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Pirates of the Caribbean: Black Tides

von

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Beunruhigende Ereignisse

11. Kapitel - Beunruhigende Ereignisse


 

Die Morgendämmerung hatte gerade erst begonnen und nur zögerlich legten sich die ersten leuchtenden Sonnenstrahlen über die noch verschlafene Hafenstadt Port Royal, ließen den Staub in ihrem Licht vor den Fenstern tanzen und weckten vereinzelt schlaftrunkene Einwohner, deren Kinder zum größten Teil bereits munter durch die Straßen tobten.

Durch die Gassen zog sich ein feiner Nebelschleier, der den gestrigen Nieselregen ablöste, tropische Vögel im umliegenden Dschungel-Gebiet, das zu Jamaika gehörte wie ein Seemann auf ein Schiff, begannen mit ihrem morgendlichen Gesang und auch andere exotische Tierarten gaben vertraute Laute von sich.
 

Sir Edward Theodore Hunter, der Vorsitzende der East India Trading Company und somit seit einem Jahrzehnt Nachfolger von Lord Cutler Beckett, verließ die HMS Success - die soeben in der Hafenbucht von Port Royal ihren Anker geworfen hatte - mit hinter dem Rücken verschränkten Händen, einem aufrechten und stolzen Gang und in einer für die EITC typischen dunkelblauen Uniform mit goldenen, funkelnden Verzierungen.

Seit sein alter Freund Cutler wegen diesem widerwärtigen Pack von Piraten das Zeitliche gesegnet hatte, hatte auch er, sein gewählter Nachfolger, sich zunehmend verändert und erkannt, welche Bedrohung die Seeräuber darstellten. Damals noch ein eifriger Jungoffizier, hatte er mit der Zeit dazu gelernt und war durch seinen Tatendrang und auch einen gewissen Heldenmut zum Vorsitzenden aufgestiegen.

Der Tod dieses Mannes und langjährigen Freundes war ihm sehr nahe gegangen und entschlossen darüber, in dessen Fußstapfen zu treten und an seiner Stelle diese Seuche auf den Sieben Weltmeeren - Piraten! - auszulöschen, war er strenggenommen sehr mit dem alten Vorsitzenden, der für Westafrika verantwortlich gewesen war, zu vergleichen.

Dieselbe entschlossene Haltung, ebenso das stolze und befehlshabende Gebaren, kalte, tiefschwarze Augen, in denen eine stumme Glut zu funkeln schien und Macht und Einfluss deutlich präsentierend, keine Widerworte von Untergeordneten zulassend. Lediglich zwei Dinge unterschieden den noch recht jungen Mann von Lord Cutler Beckett: Ihm war das Leben von Verurteilten - die damals teilweise schon allein wegen vermutetem Kontakt zu einem Piraten gehängt worden waren - nicht ganz so gleichgültig und egal, denn von Sir Edward Hunter konnte man durchaus behaupten, dass er dem Ruf eines fairen Mannes gerecht wurde. Zum Anderen hatte er eine viel gefährlichere, sogar noch mehr ausgeprägtere Eigenschaft an sich: Hartnäckigkeit und das unablässige Verfolgen eines Zieles, bis dieses unabdinglich erfüllt war. Auch sein Vorgänger hatte nach diesen Regeln gehandelt, doch immer noch nicht standhaft und schnell genug, fand der Vorsitzende der East India Trading Company.
 

So kam es, dass er dem Captain der HMS Success vor wenigen Stunden den Befehl gegeben hatte, sofort die Segel bei voller Fahrt zu setzen und sich nach Port Royal - einem englischen Hauptsitz der Royal Navy, ihren nach wie vor Verbündeten - aufzumachen, um den dortigen Gouverneur und den britischen Stabsoffizier Admiral Leon Brookstone von dem Geschehen, das sich gestern Nacht auf der eigentlich geplanten Überfahrt nach London ereignet hatte, zu unterrichten. Das, was vor ihren Augen passiert war, war zutiefst beunruhigend gewesen und würde nun, da eines der größten und wichtigsten Handelsschiffe der EITC - die HMS Comet - Vergangenheit war, eventuelle schwere Folgen mit sich bringen, für die sofort nach einer Lösung gesucht werden musste. Nun, die Beschreibung 'zutiefst beunruhigend' war noch reichlich untertrieben, dieser Meinung war jedenfalls Edward Hunter.

In den streng geheimen Unterlagen der EITC war so einiges vermerkt, was auf den ersten Blick wie pure Märchen und Geschichten klang, Spott und Unglauben hervorrief, doch hörte man sich die Augenzeugen an - die keinesfalls unwichtige Persönlichkeiten und zudem Mitglieder der Company oder Navy waren - kam man nicht drumherum, dass in diesen Unterlagen definitiv die Wahrheit steckte. Die Karibik war ein Ort, an dem Unmögliches zu Möglichem wurde, ein herzloser Davy Jones auf der Flying Dutchman Angst und Schrecken mit seinem Kraken verbreitet hatte, Hexen, Voodoo-Priesterinnen und Meeresgöttinnen ihr Unwesen trieben, schreckliche Flüche einige eifrige Schatzsucher heimsuchten und nun, auch seit Kurzem, riesige Kriegsschiffe plötzlich auf See in einem undurchsichtigen, schwarzen Nebel verschwanden und nicht mehr daraus auftauchten, bis man sich plötzlich einem kläglichen Schiffswrack, das auf Felsenriffe oder Ähnlichem auf unerklärliche Weise aufgelaufen war, gegenüber sah - ohne Überlebende.
 

Die HMS Comet war ein prächtiges Schiff gewesen und was von ihr übrig geblieben war, war ein riesengroßer Haufen Holz, Planken, Masten und zerfetzte Segel auf dem Grund des Meeres und Teile davon schwimmend an der Oberfläche des Wassers. Alle Waren, die das Handelsschiff zusammen mit der HMS Success transportiert hatte, waren vollkommen unbrauchbar geworden. Keinen einzigen Mann hatten sie noch retten können, nachdem die Pulverkammer des Schiffes wohl Feuer gefangen hatte und die Explosion danach es wortwörtlich in alle Einzelteile zerfetzt hatte. Der Geruch nach verbrennenden Leichen, Blut und züngelndem Feuer hatte eine Übelkeit und ein schmerzhaftes Gefühl in dem Vorsitzenden hervorgerufen, das er genauso wenig schnell vergessen konnte wie das traurige Bild, das sich ihm und der unter Schock stehenden Besatzung geboten hatte.

Der undurchsichtige, graue Rauch, der vom Feuer hergerührt hatte und der mysteriöse dunkle Nebel hatten sich miteinander vermischt und die Besatzung sowie den Captain dazu gezwungen, die Segel einzuholen, um das Tempo des Schiffes zu verringern und durch übereilte Handlungen ein Auflaufen auf Riffe, Klippen oder Gestein zu verhindern. Sie waren ohnehin praktisch dazu gezwungen gewesen, durch den düsteren Nebel hindurchzusegeln.
 

Edward Hunter war sich darüber bewusst, dass dieses Ereignis niemals hätte natürlich sein können. Ein Schiff fuhr nicht eben einfach so in plötzlich auftauchenden Nebel und rammte zufällig spitze Klippen, um danach abrupt Feuer zu fangen, zu explodieren und keine Überlebenden zurückzulassen. Nein! - Das, was sich vor wenigen Stunden zugetragen hatte, als die (beunruhigend) tiefschwarze Nacht noch den Horizont beherrscht hatte, war keinesfalls mit rechten Dingen zugegangen.

Schreckliche, mordlustige Bestien, unsichtbare Mächte oder dunkle Magie musste für diesen tragischen Verlust verantwortlich gewesen sein. Und wenn er an die geheimen Akten der EITC dachte, war Edward sich fast sicher, dass das Dilemma etwas mit den verhassten Piraten zu tun haben musste. Denn nur diese - wie er bereits schmerzhaft bei Blackbeard, dem einstigen Teufel der See hatte feststellen müssen - beherrschten solche mysteriösen und beunruhigenden Künste. Davy Jones hatte einen Kraken unzählige Schiffe verschlingen lassen, Blackbeards lebloser Körper hatte nach seiner Enthauptung dreimal die mächtige Fregatte schwimmend umrundet und war zurück an Bord geklettert, warum sollte es also nicht im Bereich des Möglichen liegen, dass ein ähnlicher, erneuter Schrecken die Sieben Weltmeere beherrschte, von Piraten oder Göttern geschaffen?
 

Zu oft hatte er gesehen, zu was diese Menschen fähig waren.

Zu oft war er dabei gewesen, wie ruchlose Piraten seine Kameraden erbarmungslos niedergestochen hatten - oder sie gar wie Edward Teach (Dass der ehemalige Teufel der Sieben Weltmeere auch noch denselben Vornamen trug, entlockte ihm ein spöttisches Schnauben) allein mit dunkler Magie in die Knie zwangen und sie zu Tode quälten.

Nein. Ein solches Geschehen durfte nicht noch einmal unschuldige Menschen in die Tiefen der Meere ziehen, sollte kein weiteres Mal ein wertvolles Schiff und dessen Güter vernichten, die lebenswichtig für die Einwohner britischer Gebiete waren. Seine scharfen Sinne sagten ihm, dass es niemals bei einem einzigen Schiff der EITC bleiben würde und die alarmierende Gefahr, die sich bereits seit mehreren Wochen schleichend über die Atmosphäre auf See gelegt hatte, ließ ihn wissen, dass sich etwas Ruheloses wie ein drohender Schatten auf sie alle zubewegte.

Der Gouverneur, der die große Ladung an Nahrung, Medikamenten, Gewürzen und Stoffen der HMS Comet für seine Stadt und deren Bevölkerung bereits erwartet hatte, musste von diesem Unglück unterrichtet werden, ebenso wie ihre Verbündeten der britischen Royal Navy. Wie sollte er dem Vizekönig von Port Royal bloß erklären, dass seine Bürger ein bis zwei weitere Wochen auf Nachschub von Ware warten mussten? Hoffentlich konnten sie sich bis dahin noch ausreichend versorgen, denn bis das nächste Handelsschiff die Hafenstadt erreichte, verging noch einige Zeit. Die Ladung der HMS Success war, wie er sich erneut ins Gedächtnis rief, für die britische Hauptstadt London bestimmt. Die Handelswaren, die die HMS Comet transportiert hatte, war hoffnungslos zerstört worden und in Flammen aufgegangen.
 

Unglücklich und mit einem sehr unguten Gefühl biss er sich auf die Unterlippe und schlug den Weg zum Sitz des Gouverneurs ein. Um zu dieser mächtigen Villa zu gelangen, musste er sich lediglich drei Straßen nach rechts halten, das Viertel der Adeligen Bewohner durchqueren und dem gepflasterten Weg folgen, der zu den großen, silbernen Pforten führte.

Dieser mysteriöse, schwarze Nebel war wie aus dem Nichts aufgetaucht und hatte sich über mehrere Seemeilen erstreckt, die unheimlich finster wirkende Nacht noch mehr verdunkelt und bei seinem Anblick eine plötzlich aufkommende Angst in ihm geschürt, die für einen Mann wie ihn keinesfalls hätte vernünftig seien können.

Edward stellte sich einem Kampf, wenn er sich nicht verhindern ließ und begegnete den Feinden des britischen Empires niemals mit Furcht oder Feigheit. Aber etwas an diesem dunklen Nebelschleier hatte ihm deutlich gemacht, dass dieses Geschehen nicht einmal annähernd hätte normal seien können und alle Alarmglocken in ihm zum schrillen gebracht.

Denn - wie er fast mit einem Augenrollen und einer spöttischen Bemerkung über sich selbst dachte - Nebel war noch niemals schwarz gewesen, und als die sich künstlerisch um das Schiff schlingenden Schwaden seine Haut berührt hatten, hatten sich plötzlich eine eisige Kälte, tief sitzende Verzweiflung und alarmierende Angst in ihm breitgemacht, dass er fast buchstäblich hatte fühlen können, wie sich diese Dinge zu einer imaginären Hand gebildet, um sein Herz geschlossen und zugedrückt hatten, bis er geradezu in die Knie gezwungen worden war. Eine Todesfurcht hatte sich wie ein finsterer Schatten über ihn gelegt und ihm die Kehle zugeschnürt, bis er geglaubt hatte, nicht mehr atmen zu können und ein seltsamer Schwindel hatte von ihm Besitz ergriffen, dass ihm schwarz vor den Augen geworden war. Er wollte sich gar nicht ausmalen, was hätte passieren können, wenn der selbstlose Kapitän des Schiffes sich nicht aufgerafft hätte - da dasselbe wohl auch ihm widerfahren war - und mit ein paar Männern, die dem Bann ebenfalls entkommen waren, ein unglaubliches Wendemanöver hingelegt hatte, um diesem nachtschwarzen Schleier den Rücken zu kehren. Und hätte Hunter sich in diesem Moment nicht umgesehen, wäre ihm gar nicht aufgefallen, dass um sie herum ein plötzlich aufkommender Sturm gewütet und riesige Wellen über das Deck gespült hatte, die viele tapfere Männer mit sich gezogen und für große Verluste gesorgt hatten. Doch waren die Männer diesem heillosen Unglück noch irgendwie entkommen, unmittelbar danach aber dem schockierenden Schiffswrack der HMS Comet begegnet, die nur eine halbe Stunde vor ihnen gelegen hatte.
 

Er schüttelte sich, um diese unschönen Gedanken loszuwerden. Jetzt galt es zuerst, dem Gouverneur und dem Stabsoffizier ebendieses Schicksal des ehemals schönen Schiffes darzulegen, um sofort eine Lösung für das Problem zu finden. Und - fast noch viel wichtiger - dieses Mysterium von tiefschwarzem Nebel möglichst schnell aufzuklären, bevor diese Gefahr zu einem drohenden Unheil für alle Seefahrenden und vielleicht sogar die zivile Bevölkerung werden konnte. Koste es, was es wolle, denn Sir Edward Theodore Hunter spürte in jeder einzelnen Faser seines Körpers, dass diese unbekannte Gefahr auf See noch weitere Opfer fordern würde ...
 


 

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Resigniert seufzend verfolgte Captain Jack Sparrow die rotierende Nadel des Kompasses in seiner rechten Hand, während er mit der linken das hölzerne Steuerrad seiner geliebten Black Pearl festhielt und extrem verunsichert - was er sich jedoch keinesfalls anmerken lassen würde, und seiner Crew gegenüber schon gar nicht! - den Kurs korrigierte. Ja, die launische Meeresgöttin und seine Begleiter hatten Recht behalten: Er war nur ein einziges Mal in Singapur gewesen, und das als gerade mal zwölf Jahre alter Junge, während sein Vater die Misty Lady, eine einst schöne Galeone, die leider der Vergangenheit angehörte, durch einen tosenden Sturm gesteuert hatte. Demzufolge kannte sein langjähriger Erzfeind den Weg dorthin eindeutig besser - und, wenn er sich nicht täuschte - inzwischen sogar ohne Kompass und vielleicht einem gelegentlichen Blick auf die Seekarten. Seines Wissens nach war Hector bereits vier- oder fünfmal in dieser riesenhaften Stadt gewesen; nicht zuletzt, um zusammen mit einer gewissen Elizabeth Turner (damals noch Swann) Sao Feng zu überzeugen, ihm ein Schiff und eine Crew zur Verfügung zu stellen.
 

Entmutigt musste Jack feststellen, dass er und seine Begleiter wohl nur mit Hector Barbossa innerhalb von 'kurzer' Zeit (vom Captain geschätzte zweieinhalb Monate) an ihr Ziel kommen würden. Er bezweifelte, dass der Piratenlord des Kaspischen Meeres sich mit dieser offensichtlichen Blamage gestern Abend bereits abgefunden hatte, denn er hatte sich weder zum 'Frühstück' - wenn man das auf einem Piratenschiff so nennen konnte - noch zur Mittagszeit an oder unter Deck gezeigt und verweilte wohl nach wie vor in seiner Kajüte. Die beiden anderen Captains hatten darauf bestanden, auf seinem Schiff eine Koje statt einer Hängematte zugeteilt zu bekommen, was er ihnen nicht verübeln konnte. Sein Vater war es als jahrelanger Captain und alternder Mann - wie Jack kichernd feststellte - gewohnt, in einer solchen zu schlafen und auch Barbossa war seit langem kein einfaches Mitglied einer Besatzung mehr gewesen (und ebenfalls aus seinen besten Jahren heraus). Auch Gibbs als Erster Maat und Stellvertreter des Captains sowie Sarah - da ihr Zustand momentan alles andere als 'gesund' bezeichnet werden konnte - hatten zwei der Kajüten an Bord bezogen und so waren alle fünf der großen Schlafräume auf der Black Pearl belegt. Sollten sie also durch Zufall noch weitere Gäste an Bord bekommen, mussten diese sich mit einfachen Hängematten zufriedengeben.
 

Dieser Gedanke ließ ihn wieder in eine ganz andere Richtung abschweifen.

Wenn er Angelica früher oder später an Bord holen würde, wäre sie sicherlich auch alles andere als angetan von einer Hängematte, denn auch sie musste sich an die Vorteile eines Ersten Offiziers (jedenfalls damals, als sie mit ihrem Vater und ihm selbst zum Jungbrunnen gesegelt war) gewöhnt haben. Er konnte sich schlecht vorstellen, dass seine ehemalige Flamme ihr restliches Leben an Land verbrachte, nun, da sie einmal auf die Kosten eines Piratenlebens gekommen war. Doch unter welchem Captain sie im Moment segelte, das würde er noch früh genug herausfinden (müssen). Und als er sich wieder der Sorge um die temperamentvolle Spanierin bewusst wurde, wurde er das Gefühl eines unangenehmen Ziehens in der Brust nicht los. Die Worte Calypsos hatten ihn irgendwo tief in seinem Inneren schockiert - immerhin war eine zornige Göttin hinter der Person her, die als Letzte das Wasser der Quelle zu sich genommen hatte! Wären die Umstände anders gewesen, hätte er sofort alles in Bewegung gesetzt, um zuerst die ihm - wie er zu seinem Leidwesen zugeben musste - immer noch viel bedeutende Frau zu finden, nur, um endlich das schlechte Gewissen ihr gegenüber loszuwerden und die Angst abzuschütteln, wenn er sie heil und unverletzt vorfinden würde. Doch die Reise nach Singapur ging vor, und das wusste er nur zu genau.

Denn wenn er nicht zuerst etwas über die Göttin der Nacht herausfand, konnte er Angelica ungefähr so behilflich sein wie ein Stein. Er wollte sie nicht nur in Sicherheit wissen, sondern auch alles daran setzen, damit Nyx ihr nicht unerwartet in die Quere kam. Und er malte sich jetzt bereits aus, dass es ihr sehr missfallen würde, wenn er, Jack Sparrow, nach zehn langen Jahren einfach so plötzlich wieder in ihr Leben platzte und Beschützer spielen wollte. Da gab es noch einige harte Nüsse zu knacken und Diskussionen zu führen - dessen war Jack sich sicher ...
 

Ein erneuter, verunsicherter Blick auf das Steuerrad des Schiffes und auf seinen Kompass ließ den Captain leise und kaum hörbar einen fantasievollen Fluch ausstoßen, als ihm mit zunehmendem Groll bewusst wurde, dass er und seine Begleiter so niemals an ihr Ziel kommen würden.

"Dieser - blöde - Kompass!"

Verdammt, er hatte absolut keine Ahnung, welcher Kurs nach Singapur der richtige war! Anfangs hatte er gedacht, dass nicht einmal eine ganze Horde Stiere seinen sturen Dickschädel dazu bringen könnte, Barbossa freiwillig das Steuer zu überlassen - aber jetzt fühlte er sich durch dieses nervtötende Problem mit seinem Kompass praktisch dazu gezwungen. Nun, das war auch der eigentliche Grund, weshalb er dem Captain der Revenge überhaupt die Erlaubnis erteilte, den Boden seines geliebten Schiffes zu betreten. Und bevor sein Blick suchend über das Deck, die Takelage und die Wandten glitt, zwang er sich zur Vernunft und entschloss, jemanden unter Deck zu schicken und seinen vor sich hinschmollenden Erzfeind an das Ruder zu holen. Persönlich würde er sich ganz bestimmt nicht dieser Schande ausliefern und den Piratenfürst praktisch bitten, den Kurs zu übernehmen - Oh nein!

Und als er eine ziemlich ratlos wirkende Sarah erblickte, die soeben an Deck erschien und wohl noch nicht ganz wusste, was sie jetzt tun sollte - da Jack ihr noch keinen Posten zugeteilt hatte - wusste er bereits, wen er hinunterschicken würde, um einen gewissen sturen Piratenlord aus seiner Schmollecke zu locken.
 

"Mr. Cotton, übernehmt das Steuer!", befahl er seinem langjährigen Crewmitglied, das sich sofort zur Brücke begab und der Anordnung nachkam, während sein Captain auf den Niedergang mit recht unsicherem Schritt zusteuerte, an dem Sarah soeben erschienen war.

Diese machte eine recht hilflose Geste in seine Richtung, wie sie Sparrow mit einer Mischung aus Freude und Zweifel zwischen den arbeitenden Männern wahrnahm und schenkte ihm ein leicht verunsichertes Lächeln.

Sparrow tippte sich grüßend an seinen Dreispitz und lief zielstrebig auf die junge Frau zu, die sich inzwischen mit verschränkten Armen gegen die Reling gelehnt hatte.

"Befehle, Captain?", begrüßte sie ihn mit unsicherer, leiser Stimme und bestätigte somit Jacks Vermutung.

"Nun, ich hätte eine kleine Aufgabe für dich ...", erwiderte er mit einem flüchtigen Grinsen und rückte das mitgenommene Stück Leder auf seinem Kopf zurecht.

"Außerdem bräuchtest du noch einen Posten, wenn ich mich nicht täusche."

"Allerdings - bis jetzt hab ich noch nicht wirklich viel getan", antwortete sie beinahe entschuldigend und mit einem betretenen Blick. Jack konnte sie verstehen - er wusste, dass Sarah in diesem Moment daran dachte, was sie dem Captain schuldig war, der ihr Leben gerettet und sie aufgenommen hatte. Schmunzelnd und mit einer wegwerfenden Handbewegung versuchte er, Sarahs Verunsicherung beiseite zu wischen.

"Schon in Ordnung, Liebes. Bis jetzt warst du auch noch nicht wirklich in der Lage dazu. Welchen Posten gab dir Captain Flynt auf der Cruel Wave?"

"Nun, ich ..." - fast schüchtern blickte sie erneut gen Boden - "... eigentlich war ich so etwas Ähnliches wie ein Geschützoffizier. Nebenbei erledigte ich die üblichen Aufgaben, die an Bord nun mal anfallen, und wurde zur Hilfe gezogen, wenn es Probleme mit den Segeln oder der Takelage gab."
 

"Ge... Geschützoffizier?" Jacks Überraschung und Verwunderung war ihm deutlich anzumerken. Mit tellergroßen Augen blickte er auf die Schiffbrüchige herab - die, wie ihm auffiel, fast zwei Köpfe kleiner war als er. Ihm war die Verantwortung, die mit dieser Aufgabe verbunden war, durchaus bewusst. Ein Geschützoffizier musste in der Lage sein, eine ganze Reihe Kanonen gleichzeitig auszurichten und im richtigen Moment abzufeuern. Es dauerte Jahre, diese Kunst zu erlernen.

"Es war nicht einfach, als Frau so weit in einer Mannschaft von Piraten aufzusteigen", merkte sie an und befeuchtete sich die Lippen. "Dennoch ist dieser Posten nicht allzu schwer, wenn man erst einmal mit ihm vertraut ist." Jack meinte, einen Anflug von Bescheidenheit in ihrer Stimme herauszuhören.

"Und was ist mit den Segeln und der Takelage?", hakte er nach.

"Ein ... ein guter Freund, den ich seit meiner Kindheit kenne, hat den Beruf des Taklers erlernt und mir ein paar grundlegende Dinge beigebracht. Es sollte immer jemanden an Bord geben, der sich mit der Takelage gut auskennt - und als ich ihm erzählte, dass ich mir nicht länger vorschreiben lassen wollte, was ich zu tun und zu lassen hatte und das Meer mit Herz und Seele lieben würde, wusste er ganz genau, dass ich darauf anspielte, dieser Bande von Piraten beizutreten. Er meinte, dass ich mich innerhalb einer Crew von Seeräubern als Frau zuerst zu beweisen hatte, um aufgenommen zu werden - und so brachte er mir den Bau und die Wartung von Takelagen und Masten bei. Ich muss zugeben, dass ich damals noch ein ziemlich naives junges Mädchen war, wie alle Menschen, wenn sie versuchen, ihre Träume Wahrheit werden zu lassen. Ich hätte niemals gedacht, dass ich tatsächlich in einer Seeräuber-Mannschaft lande."

Das Detail über ihren Freund aus Kindheitstagen verschwieg sie bewusst; für ihren Captain war das sicherlich nicht von Belang. Außerdem hatte sie nicht wirklich vor, mit ihm in eine Unterhaltung zu verfallen, sondern wollte sich endlich für das erkenntlich zeigen, was dieser Mann (und dessen Crew) für sie getan hatte.
 

Mit einem erstaunten, aber gleichzeitig aufmunternden Blick erwiderte er: "Anscheinend schlummert in Euch ein großes Talent."

Dass er unbewusst wieder in die Höflichkeits-Anrede überging, fiel ihm gar nicht auf, weckte aber ein wenig Stolz in der jungen Frau, die sogar ein wenig Anerkennung in den Augen des Kommandanten lesen konnte.

"Ich danke Euch, Captain", erwiderte sie strahlend.

Jack kam nicht drumherum, darüber nachzugrübeln. Für eine junge Frau in Sarahs Alter - die vielleicht gerade mal siebenundzwanzig seien musste - war es durchaus erstaunlich, innerhalb kürzester Zeit die Kunst eines Geschützoffiziers zu erlernen und nebenbei auch noch von einem Takler unterrichtet zu werden, wenn nicht gar unmöglich ... mal ganz abgesehen von ihren entzückenden Kampfkünsten, wie Jack sich breit grinsend erinnerte.

"Wenn die Pearl mal Löcher in den Segeln hat, weiß ich jetzt, wen ich dazu verdonnern kann, dort hinauf zu klettern." Mit einem fiesen Feixen deutete er mit dem Finger hinauf in die Segel und auf die Wandten, während Sarah augenrollend seiner Geste folgte. Der Ernst verfehlte seine Wirkung - dafür kannte sie ihn inzwischen gut genug.
 

"Was deinen Posten innerhalb meiner Crew betrifft ..."

Jack strich sich nachdenklich über den geflochtenen Bart und schien kurz in Gedanken versunken zu seien, bevor er mit einem flüchtigen Lächeln die mit Kohle umrandeten Augen verengte und wieder die Aufmerksamkeit der Schiffbrüchigen suchte, die ihn mit einem neugierigen, auffordernden Blick bedachte.

"Ich denke, dir ist bewusst, welche Verantwortung ein Offizier innerhalb einer Mannschaft hat."

Sarah schürzte die Lippen und nickte knapp, wohl wissend, was nun folgen würde.

"Du bist erst seit kurzer Zeit in meiner Crew", fuhr Jack fort und machte eine bedeutungsvolle Pause, "und ich nehme an, dass du dich vor Captain Flynt zuerst beweisen musstest, bevor er dich zum Geschützoffizier ernannte."

Er tauschte einen raschen Blick mit seinem Ersten Maat - der das Gespräch aus kurzer Entfernung wohl mitverfolgt haben musste - und fasste seinen Entschluss.

"Ich vertraue dir, Sarah. Aber um dich zum Geschützoffizier zu ernennen, würde ich mir gern über längere Zeit zuerst selbst ein Bild von deinen Fähigkeiten machen, deshalb bekommt du von mir vorerst den Posten eines einfachen Kanoniers zugewiesen - vorübergehend."

Gibbs beobachtete das Gespräch zwischen Jack und der jungen Frau - und wieder einmal mehr wurde ihm bewusst, dass sein Captain und Freund sich in letzter Zeit zunehmend verändert hatte. Jack war tatsächlich ein wenig ernster geworden; hätte man ihm vor einem Jahr noch erzählt, dass Sparrow auch das Gegenteil von albernen Gesten, seltsamen Bewegungsabläufen und verwirrenden Kettensätzen an den Tag legen konnte, hätte er denjenigen vermutlich ausgelacht. Doch jetzt, wo er die beiden so betrachtete, wusste er, dass Jack schon immer ein guter Captain gewesen war - denn er konnte die Situationen sofort abwägen und überschätzte neue Mitglieder der Crew keinesfalls.
 

Sarah nickte mit einem erneuten, strahlenden Lächeln, mehr als nur zufrieden mit ihrem Posten.

"Das ist bereits mehr, als ich mir gewünscht hätte", grinste die Schiffbrüchige, "ich werde dich nicht enttäuschen."

"Das will ich doch hoffen!", meinte Jack mit einem strengen Ton in der Stimme, doch das belustigte Funkeln in seinen Augen ließen seine Worte nur halb so ernst erscheinen.

"Du sagtest, du hättest eine Aufgabe für mich?", erinnerte Sarah sich plötzlich.

"Aye!", nickte Jack. "Würdest du dich bitte in die Höhle des schmollenden Löwen begeben und versuchen, das scheue Kätzchen an Deck zu scheuchen? Ich brauche ihn für den Kurs nach Singapur." Der Captain zog eine unwillige Grimasse, während Sarah wegen diesen schier unmöglichen Bezeichnungen lauthals auflachen musste.
 

"Barbossa?", fragte sie und runzelte die Stirn. "Ich glaube kaum, dass er im Moment so besonders gut auf mich zu sprechen ist."

"Genau deswegen habe ich dich dafür ausgesucht", grinste Jack schon fast fröhlich.

"Er hört normalerweise auf niemanden, aber wenn es um seinen Stolz geht, dann zwingt er sich meistens dazu. Du könntest ihm zum Beispiel drohen, ihn vor den Augen der Crew noch einmal zu blamieren, wenn er sich nicht an Deck blicken lässt, oder ihm nachdrücklich klar machen, dass es doch ziemlich erniedrigend und feige ist, sich wegen so etwas schmollend in der Kajüte zu verkriechen - und glaub mir, es würde gewaltig an seinem Ego kratzen, wenn du noch einmal eine solch grandiose Show wie gestern Abend abziehst, gleichgültig ob mit Worten oder Waffen", kicherte er, während Sarahs Gesicht sich aufhellte und sie seinen Plan zu verstehen begann. Gut, sie sollte sich besser eine Rüstung aus bestem Stahl anziehen, bevor sie sich in die Höhle des Löwens (... Kätzchens?) begab, aber irgendwie würde sie ihn schon an Deck jagen können.

"Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, oder?", schmunzelte sie und verabschiedete sich bereits mit einem Wink in Richtung Niedergang, um an die Tür besagten Mannes zu klopfen.
 


 

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Hector Barbossa hatte sich in seinem Stuhl zurückgelehnt, das Bein, das nicht aus Holz war, auf der Kante des hölzernen Tisches abgestützt und trommelte nachdenklich und schon fast ungeduldig mit den Fingern der linken Hand auf dem Holz herum, während er einen grübelnden Blick aus den graublauen Augen auf die vor ihm ausgebreiteten Seekarten warf.
 

Dass dieser alternde Narr eines Ersten Maats mit dem Namen Gibbs vor nicht weniger als zehn Jahren vor seinen Augen die Karte zum entferntesten Tor verbrannt hatte - und ihm somit auch die weiteren Geheimnisse verschwiegen blieben, die mit der Zwischenwelt und dem Tod verknüpft waren - beschwor eine ungute Vorahnung in ihm herauf.

Er wurde das Gefühl nicht los, dass die rätselhaften Zeichnungen auf dem vergilbten Papier eine Verbindung zu jedem einzelnen Detail herstellten, welches man anhand der Karte hätte herausfinden können - so auch zum Jungbrunnen, der wahrlich mehrere Mysterien in sich verborgen hielt, als einzig und allein das lebensverlängernde, heidnische Wasser. Vielleicht hätte die Karte ihnen sogar bei der Suche nach näheren Informationen über Nyx behilflich seien können, wenn sie nicht zerstört worden wäre - aber so blieb ihnen diese Möglichkeit wohl verwährt.

Er hatte sich die Abbildungen, grafischen Linien und chinesischen Schriftzeichen nie genauer besehen, und jetzt, im Nachhinein, als sich ein erneuter drohender Schatten über sie zu legen schien, bereute er es. Dass der ältere Seemann, unter dem Sparrow einen Ersten Maat verstand, die Karte Sao Fengs noch genauestens im Gedächtnis hatte, wagte er zu bezweifeln. Wenn das unverschämte Glück erneut auf ihrer Seite war, konnte der angebliche Bibliothekar, der wohl mit dem Vorgänger Elizabeth Turners verwandt sein musste und in Singapur lebte, eine nützliche Verbindung zwischen Karte und griechischer Göttin herstellen. Nur noch ein schwaches Bild hatte er im Gedächtnis, doch trotz der verschwimmenden Konturen wusste er noch ungefähr, welche Zeichnungen auf den Linien abgebildet waren, die einen Seemann zur Quelle der Ewigen Jugend hätten führen können. Wenn ihn nicht alles täuschte, dann war es einer der Kelche Ponce de Leóns gewesen - oder sogar beide? - auf dem die Worte Aqua de Vida zu sehen gewesen waren. An dem Versuch, sich weitere Abbilder in das Gedächtnis zu rufen, scheiterte seine Erinnerung jedoch.
 

Dann wichen seine Gedanken in eine andere Richtung ab: Die heidnische Meeresgöttin Calypso.

Vier Personen waren es, die sie für diese alles andere als leichte Aufgabe auserwählt hatte - eine Göttin, die von sterblicher Menschenhand gebannt werden sollte, schien ihm nahezu unmöglich.

Drei der Auserwählten waren ihm bekannt: Jack Sparrow, dessen ehemalige Flamme und er selbst - doch was die vierte Person betraf, das hatte Calypso in absolutes Schweigen gehüllt. Nur Jack schien gewusst zu haben, wen sie mit ihrer Andeutung, diese Person würde sich bereits auf seinem Schiff befinden, gemeint haben könnte.

Sparrows Crew war nicht minder groß wie die seine, und so hätte es jeder Einzelne hier an Bord der Galeone seien können. Wie er die Meeresgöttin jedoch kannte, wählte sie mit Bedacht und Sorgfalt Diejenigen aus, die sie (erneut) mit dem Schicksal zu verbünden beabsichtigte. Nun, Jack mit seiner immer wiederkehrenden, unverschämten Portion an Glück und seinen unglaublichen Einfällen, die einen an den Rand des Wahnsinns trieben, war selbstredend. Die junge Miss Teach war eher unfreiwillig in diese unschöne Sache hineingeraten, da die griechische Göttin wohl die Person suchte, die zuletzt das Wasser der Quelle getrunken hatte. Was ihn selbst betraf, war er sich selbst noch ein wenig unsicher, er glaubte jedoch, dass es nicht zuletzt an seiner Gerissenheit, Cleverness und dem geübten Umgang mit Waffen lag, sondern auch mit dieser beunruhigenden ... Prophezeiung Calypsos zusammenhing, die ausschließlich ihn selbst betroffen hatte und auch der Grund für seine abgrundtief schlechte Laune auf der Versammlung der Bruderschaft gewesen war.
 

Was er am allerwenigsten daran ausstehen konnte - oder an den Weissagungen der Meeresgöttin im Allgemeinen - dass sie das für ihn anscheinend bevorstehende Schicksal niemals ganz verriet und einen großen Teil unheimlich gern in einen rätselhaften Schatten hüllte. Er war ein Mann, der (normalerweise) nichts auf irgendwelche Vorhersagen oder Aberglaube gab wie der Erste Maat seines Erzfeindes, aber die beiden Tatsachen, dass die Voodoo-Priesterin dieses Mal eine Göttin war und zudem auch noch einen beunruhigend tiefen Ton in ihre Stimme gelegt hatte, ließen ihn doch die ein oder anderen Bedenken haben. Noch bevor Jack auf der Insel der Seelen angekommen war, hatte er Calypso als Erster aufgesucht und prompt war sie der Meinung gewesen, dass an ihm dieses Mal ebenfalls ein 'Hauch von Schicksal' haftete. Und er wusste ganz genau, dass diese Aussage der Göttin keinesfalls zu ignorieren war. William Turner war nach denselben drei Worten zum Captain der Flying Dutchman geworden, Captain Teague seinerzeit zum Piratenlord und Wächter des Kodexes aufgestiegen und auch einige andere ihm bekannte Personen hatten die Macht dieser Worte kennengelernt.

Sich schnell von dem Inhalt der Prophezeiung ablenkend, dem sie ihm mehr als nur deutlich gemacht hatte, schüttelte er den Kopf und rückte gleich darauf seinen schwarzen, breitkrempigen Hut zurecht.
 

Drei Personen waren ihm nun also bekannt - die Vierte musste jemand sein, der entweder eine Art Verbindung zur Göttin der Nacht haben musste, oder aber aufgrund ihrer Fähigkeiten oder Taten auserwählt worden war. Er wusste, dass Calypso kampferprobte und talentierte Menschen keinesfalls unterschätzte oder verachtete. Auch in dem noch recht jungen Piraten - Jim Truscott, wenn er sich recht erinnerte - schlummerte mehr, als man auf den ersten Blick zu erkennen vermochte. Also konnte es durchaus möglich sein, dass er die vierte Person im Bunde war.

Und dann war da noch diese hinterhältige, ruchlose und unglaublich freche Schiffbrüchige, die ...
 

Seine Gedankengänge wurden jäh unterbrochen, als die Tür zu seiner Kajüte mit einer Wucht aufgestoßen wurde, die sogar ihn vor Schreck zusammenzucken ließ und eine muntere, schon fast fröhliche Stimme ließ erneut eine unglaubliche Wut in ihm hochkochen. Was erlaubte sich dieses Weibsstück eigentlich?!

"Guten Morgen, Captain Barbossa. Wird langsam Zeit, dass Ihr Euch an Deck blicken lasst, oder wollt Ihr den ganzen Tag verschlafen?"

Seine Finger wanderten unbewusst zum Griff seines Säbels. "Was wollt IHR denn hier?!"

"Euch wecken", antwortete sie schulterzuckend und grinste unbeschwert. Hector verdrehte die Augen. Sie hätte wenigstens anklopfen können! "Danke für das Angebot, Missy, aber ich bin schon seit Längerem wach und entscheide selbst, wann ich meine Kajüte verlasse. Ich sollte Euch achtkantig rausschmeißen!"

"Das glaube ich kaum - wenn Ihr es schon vergessen haben solltet, Ihr steht derzeit unter dem Kommando von Captain Sparrow", widersprach sie ihm und verschränkte mit einer vielsagenden Geste die Arme vor der Brust.

"Ich stehe unter dem Kommando von NIEMANDEM!", brauste der Bukanier auf und Sarah feixte breit, als sie seine mehr als nur schlechte Laune bemerkte und die dunklen, graublauen Augen, aus denen gefährliche Blitze schossen.

"Sagt bloß, Ihr schmollt immer noch wegen meinem kleinen Auftritt?"

Sarah sog kaum merklich scharf die Luft ein, wohl wissend, dass sie damit wieder Öl ins Feuer gegossen hatte.

Bevor ihr Gegenüber jedoch widersprechen konnte und bereits den Mund zum Protest öffnete, fuhr sie unbeirrt fort:

"Gebt es zu, Captain. Obwohl Ihr gestern Abend mehr als nur überrascht und vor allem ziemlich wütend gewirkt habt - da ich wohl gewaltig an Eurem Ego gekratzt haben muss, wie Jack bereits anmerkte - wart Ihr ziemlich beeindruckt von mir, hab ich recht?"

"Beeindruckt?", knurrte der Piratenfürst. "Ihr habt mich gestern vor aller Augen blamiert und erniedrigt und... und Ihr fragt mich allen Ernstes, ob ich von Euch beeindruckt war?!"

Sarah wirkte einen Moment so, als würde sie tief über etwas nachdenken, dann antwortete sie unbeschwert und mit fröhlicher Stimme: "Ich denke schon!"
 

"In einem muss ich Euch - zu meinem Leidwesen - jedoch Recht geben", grummelte Barbossa, erhob sich vom Stuhl (was sich wie gewohnt dank seines Holzbeines als ein wenig schwierig erwies) und straffte die Schultern, womit er nun die volle Aufmerksamkeit der Schiffbrüchigen hatte.

Er wollte etwas zugeben? Jetzt, nachdem sie ihn gründlich und bis auf die Knochen blamiert hatte?

In ihren Augen lag die stumme und neugierige Aufforderung, weiterzusprechen, als der Bukanier sie kurz aber misstrauisch musterte. Sarah entging das keinesfalls.

"Überrascht habt Ihr mich tatsächlich. Ich hätte mit allem gerechnet, aber nicht mit einer Assassine."

Sarahs Augenbrauen wanderten nach oben, ungläubig schürzte sie die Lippen. Dann wiegte sie den Kopf hin und her, wobei ihr vereinzelte, dunkelblonde Locken in das Gesicht fielen.

"Ich bin mir nicht sicher, ob ich das als Kompliment nehmen soll, Captain."

Irritiert von seiner anscheinend so plötzlichen umschlagenden Laune versuchte sie, aus seinen Worten irgendwelche Schlüsse zu ziehen. Eine ... Assassine, hatte er gesagt? Damit war er wirklich der erste Mensch, der sie so bezeichnete. Nach ihrer eigenen Meinung konnte man sie wohl kaum so nennen, da eine Assassine - wie sie gehört hatte - neben Dolchen auch geschickt mit Entermessern, Schwertern und Säbeln umgehen konnte. Auch an diesen Künsten mangelte ihr es, wie sie mit sich leicht rötenden Wangen langsam feststellte - verschwieg es in Gegenwart dieses Mannes jedoch bewusst.

"Ihr raubt mir jetzt bereits den letzten Nerv, Missy! Mit wie vielen Dolchen hättet Ihr mich noch an die Wand nageln können?!", schnappte der Piratenfürst bissig und mit einem Sarkasmus in der Stimme, der Sarah kurz zum schmunzeln brachte.

"In Schiffbruch habe ich mir fünfzehn davon besorgt, da der größte Teil meiner Waffen mit Abwesenheit glänzte, als ich auf dem Meer zu mir kam - bevor Captain Sparrow mich an Bord holte."
 

Sarah schnitt eine Grimasse, als die Kinnlade ihres Gegenübers sich in Richtung Boden verabschiedete. Er war nicht der Erste, der eine solche Reaktion auf die Anzahl ihrer Waffen zeigte.

Wie zur Bestätigung hielt sie kurz den Saum ihres Mantels auseinander und zeigte ihm somit die besagten Waffen; da waren große und kleine Dolche, welche aus dunklem Stahl und andere waren aus einfachem Eisen gefertigt, ein paar hatten einen kunstvoll gemusterten Holzgriff und bei wenigen davon wies sogar die Klinge winzige Verzierungen auf.

"Ich nehme alles zurück", knurrte Hector, hob beschwichtigend die Hände und verschränkte dann ebenfalls die Arme vor der Brust. "Ihr seid keine Assassine, Miss Blackwood. Ihr seid eine wandelnde Waffenkammer."

Sarah lachte kurz, aber amüsiert auf - fast hätte sie geglaubt, ein wenig Neid in diesem Satz heraushören zu können, schüttelte dann aber innerlich den Kopf über sich selbst. Sie hatte bereits einiges über den Piratenlord der Kaspischen See und sein Geschick in den verschiedensten Gefechten gehört und war sich bewusst, dass er einen nicht zu unterschätzenden Gegner darstellte. In einem Zweikampf allein mit Schwertern wäre er ihr mehr als nur ebenbürtig - wenn nicht sogar überlegen.

"Captain Sparrow lässt nach Euch schicken", erwiderte sie, nicht weiter auf ihre fantasievolle Bezeichnung eingehend. "Er braucht Euch für den Kurs nach Singapur."

"Ach, wirklich? Wenn er mir freiwillig das Steuer überlässt, muss er aber sehr verzweifelt sein", spottete der Piratenfürst des Kaspischen Meeres mit einer unübersehbaren, diebischen Freude, kam Sarahs auffordernder Geste nach und folgte ihr mit nicht überhörbaren Schritten eher widerwillig an Deck.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hey, ihr Lieben :)

So, da bin ich wieder, mit Kapitel 11, was - zugegeben - ziemlich lange gebraucht hat, bis ich es endlich hochladen konnte, und dafür erstmal ein dickes 'Sorry' :( Ich hoffe, ihr konntet eure Ungeduld im Zaum halten *lach* ...
Als Entschädigung ist dieses Chap aber auch recht lang geworden und, wenn mich nicht alles täuscht, mit ca. 6.000 Wörtern sogar das Längste (bis jetzt). ;)
Die letzte Zeit verlief bei mir leider ziemlich stressig, weshalb ich kaum dazu kam, meine Ideen auf virtuelles Papier zu bringen - das Übliche war daran Schuld: Schulstress, Berufswahl, Planungen, Termine (und natürlich die grandiose Fußball-Partie von Deutschland gegen Algerien - 2:0! <3 Dieses Jahr holen wir uns diesen Pokal! :D) ...
... und ein riesengroßer Saustall in meinem Wohnzimmer, das eher unfreiwillig einen fröhlichen farbigen Anstrich auf dem Fußboden bekommen hat - dank ziemlich unspektakulärer und aufwendiger Bastelarbeiten ...
Ihr werdet merken, dass die nächsten Kapitel wahrscheinlich ein wenig länger werden als die ersten zehn, die nur eine Art 'Grundbasis' darstellen (wie im Nachwort von Kapitel 10 schon angemerkt), da das Abenteuer jetzt erst richtig losgeht! :)

Trotz der langen Wartezeit hoffe ich, dass es euch gefallen hat - auch, wenn es (mal wieder ...) eines der weniger spektakulären Chaps war ... obwohl nun endlich mal die Company und Navy ordentlich mitmischen. ;)
Mein ganzer Arbeitsplatz und mein Kopf sind zwar wortwörtlich zugeklebt mit (imaginären) Klebezetteln, auf denen sich so einige Ideen sammeln, aber vielleicht hat meine liebenswürdige Leserschaft ja auch noch Vorschläge, wie unsere Chaoten die Zeit nach Singapur (ein wenig spannender) überbrücken können?
Wenn ihr ein paar Ideen auf Lager habt: nur keine Scheu, schickt sie mir ruhig zu. ;)
Ich wäre froh, wenn ich ein bisschen mehr dramatischen Stoff für meine Story sammeln kann (wobei mein liebenswürdiger Beta-Leser mich damit letztens buchstäblich bombardiert hat :P).

Vielleicht ist es euch sogar aufgefallen, dass ich inzwischen die Pairings angegeben habe - ich habe mich dann doch dazu entschlossen, euch nicht allzu lang im Ungewissen zu lassen. ;) Immerhin wird es noch eine Weile dauern, bis unser lieber Jack auf seine ehemalige Flamme trifft, und euch sooo lange zappeln zu lassen - das finde sogar ICH fies ;P
Und auch Barbossa hat mal ein bisschen weibliche 'Abwechslung' verdient, ich konnte einfach nicht widerstehen, ihm jemanden zu verpassen, der förmlich an ihm kleben und ihm zur Seite stehen wird. ;)
Soviel zum Thema "Ein Pirat liebt nur das Meer und sein Schiff" - unsere zwei Dauerzankenden werden wohl bald feststellen müssen, dass in diesem Spruch nicht ganz so viel Wahrheit steckt, wie zuerst angenommen.
Aber dazu erst mehr in den nächsten Chaps, zu viel will ich ja auch noch nicht verraten, aye? Sonst bleibt doch die Spannung weg ;)
Es wird sich wohl auch nie ändern, dass Barbossa - dieser hinterhältige, clevere und gewiefte Mistkerl! - zu meinen Lieblingscharakteren gehört. Ich liebe einfach seinen Sarkasmus und seinen trockenen Humor! ^-^
Würde mich mal interessieren, wer mir da zustimmt? ;)

So, nun aber endlich zu meiner Widmung (mal wieder :P): Dieses Chap ist für dich, Vanessa, weil du wirklich jeden noch so winzigen Rechtschreibfehler findest, mich sofort damit aufziehst und dich wahnsinnig drüber freust, was ich einfach unglaublich witzig und niedlich finde XD Du bist wirklich eine einzigartige Beta-Leserin *knuddel* <3 Danke! :*

Ihr dürft mich LIEBEND gern auch wieder mit laaangen (und natürlich auch kurzen) Reviews überschütten, ich kann gar nicht genug davon haben - also raus mit euren Meinungen! :)
Sehr gern auch von meinen neuen Lesern, und davon gibt es wohl mehr als genug, wie ich letztens in meinen Stats (auf fanfiktion.de) bemerkt habe, die seit meiner Pairing-Angaben ziemlich in die Höhe geschossen sind. ;)
Innerhalb eines Tages knapp 50 Klicks und 3 Favoriteneinträge mehr - Wow!
Ich war - zugegeben - ziemlich überrascht und habe mich tierisch darüber gefreut! :)
Ich glaube, wenn meine Neuankömmlinge mir jetzt auch noch ein paar Reviews hinterlassen, dann werde ich wohl mal wieder einige Tage lang mit diesem unausstehlichen Dauergrinsen im Gesicht herumrennen *lach* ...

Damit bis zum nächsten Mal (meine Tastatur wird wohl dran glauben müssen),
eure Sharyne :)


PS: Revieeews ... *grins* ...
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