch hinzu: "Außerdem haben Nerina und ich absichtlich diese Route gewählt, damit du ein bisschen mit Texomon trainieren kannst. Er ist es gewöhnt, stark zu sein, da kann ein bisschen Ausweichtraining für ihn nicht schaden. Immerhin kannst du so ungestört deine Wasserform ausprobieren, ohne gleich von Texomon in Grund und Boden gerannt zu werden." Aquana nickte. "Das Wasser macht auf jeden Fall viel mehr Spaß, als ich es gedacht habe und Texomon... Er ist heute so anders gewesen." "Anders?", fragte Neru verdutzt. Er hatte die beiden Iramon beobachtet, während sie im Wasser unterwegs gewesen waren, und ihm war nicht aufgefallen, dass Texomon sich in irgendeiner Form anders verhalten hätte. "Naja..." Aquana trippelte von einem Bein aufs andere und Neru fiel wieder auf, wie sehr ihn diese Bewegung an Evoli erinnerte. Bei Aquana jedoch sah sie schon ein wenig komisch aus, doch er hielt sich zurück. "Texomon war immer viel stärker als ich", erklärte sie, "Er ist zum Teil völlig unberechenbar. Es ist irgendwie komisch, sich nicht mehr vor ihm vorsehen zu müssen und nicht mehr so arg aufpassen zu müssen." Auf dem Rückweg erzählte sie ihm ganz begeistert, wie sie und Texomon sich durchs Schilf gejagt hatten und, wie sie ihn mit einer Aquaknarre von hinten in den dicken Flussschlamm befördert hatte, und, wie er als braunes Texomon wieder aufgestanden war und Neru lachte herzlich auf, als er versuchte, sich Texomons Gesicht vorzustellen. Nerinas Plan war in allen Belangen aufgegangen. Es schien, als hätte seine Schwester, trotzdem, dass sie nicht so verbissen mit ihrem Iramon trainiert hatte wie er, doch einiges mehr verstanden als er. Vielleicht liegt es auch daran, dass sie nicht so verbissen trainiert hat, dachte er weiter. Wie auch immer sie zu ihren Erkenntnissen gelangt war, sie funktionierten auf jeden Fall besser, als er es erwartet hatte.

Evoli legte ihre Scheu vor dem Wasser tatsächlich ab und man konnte sie immer häufiger in der Form von Aquana neben dem Weg im Fluss schwimmen sehen, wo sie sich mit Texomon Wasserschlachten lieferte oder mit ihm auf ihrem Rücken das Flussbett erkundete. Es freute Neru sehr, sein kleines Iramon nun endlich auch einmal so aktiv zu sehen. Schließlich war sie früher kaum von seiner Seite gewichen und hatte sich auch erst in der letzten Zeit mit Texomon zusammen auf Streifzüge begeben. Die Art und Weise, wie Nerina sich immer wieder kleine Spiele für die beiden ausdachte, war bewundernswert und mehr als einmal klopfte er seiner Schwester anerkennend auf die Schulter, wenn sie den beiden zusah, wie sie sich abrackerten, Äpfel auf ihren Wasserstrahlen ins Ziel zu balancieren, oder ein Wettrennen um Fackeln starteten, bei dem es Texomons Ziel war, eine komplette Reihe zu entzünden, während Aquana alles daran setzte, eben dies zu verhindern und die Fackeln mit Wasser zu füllen. Texomon hatte auch die Aufgabe übernehmen müssen, jeden Abend das Feuer zu entzünden, was den beiden Zwillingen viel Arbeit abnahm. Wie Neru feststellen musste, blieben auch die Erfolge dieser unkonventionellen Trainigsweise nicht verborgen. Bald schon war Aquanas Aquaknarre zu doppelter Größe angeschwollen und Texomon schoss mittlerweile schon beachtliche Flammenzungen in die abendliche Feuerstelle. Aber auch das Verhältnis der beiden Iramon besserte sich stetig. Hatte Evoli am Anfang schon immerhin keine Angst mehr vor Texomon gehabt, nahm sie jetzt einen erschreckend großen Teil in seinen Plänen ein und sie selbst genoss das natürlich sehr. Mehr als einmal konnte Neru sehen, wie Texomon auf Aquanas Schulter stand, die sich wiederum an einen Baum gelehnt stellte, um ihm den Griff zum Apfel zu erleichtern. Eines morgens jedoch, Nerina und Neru hatten gerade ihr Lager zusammengebaut und sich zum Aufbruch bereit gemacht, kamen zwei andere Trainer den Weg entlang. Aquana und Texomon schalteten schnell, kamen zu Nerina und Neru zurück und verhielten sich genau so, wie man es von zwei Pokemon erwarten würde. "Wohin seit ihr denn unterwegs?", fragte der eine Junge in harschem Tonfall. Neru war nicht wirklich in der Stimmung, von dahergelaufenen Trainern in dieser Weise ausgefragt zu werden, so erwiderte er: "Hinüber auf die andere Seite des Waldes und ihr?" "Der Kerl will uns wohl für dumm verkaufen", protestierte der andere Junge und der erste erwiderte mit einem süffisanten Grinsen: "Das wird er sich schon nochmal überlegen." Wie in einer Bewegung griffen die beiden zu ihren Pokebällen und ein Ibitak und ein Lorblatt erschienen. "Doppelkampf!", rief der eine der Trainer ihnen noch zu, dann rief er seinem Lorblatt auch schon eine Attacke zu. Bevor die beiden Iramon noch reagieren konnten, schossen ihnen die Giftsporen um die Ohren. Als Ibitak dann als nächstes seinen Sandwirbel startete, um die beiden Angreifer in einer Sandwolke zu verdecken, machten sich die Iramon zum Gegenangriff bereit. Nerina verzog erschrocken das Gesicht, dann nickte sie, doch Neru hatte nicht die Zeit zu fragen, was denn passiert sei. Er rief Aquana zu: "Aquana! Schieß diesen Sandwirbel aus der Luft, damit wir die beiden Feiglinge wenigstens sehen können!" Aquana tat ihm den Gefallen. Ihr ganzer Körper wurde lang und in einer einzigen, fließenden Bewegung, von der Schwanzspitze bis hin zum Kopf schoss sie einen enormen Wasserstrahl auf die beiden ab. Zwar traf sie keinen der Gegner, doch die Sicht hatte sich ernorm verbessert. Im selben Moment jedoch wurde der Wasserstrahl von Aquana von einem guten Dutzend Rasierblätter durchschnitten und Nerina reagierte schneller, als Neru erwartet hatte und ein großer Feuerball verschlang die Blätter, noch bevor sie bei Texomon oder bei Aquana schaden anrichten konnten. Nerina machte wieder ein verdutztes Gesicht, dann rief sie Neru etwas zu und Neru nickte nur. Im nächsten Augenblick preschte Aquana mit Texomon auf dem Rücken vor. Texomon als feuerspeiende Bestie nahm Lorblatt aufs Korn, während Aquana mit ihrer Wasserattacke das Ibitak am Wegfliegen hinderte. Nachdem das Lorblatt zu einem kleinen, schwarzen Häufchen Elend zusammengesackt war, machten Texomon und Aquana auch mit dem Ibitak kurzen Prozess. "Ey, Freddy!", stieß der eine Junge verblüfft hervor, "Das Ding war 'n Feuertyp!" "Das seh ich auch", fuhr ihn der angesprochene an, "Wir machen uns lieber aus dem Staub!" Neru, Nerina und ihre beiden Iramon blieben glücklich zurück. "Das war spitze", rief Neru Aquana zu. "Die waren uns nicht gewachsen!", gluckste Texomon stolz. "Man sollte nie die Kombination von Feuer und Wasser unterschätzen", sprang Aquana mit auf denselben Zug auf und glücklich machte sich die Gruppe auf den Weg weiter in Richtung Azulon.
 

>>>Nerina<<<
 

"Und dort unten ist Azulon?", fragte Evoli verträumt, als sie von Nerus Schulter aus über die hohe Brüstung des Aussichtsturmes linste, den die Einwohner der Hafenstadt hier oben als Stützpunkt ihrer Lufthandelsroute errichtet hatten und der auch ansonsten allen Pokemontrainern als Unterschlupf vor Regen, Schnee und Stürmen diente, von denen die hohen, mit Kiefernwald bedeckten Berge in Azulons Rücken auch im Sommer regelmäßig heimgesucht wurden. "Ja, genau", erwiderte Neru versonnen, "Und dort hinten, hinter dem Meer, liegt unser Zuhause, die Zinoberinsel." "Wo? Wo?" Aufgeregt hopste Texomon in die Luft, um auch einen Blick über die Mauer werfen zu können, bekam schließlich deren Kante zu fassen und kletterte ganz hinauf, nur, um seine Beine provokativ auf der jenseitigen Seite über dem Abgrund baumeln zu lassen. Rasch legte Nerina einen schweren Arm um ihr zappeliges Iramon, um ihn davon abzuhalten, vor lauter Unvorsicht auch noch abzurutschen. "Man sieht sie von hier aus noch nicht", sagte sie streng, als Texomons Blick den Horizont absuchte, "Aber von Azulon aus werdet ihr sie sehen, vor allem nachts, wenn die großen Signalfeuer an den Türmen vom Zinoberhafen entzündet werden und auch den Roten Reißer sieht man vor sich hin glühen - Das ist der größte, noch immer aktive Vulkan auf unserer Insel, dort, wo einst auch die Feuerarena stand." "Die war mal bei euch?", fragte Evoli und sträubte ihren buschigen Schwanz, "Warum habt ihr dann so lange rumgerätselt, wo der Stein liegt? Ist doch klar, dass Blaze sich in seiner alten Heimat am besten auskennt!" "Da ist was dran", seufzte Texomon, doch Neru schüttelte den Kopf. "Die alte Feuerarena stand auf der Zinoberinsel", erklärte er, "Aber nachdem Mewtwo das Labor gesprengt hat, wurde sie vollständig zerstört. Darum wurde die neue Feuerarena in Lavandia im Norden errichtet, wo auch viele Feuerpokemon leben. Blaze muss den größten Teil seines Lebens dort verbracht haben, wenigstens, wenn er so alt ist, wie ich ihn schätze." "Trotzdem scheint die Zinoberinsel das natürliche Gebiet der Feuerpokemon zu sein", erwiderte Nerina nachdenklich, "Nirgendwo sonst laufen so viele Glumanda, Magmar und Vulpix herum und wer von unseren Freunden hatte nicht als Kind ein Fukano zum Spielen oder und Ponita zum reiten? Wahrscheinlich war auch Blaze lange dort unterwegs." "Ja und er hat sich sicher was höllisch schweres überlegt, um den Feuerstein zu schützen", murmelte Evoli, "Immerhin ersetzt es Arena-Kampf und Prüfung." "Ihn zu befragen war Arenakampf genug", protestierte Texomon, doch diesmal war es Neru, der nachdenklich die Stirn in Falten legte. "Ich glaube allerdings auch", sagte er langsam, "Dass das Labyrinth nicht einfach wird. Schließlich soll es den Stein vor Gringos Leuten schützen. Wir werden verdammt vorsichtig sein müssen." Texomon hob den Kopf bei seinen Worten und warf ihm einen seltsamen Blick zu. "Du machst es schon wieder", brummte er, "Genau wie bei der Wasserprüfung!" "Er hat recht, Neru", ergänzte Nerina düster, als Neru verletzt die Augen verengte, "Wir müssen nicht vorsichtig sein. Wir müssen feurig sein. Nur wer das Feuer versteht, kann es für sich nutzen." "Wozu aber auch Vorsicht gehört!", protestierte Evoli, "Sonst passiert das gleiche, wie letzte Nacht!" Vielsagend deutete sie auf Texomons immernoch angekohlten Arme und dieser leckte wehmütig über die dunklen Stellen. "Ja, ich hätte wohl doch nicht mit dem Bratöl mogeln sollen, um es leichter anzukriegen", gestand er nachdenklich, "Dabei war es eine so hübsche Stichflamme und ganz in blau!" "Naja..." Nerina zuckte mit den Schultern, pflückte ihr inzwischen ordentlich schweres Iramon von der Mauer und warf ihn sich wie einen Kartoffelsack über die Schulter, "Darüber können wir uns immernoch den Kopf zerbrechen, wenn wir drüben sind. Kommt, lasst uns runter gehen und schlafen! Dann geht es umso schneller!"

Doch trotz aller guten Vorsätze fand Nerina keine Ruhe. Rastlos wälzte sie sich in ihrem Schlafsack hin und her, starrte an die Backsteindecke und dachte an Morgen. Nun, da das Wiedersehen mit ihren Eltern so kurz bevorstand, war sie doch aufgeregter, als sie zugeben mochte. Was würde Mutter zu Texomon sagen? Würde Vater mit ihrem Training zufrieden sein? Würde er stolz sein - oder sie eher dafür schelten, nur mit ihrem Iramon zu spielen, anstatt es anständig zu trainieren? Sicher, Texomons Aquaknarre und Glut waren über die letzten zehn Tage stärker geworden, sein Atem ausdauernd und gleichmäßig und gestern hatte er es sogar geschafft, eine winzige Flamme fast zehn Minuten lang auf der Schnauzenspitze zu balancieren, so lange er eben gebraucht hatte, um vom Lager aus bis auf die andere Seite des Baches und um die Brombeerhecken zu laufen, wo Nerina mit der Kerze gewartet hatte, um die Flamme entgegenzunehmen. Sogar Teekochen hatte sie ihm beigebracht, als kleine Überraschung für ihre Mutter: Sie hielt einen feuerfesten Eisenbecher aus einer zurechtgeschmirgelten Konservendose hoch und legte zwei Blätter wilder Pfefferminze hinein. Dann schoss Texomon mit einer sanften Aquaknarre Wasser in den Becher, nahm diesen entgegen und erhitzte die Außenseite so lange mit kleinstem Feuer, bis das Wasser zu kochen begann. An guten Tagen schaffte er es sogar, das Etikett nicht abzukokeln. Andererseits fürchtete sie sich aber auch ein bisschen, ihr wildes Iramon auf ihr gemütliches Wohnzimmer mit den antiken Möbeln und kostbaren Bildern an den Wänden loszulassen. Sie hatte keineswegs vergessen, wie Texomon bei ihrem Besuch im Einkaufszentrum verrückt gespielt hatte und auch zu Hause gab es jede Menge Dinge, die nicht Wasser-, Feuer- und Kletterfest waren. Ob sie ihn wenigstens in ihr Zimmer bringen durfte? Sie war sehr neugierig darauf, wie Texomon ihr Zuhause gefiel, ihr wunderbar weiches Bett, ihre vielen, schlechten Kinderzeichnungen von feuerspeienden Glurak und Lavados an den Wänden, ihre kitschige Schreibtischunterlage mit lauter kleinen Pixis und Knuddeluffs darauf und all die anderen Überbleibsel ihrer Kindheit. Seufzend richtete sie sich halb auf, um auf die Uhr des Pokedex zu sehen. Es war bereits Mitternacht. Wie sollte sie denn nur ausgeschlafen sein, für das große Wiedersehen morgen? Mit einem erschrockenen Laut fuhr Texomon neben ihr hoch, riss den Kopf in die Höhe und spie eine Stichflamme, die den ganzen Raum taghell erleuchtete. Genervt murrte Neru im Schlaf und Evoli stellte die Ohren. "Was ist?", zischte sie alarmiert. Texomon jedoch schüttelte nur den Kopf. "Ich hab mich nur erschreckt. Entschuldige", sagte er leise und mit einem undeutlichen, jedoch leicht zu interpretierenden Murmeln legte Evoli sich zurück auf Nerus Brust und schloss die Augen. "Entschuldigung", flüsterte Nerina seufzend, "Ich muss dich gestoßen haben." "Kannst du nicht schlafen?", fragte Texomon in besorgtem Flüsterzischeln. Nerina nickte. "Ich bin so schrecklich aufgeregt vor morgen", gestand sie. Texomon rieb sich noch einmal schlaftrunken die Augen und stand auf. "Komm!", sagte er schlicht und als Nerina ihm nur einen verwirrten Blick zuwarf, wiederholte er eindringlicher: "Komm! Gehen wir nach draußen! Ich will dir was zeigen!" Kurz überlegte Nerina, ob es klug war, die Halbruhe ihres Schlafsackes aufzugeben, doch dann stand sie dennoch auf und folgte ihm barfuß nach draußen, zum Ufer des inzwischen schmalen Baches, den sie morgen verlassen würden. "Schau mal!", flüsterte er aufgeregt, nahm vor einem dünnen Weidenbaum Position ein und sprang wie ein Knallteufel in die Luft, um dem Stamm mit beiden Füßen einen heftigen Kampfkick zu verpassen. Knarzend knickte das Bäumchen zur Seite weg und blieb bebend quer über den Bachlauf liegen. Erstaunt musterte Nerina ihr Iramon, das stolz darauf gesprungen war und die Hände in Siegerpose hochhielt. "Das sah ja aus, wie ein Doppelkick", kommentierte sie erstaunt, "Woher kannst du denn das so plötzlich?" "Naja..." Nun begann Texomon doch, etwas herumzudrucksen. "Ich hab es bei dem Quaputzi im Delta neulich gesehen und dann noch ein paar Mal an Quaputzi und Quappo im Wasser und als Aquana mich gestern angesprungen hat, hab ich ausprobiert, ob der Trick auch bei mir wirkt... Nachdem sie sich furchtbar beschwert hat, hab ich es dann mal an einem Baum versucht. Meinst du wirklich, das ist eine Attacke?" Nerina nickte langsam, während sie sich Texomons Daten in Erinnerung zu rufen versuchte. "Jaaa, doch...", sagte sie dann zögerlich, "Ich glaube, du lernst ihn sogar regulär ... allerdings würde das bedeuten, dass du schon auf Level 20 bist!" "Ist das viel?", fragte Texomon ein wenig enttäuscht, sprang von seinem Baumstamm und trottete zu ihr herüber. Nerina nickte. "Du verlässt damit eindeutig die Anfänger", erklärte sie, bemüht, die zuvorige Panne wieder gutzumachen, "Level 20 bis 30 beschreibt die Mittelklasse. Ab 30 bist du dann schon einer der Großen." "Klingt gut", brummte Texomon, immernoch etwas unzufrieden, "Werde ich auch brauchen, für Feuer... Aber jetzt freu ich mich erst einmal wieder auf die Küste. Im Wasser hier herumzuplanschen macht schon Spaß ... aber schwimmen ist was anderes und ich glaube, ich muss mal wieder ein bisschen Territorium markieren, sonst wird Aquana noch frech." Aquana hatte über die letzten Tage tatsächlich mächtig an Kraft, Ausdauer und Gewandtheit zugelegt und Texomon des öfteren ziemlich in Bedrängnis gebracht, sodass sie seine leicht gereizte Laune gut nachvollziehen konnte. "Morgen Abend, wenn wir Zuhause sind, dann gehen wir eine richtig große Runde schwimmen!", versprach sie ihm fest, "Nur wir beide von einer geheimen Felsenbucht aus, die nichtmal Neru kennt! Ach, aber Texomon? Versprich mir bitte, dass du dich bei uns Zuhause gut benimmst. Ich meine... Da stehen sehr viele zerbrechliche Dinge herum und..." "Und du willst nicht, dass ich sie kaputtmache... Schon klar...", brummte Texomon beleidigt, "Mach dir keine Sorgen! Ich kann auch draußen schlafen!" Damit wandte er sich ab und sprang in das klare Bachwasser. Noch ehe Nerina ihn zurückhalten konnte, verschwand seine schmale Gestalt in der Dunkelheit. "Texomon?", rief sie leise und besorgt, "Hee, du alter Dickkopf! Ich hab’s nicht so gemeint! Komm zurück!" Doch Texomon antwortete nicht, sodass sie es schließlich aufgab und traurig in den Schutz des Turmes zurückkehrte. Was war nur plötzlich mit ihm los? Was beschäftigte ihn so sehr? Hatte sie ihn mit dem Training überfordert? Mochte er sie und ihre Ideen am Ende gar nicht mehr? Oder hatte ihn ihre Reaktion auf seine neue Attacke wirklich so sehr verletzt? Aber warum? Auch bei der Glut war sie schließlich nicht ausgeflippt vor Überraschung. Es war klar gewesen, dass er die Attacke lernen würde und das hatte er auch gewusst? Oder bereitete das Feuer selbst ihm Schwierigkeiten? Er hatte ihr gegenüber schon oft angedeutet, dass er es fürchtete. Natürlich hatte sie alles versucht, um ihn mit dem Feuer vertrauter zu machen, doch hatte sie es am Ende übertrieben? Glaubte er, dass sie unbedingt ein Feuerpokemon aus ihm machen wollte? Wollte sie denn unbedingt ein Feuerpokemon? Mit einem schmerzhaften Stich erinnerte sie sich wieder an die Glurak und Lavados an ihren Zimmerwänden und an all die abgenommenen Bilder von Hunduster, Arkani und Galoppa in ihren Schreibtischschubladen. Das große Vulnona, das als Kuscheltier auf ihrem Bett lag und das Tornuptu auf dem Deckblatt ihres Tagebuches... Ja, sie hatte immer ein Feuerpokemontrainer sein wollen und kein Wassertrainer... Hatte sie Texomon unbewusst übervorteilt, indem sie ihm seine Wasserform genommen und ihn zum Feuertraining gezwungen hatte? Unruhig wälzte sie sich einige Male hin und her, dann stand sie erneut auf und tappte auf nackten Sohlen erneut hinauf zur Aussichtsplattform des Turmes. Reine Finsternis breitete sich wie ein schwarzes Tuch um sie herum aus, sogar die meisten Lichter Azulons waren bereits gelöscht worden... und irgendwo inmitten dieser ewigen Dunkelheit steckte nun Texomon, verärgert, verletzt - und dabei so angreifbar! "Texomon...", murmelte sie und Tränen standen plötzlich in ihren Augen, "Oh Texomon, wo steckst du nur?"

"Hee! Alle aufwachen!", plärrte Texomons aufgeregte Stimme in ihren unruhigen Traum voller schwarzer Schatten und greller Flammenzungen. Nach langen, bangen Stunden des Suchens, Wartens und Hoffens, hatte Nerina doch noch der Schlaf übermannt und als sie nun aufgeregt hochfuhr, stand die Sonne bereits hoch über dem glitzernden Wasser des Meeres. "Texomon!", rief sie begeistert, sprang auf die Füße und lief auf ihn zu, "Oh, wo warst du denn? Ich hab mir solche Sorgen gemacht!" "In Azulon!", verkündete Texomon, immernoch aufgeregt, ließ aber zu, dass sie die Arme um ihn schlang und ihn fest an sich drückte, "Und da hab ich gleich zwei tolle Sachen gesehen! Stellt euch vor! Da sind riesige Bilder von mir gedruckt worden, wie ich den Hafen demoliere! Ich wusste gar nicht, dass ich sooo cool ausgesehen habe!" "Is ja toll!", rief Nerina gleich, erpicht darauf, ihn nicht schon wieder zu enttäuschen, während Neru ihnen beiden eine Grimasse schnitt. "Toll?", fragte er zweifelnd, "Ihr tickt wohl nicht mehr richtig! Das ist hypergefährlich! Du darfst dich auf gar keinen Fall in Seedraking verwandeln, solange sie dich suchen, hörst du?" "Das sagst du doch nur, damit Aquana weiter der bessere von uns ist!", fauchte Texomon und spreizte angriffslustig die Klauen. Perplex starrten Neru und Evoli ihn an und Nerina sprang schnell dazwischen: "Und, was ist das zweite?", fragte sie rasch, "Was hast du noch gesehen?" "Da ist ein Wasser-Ski-Wettbewerb in zwei Tagen", sagte Texomon gepresst, "Wasserpokemon, die ihre Trainer auf Brettern hinter sich herziehen und so versuchen, ein Rennen zur Zinoberinsel zu gewinnen. Ich hab ein Plakat am Hafen gesehen und ein Mauzi hat es mir erklärt. Sie starten in zwei Tagen. Ich dachte, wir könnten mitmachen..."
 

>>>Neru<<<
 

"Jetzt erzähl schon", drängte Aquana, "Was hast du vor?" "Verrate ich nicht", erwiderte Neru mit einem Lächeln im Gesicht. "Und ich verrate es dir auch nicht", sagte er nun mit strengerem Tonfall, "Du solltest überhaupt nicht reden, wenn wir unter Leuten sind." Aquana schmollte nur kurz, dann kam per Gedankenübertragung: "Und wohin gehen wir und warum soll ich Aquanas Gestalt beibehalten?" Und Neru musste lachen. Sein kleines Iramon versuchte es doch mit allen Tricks. Er würde Aquana nicht verraten, wohin sie unterwegs waren oder, was er vor hatte, er wollte sie und Texomon überraschen. Als er um die Ecke bog und der Verleihshop für Wassersportartikel direkt vor ihnen lag, bekam Aquana leuchtende Augen und als sie den Laden dann tatsächlich betraten, trippelte sie ganz aufgeregt auf und ab. Doch ihre Aufregung legte sich schnell, als sie mit dem Geschirr vertraut gemacht wurde, das es Neru ermöglichen sollte, von ihr durchs Wasser gezogen zu werden. Nach einigem Probieren hatten sie das richtige gefunden und stolz zeigte Aquana ihre, wie einen Rucksack aufgeschnallte Seilhalterung. Wie ein großer Rucksack lag der Lederlappen, an dem das Seil befestigt wurde, auf ihrem Rücken, während sich die Haltegurte über ihre kräftigen Schultern zogen und somit für Halt sorgten. "Passt dieses Geschirr auch anderen Pokemon?", fragte Neru ganz unschuldig, während Aquana noch ihr Ebenbild im Spiegel bewunderte. "Das Geschirr ist ganz universal anpassbar. Sie bekommen es sogar an einem Dragonir befestigt, wenn es sein müsste." "Wir wollen zwei davon ausleihen", erklärte Neru selbstbewusst, während er Aquana das Geschirr wieder abnahm. Nachdem Neru bezahlt hatte, machten sie sich schwer beladen mit zwei Surfbrettern, den über 20 Meter langen Seilen und zwei Geschirren auf den Weg zurück zu Texomon und Nerina. Neru hatte mit seiner Schwester dieses Vorgehen geplant, ja, es war gefährlich Texomon in seiner Wasserform zu zeigen, doch wie sollte jemand darauf kommen, dass ausgerechnet er das Seedraking war, das vor dem Gefängnis in den Strudelinseln so einen Rabatz veranstaltet hatte? Immerhin sah es ja aus, wie ein ganz normales Seedraking. Dennoch war Neru nicht ganz wohl bei dem Gedanken. Das Rennen hatte nicht nur den Zweck, dass beide Iramon Spaß hatten. Zwischen Texomon und Aquana war allmählich so etwas wie eine gereizte Stimmung gekommen und Neru war sich sicher, dass, wenn er Seedraking keine friedliche Möglichkeit zur Revanche gab, es eventuell zu unschönen Auseinandersetzungen kommen konnte. Seufzend sah Neru auf sein mittlerweile so starkes Aquana herunter. Es war nicht schön, sie so demütigen zu müssen, doch hatte er eine andere Wahl? Das, was Texomon an jenem Morgen gesagt hatte, ließ nur den Schluss zu, dass er auf Aquanas Stärke eifersüchtig war. Das passte zwar nicht wirklich zu ihm, andererseits gab es keine Gründe, warum er Aquana, die in letzter Zeit ziemlich aufsässig geworden war, nicht beweisen sollte, wer der Stärkere war. Texomon hatte sich die ganze Zeit mit seiner Wasserentwicklung zurückgehalten und Aquana war daraufhin ein bisschen - Wie sollte man es sagen? - etwas zu aufdringlich geworden. Das Wettrennen schien jedenfalls eine gute Möglichkeit zu sein, den Streit unblutig zu vermeiden, zumal Nerina sich nicht sicher war, ob sie Texomon im Zweifelsfall zurückhalten konnte. Zwischen den beiden, das hatte Neru schon längst bemerkt, war das Verhältnis auch nicht mehr so locker, wie es schien, und die Anspannung war spürbar. Deswegen war Neru auch nicht alleine zum Geschirrbesorgen gegangen. Auch Evoli hielt sich mit Provokationen nicht zurück. Man konnte die beiden einfach nicht auf einem Platz lassen. Seufzend spähte Neru wieder den Berg empor, hinter dessen Felsen sie ihr Lager aufgeschlagen hatten. Wie hatte die ganze Situation nur so kompliziert werden können? Noch vor zehn Tagen sah die Welt so einfach aus.

Am Nachmittag war es dann endlich so weit, Neru und Nerina hatten sich für ihr Training eine ruhige Bucht ausgesucht und beiden war schon etwas mulmig zumute, als sie ihren beiden Iramon die Geschirre anlegten. Schon komisch, dachte sich Neru, die ganze Zeit haben wir die Iramon trainiert und jetzt trainieren sie uns. Aquana musterte das Surfbrett, auf dem Neru sich gerade festschnallte, mit skeptischen Blicken. "Das wird bestimmt lustig", meinte sie aufgeregt. "Jetzt wird sich zeigen, wer von uns besser schwimmen kann", neckte sie Seedraking zu, doch Seedraking schnaubte nur abfällig und ignorierte seine Konkurrentin. Neru warf Nerina einen unsicheren Blick zu und sie schüttelte nur kaum merklich den Kopf. Zwischen den Iramon stand es nicht besonders gut. Nerina hatte Neru von ihrem und Texomons Streit erzählt und Neru musste zugeben, dass die Situation nicht eben leicht war. Vorallem nicht, wenn Texomon wirklich Nerinas Zimmer voll mit kitschigen Feuerpokemon zu Gesicht bekommen sollte. "Bist du so weit?", fragte Aquana und weckte ihn damit aus seinen Gedanken. Neru sah an sich herunter. Er stand auf dem Surfbrett im halb tiefen Wasser und hielt sich an der Leine mit dem Querholz fest, die auf Aquanas Rücken befestigt worden war. "Wir gehen es langsam an", erklärte er, doch es schien so, als würde Aquana ihn nicht richtig verstehen, jedenfalls schossen sie und Seedraking im gleichen Augenblick nach vorn und Neru hatte Mühe, sich an dem Seil festzuhalten. "Langsamer!", schrie er nach vorne, doch die beiden Iramon schienen ihn komplett zu ignorieren. Schreiend klammerte sich auch Nerina an ihr Seil und ohne richtig zu wissen, was vor sich ging, wurden sie hinter den Iramon durchs Wasser geschleift. Schon bei der ersten kleinen Kurve, die die Iramon machten, war es um die beiden geschehen. Neru, der überhaupt keine Übersicht mehr hatte, flog aus der Kurve und prallte schmerzhaft mit Nerina zusammen und sie beide verloren ihre Seile aus den Händen, während sie in einem Kuddelmuddel aus Armen und Beinen im Meer versanken. "Jetzt sieh mal, was du gemacht hast", murrte Seedraking mit seiner dröhnenden Stimme. "Als ob du besser gewesen wärst", schoss Aquana zurück. "Hee, ihr beiden!", rief Nerina dazwischen, "Ihr könnt euch später streiten, aber mit diesem Brett kann man nur sehr schlecht schwimmen, könntet ihr also eure Trainer vor dem Absaufen retten, bevor ihr euch prügelt?" Damit war der Streit fürs erste erledigt und nach ein paar weiteren Runden in der Bucht hatten Nerina und Neru den Dreh raus, wie man sich in die Kurve legte und, wie man das Brett zumindest ein bisschen steuern konnte. Vorsichtshalber waren sie nicht mehr gleichzeitig gestartet, sondern waren, nachdem Neru erklärt hatte, er habe von dem Sturz Rückenschmerzen, nur noch abwechselnd gestartet. Nicht mehr von Konkurrenzfragen bedrückt, konnten sie nun auch langsamer schwimmen und auch wieder auf Neru und Nerina hören. "Na, das kann ja heiter werden", murmelte Neru, nachdem sie am Abend am Lagerfeuer zusammensaßen, "Das ist schwerer, als ich gedacht hab." "In der Tat", brummte Nerina und massierte sich ihre brennenden Oberschenkel. Auch Neru verspürte heftigen Muskelkater. Doch für den ersten Tag und für das erste Mal Wasserski konnten sie mit sich doch zufrieden sein.

Die nächsten Tage des Trainings verliefen reibungslos, was wahrscheinlich zum Großteil daran lag, dass Neru und Nerina getrennt trainierten. Den Iramon schien es überhaupt nichts auszumachen, lange Zeiten zu schwimmen. Sie beschwerten sich eher darüber, dass sie nicht so schnell schwimmen durften, wie sie wollten. Doch der Muskelkater, der schon am ersten Abend heftig gewesen war, wurde immer schlimmer. Am Abend des zweiten Traingingstages konnte Neru fast nicht mehr laufen und an Nerinas schmerzverzerrtem Gesicht konnte er ablesen, dass es ihr nicht viel besser ging. Doch jetzt den Iramon zu sagen, dass das Training für sie zu hart war, nachdem sie selbst die Iramon so hart kämpfen und trainieren hatten lassen, erschien ihnen beiden falsch. So schluckten sie ihre Bemerkungen hinunter und versuchten nach Kräften, so zu tun, als würde auch ihnen das Training einen heiden Spaß machen. "Bin ich froh, wenn das Rennen gelaufen ist", ächzte Nerina, als sie und Neru einmal für einen Moment alleine waren. "Ich auch", murmelte er zurück, "Kannst du mir mal die Wasserflasche reichen, ich kann mich nicht weit genug strecken." Lachend reichte sie ihm das Gewünschte. "Wenn wir so weitermachen, müssen sie uns auch zum Rennen hinziehen." Neru ließ ein Lächeln von der Sorte: 'Hoffentlich nicht' sehen, dann verschwanden sie beide in ihren Swags, um sich noch etwas auszuruhen. Schließlich war morgen der große Tag.

Schon um sechs Uhr am morgen wurden Neru und Nerina von ihren Iramon geweckt und da es jetzt sowieso mit der Nachtruhe vorbei war, machten sie noch eine frühe Aufwärmfahrt, bei der den beiden Trainern die kalte Morgenluft ziemlich zusetzte, aber ihren Muskelkater vergessen ließ und nach dem Frühstück, das für die beiden Iramon natürlich viel zu lang gedauert hatte, machten sie sich auf den Weg zum Hafen. Nachdem sie sich in die Reihe eingereiht hatten, um sich für den Wettbewerb anzumelden, zuckte Nerina erschrocken zusammen und deutete in Richtung des Büros. Neru folgte ihrem ausgestreckten Arm und entdeckte ein Schild. "Teilnahmebedingung: Pokemon bis Level 25. Mindestalter der Trainer 12 Jahre. Mindestgröße der Pokemon 1,4 Meter. Nur ein Pokemon ist zugelassen. Wechseln von Pokemon ist strengstens verboten. Zuwiderhandlungen werden mit dem Ausschluss aus dem Rennen geahndet." Neru hatte das Schild noch nicht richtig durchgelesen, geschweige denn die Botschaft darin verstanden, da waren auch schon er und Aquana an der Reihe. Aquana wurde gescannt und ihr Level auf 21 festgelegt, während Neru seinen Trainerausweis vorlegen musste. Als er sich nach Nerina umsah und sie auf die Levelbeschränkung aufmerksam machen wollte, konnte er sie in der Reihe nicht mehr entdecken. Sie stand abseits und rief ihm zu: "Wir drücken euch die Daumen! Ihr packt das!" "Wir sind im ersten Beiboot dabei und sehen euch zu", rief Texomon, der zumindest versuchte, fröhlich auszusehen, aber den Kopf und die Schultern dabei hängen ließ, was seine Bemühungen lügen strafte.
 

>>>Nerina<<<
 

"Warum nehmen wir nicht teil?", fragte Texomon mit einem Tonfall, der Nerinas Nacken prickeln ließ und seine Klauen gruben sich knirschend in die Holzbank des Beibootes, auf der sie sich niedergelassen hatten, auf den zuständigen Bootsführer zu warten, der wohl noch damit beschäftigt war, mit etwa fünfzig Kollegen die Teilnehmer auf ihre Startplätze zu verweisen. Unsicher legte Nerina eine Hand auf Texomons Rücken und spürte voller Unbehagen, dass all seine Muskeln darunter gespannt waren. "Weil du zu stark bist", versuchte sie rasch, ihn zu beschwichtigen, "Sie nehmen nur schwächere Wasserpokemon, damit die kleinen eine Chance haben." Nachdenklich und mit erschreckendem Ernst erwiderte Texomon ihren Blick, dann schüttelte er heftig ihre Hand ab. "Aquana ist auf dem selben Level wie ich", sagte er fest, "Und dort schwimmt ein Lapras! Das ist ja wohl kaum schwächer!" "Aber normalerweise entwickelt sich Seedraking eben erst auf Level 30 oder höher. Ich weiß nicht, wie ich ihnen verkaufen soll, dass sich mein Seeper zu Seedraking entwickelt hat, ohne es vorher überhaupt auf Seemon geschafft zu haben!" "Ja ja...", brummte Texomon unglücklich und für eine ganze Weile beobachteten sie schweigend, wie Neru und Aquana zwischen einem schlaksigen Jurob und einem kleinen, etwas mitgenommen aussehenden Azumarill eingeordnet wurden. Nerus Gesicht war bleich und er krallte sich stärker als nötig an das Halteseil, das aus Aquanas Geschirr entspross. Immer wieder warf er ihr verzweifelte Blicke zu. Sie wusste, dass er diesem ganzen, verrückten Rennen nur zugestimmt hatte, um Texomon und Evoli ein friedliches Ventil für ihre Unstimmigkeiten zu schaffen, doch der Plan war nach hinten losgegangen. "Ihm ist nicht ganz wohl dabei", sagte sie eher zu sich, als zu Texomon und dieser zuckte nur mit den Ohren und gab keine Antwort. Plötzlich spürte Nerina Tränen in ihren Augen brennen. Was war bloß in ihn gefahren? Noch vor nicht einmal einer Woche war doch alles gut gewesen - und nun hatte sich ihr fröhliches, gutmütiges Iramon in ein solch streitlustiges Monster verwandelt. Zitternd ballte sie die Hände zu Fäusten, da kam mit einem langen Satz ein junger Mann in ihr Boot gesprungen. "Ich bin Jef", sagte er außer Atem, "Und ihr seid...?" "Nerina", sagte Nerina, ohne aufzublicken, "und das ist -" "Glutexo", fiel Texomon ihr ins Wort. Verdutzt sah sie zu ihm hinüber und auch Jef bedachte ihn mit einem zweifelnden Blick. "Ganz schön blau für ein Glutexo", bemerkte er dann jedoch nur kopfschüttelnd, offenbar zu beschäftigt mit seiner Aufgabe, um näher auf das ungewöhnliche Pokemon einzugehen. Mit einem lauten Aufheulen ließ er den Motor starten und das kleine Boot setzte sich problemlos an die Spitze der startenden Karawane, Neru und Aquana im guten Mittelfeld, seine Knie zitterten ein wenig und er hielt seinen Blick nun starr auf Aquanas Rücken gerichtet, die ihrerseits mit weitausgreifenden, leichtfertigen Bewegungen dahinglitt. Offenbar hatte Neru ihr geraten, sich ihre Kräfte gut einzuteilen. "Warum hast du Glutexo gesagt?", zischte Nerina Texomon zu, als das Boot drehte und der Wind den Motorenlärm in ihre Richtung trieb, sodass Jef sie nicht hören konnte, doch Texomon erwiderte ihren Blick nur aus ausdruckslosen, schwarzen Augen und antwortete stur: "Glu-Glutexo!" "Oh, du alter Dickkopf!", fauchte sie, während ihre Verzweiflung zunehmend in Wut überschlug, "Ich möchte wirklich wissen, was seit ein paar Tagen mit dir los ist! Hast du irgendwas falsches gegessen oder ist dir jemand auf den Schwanz getreten? So bist du doch sonst nicht!" "Glu-Tex-Xo!", erwiderte Texomon nur nachdrücklich und deutete auf Aquana, die gerade ein winziges Seeper scheinbar achtlos aus der Bahn wischte und dann ihren Körper ganz lang machte. Mit elegant schlagender Schwanzflosse holte sie zu dem Tyracroc vor ihr auf, versetzte einem Sterndu einen Klaps, der es untergehen ließ und drängelte sich zwischen dem Tyracroc und einem Goldini hindurch in die erste Reihe des Pulks, nur, um erneut in ihr langsameres, ausdauerndes Tempo zu verfallen. Der arme Neru hatte derweil auf dem rasch hin und herschlingernden Brett heftige Probleme, sich auf den Beinen zu halten und mehrere Male sah Nerina ihn stolpern, in die Knie gehen und sich gerade so fangen. Aquana linste über die Schulter, doch falls Neru ihr etwas zurief, ignorierte sie ihn geflissentlich. Auch Aquana schien sich verändert zu haben, dachte Nerina traurig, während sie das stolze, blaue Wasserpokemon weiter beobachtete. Sie war selbstständiger und ehrgeiziger geworden und nicht mehr ganz so sehr auf Nerus Schutz bedacht, wie das noch am Anfang der Fall gewesen war. Sie seufzte schwermütig. Irgendetwas war mit den beiden kaputt gegangen und sie hätte nur allzugerne gewusst, was es war...

"Gluuu", sagte Texomon plötzlich aufgeregt und riss Nerina aus ihren Gedanken. Die ersten paar Jurobs, die immernoch die Kolonne führten, legten sich in eine steile Linkskurve. Offenbar hatten sie das weite, offene Meer zwischen Azulon und der Zinoberinsel bereits überquert und näherten sich nun den weitläufigen, flacheren Korallenriffen, die die Westseite der Insel umwucherten. Bis hierher hatten die größeren Pokemon eindeutige Vorteile aufgewiesen, doch hier, im flacheren Wasser, stockten sie oftmals und ihre Trainer ruderten wild mit den Armen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Einigen von ihnen gelang es nicht und sie mussten von den Beibooten aus dem aufgewühlten Meer gezogen werden, ehe ihre Verfolger sie schlichtweg über den Haufen schwammen. Aquana jedoch witterte ihre große Stunde. Sie war es gewöhnt, in flachem Wasser zu schwimmen, hatte sie doch schließlich ihre Wasserform erst im seichten Kimbara richtig zu lieben gelernt und durch ihre dauernden Rangeleien mit Texomon war sie ungemein wendig. Ohne viel Federlesens schoss sie hin und her, wich den spitzen Korallengebirgen aus, die sich unter der Wasseroberfläche abzeichneten und brachte Neru auf seinem Brett förmlich zum tanzen, während sie immer weiter an Tempo zulegte. "Sie wird es schaffen!", rief Nerina aufgeregt über den Motorlärm Jef zu, "Aquana und mein Bruder dort! Oh, sie sind besser, als ich dachte!" Auf Jefs Gesicht bildete sich ein Grinsen ab und vielsagend deutete er auf die weißen Flaggen, keine fünfhundert Meter entfernt, die die Ziellinie markierten. Auch Aquana schien sie zu sehen. Nerina sah sie halb aus dem Wasser schnellen, um kurzerhand das konkurrierende Jurob zu überschwimmen, was leider zur Folge hatte, dass Nerus Brett mit lautem Klappern gegen das des Jurob-Trainers knallte, die beiden Jungen schwankend aufeinander zutaumelten und sich in die Arme fielen, bevor das Brett des anderen kenterte und Neru sich geistesgegenwärtig auf die Knie fallen ließ und eine Hand in die Flanke des Brettes verkrallte, während Aquana ohne sich umzusehen weiterflitzte. "Texo!", meldete sich Texomon mit rauer Stimme zu Wort und deutete abfällig auf sie. Nerina verdrehte die Augen. "Wenn du was zu sagen hast, sprich anständig!", brummte sie. Texomon legte die Ohren an. "Also ich würde besser auf meinen Trainer achtgeben", sagte er dann kalt, "Neru lässt sie schließlich auch nie gegen Äste knallen, wenn sie sich wiedermal tragen lässt!" "Sie ist wahrscheinlich furchtbar aufgeregt", warf Nerina ein und Texomon biss sich auf die Zungenspitze. "Glutexo", sagte er grob und wandte sich wieder Aquana zu, die gerade mit hoch erhobener Schwanzflosse durch die Ziellinie sauste, zu bremsen vergaß und in voller Fahrt auf den weichen Sandstrand auflief. Nerus Brett stoppte so abrupt, dass es ihn nun endgültig von den Füßen riss und er über Aquana stürzte, woraufhin sie beide in einem Gewirr aus Seilen über den Strand kugelten. "Tollpatsch", brummte Texomon, doch Nerina war bereits aufgestanden und applaudierte.

"Hee! Ihr wart klasse!", begrüßte Nerina ihren arg mitgenommenen Bruder und sein vor Stolz fast platzendes Aquana, als sie sie eine gute halbe Stunde später im Gedränge an der Hafenpromenade wiedertrafen. Neru ächzte nur und hielt ein kleines, grünes Fläschchen in die Höhe. "Hilft gegen Paralyse", stöhnte er, "Das war alles, was uns der Höllentrip eingebracht hat. Kommt, lass uns nach Hause gehen - ich sterbe gleich vor Müdigkeit und eine heiße Badewanne könnte auch nicht schaden!" "Aber wir haben gewonnen!", rief Aquana stolz, die mit hüpfenden Schritten und hoch aufgerichteter Schwanzflosse vor ihnen herstolzierte, "Aber das waren auch alles Waschlappen, stimmt´s, Neru?" "Und der größte davon läuft gerade vor mir", knurrte Texomon erbost, sprang einen Schritt nach vorn und kniff ihr warnend in die Schwanzflosse, "Du hättest deinen Trainer fast umgebracht!" "Ach, du bist ja nur eifersüchtig, weil ich teilnehmen durfte und du wieder mal zu groß warst", schnappte Aquana zurück. Neru sog scharf die Luft ein. "Aquaa", begann er ernst, doch Texomon ließ ein leises, so tiefes Grollen vernehmen, dass beide Geschwister zu Eis erstarrten. "Lass gut sein, Neru", sagte er mit unheilvoller Ruhe in der Stimme, "Aquana ist ihre Kraft offenbar zu Kopf gestiegen. Das passiert Pokemon oft, besonders, wenn sie vorher kleine, schwache Dinger waren und sich nach der Entwicklung an ihren eigenen Muskeln nicht sattsehen können. Sie hält sich für stark... Testen wir, wie lange." Damit sah er prüfend die Bucht auf und ab, deren Strand sie gerade passierten und von der aus der schmale Weg hinauf zum Hintereingang ihres Grundstückes führte. Dormalerweise war der weiche Sand und die warmen Lavafelsen an ihren Seiten ein beliebtes Ziel für Trainer, Schwimmer und Sonnenanbeter, doch heute war der lange, weiße Strand wie leergefegt. Alles, was Beine besaß, hatte sich offensichtlich an die Ziellinie des Rennens begeben. Noch gelähmt vor Schreck starrte Nerina ihr Iramon an, das mit langsamen, schweren Schritten zum Wasser lief und im nächsten Augenblick spürte sie das altbekannte Ziehen in ihren Gedanken, das jedes Mal Texomons Evotationen ankündigte. "Nein!", flüsterte sie, schon fast unter Tränen, "Nein!" Doch dieses eine Mal fragte Texomon nicht um Erlaubnis. Ein greller Lichtblitz zuckte durch Nerinas Bewusstsein und ein höllischer Schmerz explodierte hinter ihren Augen, sodass sie keuchend in die Knie brach und sich in den weichen Sand sinken ließ. "Nerina!", rief Neru erschrocken aus und beugte sich über sie, doch Nerina hob rasch den Kopf, um über seinen hilfreich ausgestreckten Arm sehen zu können. Durch den Tränenschleier in ihren Augen sah sie Seedraking im flachen Wasser treiben, seine Flügelchen abgespreizt und die Zähne gebleckt. "Komm her!", donnerte er mit mächtiger Drachenstimme, "Zeig uns, was du kannst, kleine Kaulquappe!" "Das kannst du haben, du alte, eifersüchtige, aufgeblasene Klapperschlange!", fauchte Aquana, dann sprang sie ihm mit ebenfalls gebleckten Zähnen und gespreizten Klauen entgegen.

"Aquana!" Neru ließ abrupt von seiner Schwester ab, sprang auf und rannte auf die Kämpfenden zu, doch eine gigantische Flutwelle traf ihn frontal vor die Brust und mit einem Aufkeuchen taumelte er zurück und landete schwer im Sand neben Nerina. "Was... Was ist nur mit ihnen los?", fragte er verzweifelt, doch Nerina gab ihm keine Antwort. Stumm und mit den Gefühl des unvermeidlichen Eintretens des größtmöglichen, absoluten Super-GAUs beobachtete sie, wie das flinkere Aquana um Seedraking herumflitzte, während sie tunlichst vermied in die Schussbahn seiner meterhohen Aquaknarren zu geraten. "Du magst stark sein, du Seeungeheuer!", hörte Nerina sie rufen, "Aber beim Rennen hättest du doch nicht gewonnen, so lahm wie du bist!" "Oh Aquana", heulte Neru schmerzerfüllt auf, "Du musst doch nicht auch noch Öl ins Feuer gießen!" Doch Seedraking ging auf die Sticheleien nicht weiter ein. Mit einem seltsamen, dröhnenden Geräusch wie von stürzendem Wasser schnellte er herum, sein langer Schwanz peitschte durch die Luft, wand sich Aquana um den Bauch und drückte zu. Mit einem Aufschrei begann diese zu zappeln, hieb mit ihrer eigenen Schwanzflosse und ihren klauenbewehrten Pranken auf ihn ein, doch seine glatten, starken Schuppen fingen ihre Schläge ab, ohne auch nur Schaden zu nehmen, während er langsam den Wickel enger zog. "Gibst du auf?", dröhnte Seedraking mühelos über Aquanas schrille Schmerzensschreie, doch sie spie ihm nur eine weitere Aquaknarre ins Gesicht. Neru schlug die Hände vor die Augen. "Oh, Aquana", jammerte er, "Nerina, ich fürchte, das Wetter bekommt ihr nicht! Sie ist ja völlig abgedreht!" Seedraking grollte, zog den Wickel noch etwas enger und streckte gleichzeitig den Schwanz aus dem Wasser, sodass die wild zappelnde Aquana in der freien Luft hing, außer Reichweite seines empfindlicheren Kopfes. Wild warf sie sich hin und her, doch der Wickel hielt sie unerbittlich gefangen, sodass sie schließlich aufgab, den Kopf sinken ließ und zu Evoli zurückevotierte. Mit einem Satz löste sie sich aus der nun viel zu weiten Schlinge, erreichte mit wenigen, hektischen Schwimmzügen den nächsten Felsen und kam mit triefendem Fell und Flaschenbürstenschwanz darauf zum Stehen. "Oh, Glückwunsch, du alter Brutalo!", fauchte sie in die aufgepeitschte See, "Wenn du nicht fair kämpfen kannst..." Im nächsten Augenblick explodierte Nerinas Gesichtsfeld in blauem Nebel, als eine gigantische, ja, schon beinahe hydropumpenhafte Wassersäule auf Evolis Felsen zuschoss, ihn umspülte und ungebremst in die größeren Randfelsen der Bucht schleuderte. Evoli schrie spitz auf, dann herrschte absolute Ruhe. Nur Seedraking trieb zitternd im aufgewühlten Wasser. "Sie hat es so gewollt", verkündete er kühl, während Neru bereits auf die Felsen gelaufen war, um sein klitschnasses Evoli aufzusammeln. Schlaff hing sie kurz darauf in seinen Armen, die Augen geschlossen und Blut rann aus ihrem halb offenstehenden Maul. Als Neru sich zu Seedraking umwandte, war sein Gesicht wie aus Stein. "Und das hat jetzt sein müssen?", fauchte er, selbst Tränen in den Augen, "Hast du sie gleich umbringen müssen, du eitles Biest von einem Iramon? Wem sind seine Muskeln hier zu Kopf gestiegen, he?" Doch Seedraking musterte ihn nur aus friedlichen, tiefblauen Augen und erwiderte nichts. "Seedraking!", hob Nerina gerade zu einer ungläubigen, zornigen Rede an, da legte sich eine schwere Hand auf ihre Schulter und als sie herumfuhr, sah sie in Vaters besorgtes Gesicht. "Nicht! Nerina", sagte er leise und mit einer eindringlichen Sanftheit, die Nerina augenblicklich in sich zusammensinken ließ. Dann richtete er sich auf und warf Neru einen strengen Blick zu. "Komm da runter, Neru", rief er zu ihm hinüber, "Evoli ist nicht tot. Sie ist allenfalls bewusstlos. Hast du denn gar nichts über Pokemonkämpfe gelernt in deinem Leben? Bring sie ins Pokemon-Center in Zinobia und lass ihr ein paar Aufbauspritzen geben." "Ist gut, Vater", knurrte Neru, immernoch außer sich vor Sorge und trottete wortlos über den Strand davon in Richtung Stadt. Vater beachtete ihn nicht weiter. Mit langen Schritten ging er auf Seedraking zu, das neugierig nähergeschwommen war. "Yamato!", begrüßte er Vater mit einem Mal sehr ehrfürchtig, "Schön, Sie wiederzusehen!" "Ich freue mich auch, dich wiederzusehen, Texomon", entgegnete Vater ehrlich, "Oder besser gesagt Seedraking. Du hast uns mit dieser Entwicklung wirklich alle sehr überrascht. Nun komm aus dem Wasser. Wir wollen nach Hause gehen, in mein und Nerinas Zuhause. Es wird Zeit, dir einige, wichtige Dinge über dich zu erklären."
 

>>>Texomon<<<
 

Gehorsam folgte Texomon der Aufforderung des Menschenmannes, den er, gleichwohl wie Nerina einen Vater nennen konnte. Yamato und die anderen Doktoren hatten ihn entwickelt und ihre Gesichter waren es gewesen, an die er denken musste, wenn er versuchte, sich an früher zu erinnern, an ganz früher, als er selbst noch kaum größer gewesen war, als das blaue Reagenzglas, aus dem er gekrochen war. Doch im Gegensatz zu all den anderen, alten Professoren, die ihn immer eher mit kritischen Blicken bedacht und stundenlange, langweilige Versuche an ihm durchgeführt hatten, war Yamato anders gewesen. Texomon konnte sich noch gut daran erinnern, wie viele lange Stunden Yamato mit ihm durch die großen Parkanlagen des Labors gewandert war, seiner ewigen Unruhe gelassen begegnend und ihm erklärt hatte, wie die Dinge auf dieser Welt standen, warum er und die anderen Iramon hier waren und, dass sie einmal groß und stark werden würden und er war es auch gewesen, dem Texomon seine einzige, große Sorge anvertraut hatte, nämlich die, von keinem der vier jungen Trainer gewählt zu werden. 'Weil ich doch gar kein richtiges Pokemon bin und weil ich so unruhig und tollpatschig bin', hatte er besorgt erklärt, 'Und weil niemand weiß, was mal aus mir werden wird. Bei Evoli ist das ja schließlich klar und jedes Menschenkind will sofort sie oder Taubsi. Nidoran geht vielleicht noch als Trostpflaster durch, aber mich starren sie immer nur komisch an und laufen weg, wenn ich an den Zaun komme.' Damals hatte Yamato nur gelächelt und ihm eine schwere Hand auf den Kopf gelegt. 'Es sind nicht irgendwelche Kinder, die kommen werden', hatte er geantwortet, 'Es sind Ella und Sipho, Professor Linds Enkelkinder und Neru und Nerina, meine eigenen Zwillinge. Sie sind alle vier sehr verschieden und sehr besonders in ihrer Weise und ich bin mir sicher, dass einer von ihnen für dich genau der richtige ist.' Das hatte nicht sonderlich vertrauenserweckend geklungen und Texomon hatte weiter gezittert. Doch dann war der große Tag gekommen und Yamato hatte recht behalten. Tatsächlich war er ausgewählt worden, von der besten Trainerin, die er sich nur wünschen konnte. Nerina hatte ihn akzeptiert, wie er war, hatte nie mit ihm geschimpft, auch wenn er zu Beginn ihrer Reise so viel Unfug gemacht, Dinge zerstört oder sie in Verlegenheit gebracht hatte. Sogar die peinliche Szene in dem großen Gebäude, das sie Einkaufs-Zentrum nannte, hatte sie ihm schneller vergeben, als er zu hoffen gewagt hatte. Sie hatte nie daran gezweifelt, dass er trotz allem sein bestes gab, dass er einmal stark sein würde - wirklich stark. Er hatte ihr erzählt, wie stolz er auf seine Wasserevotation gewesen war, wie sehr er das Wasser liebte, ja, hatte sogar eingewilligt, sie sich mit anderen Wasserpokemon zu teilen, damit sie Wasserarenaleiterin werden konnte. Nerina schien das alles gutzufinden, stolz zu sein auf Seedraking und die tollen Wassersäulen, die er hervorbrachte. Endlich hatte Texomon geglaubt, am Ziel angekommen zu sein, am Ziel seiner ewigen Suche nach sich selbst, nach der Basis seiner Kraft und sein Herz war fast übergegangen vor Freude, eine so verständnisvolle Partnerin bekommen zu haben. Doch dann musste irgendetwas mit ihr geschehen sein. Von einem Tag auf den anderen hatte sie dem Meer den Rücken gekehrt, ja, sie schien Seedraking völlig vergessen zu haben. Plötzlich wollte sie ständig, dass er Feuer spie, immer größere, heißere Flammen. Texomon hatte es für sie getan, schließlich würde er immer alles tun, was Nerina sich nur wünschte, doch der gewaltige Stolz in ihrem Blick, wenn er eine Glutattacke benutzte, hatte sein Herz immer weiter sinken lassen. Er war doch so glücklich gewesen, ein Wasserwesen zu sein und das Meer hatte ihm endlich die lang ersehnte Ruhe und Stärke geschenkt. Er mochte das Feuer nicht, mochte nicht, wie seine heiße, ungebändigte Energie seinen Körper durchfuhr, wie es ihn wild machte und aufgeregt. Manchmal, wenn Nerina ein neues Feuerspiel ersonnen hatte, hatte er danach stundenlang keine Ruhe gefunden, war unruhig durch ihr Lager gewandert und hatte viele, leichtsinnige Dinge getan, die vor Nerina einzugestehen er sich meistens nicht getraut hatte - und nun hatten sie sich auch noch gestritten und das einzige Ereignis, das Texomon schon so lange gefürchtet hatte, war eingetreten. Er hatte Nerina enttäuscht, sie verletzt und traurig gemacht, den einzigen Wesen, dem er jemals so sehr vertraut hatte.

Das alles ging Texomon durch den Kopf, während er seine eigene Gestalt annahm und stumm hinter Yamato her über den Strand ging. Er sah, wie Nerina sich mühsam hochstemmte und sich ihnen anschloss, ihr Gesicht war so weiß wie das Salz, das langsam an seinen Schuppen trocknete und das heute keine vorsichtigen Menschenhände von seinem Körper wuschen und ihre Augen sahen verschleiert aus, als wolle sie nicht, dass er in ihr inneres sah. Sie sprach kein Wort und auch, als Texomon einen vorsichtigen Vorstoß in ihre Gedanken unternahm, fand er dort nichts als Finsternis. Nerinas innere Ohren waren taub für seine Worte und plötzlich beschlich Texomon eine tiefe, nie dagewesene Betroffenheit. Noch nie, nicht einmal nach seinem unruhmreichen Kampf mit Pikachu hatte er sich so elend gefühlt. Vorsichtig streckte er eine Klaue aus, um nach ihrer Hand zu greifen, doch Nerina zuckte zurück und schmerzhaft wurde Texomon sich der Tatsache bewusst, dass seine scharfen Krallen kam etwas sein konnten, was ein empfindlicher Mensch gerne in die Hand nahm. 'Wäre ich nur so klein wie Evoli und hätte ihr weiches Fell', dachte er niedergeschlagen und ließ die Ohren hängen, 'Dann würde mich jeder in den Arm nehmen und beschützen. Aber so bin ich groß und stark und muss selbst auf mich aufpassen...' Doch plötzlich war der alte Traum nichts weiter als ein düsterer, bedrohlicher Schatten geworden.

Nerinas und Yamatos Haus lag auf einem kleinen Hügel am Rand der Stadt und ein langer Garten erstreckte sich von dem großen, weißen Gebäude aus bis fast hinab zum Strand, sodass sie schon bald das Grundstück erreichten. Yamato schloss das Gartentor für sie auf, doch Texomon sprang dennoch über den Zaun, ohne wirklich darauf zu achten. Es erschien ihm einfach mühsamer, die Richtung seiner schweren, müden Schritte zu verändern, als diesen winzigen Hopser in Kauf zu nehmen. Doch niemand tadelte ihn. Schweigend folgten sie weiter Yamato, einen breiten und gepflegten Gartenweg aus weißen Steinfließen entlang und einige, hölzerne Stufen hinauf auf eine Art niedrigen Balkons. Noch einmal warf Texomon einen Blick zurück auf den großen Garten mit all den vielen, duftenden Obstbäumen darauf, der ihn so sehr an Linds Parkanlagen erinnerte, in denen er und Nidoran so oft gespielt hatten, dann öffnete sich mit einem merkwürdigen Geräusch die durchsichtige Tür vor ihnen und eine Menschenfrau trat heraus. Sie war eher klein, sofern Texomon das sagen konnte, und auch ein wenig dicker als Nerina, doch sie hatte die gleichen, warmen, meergrünen Augen und selbst ihre Stimme klang der von Nerina ein wenig ähnlich, auch wenn sie tiefer, rauer und ruhiger schien als die ihre. "Nerina!", sagte die Frau mit einer seltsamen Mischung aus Freude und Sorge und Nerina stürmte wortlos vor, um sich von ihr in die Arme schließen zu lassen. Ein heftiger Stich fuhr durch Texomons Brust, als er hörte, wie sie schluchzte. Er hatte Nerina erst ein einziges Mal weinen sehen, damals, im Pokemon-Center nach seinem Kampf gegen Webarak, als sie an seiner Liege darauf gewartet hatte, dass er endlich aufwachte. Damals hatte es ihm schrecklich leid getan, dass sie wegen ihm weinen musste, schließlich war ihm ja gar nichts geschehen. Doch nun begriff er, dass um jemanden weinen etwas ganz anderes war, als wegen jemandem weinen - wegen einem verwirrten, heißblütigen Jemand, der für die Macht des Feuers nicht geboren war und einmal mehr verfluchte Texomon seine Reptilienaugen, die völlig ohne Tränendrüsen auskamen. Dabei war doch auch ihm so sehr zum weinen zumute.

Wie durch eine dicke Watteschicht drangen Yamatos leisen Worte an seine Ohren: "Geh schonmal mit ihr nach drinnen, Silena. Ich glaube, sie hat einen Schock. Ich werde mit Texomon zum Büro gehen. Ich muss ihm etwas zeigen." "Wo ist Neru?", fragte Silena, ebenso leise, während sie unablässig Nerinas salzverkrustetes Haar streichelte. Yamato machte eine beschwichtigende Geste. "In der Stadt im Pokemon-Center. Ich glaube zwar nicht, dass eine gute Mütze Schlaf und ein paar Pokeriegel nicht ausreichen sollten, um Evoli wieder auf die Pfoten zu bringen, aber dort hat er Zeit, nachzudenken und hier fände er ja doch keine Ruhe." Silena nickte stumm, dann legte sie erneut einen Arm um Nerina und beide verschwanden im Dunkel hinter der Tür. Ungeduldig scharrte Texomon mit den Klauen über die Fließen. Es gefiel ihm gar nicht, Nerina fortgehen zu sehen, doch Yamatos Blick nagelte ihn förmlich an das hölzerne Geländer in seinem Rücken. "Komm mit, Texomon", sagte er leise aber mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete, "Ich weiß, dass du bei Nerina bleiben möchtest, aber du brauchst dir keine Sorgen machen. Hier ist sie sicher." "Sie ist böse auf mich", erwiderte Texomon gepresst, während er Yamato unwillig über den Gartenweg zurück in Richtung Meer folgte, "Sie will immer, dass ich Feuer mache und nicht mehr zu Seedraking werde und -" "- und sie kann nicht verstehen, warum du gegen Aquana gekämpft hast", sagte Yamato eindringlich, "Bei euch Pokemon mag das die normale Art und Weise sein, Konflikte zu lösen. Ihr seid stark und unempfindlich und der Kampf steckt in euren Genen. Wir Menschen lösen unsere Probleme anders. Wir streiten, diskutieren und verhandeln. Wenn wir uns körperlich schlagen, ist das ein Zeichen allergrößter Wut." "Oh, wirklich?" Erstaunt sah Texomon zu ihm auf. "Dann ist es nur dieser Kampf gewesen? Aber der musste sein, Yamato und ich bin mir sicher, Evoli wusste ganz genau, dass es sein musste." "Nerina nicht", erwiderte Yamato ruhig, "Sie ist verwirrt und erschrocken und vielleicht schämt sie sich auch dafür, dich nicht zurückgehalten zu haben. Aber hab keine Angst. Silena wird ihr alles erklären. Gib ihr einfach Zeit, in Ruhe nachzudenken." Texomon nickte stumm.

Sie erreichten ein winziges, strohgedecktes Häuschen am Rand des Grundstücks, dessen kleine Fenster direkt hinab aufs Meer sahen und das Texomon eher an die Unterkünfte der größeren Pokemon auf Eichs Grundstück denn an ein Menschenhaus erinnerte. Yamato entriegelte die Tür und sie betraten ein kleines aber vollgestopftes Zimmer, das in seiner Beschaffenheit sehr an Eichs Labor erinnerte, mit Tischen, filigranen Regalen, um die Texomon lieber einen gehörigen Bogen schlug und diesen lustigen, drehbaren Stühlen, auf denen er immer Karussell gefahren war. Doch heute ließ Yamato sich schwer auf den interessantesten Kandidaten fallen und gab Texomon ein Zeichen, es sich auf der Kante des kleineren Schreibtisches bequem zu machen. Eine kleine Weile herrschte Schweigen, während Yamato seinen Computer zum Leben erweckte und scheinbar sinnlos Papiere ordnete, dann bedachte er Texomon mit einem langen, nachdenklichen Blick und begann:

"Nun, Texomon, ich - wir - haben dich in deiner Vergangenheit sehr oft untersucht, wie du dich sicher noch erinnern kannst - spar dir deinen Protest, es ist mir durchaus bewusst, dass du diese Untersuchungen ... nun sagen wir... oftmals nicht sehr angenehm fandest. Wir waren da ganz deiner Meinung, das kannst du mir glauben..." Er lachte bitter und strich sich beiläufig über eine dunkle Narbe an seinem Handgelenk, an deren Ursprung Texomon sich in der Tat düster zu erinnern glaubte. "Damals, wieauch später noch, habe ich dich oft sagen hören, du seist ein halbes Glumanda oder eine 'schräge Mischung' und Nerina hat mir geschrieben, dass du überrascht warst, dem Drachentypus zugeordnet worden zu sein... Du sollst gesagt haben, dass das wohl nur davon kommt, dass wir uns nicht zwischen Feuer und Wasser für dich entscheiden könnten..." Erwartungsvoll sah er Texomon an, der langsam nickte. "Und genau so ist es doch", erwiderte er mit rauer Stimme, "Ich war ein ganz normales Glumanda-Ei, irgendwo aus der Wildnis der Vulkane dieser Insel. Doch ihr habt meine DNA verändert, mir etwas eingepflanzt, das mich für immer geteilt hat. Ich habe die Evotation, die Attacke und die blaue Farbe eines Wasserpokemons und als ich endlich das Meer sah, wusste ich, dass es meine Heimat ist - und doch stecke ich im Körper eines Feuerwesens, eines Pokemon, das der gegenteiligen Elementkategorie angehört und dessen Körper seinem Willen so oft im Weg steht. Ich fühle ich zweigeteilt, Yamato, wie von zwei Dingen getrieben, die sich abstoßen wie Licht und Schatten. Ich bin wie ein Tauboss im Körper eines Digda - oder wie das Digda, das mit Tauboss' Schwingen zu graben versucht." Überrascht lauschte Texomon der plötzlichen Rede, die da aus ihm heraussprudelte, ohne, dass er sie wirklich hatte sagen wollen. Yamato ließ ihn ausreden, doch dann lächelte er nur mild zur Antwort. "Was du sagst, ist nicht ganz falsch", räumte er ein, fügte jedoch eindringlich hinzu: "Aber auch nicht ganz richtig. Texomon, mein Leben lang habe ich Drachenpokemon untersucht, jene faszinierende Kategorie, die sich keinem Element zuordnen lässt. Sie alle sind Wesen von Luft und Erde, Feuer und Wasser und sie alle tragen diesen Konflikt in sich, den du da beschreibst." "Ja", versetzte Texomon hitzig, "Das mag ja alles sein. Aber ein Drache ist nunmal ein Drache. Er ist dafür geboren, alle Elemente zu beherrschen. Ich bin bloß ein Gen-Mix. Ich habe nicht die Willenskraft eines Dragonir!" "Wirst du nicht zu Seedraking?", erwiderte Yamato scharf und Texomon grub ertappt die Klauen in die Schreibtischplatte. "Seine Form gibt mir Ruhe und Kraft!", versetzte er dennoch unbeirrt, "Seedraking hat genug Willenskraft in sich, auch das mit der Telepathie zu Nerina richtig hinzukriegen. Ich mag seine Form, aber ich bin nicht er!" Yamato bedachte ihn mit einem nachdenklichen Blick, dann rief er ein Bild auf den Computerbildschirm. Es zeigte die handgezeichnete Skizze eines zweibeinigen Echsenpokemons neben einem entsprechenden Skelett. "Das ist die Rekonstruktion von Gluvapo, aus dem Museum prähistorischer Pokemon in Eden", verkündete Yamato gewichtig, "Man nahm an, dass es sich um ein, mit Glumanda verwandtes Drachenpokemon aus der Zeit vor der letzten Eiszeit handelte. Gluvapo entwickelte sich demnach aus Glumanda, wenn dieses in Kontakt mit einem Wasserkristall kam - Das ist ein mächtiger Wasserstein, der heute nur in großen Tiefen gefunden wird, früher aber wohl auch an den Küstengebieten vorkam. Ich hatte von Gluvapo auf meinen Reisen gehört, doch mich nie weiter mit ihm beschäftigt. Es gab zu viele aktuelle Sorgen. Erst, als wir dir die DNA des Karnimani einimpften, fielen mir die Geschichten über ihn wieder ein und als du schlüpftest, da hast du uns alle gelinde gesagt sehr überrascht. Deine Statur ist weder mit der von Glumanda noch von Karnimani vergleichbar und besonders dein Horn konnten wir uns nicht erklären. Auch deine DNA gab uns Rätsel auf. So oft wir sie auch auf die Probe stellten, jedes Mal deuteten alle Hinweise auf einen Drachentypus hin, nicht ein einziges Mal auf Feuer oder Wasser, wie das bei Mischtypen der Fall sein sollte. Wir hatten keine Ahnung, wie du dich entwickeln würdest, also reiste ich, wie du weißt, nach Eden, um das Museum um eine DNA-Probe von Gluvapo zu bitten. Leider konnte ich sie erst auswerten, nachdem ihr schon unterwegs wart..." Mit fliegenden Fingern rief Yamato eine weitere Datei auf, viele bunte Zeichen und Teilchen huschten auf dem Bildschirm durcheinander, bis sie sich zu zwei langen, farbigen Strängen vereinigten. "Was ist das?", fragte Texomon unbehaglich und bemerkte erst zu spät, dass sich seine Klauen wie von selbst in das Holz des Schreibtisches gegraben hatten. Yamato lächelte aufgeregt. "Das hier ist deine DNA und die dort oben gehörte Gluvapo", erklärte er, "Wie du sehen kannst, sind sie fast identisch. Einzig die Teile, die wir allen Iramon einpflanzen mussten, um eure Evotationen, sowie eure Sprachfähigkeit zu ermöglichen, sind grundlegend neu. Du bist also kein schräger Gen-Mix, Texomon. Ich vermute viel mehr, dass unser Eingriff in deine Entwicklung deine natürliche Evolution auf Gluvapo ausgelöst hat, jedenfalls eher, als Karnimanis DNA anzunehmen." "Dann... bin ich also ein vollständiges Pokemon?", fragte Texomon zweifelnd. Yamato nickte. "Ja!", sagte er fest, "Ja und nicht nur irgendeins. Du gehörst einer uralten und mächtigen Spezies von Drachenpokemon an." Das Zimmer vor Texomons Augen begann unheilvoll zu schwanken und mit einem Mal war ihm speiübel. Ein echtes Pokemon? Er sollte tatsächlich ein ganz normales, echtes Pokemon sein? "Dann... Dann bin ich also ein Gluvapo...", rekapitulierte er lahm, während sein Schwanz unruhig über die Schreibtischplatte wischte und Büroklammern, Tacker, Locher und Stifte gleichmäßig über den Zimmerboden verteilte, "Dann habe ich auch eine natürliche Entwicklung? Echte Messwerte und Attackenstandards?" Yamato hob beschwichtigend die Hand. "Wir sind noch nicht weit genug, echte Artenstandards aus der alten DNA zu kitzeln", erklärte er bedauernd, "Das wird noch ein bisschen dauern. Aber eine natürliche Entwicklung habe ich ausfindig machen können..." Die bunten DNA-Stränge auf dem Bildschirm wichen der handgezeichneten Skizze eines mächtigen, vierbeinigen Drachen, Glurak nicht unähnlich, doch kleiner, schlanker und mit größeren, stärkeren Schwingen. "Das ist Glutaro", stellte Yamato das faszinierende Wesen vor, "Und wenn man den Überlieferungen trauen darf, war es ein sehr mächtiges Wesen von Feuer, Wasser, Luft und Erde. Du solltest stolz sein!" "Und sowas werd ich mal?" Aufgeregt rutschte Texomon von der Schreibtischkante, lief zum Bildschirm und presste die Schnauze an das warme Plastik, um auch wirklich keine einzelne der gezeichneten Schuppen des Pokemon zu übersehen. Yamato jedoch stieß ein schweres Seufzen aus. "Vielleicht", sagte er und enttäuscht ließ Texomon wieder den Kopf sinken. "Warum nicht?", fragte er trotzig, "Es ist doch meine natürliche Entwicklung und ich bin stark und werde schon bald ein hohes Level erreichen!" "Stärke alleine genügt nicht", erwiderte Yamato ruhig, "Glutaro ist kein Wasserpokemon, Texomon. Es ist, wie ich sagte, auch ein Geschöpf des Feuers und solange du nicht zu dieser Seite deinerselbst stehst, dich vor ihr fürchtest und dich ins Wasser flüchtest, wirst du niemals ein vollständiger Drache sein und nie zu dem finden, der du wirklich bist." Er hatte ganz ruhig gesprochen und ohne jeglichen Vorwurf, doch auch ein Doppelkick in den Bauch hätte Texomon kaum mehr treffen können. Erschrocken stieß er ein Fauchen aus, ballte die Klauenfäuste - und ließ sich dann kraftlos vor Yamatos Füßen auf den Boden fallen. Wie ein verletztes Tier kauerte er sich zusammen und schlug den Schwanz um sich, als könne er ihm Schutz bieten. Eine Weile starrte er trübsinnig und verletzt auf das silberne Drehkreuz des Karussell-Stuhls, dann fragte er gedämpft: "Das heißt, ich kann erst dann Frieden finden, wenn ich das Feuer ebenso kontrollieren kann, wie das Wasser und ebensogut fliegen kann wie laufen? Aber ich komme mit dem Feuer nicht zurecht! Ich bin zu schwach, Yamato! Es ... es macht mich streitlustig, aggressiv und unruhig und ich hasse es selbst, wenn ich so wild bin und anderen wehtue, vor allem Nerina. Sie wollte, dass ich mit dem Feuer Spaß habe. Sie hat die ganze Zeit versucht, mich davon zu begeistern. Hätte ich nur auf sie gehört... Aber stattdessen musste ich ihr ja unrecht tun, glauben, dass sie viel lieber ein Glutexo gehabt hätte. Es tut mir so schrecklich leid, Yamato, aber ich weiß nicht, was ich tun soll. Sicher kann sie mich jetzt tatsächlich nicht mehr leiden, weil ich so streitlustig und patzig war..." Tröstend streckte Yamato erneut die Hand aus, um sie ihm auf den Kopf zu legen, wie er das früher immer getan hatte. "Das Feuer macht dich aggressiv, weil du es fürchtest", sagte er ruhig, "Jedes Pokemon kann auf Furcht mit Kampf oder Flucht reagieren und da du nicht fliehen konntest, hast du gekämpft. Du musst versuchen, deine Angst zu überwinden, das Feuer als Teil deinerselbst zu akzeptieren und Nerina wird dir dabei helfen. Es ist kein Geheimnis, dass sie ein Glumanda wollte. Seit sie sprechen kann, liegt sie mir damit in den Ohren und als Feuerpokemon verboten wurden, ging für sie, wie übrigens auch für Neru, eine Welt unter. Ich schätze, als sie deine Glut sah, da dachte sie, ihr großer Traum sei doch noch wahrgeworden. Vergib ihr, dass sie dich damit überfordert hat, Texomon. Sie mag ein Mensch sein, aber auch sie muss noch viel lernen." "Sie hatte ja recht", murmelte Texomon durch zusammengebissene Zähne, "Aber ich wollte ja nicht hören. Aber Yamato... Irgendwie hab ich sie vermisst, obwohl sie da war... Meinst du, dass alles wieder wie früher wird?" Zu seiner Verwunderung lächelte Yamato rätselhaft. "Es war nie anders, Texomon und wenn ich meine kleine Nerina richtig einschätze, vermisst sie dich genauso und fürchtet sich davor, dass du ihr verloren gehst." "Oh, dann werde ich gleich gehen und ihr sagen, dass sie recht hatte und ich mich dämlich angestellt habe", rief Texomon, begeistert ob einer solch einfachen Lösung und sprang auf, "Und, dass ich mir mit dem Feuer mehr Mühe geben will und ich sie sehr, sehr vermissen würde, wenn ... Nein, das sag ich lieber nicht, sonst wird es peinlich. Aber dass ich Evoli gar nicht getötet habe, bloß gequetscht und dass das sein musste, damit sie nicht aufsässig wird und ... nein, das lieber auch nicht, sonst streiten wir wieder. Ach, ich sag einfach, dass alles wieder gut ist."

Doch als Texomon zum ersten Mal seit Tagen wieder fröhlich durch den Garten tollte - und dabei die Gelegenheit zu ein paar Bocksprüngen über die Gartenmöbel nicht auslassen konnte - es kostete zu viel Willenskraft, sich allein schon vom Teich fernzuhalten - da dämmerte es bereits und im Wohnzimmer brannte ein leises, wärmendes Kaminfeuer. Silena saß davor auf einem Sessel. Sie lächelte, als sie ihn sah. "Hallo Texomon", sagte sie freundlich, "Wie schön, dass ich dich auch einmal kennenlerne, nachdem Nerina so viel von dir schreibt." "Oh, mich freut es auch", erwiderte Texomon etwas unbeholfen, "Aber wo ist sie denn? Ich muss mich nämlich ganz dringend noch entschuldigen..." "Sie schläft schon", sagte Silena leise, "Aber wir haben dir was vom Abendessen aufgehoben. Seezunge mit Süßkartoffeln. Nerina meinte, du liebst Fisch?" "Oh, das stimmt!", entgegnete Texomon begeistert davon, dass seine Trainerin trotz des bösen Streites an ihn gedacht hatte und verputzte die komplette Portion mit einem Mal mit großem Appetit - sogar von einem echten Menschenteller, den er ganz vorsichtig anfasste, um ihn nicht zu zerbrechen. 'Du bist lieb, Nerina', dachte er, während sein Blick anschließend in die prasselnde Glut des Kaminfeuers schweifte und in seiner Brust wurde es ganz warm, 'Vielleicht ist Feuer ja auch das. Richtige Wärme, Leben, Energie...' Und während er das Spiel der Flammen beobachtete, wie sie über die Holzscheite flackerten, verspürte er beinahe dieselbe Ruhe, wie beim Anblick der Wellen des Meeres. 'Yamato hatte recht, Nerina und du auch', dachte er, 'Ich bin auch ein Wesen des Feuers...' Und als er schließlich in Nerinas Zimmer schlüpfte, da weckte er sie nicht mehr auf. Stattdessen kletterte er so vorsichtig er konnte auf ihr Bett und rollte sich an ihren Füßen zusammen. "Schlaf gut, Nerina", murmelte er, dann fielen ihm selbst die Augen zu.



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