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Zwei Schlagringe außer Rand und Band
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Hilfe, ich bin umgeben von Idioten und selber einer

Umgeben von Idioten und selber einer
 

Ich drückte mir die Hände auf die Schläfen. Die Stimme der Sekretärin war nicht zum Aushalten gewesen. Ich stand im Flur und massierte mit zwei Fingern meinen Kopf und wie ich da so stand, wurde ich plötzlich unwirsch am Arm gepackt und in eine Richtung geschleift. Ich konnte gerade so verhindern nicht über meine Füße zu stolpern. Mir mit der Hand, durch die Erschütterung verursacht, piekte ich mir trotzdem ins Auge. Ich blinzelte viel und heftig um die Träne, die sich anbahnte, hinfort zuschicken, erstens. Und zweitens, weil ich hoffte meine Kontaktlinse wieder in Position zu bringen. „Ah, du bist also der Neue. Interessant.“, die Stimme des Lehrers war klar und jeder Satz klang abgehackt. Vielleicht war er nebenberuflich Holzfäller und er hatte lernen müssen, zwischen den Schlägen zu sprechen, so schnell und viel er konnte. Das war sogar recht wahrscheinlich, denn wer konnte heutzutage noch vom Lehrergehalt leben? Das hatte mein ehemaliger Deutschlehrer immer gesagt. Vielleicht hatte er Recht. Ich wusste nicht, was ein Lehrer so verdiente. Ich sah zu ihm rüber und hielt nur mit Mühe Schritt. Seine Beine waren so unglaublich lang, dass ich mich fragte, wie sein Oberkörper Platz darauf hatte. Sehr viel größer als ich war er nämlich nicht. Und ich dackelte neben ihm und seinen endlos langen Schritten her, während ihm eine dunkelbraune kurze Strähne aus dem gegelten Rest sprang und auf der von Sommersprossen besprenkelten Stirn tanzte. Vielleicht sprach er wegen den riesigen Schritten so abgehackt, oder er machte das immer so, ich wusste es nicht. „Ja.“, antwortete ich, seine Worte erst jetzt verarbeitend. „Ah, sehr gut. Beeil dich ein bisschen! Wir sind spät dran.“ Das war nicht einmal meine Schuld gewesen! Die seltsame Sekretärin mit der hohen Fistelstimme hatte meine Anmeldung verschlampt und es mussten endlose Anrufe getätigt werden. Und nun waren wir eine gute Viertelstunde zu spät dran. Er zerrte mich die Treppen hoch, wobei er jeweils 3 Stufen auf einmal nahm und ich mit Mühe versuchte ihm hinterher zu kommen. Vor einer Tür hielten wir schließlich an. Ich presste meine Hand auf das linke Auge und rückte meine Kontaktlinse zurecht. Zweimal blinzeln. So. Jetzt war alles wieder scharf. Die Tür ging auf, ich stolperte herein und mein Lehrer packte mich an den Schultern und drehte mich frontal zur Klasse. Da sahen sie mich an. Um die 30, mehr oder weniger, seltsame Gesichter. „Ah, Klasse! Wir haben ab heute einen Neuen Schüler. Er heißt Richard Bat… “ „Richie reicht völlig.“, unterbrach ich ihn mit einem Abwinken. Er nickte nur mit einem übermotivierten Lächeln und schubste mich einen kleinen Schritt nach vorne. Ich äugte kurz die Runde, räusperte mich und sagte: „Also, ihr könnt mich Richie nennen und ich bin 15.“ Ich wusste nicht, ob man jetzt von mir erwartete, dass ich noch irgendwas erzählte oder so. Aber was sollte ich schon groß sagen? „Hallo, ich bin Richie und ich bin mir sicher, wenn man unter „durchgeknallt“ nachschauen würde, währe dort ein Bild von mir abgedruckt. Ich mach Karate und die Schule musste ich wechseln, weil ich mich mit einem Lehrer geprügelt hatte und zwei Jungs wegen mir im Krankenhaus landeten und ich schon immer ziemlich hart gemobbt wurde. Von anderen Gründen, weshalb ich nicht mehr auf dieser Schule bin, fange ich gar nicht erst an.“ Nein… Das käme sicherlich nicht gut. Deshalb blieb ich einfach bei meinem Satz und steckte die Hände in die Taschen meiner Shorts. Ich starrte einfach nur durch die Klasse, in fremde Gesichter, die mir bald wohl nicht mehr fremd sein werden würden. „Ah, Okay, dann stellt euch doch mal vor!“, mein Lehrer machte eine ausladende Bewegung der Arme und entpuppte sich als Herr Birken. Ich hörte nur mit halb zu. Komische Gestalten, die hier saßen. Ich kratzte mich hinterm Ohr. Nachdem alle Name, Alter und Hobbys verraten hatten, ergriff Herr Birken wieder das Wort. „Schau, Richard, setz dich am besten auf den einzigen noch freien Platz.“ Ich wollte ihn korrigieren, dass er mich Richie nennen durfte, aber da hatte er mich schon in die entsprechende Richtung geschubst. Ich pflanzte mich auf den Stuhl und fand mich zwischen zwei Jungs wieder. Vielleicht waren das sogar die Seltsamsten. Der eine hatte sich eben als „Blue“ vorgestellt und der Lehrer ihn mit Adrian angesprochen. Ich konnte mir denken, dass das eher so war wie Richie… Bloß ein Kosename. Er war mir im Gedächtnis geblieben. Er war kleiner als ich, hatte dunkle Augen, einen Bronze angehauchten Hautton und das Wichtigste: Die Haare waren hellblau gefärbt. Er hatte einen von diesen Undercuts und unter den kurzen blauen Haaren an den Seiten konnte man den schwarzen Haaransatz sehen, was alles aber nur sehr interessant machte. Auf seinem T-Shirt war der Aufdruck eines Pikachu-Totenkopfes mit Blut beflecktem Messer zwischen den Zahnreihen. Der andere Junge hatte blonde, kurze Locken und fiel durch seine stechend gelben Augen auf. Sein Name war mir nur schwammig im Kopf geblieben. Um ehrlich zu sein, hatte ich ihn schon vergessen. „Hi.“, sagte ich deshalb. „Du, ich hab irgendwie deinen Namen vergessen, wie heißt du noch mal?“ Ich setzte ein verwegenes Grinsen auf und er erwiderte es sofort. „Sei froh!“ Was sollte das jetzt? War der so peinlich gewesen? Nein. Das konnte gar nicht sein. Wäre er das gewesen, hätte ich ihn mir garantiert gemerkt. Er boxte mir auf die Schulter und meinte: „Nenn mich Hawk.“ Ein Dudeln ertönte. Hawk fummelte sein Handy aus seiner schwarzen Jeans heraus und tippte eine Antwort ein. „Du warst Blue, oder?“, erkundigte ich mich sicherheitshalber bei dem anderen. Obwohl das eigentlich überflüssig war. Er nickte. Und nickte. Er hörte gar nicht mehr auf zu nicken. Vor allem schien er mich gar nicht zu sehen. Es war, als würde er direkt durch mich hindurch sehen. Erst jetzt bemerkte ich die Stöpsel in seinen Ohren und den leisen Drumbeat, der von ihnen ausging. Ob er mich nun gehört hatte, oder nicht, konnte ich nicht mit Sicherheit sagen. Vorne lallte unser Lehrer irgendetwas, aber ich passte nicht auf. Zuletzt fiel das Wort Gruppenarbeit. Das hörte ich sofort heraus. Augenblicklich steckten überall die Schüler die Köpfe zusammen. Um mich herum ging alles ganz schnell. Blue riss sich die Stöpsel aus den Ohren, Hawk ließ sein Handy verschwinden und ein Mädchen drehte ihren Stuhl um, saß mir direkt gegenüber und grinste mich an. „Hi.“ „Hey…“, erwiderte ich leicht perplex. „Erzähl! Wieso bist du auf unsere Schule gekommen? Bist du hergezogen?“ „Ähm, nein.“ Herr Birken klatschte in die Hände, noch bevor das brünette Mädchen mich weiter löchern konnte. „Ihr macht nun ein Rollenspiel.“ Während des Spieles stellte sich mir das Mädchen als Christina vor, ich solle sie aber Chris nennen. Hatte hier jeder einen Spitznamen? Gut, dann stand ich wenigstens nicht so alleine da. Das war damals Grund dafür gewesen, dass sie mich mobbten. Na, eigentlich war es bloß ein Teil davon gewesen. Ich war der Einzige, der eine Kurzform seines Namens verwendete, wobei Quentin und Bartholomäus auch nicht sonderlich für Spitznamen geeignet sind… Jedenfalls nicht für Kurznamen… Sie hätten sich dick und doof nennen sollen. Wobei weder das eine, noch das andere stimmte. Quentin war dünn wie ein Blatt Papier und Bartholomäus der Oberstreber von ganz Oben. Allein bei dem Gedanken an diese horröse Klasse wurde mir ganz schlecht. Keiner von denen wusste was „Spaß“ bedeutete, alle waren immer super korrekt und wirklich jeder wollte später Bundeskanzler werden, oder so was. Ich konnte das nie verstehen. Anstatt Schlips und Anzug trug ich Kapuzenpullis und Shorts, mache ich immer noch. Der Tag verlief eigentlich ganz ruhig. Ich würde ihn fast als normal bezeichnen. Normal aus meiner Sicht. So „normal“ wie ich mir einen Schultag immer gewünscht hatte. Ohne Prolohomo, Trottel-bak, Psycho oder irgendein anderes Wort, was ich nicht verstand an den Kopf geworfen zu bekommen. Die drei sind die Einzigen, deren Bedeutung ich verstand. Beim Rest hörte es aber auf. Sie klauten mir auch nicht mehr auf kindischste Art und Weise meine Sachen… Was richtig weh tat, war wenn es einfach zu viele wurden… Und diese Bonzen waren viele… Irgendwann war ich dann ausgerastet und bin auf meinen Lehrer losgegangen. Habe ich erwähnt, dass die immer fleißig mit auf mir rumgehackt hatten? Weil ich Mangas, Blut, grotesken Horror, Pornos und Rammstein mochte? Der Lehrer war der Schlimmste. Ein relativ junger Lehrer, der glaubte, er sei Gott und die Welt. Ich bin vor der ganzen Klasse auf ihn los. Ich glaube ich habe ihm damals die Nase gebrochen. So genau weiß ich das nicht mehr. Quentin und Bartholomäus waren damals auch noch dreist genug mich weiter zu provozieren… Ich hab ihre Bremsschläuche vom Fahrrad gekappt… Deshalb waren sie im Krankenhaus. Vielleicht hätte ich Schuldgefühle haben sollen. Aber es hatte sich einfach richtig angefühlt. Nach meinem ersten Tag ging ich richtig erfüllt nach Hause. Endlich erfüllt mit Freude, nicht mit heruntergeschlucktem Zorn. Da waren Leute, die normal waren – so wie ich.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ein sanfter Start. Wir wolln ja lieb sein ^^ Komplett anzeigen

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