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Familiengeschichten

Der Weg zur Liebe ist ein steiniger
von

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Filmabend (zensiert)

Kapitel 4 - Filmabend

Auch nach langem einreden, war Len nicht von Rays Unschuld zu überzeugen gewesen. Und letztlich hatten Naoko und Len sich im Streit getrennt. Also erzählte sie die Geschichte ihren Eltern. Aber diese waren auf Lens Seite. Naoko war wirklich sauer. Wieso glaubte ihr nur niemand? Wieso gingen alle davon aus, dass Ray, wenn er sich – und das nicht ohne Grund! - in der Vergangenheit einmal schlecht verhalten hatte, nun noch immer ein schlechter Mensch war? Er kam ihr vor wie eine Art Sündenbock, auch wenn sie sich nicht erklären konnte, für was.

Sie seufzte und ließ sich in ihrem Zimmer auf ihr Bett fallen. Dabei wollte sie am Anfang doch nur wissen, wie Len wirklich fühlte. Aber nicht einmal das hatte sie heraus finden können. Len war wütend gewesen, als er sie beide zusammen gesehen hatte, aber er hat sie nicht einmal in den Arm genommen oder irgendwie angedeutet, dass es ihm persönlich weh getan hat, sie so zu sehen. Stattdessen hat er sie sachlich ausgefragt, ob Ray wirklich nicht weiter gegangen war und sie mal um mal gewarnt, dass Ray ja ein solcher Weiberheld sei, ein Choleriker, ein Trinker und weiß sonst noch was. Dann hatte er sie nach Hause gebracht und bei ihren Eltern abgegeben, wie man es mit einem ungehorsamen Kind tut. Das machte sie einfach nur wütend. Ihr Plan war nicht aufgegangen, niemand glaubte ihr und man bestimmte über ihren Kopf hinweg, als wäre ihre Stimme nichts wert.

Das Schlimmste von alledem war aber, dass Ray nun noch weiter angeschwärzt wurde. Eigentlich hatte sie sich schon beim ersten Mal gedacht, dass die Reaktion übertrieben gewesen war. Und sie wollte ihn eigentlich erst einmal kennen lernen, um sich ein eigenes Bild von ihm zu machen, weil er schon damals nicht wirklich unsympathisch auf sie gewirkt hatte. Aber durch die vielen Treffen mit Len war das irgendwie alles im Sande verlaufen.

Wie es Ray wohl gerade ging? Kam er sich nicht von ihr missbraucht vor? Sie verstand einfach nicht, warum die Familie so ein Drama daraus machen musste. Es war doch nur ein Kuss. In Ordnung, zwei Küsse. Zwei sehr gute Küsse. Aber eben doch nur Küsse. Ob Ray irgendetwas fühlte, wenn er sie küsste? Er meinte, er könne sie lieben. Mehr noch, als er ihre Mutter je geliebt hatte! Allein schon bei dem Gedanken an seine Worte bekam Naoko wieder Herzklopfen. Wie konnte Ray so etwas sagen, wo er sie doch gar nicht kannte. War es Lebenserfahrung? Oder war es am Ende er, der mit ihr spielte? Das würde auch die Reaktion der anderen erklären. Aber als er ihr dieses Geständnis gemacht hatte, waren sie nur zu zweit gewesen. Die anderen konnten es also gar nicht erst mitbekommen haben. Sie würde es zu gerne heraus bekommen. Wie dachte Ray wirklich über sie? Wieso sagte er so was? Und wieso konnte er einfach nur zurück lächeln, in dem Bewusstsein, dass er für den Kuss von allen anderen Familienmitgliedern gehasst und beschimpft wurde? Und dann lächelte er auch noch nicht irgendwie, sondern unbeschreiblich schön. An sein Lächeln zu denken, brachte sie selbst zum Lächeln. Sie wollte ihn wieder treffen, unter allen Umständen. Aber das war nur möglich, wenn weder ihre Eltern noch Len es mitbekamen. Aber ob Ray sie nach der Aktion überhaupt wieder sehen wollte? Andererseits hatte er ihr mit einem Lächeln zum Abschied gewinkt …
 

Eine Chance für Naoko bot sich nicht unmittelbar. Doch sie kam, als ihre Eltern am Freitagabend eine Woche später anlässlich ihres Hochzeitstages zu zweit Essen gingen.

Sobald die Tür ins Schloss gefallen war, schlich Naoko sich ins Esszimmer. Das Zimmer war nicht sehr groß. Mit einem Tisch, an dem gerade vier Personen essen konnten und mit zwei Schränken für das Geschirr war der Raum gut ausgefüllt. Als Naoko den Telefonhörer ergriff, schlug ihr das Herz bis zum Hals. Es gab für sie nur eine Möglichkeit, Ray zu erreichen. Und zwar, indem sie bei Len daheim anrief. Sie hatte eine fifty-fifty Chance, an den Falschen zu geraten und während es durch die Leitung tutete, war sie innerlich schon halb am Beten. Zur Not hätte sie eine Ausrede parat, aber … -

„Ja, Hallo? Ray Kon am Apparat,“ tönte es von der anderen Seite. Naoko atmete einmal tief durch. Was für ein Glück!

„Hallo, ich bin es, Naoko!“, antwortete sie und betete, dass Ray das Zittern in ihrer Stimme überhörte. Den Bruchteil einer Sekunde war es still am anderen Ende der Leitung. Dann flötete er aber fröhlich zurück:

„Ach … äh … hallo! Ich nehme mal an, du möchtest Len sprechen?“

„Nein”, erwiderte sie entschieden und fügte “dich” mit so leiser und schwacher Stimme hinzu, dass die Hoffnung, die darin mitschwang entschwebte, wie ein seidenes Band, das ihre Entfernung zu überbrücken schien und sich sanft um Rays Herz legte. Naoko konnte Ray am anderen Ende schlucken hören.

“Ach so.”, meinte er schließlich, als hätte er vergessen, dass er noch telefonierte. “Bist du - bist du sicher?”

“Ja.”

“Ähm … am morgen Abend um 18.00 Uhr wird Len wegen seinem Job nicht daheim sein … ” Das hätte ein normaler Satz werden können, doch gegen Ende des Satzes verlangsamte sich Rays Sprechtempo um das Dreifache und Naoko musste an der anderen Leitung einfach nur grinsen.

“Gut, dann bis morgen”, gab Naoko mit vollkommen natürlicher Stimme zurück.

“Gut, dann. Bis … morgen.” Und sie legten auf, obwohl Naoko sich noch überlegt hatte, ob sie Ray hätte sagen sollen, dass er bei seinem letzten Satz klang, als hätte er einen Besen verschluckt.
 

Naoko war wirklich froh, dass Len an einem Samstag jobben ging, denn so klang die Ausrede „Filmabend bei Freunden“ nicht allzu unplausibel. Für den Ort der Party wählte sie jemanden, der zwei Stationen mit der Bahn entfernt wohnte und so war es nicht einmal komisch, dass sie zum Bahnhof ging. Nur, dass sie die Bahn in die entgegensetzte Richtung nahm. Aber das sah ja niemand.

Zu gerne hätte sie Ray etwas Selbstgemachtes mitgebracht, aber das wäre dann doch zu auffällig gewesen. Also gab sie sich damit zufrieden, im Supermarkt ein paar Pralinen zu kaufen und sie ihm mitzunehmen. Wer wusste, ob sie Silvester zusammen feiern konnten? Die Wahrscheinlichkeit war ziemlich gering. Und noch dazu war vor ein paar Tagen Weihnachten. Also war ein Geschenk wohl nicht das Schlechteste, auch wenn sie sich nicht sicher war, was Ray wohl gerne hätte. Pralinen schienen ihr da das Unkomplizierteste. Um Len nicht doch zufällig über den Weg zu laufen, kam sie erst um halb Sieben, aber Ray schien damit gerechnet zu haben und öffnete ihr mit einem relativ entspannten Gesichtsausdruck die Tür.

„Möchtest du einen Tee?“, fragte er, als er ihr die Jacke abgenommen hatte.

„Ja, gerne,“ murmelte Naoko und schob ihre Hände vor ihre Brust. Irgendwie hatte sie Lust gehabt, einen Ausschnitt zu tragen, aber nun fragte sie sich, ob dieser nicht doch ein wenig zu tief ging. Ray kommentierte ihre steife Haltung aber nicht und ging gleich darauf in die Küche, um Tee aufzusetzen. Wahrscheinlich dachte er sich in diesem Moment auch gar nichts.

Als Naoko sich an den Tisch setzte, fiel ihr auf, dass Ray scheinbar schon für die Unterhaltung für den Abend gesorgt hatte. Neben der Schale mit den köstlichen Keksen lagen zwei dicke Fotoalben auf dem Tisch, die mit „Len – Baby bis Einschulung“ und „Len – Einschulung bis Mittelschule“ beschriftet waren.

„Unser Programm für heute Abend?“, fragte Naoko und deutete auf die Alben.

„Ich dachte, dass dich das eventuell interessieren könnte. Ich weiß, dass Len nicht unbedingt der Gesprächigste ist, deshalb …“

„Wow, danke! Ich freu mich schon total drauf!“, meinte Naoko und strahlte. Eigentlich war sie wegen Ray hergekommen, aber Kinderfotos von Len waren ein Muss.

Und so schauten sie gemeinsam die Fotos an und verglichen Vater und Sohn. Ray war schon in Lens Alter sehr gutaussehend gewesen, aber Naoko gefiel der heutige Ray besser. Für Naoko waren auch die vielen Bilder ihrer Mutter, die zur Zeit der Aufnahme fast im selben Alter war, wie Naoko heute, eine neue Erfahrung. Sie musste zugeben, dass sie sich, bis auf die Augenfarbe wirklich ähnlich sahen. Jetzt verstand sie auch, warum alle sie gewarnt hatten, dass Ray in ihr wohl nur einen Ersatz für ihre Mutter sah, aber Ray hatte das ja schon abgestritten. Zumal sie davon überzeugt war, dass sie charakterlich ein ganz anderer Mensch als ihre Mutter war. Die Nachdenkerei brachte sie aber zurück auf die andere Frage, die sie Ray stellen wollte:

„Sag mal, Ray …“

„Ja?“

„Warum hast du mir das letzte Mal so bereitwillig geholfen, obwohl du doch wusstest, dass das nur Ärger für dich bedeuten würde?“

Daraufhin lächelte Ray nur und starrte auf die Tischplatte. „Ich habe mich einfach gefreut, dass ich etwas für dich tun konnte. Da war nicht viel Überlegung dahinter.“

Naoko war gerührt, verstand aber nicht ganz. „Warst du schon immer so selbstlos?“

„Nein“, meinte Ray und musste selbst ein wenig über die Tatsache lachen, „so ein Gefühl ist neu für mich.“

„Oh … aber … warum ich? Ich meine … wieso wolltest du einen Menschen glücklich machen, den du erst zum zweiten Mal gesehen hast?“

„Ich weiß es nicht. Aber ich hatte das Gefühl schon, kurz nachdem ich dich damals geküsst hatte. Im Übrigen wollte ich mich dafür entschuldigen! Ich … eigentlich war es nicht meine Absicht, dich gleich zu küssen. Es war nur … du warst du unglaublich süß … “ Und bei seinen eigenen Worten lief er sogar ein wenig rot an.

„Sch-Schon gut“, gab Naoko zurück und blickte nun ebenfalls verlegen auf den Tisch. Dann blätterte sie einfach eine Seite im Fotoalbum weiter, auch wenn sie die zuvor aufgeschlagene Seite noch nicht einmal zu ende gesehen hatten, nur um das Gespräch umzulenken. Nach weiteren 15 Minuten aber wurde Naoko schläfrig und sie bat um eine Pause.

„Wenn es dir nichts ausmacht, kannst du dich ein bisschen ins Bett legen. Seit Mao ausgezogen ist, ist die andere Hälfte vom Ehebett unbenutzt.“

Naoko bedankte sich und ließ sich von Ray ins Schlafzimmer führen, aber als sie ihren Blick von Ray zum Bett wandern ließ, überlegte sie es sich doch anders und meinte, es wäre besser, wenn sie einfach das Album bis zum Ende durchsehen würden und sie dann nach Hause ginge. Ray, der das Album mehr unterbewusst mitgenommen hatte, stimmte zu und sie setzten sich auf das gemachte Bett. Im Allgemeinen staunte Naoko über den aufgeräumten Zustand des ganzen Hauses. Bei ihr Zuhause war es zwar nicht schmutzig, aber es lagen immer irgendwo irgendwelche Dinge herum. Sei es die Zeitung vom Vortag auf dem Esstisch, ein angefangenes Buch oder der Schlüssel neben dem Telefon. Hier aber hing der Schlüssel an einem Haken an der Tür, die Wohnung war blitzblank geputzt und irgendwie schien alles sorgfältig überlegt an seinem Platz zu stehen. Auch die Wände vom Schlafzimmer waren rot gestrichen, aber die vergoldeten Lampenstiele und das weiß bezogene Bett passten sehr gut dazu.

„Deine Wohnung ist sehr schön“, meinte Naoko schließlich zu Ray. „Am Anfang war sie echt gewöhnungsbedürftig, aber jetzt finde ich sie total schön.“

„Danke“, antwortete Ray und die Freude über das Lob spiegelte sich in einem weiteren Lächeln wieder.

„Ach ja – die Fotos!“, fuhr Naoko herum, die sich schon wieder in seinem Lächeln hätte verlieren können. Und Ray schlug auch brav das Fotoalbum auf. Doch in Naokos Dösigkeit waren es weniger die Bilder, die sie aufnahm, als vielmehr Rays Geruch, den sie nun, da er direkt neben ihr saß, deutlicher als zuvor wahrnahm. Allein dieser süßliche Geruch bereitete ihr wieder Herzklopfen. Noch dazu saßen sie dichter als nötig aufeinander und alleine eine Bewegung von Rays Armen, die ihren Körper streiften, jagte ihr einen wohligen Schauer über den Rücken. Vorsichtig drehte sie ihren Kopf nach links, um einen Blick auf Ray zu erhaschen und Ray, der scheinbar mitbekommen hatte, dass Naoko nicht mehr bei den Bildern war, wandte sich ebenfalls zu ihr. Ihre Blicke trafen sich für einen Augenblick, doch Naoko wich ihm sofort darauf aus. Seltsamerweise gelang es ihr nicht, ihm in die Augen zu sehen. Ihr Herz schlug ihr schon wieder bis zum Hals.

„Ich …“, begann sie und rückte ein kleines Stück von ihm ab. Dann versuchte sie, ihm ein weiteres Mal in die Augen zu blicken, was scheiterte. „Ich sollte …-“

Aber weiter kam sie nicht, denn Ray hatte schon wieder ihre Lippen mit den seinen versiegelt. Er schreckte aber auf, als Naoko ein leichter Seufzer entfuhr.

„Ich habe mir eigentlich geschworen, jetzt, wo ich dein Vertrauen habe… es nicht zu missbrauchen…!”, verfluchte er sich selbst.

„Schon gut,” antwortete Naoko nur und ergriff nun von ihrer Seite her die Initiative und küsste ihn. Überrascht blickte er sie an. Die Augenbrauen vor Zurückhaltung schon fast verkrampft nimmt er sie in den Arm und drückt sie an sich. Aber Ray innere Fesseln waren schon gebrochen und er küsste sie unter leisem Seufzen plötzlich innig, was sie auch zurück gab. Beide taumelten zurück und lagen noch die Lippen miteinander verschließend auf dem Bett. Ray wandte sich schon ihrem Hals zu, als er plötzlich schnaufend erstarrte.

„Stopp. Keinen Schritt weiter, oder ich kann für nichts mehr garantieren!“, rief er und verharrte über sie gestützt. Er blickte sie an und schnaufte, als leide er unter leichter Atemnot. “Sag, Naoko, wie heiße ich?”, fragte er plötzlich.

„Ray”, antwortete Naoko überrascht. Hatte er etwa die selben Befürchtungen gehabt wie sie? Dass er am Ende nur ein Ersatz für Len werden würde?

„Und wie alt bin ich?”

„40, glaube ich. Aber das macht mir nichts.”

„Und Len?”

„Len ist 18.”

„Nein, das meinte ich nicht…” Und unweigerlich musste Ray lachen.

„Weißt du Ray, ich habe Len gesucht und Ray gefunden“, beantwortete sie seine ungestellte Frage und lächelte ihn strahlend an.

„Aber bin ich dir nicht ein bisschen zu alt?”

„Du siehst in meinen Augen aus wie 30.” Und wieder musste Ray lachen. Er fühlte sich geschmeichelt. „Bist du dir sicher?“, fragte er, als er ihre Hose aufknüpfte.

„Ja,“ gab Naoko zurück und nickte.

„Du … hast erst vor ein paar Tagen …“

„Er war nicht die Bohne eifersüchtig. Er … hat es wohl wirklich nur aus Mitleid getan.“

„Dann werde ich wohl mein Bestes geben, damit dieses eine Mal so schön wird, dass du dieses erste Mal mit ihm vergessen kannst,“ versprach ihr Ray und ging ans Werk.



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