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Denn sie wissen, was sie tun…

von Susu-chan
von

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Kapitel 11 - Loyality

Kapitel 11 – Loyalty
 

„Unser erstes Ziel ist Iron Forest. Das sich dort befindliche Labor ist unter einem Berg aus Pflanzen begraben, es wird schwierig dort hinein zu kommen. Aus diesem Grund bekommen diejenigen, die mit mir gehen auch ein Schwert oder ähnliches, um sich frei schneiden zu können. Die meisten Pflanzen sind giftig und könnten sogar angreifen – Der Splitter hat sie fast schon mutieren lassen.“, Shadow zoomte das Hologramm näher und wir konnten den dicht bewucherten Wald sehen.

„Und wer kommt mit?“, wollte Sichi wissen, während er zu dem Waffenschrank schielte. Bestimmt war er neugierig, welche Waffen der Igel so besaß.

„Marik und Sichi kommen mit mir. Pandorra, du und Raimi bleiben auf dem Schiff. Ciel wird in der Stadt Vorräte kaufen – Und diesmal kein Schlafmittel.“, das Letztere sagte er so scharf, dass sie kurz zusammen zuckte und schnell nickte.

Ich konnte mir ein kurzes, schadenfreudiges Grinsen nicht verkneifen, hörte aber sofort auf damit, als sie mich anstarrte.

„In dem Labor müssten sich meinen Berechnungen nach mindestens 6 Splitter befinden. Oder vielleicht sogar mehr, wenn wir Glück haben.“, fuhr der Igel fort und ging zu dem Waffenschrank. Er öffnete ihn und zog eine Box heraus, die man sich scheinbar auf den Rücken schnallen konnte und aus einem sehr schweren Metall zu bestehen schien.

„Hier sperren wir die Splitter ein. So können ihre Strahlungen uns nichts ausmachen, aber die Box ist sehr schwer. Aus diesem Grund werde ich sie tragen – Von uns allen würde sie mich wohl am wenigsten im Tempo bremsen. Und selbst wenn wäre ich immer noch schneller als ihr.“

„Und welche Waffen nehmen wir mit?“, fragte Sichi nun, sichtlich ungeduldig und auch neugierig.

Er war eben ein Waffenfreak, durch und durch.

„Ich werde keine brauchen. Sichi, du bekommst nur eine Machete. Immerhin hast du selbst Schusswaffen. Marik bekommt von mir ebenfalls eine Machete und eine Ithaca. Wir werden wahrscheinlich kaum Schusswaffen brauchen – In dem Wald sollten sich eigentlich nur Pflanzen befinden und gelegentlich einige Raubtiere, doch das auch nur sehr selten.“

„Dann wird die Mission ja easy“, behauptete Raimi nachdenklich und sah zu mir. Wahrscheinlich war sie beruhigt darüber...

„Nein, ist sie nicht. Sie ist immer noch sehr gefährlich, immerhin haben wir es hier mit mutierten Pflanzen zu tun.“, widersprach Pandorra sofort „Man sollte die Natur nicht unterschätzen. Das kann einem echt zum Verhängnis werden.“

„Es wäre praktisch, wenn wir jemanden hätten, der Pflanzen manipulieren könnte“, warf Ciel noch nachdenklich ein „Oder?“

„Das bringt nichts mehr. Früher hat sich die Natur ja gerne den Mobianern gebeugt, aber jetzt...?“, ich schüttelte den Kopf und seufzte „Es ist ja auch egal. Wir sollten einfach weiter den Plan besprechen und dann gehen, okay?“

„Der Meinung bin ich auch.“, Shadow sah zu uns, ehe er wieder zu dem Holo sah „Es gibt eigentlich keinen Plan. Ich orte die Splitter, wir folgen der Spur und holen sie uns. Wenn wir Glück haben ohne größere Probleme, aber unterwegs müssen wir mit Widerstand der Pflanzen rechnen. Sie können mit Lianen unsere Hälse umschlingen und uns erwürgen...“

„Wäre es nicht viel effektiver, wenn sie einfach keine Photosynthese mehr betreiben würden?“, fragte ich und merkte, wie die Anderen mich anstarrten.

„Wenn was?“

„Photosynthese...das ist wenn die Pflanzen Kohlenstoffdioxid in Sauerstoff...“, als sich der verwirrte Blick meiner Freunde nicht klärte, seufzte ich bloß entnervt.

„Für ein Waisenkind weißt du erstaunlich viel.“, behauptete Pandorra und zwinkerte mir zu „Aber wenn die Pflanzen keine Photosynthese mehr betreiben würden...“

„Dann würden sie selbst keine >Luft< mehr bekommen.“, unterbrach der Igel uns gereizt „Wenn wir das geklärt hätten, kann ich jetzt fortfahren?“

„Entschuldige...ich wollte nur...“

„Egal jetzt. Auf jeden Fall müssen wir sehr aufpassen – Die Pflanzen können uns aus allen Richtungen angreifen, sogar vom Boden aus. Immerhin haben sie noch ihre Wurzeln. Wir reisen in wenigen Stunden los, sobald es dunkel ist. Ich werde euch Taschenlampen geben.“
 

Einige Stunden später ging es auch schon los. Shadow hatte mir eine Taschenlampe in die Hand gedrückt, die ich mir nun auf den Kopf schnallen sollte. Ich fand die Idee, nachts zu reisen nicht wirklich toll. Ich mochte die Dunkelheit nicht. Auch wenn es tagsüber sehr viel gefährlicher war…irgendwie war mir das dann doch lieber.

Na ja, es war aber egal was ich davon hielt. Wenn Shadow sagte, es wäre sicherer nachts zu reisen, hatte er bestimmt Recht. Immerhin hatte er schon wesentlich mehr Erfahrung als wir.

„Aufgeregt?“, fragte Sichi mich grinsend, als meine Hände so sehr zitterten, dass ich mir nicht einmal die Schuhe richtig zubinden konnte.

„Ähm…e-ein wenig“, gestand ich wahrheitsgemäß und sah nervös aus den Fenstern des Taifuns. Draußen leuchteten die Sterne und der Himmel war ohne Wolken.

Ich wusste, dass wir uns momentan mehrere Meter über der Erde befanden und dass der Taifun gleich sinken würde, um uns heraus zu lassen. Hoffentlich mussten wir nicht an einem Seil herunterklettern, darin wäre ich nicht sonderlich gut. Zudem hatte sich in den letzten Stunden gezeigt, dass ich Höhenangst hatte.

Tolle Voraussetzungen.

„Es geht los.“, bemerkte Shadow zu uns gewandt, als er auf einen Knopf drückte und sich die >Tür< des Schiffes öffnete. Er gab Sichi und mir noch unsere Waffen, ehe wir den Meter, der uns vom Boden trennte, heruntersprangen und auf einem Flachdach landeten.

„Momentan befinden wir uns direkt über dem Labor, in dem sich die Splitter befinden.“, erklärte Shadow, als ich verwundert den Boden anstarrte.

„Das hier war mal ein Landedeck für Hubschrauber. Man hat es extra so gebaut, dass es nicht sofort überwuchert…“

Ich sah zu den ganzen Ranken, die mittlerweile den Boden bedeckten und winkte meinen Freunden nebenbei zu, als das Raumschiff wieder abhob.

„Tja, immerhin müssen wir uns nicht durch den gesamten Dschungel kämpfen“, meinte Sichi und wies mit einer Kopfbewegung in eine Richtung. Ich sah in diese – Und ein riesiger Urwald erstreckte sich in meinem Blickfeld.

Doch trotz den grünen Bäumen, der hohen Luftfeuchtigkeit und der erstaunlich frischen Luft…

Man hörte kein Geräusch. Kein Schreien eines Tieres erklang, fast so als wäre der gesamte Wald tot.

Oder die gesamte Tierwelt.

„Los, wir müssen die Feuerleiter herunter. Von hier aus kommen wir nicht ins Innere des Labors. Und passt auf, die Leiter ist komplett überwuchert.“, riss mich Shadows Stimme aus meinen Gedanken und ich nickte hastig. Ich vergewisserte mich, dass die Taschenlampe auf meinem Kopf nicht hinunter fallen konnte und kletterte vorsichtig Sichi die Leiter hinterher. Es war schwer festzustellen, wo die Stufen waren – Es war alles Grün.

Und…bewegte sich.

Die Ranken schlängelten sich unter meinen Füßen hinweg und ich bekam leichte Panik. Ich hatte das Gefühl, dass sie mich gleich packen würden…

Aus diesem Grund versuchte ich möglichst nicht auf das grüne Leben zu treten. Und es kam mir so vor, als ob die Ranken diesmal meinen Füßen bereitwillig Platz machen würden…

„Dieses Sche*ß Unkraut!“, hörte ich Sichi leise fluchen und sah, wie er mit seiner Machete eine Ranke durchschnitt, die seinen Fuß gepackt hatte.

„Hör besser auf damit! Du verärgerst sie!“, sagte ich nervös und ließ meine Taschenlampe auf die Stelle scheinen, auf die er getreten war.

„Das sind bloß Pflanzen…“, erwiderte er, doch im nächsten Moment packten die Ranken seinen Fuß und schleuderten ihn in die Luft.

„SICHI!“, schrie ich entsetzt und versuchte ihn noch zu packen, doch die Pflanze hielt ihn am Knöchel fest und ließ ihn außerhalb meiner Reichweite in der Luft hängen.

„Dieses verdammte Ding!“, fluchte er und versuchte mit der Machete die Ranke zu durchschneiden.

„Warte! Beweg dich…einfach nicht!“, sagte ich nervös und leuchtete ihm ausversehen direkt in die Augen, weswegen er die Hände hochriss um sich zu schützen – und dabei die Machete fallen ließ.

„Fu!“

Im nächsten Moment Durchschnitt ein Lichtblitz die Dunkelheit und pulverisierte die Pflanze. Sichis Knöchel wurde losgelassen und er landete hart einige Meter weiter unten auf den Boden.

„Was war das…?“, fragte ich verwirrt und sah zu ihm herunter „Alles okay?“

„Au…mein Hintern tut weh, aber sonst ist alles klar.“

„Ihr solltet besser aufpassen.“, hörte ich Shadow sagen und drehte mich zu ihm.

Er ließ die erhobene Hand sinken und ich hob eine Augenbraue.

„Warst…du das?“

„Ja.“, erwiderte er schlicht und warf einen kurzen Blick zu meinem Freund hinunter „Chaos Speer.“

„Was?“

„Eine spezielle Attacke.“

Bevor ich weiter nachfragen konnte, unterbrach mich Sichi:

„Hey! Kommt ihr heute noch?“

„Sofort.“, meinte Shadow bloß und kletterte weiter die Feuerleiter hinunter. Ich folgte ihm möglichst leise – Es kam mir so vor, als würden die Pflanzen hier schlafen.

Vielleicht kämen wir hier ohne Probleme wieder heraus – Oder hinein. Mir wäre es ja lieber, wenn die Natur erst mal pausiert und am nächsten Tag erst wieder aktiv werden würde…

„Da ist der Eingang!“, rief Sichi und ich zuckte zusammen. Die Ranken schienen sich kurz zu bewegen, ehe sie wieder still verharrten.

„Pscht!“, machte ich nervös und sah zu der offen stehenden Tür, vor der lauter Lianen hingen und somit den Zutritt versperrten.

„Das haben wir gleich…“, er hob seine Machete, die er anscheinend wieder gefunden hatte, hoch und holte aus.

Doch im nächsten Moment packte ich seinen Arm.

„Nein!“, fauchte ich und linderte meinen Ton etwas, als er mich verwirrt ansah.

„Bitte…tu den Pflanzen nicht weh. Ich glaube…sie bleiben so ruhig, wenn wir einfach nichts machen.“

„Willst du ernsthaft da durch klettern??? Weißt du wie hoch das Risiko ist? Was ist, wenn dieses Grünzeug sich um deinen Hals schlingt und dich erwürgt?“

„Nein, wenn wir ihnen nicht wehtun, dann tun sie uns auch nicht weh…“

„Das ist Unsinn! Es sind nur Pflanzen! Die können doch nicht denken!“

„Hört auf!“, unterbrach Shadow uns mi scharfer Stimme „Mareike, wenn du so denkst, wirst du vor gehen.“

„W-Was?“, ächzten wir gleichzeitig.

„Aber wenn ihr was passiert…!“, widersprach Sichi sofort. Streit hin oder her, wenn es ernst wurde, konnte er sich zusammen reißen.

„Wenn Mareike von ihrer Idee überzeugt ist, sollte sie auch vorgehen.“

Ich schluckte schwer.

Ich…sollte vor? In diese Dunkelheit…mit Killer Pflanzen…

Aber…ich durfte auch nicht kneifen.

Es war meine Chance zu zeigen, dass ich kein Feigling war und dass ich auf mich selbst aufpassen konnte.

„Okay.“, sagte ich deswegen bemüht selbstbewusst, obwohl ich innerlich vor Angst fast starb.

„Nein lass den Sche*ß, ich werde gehen!“, widersprach Sichi mir sofort, doch Shadow hob die Hand und würgte ihn somit in seinem Protest ab.

Nervös sah ich zu dem Eingang. Selbst als ich mit meiner Taschenlampe hinein leuchtete, konnte ich nur Dunkelheit sehen.

Und die Ranken, die sich wie Schlangen bewegten und darauf zu warten schienen, dass ich hineinging um mich dann erwürgen zu können.

„Na dann los…“, murmelte ich mehr zu mir selbst, damit die Schwerkraft nachließ und ich einen Schritt nach vorne machen konnte.

Als ich mich unter der ersten Ranke hinweg duckte, hätte ich beinahe aufgeschrien, weil mich etwas Nasses und Glitschiges im Nacken berührte. Steif wie ein Brett richtete ich mich vorsichtig auf und schob die Liane an meinem Hals beiseite.

Erstaunlicherweise ließ sie es zu und verschwand schon bald in irgendeiner Ritze des Bodens.

„Okay…du schaffst das…“, flüsterte ich lautlos um mir Mut zu machen und leuchtete auf den Weg vor mir.

Zu meinem Entsetzen sah ich erst jetzt die vielen Spinnen, die auf den Pflanzen saßen und versuchte krampfhaft nicht auf den Boden oder an die Decke zu sehen. Wenn dort Spinnen gewesen wären, wäre ich wohl schreiend aufgesprungen und weggerannt.

„Alles okay?“, hörte ich Sichi besorgt rufen. Ich wusste, dass er eine Spinnenphobie hatte – Er hatte vor ihnen noch mehr Angst als ich.

„J-Ja!“, erwiderte ich zögerlich und stieg über die kleinen Blumen, die aus der Erde schossen und mindestens so groß waren wie ich.

Und ich hatte das Gefühl, sie würden sich in die entgegengesetzte Richtung neigen, um mir Platz zu schaffen.

Zögerlich berührte ich eine der Lianen, die mitten im Weg hing und schob sie beiseite. Als sie Spinnen auf mich zu krochen bekam ich wieder einen starken Anflug von Panik und presste eine Hand auf meinen Mund, um nicht zu schreien.

Ein Blick nach vorne verriet mir, dass das Ende noch lange nicht in Sicht war.

Warum mussten Eingänge auch so lang sein???

Im nächsten Moment streife mich etwas am Fuß und krabbelte an meinem Knöchel hoch.

Diesmal konnte ich nicht anders und stieß einen schrillen, erschrockenen Schrei aus, während ich aufsprang und das Ding von meinem Bein schüttelte.

„Was ist passiert?“, rief Shadow in den Gang und gerade als ich antworten wollte, hörte ich ein lautes Krachen – Und stürzte in die Leere.
 

Der Fall war nur kurz, der Aufprall aber umso härter. Ich kam schmerzhaft auf dem Rücken auf, die Luft wurde aus meiner Lunge gepresst und ich keuchte.

Meine Wirbelsäule pochte, als ich mich aufrichtete und auf allen Vieren nach meiner Taschenlampe und meiner Machete tastete.

Es war stockdunkel und ich sah nichts – Doch ich hörte in der Ferne meine Freunde nach mir rufen.

„Marik! Hey, antworte! Was ist passiert?“

„N-Nichts…i-ich bin…in den Keller gestürzt…glaube ich.“, antwortete ich vage „Meine Taschenlampe ist weg…und meine Machete…“

„Warte, wir kommen zu dir!“, ein schmatzendes Geräusch erklang und im nächsten Moment spürte ich, wie das Labor bebte.

„Verdammt, was ist das denn?!“

„Was ist los?“, fragte ich besorgt, während ich dem Geräusch meiner rollenden Lampe folgte.

„Scheinbar…steht das Labor nicht auf dem Boden.“

Ich hielt inne.

Nicht…auf dem Boden?

„Wie meinst du das?“

„Das Labor wird von diesen Pflanzen getragen! Und jetzt…“

Den Rest konnte ich nicht mehr verstehen, da das Labor plötzlich hochschnellte und ich auf den Boden gepresst wurde. Als es stehen blieb, hob ich kurz ab und landete dann wieder hart auf meinen Knien.

„W-Was war das!?“, rief ich nervös und tastete hektisch den Boden ab, bis ich mich an meiner Machete schnitt und mir auf die Zunge biss, um nicht los zu schreien.

„Leute?“

Ich hielt inne und lauschte angestrengt.

Nur schwach drangen die Stimmen meiner Freunde an mein Ohr.

„…zu hoch…müssen…halte durch…“

Jetzt endlich hatte ich den Griff meiner Taschenlampe gefunden und schaltete sie ohne Nachzudenken sofort an.

Mich starrte ein Gesicht an.

Mit einem erschrockenen Schrei stolperte ich zurück und prallte dabei an irgendetwas Eckiges. Ich bekam die Kante genau in den Rücken und rieb mir die Stelle, während ich noch einmal vorsichtig zu der Stelle leuchtete, von der aus mich das Gesicht angestarrt hatte.

Im Nachhinein merkte ich, dass es ein Mensch war.

In einem…Tank?

Ich schwenkte die Lampe nach oben und nach unten, um zu sehen was genau das war.

Tatsächlich.

Da war ein Mensch in einem Tank eingesperrt.

Der Mensch war – Soweit ich erkennen konnte – männlich. Er trug eine schwarze Hose und ein schwarzes Oberteil, so wie eine metallische Maske im Gesicht. Jedoch bedeckte sie nur seine Augen und verlief wie der Schnabel eines Vogels spitz zusammen.

Konnte er…mich sehen?

Nein…die Maske würde doch dafür sorgen, dass er nichts sah…immerhin hatte sie nicht mal Gucklöcher…

Ich leuchtete auf den Rest des Labors.

Das Ding gegen das ich gestoßen war, war eine Art…Kontrolltheke. Es gab dort jede Menge verstaubte Knöpfe und einzelne Krabbeltierchen, die zwischen ihnen herumwuselten.

In der Decke war ein Loch. Anscheinend der Grund, warum ich herunter gefallen war.

Als ich die Tür entdeckte, versuchte ich sofort diese zu öffnen – Ohne Erfolg.

Anscheinend hatte sie sich verriegelt…eine Sicherheitsvorkehrung?

Ich sah zu der Kontrolltheke.

Einer dieser Knöpfe würde die Tür bestimmt öffnen…oder den Menschen im Tank aufwecken.

Ob er mich angreifen würde?

Nervös leuchtete ich zu ihm.

Es war schwer zu sagen…ich konnte so gut wie nichts aus ihm lesen. Seine Augen wurden verdeckt…

Mir wurde klar, wie sehr die Augen bei Emotionen eine Rolle spielten. In ihnen konnte man das Gemüt der Person lesen…

Vielleicht trug er ja deswegen die Maske.

Doch das alles war erst mal egal.

Tatsache war, dass ich in der Falle saß. Natürlich konnte ich es riskieren einen der Knöpfe zu betätigen…doch was wäre, wenn dieser Mensch im Tank aufgeweckt werden würde?

Er wäre bestimmt nicht sonderlich freundlich zu mir.

Die Option auf Shadow und Sichi zu warten fiel auch erst mal auf Eis.

Aus irgendeinem Grund war der Kontakt zu ihnen abgebrochen – Warum war mir noch unklar.

Es war irgendwas mit Höhe…könnte es sein, dass…?

Nein. Diese Idee war geradezu lächerlich…

Vorsichtig blies ich den Staub von der Kontrolltheke.

Die Insekten wurden dabei mit geschleudert und landeten auf dem Boden.

Ich starrte auf die vielen Knöpfe.

Welcher von ihnen war wohl der Öffnungsschalter?

Oder war es einer der Hebel?

Meine Hand schwebte über den großen, roten Knopf.

War das nicht normal immer der Knopf für Notfälle?

Oder der, der Probleme verursachte?

Unentschlossen wanderte mein Blick zu dem grünen Knopf.

Vielleicht…vielleicht war es ja der…

Oder auch nicht?

„Ich werde noch wahnsinnig!“, ächzte ich und schüttelte den Kopf.

Es war doch egal welchen ich drückte!

Entweder ich starb, weil ich hier verhungerte, oder weil mich dieser Mensch im Tank umbringen würde.

Nach einigen Minuten schloss ich die Augen und drückte auf den roten Knopf – Und hörte kurz danach ein beunruhigendes Piepen.

Ich leuchtete auf die Tür.

Verschlossen.

Doch als ich zum Tank sah, sah ich wie die grüne Flüssigkeit abgefüllt wurde.

„Nein!“, heulte ich entsetzt auf und drückte auf einige weitere Knöpfe, um den Vorgang zu verhindern. Doch nichts geschah.

Selbst als ich an den Hebeln zog und zerrte, konnte ich nicht verhindern, dass der Glasdeckel langsam angehoben wurde, die Kabel und Schnallen sich von dem Menschen lösten und er schließlich keuchend auf die Knie fiel.

Einen kurzen Moment hustete er noch Wasser, ehe er den Kopf hob.

Trotz der Maske und der Dunkelheit im Labor, starrte er direkt in meine Richtung.

Hastig knipste ich das Licht aus und verkroch mich in eine Ecke – Atmete möglichst flach um keine Geräusche zu verursachen und unterdrückte den Drang, vor Angst zu heulen oder um mein Leben zu betteln.

Schritte erklangen.

Erst näherten sie sich meiner Position, ehe sie sich wieder entfernten.

Es war unsinnig sich zu verstecken. Ich war in einem kleinen Raum eingesperrt und er würde mich früher oder später sowieso finden.

Trotzdem…

Solange ich nicht tot war, würde ich um jeden Preis versuchen zu überleben.

Einige Sekunden später war es plötzlich still.

Zögerlich richtete ich mich etwas auf und wartete.

Eine Minute verstrich.

Dann zwei.

Dann drei.

Und als gefühlte 10 Minuten verstrichen, schaltete ich die Lampe an.
 

Entsetzt schrie ich auf, als er direkt vor mir stand.

Zu allem Überfluss ließ ich auch noch die Lampe fallen, die mit einem dumpfen Geräusch am Boden aufschlug.

Mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich rannte – Ohne Nachzudenken – zur Tür.

Der Mann hob die Lampe auf, leuchtete in meine Richtung und kam auf mich zu.

Als er direkt vor mir stand, kniff ich die Augen vor Panik zusammen und betete, dass es schnell vorbei sein möge.

Doch es geschah nichts.

Einige Momente später öffnete ich zögerlich mein rechtes Auge.

Er hielt mir…meine Taschenlampe hin.

Sein Gesichtsausdruck war wegen der Maske undeutbar, doch er…schien sie mir wiedergeben zu wollen.

Als ich sie ihm zögerlich abnahm, verbeugte er sich leicht und kniete sich hin, indem er mit dem linken Knie den Boden berührte und das rechte Bein aufgestellt ließ.

Dann senkte er den Kopf und stützte seinen ausgestreckten linken Arm auf den Boden, während seine rechte Hand auf der Stelle lag, wo das Herz war.

Ich blinzelte und starrte ihn so lange an, bis er sich aufrichtete. Seine Haltung war irgendwie beunruhigend…Er stand kerzengerade da mit verschränkten Armen, erhobenen Kopf und er schien mich zu mustern.

Oder…die Tür hinter mir…bzw. irgendwas um mich herum…

Jedenfalls wirkte er so, als würde er mich nicht angreifen.

Immerhin eine positive Sache…

„Ähm…Hallo?“, sagte ich schließlich nach einigen Minuten, in denen er sich noch immer nicht rührte.

Er antwortete nicht.

„Ich bin Marik…und du?“

Immer noch keine Antwort.

Also entweder war dieser Typ noch schweigsamer als Shadow, oder er war stumm.

„Kannst du sprechen?“

Diesmal nickte er leicht.

„Dann…willst du nicht mit mir sprechen?“

Er neigte leicht den Kopf zur Seite, woraus ich…nichts schloss.

Was sollte das heißen? Ja? Nein? Vielleicht? Keine Lust?

„Wirst du mich angreifen?“

Einen Moment lang rührte er sich nicht, ehe er den Kopf schüttelte und auf den Tank wies.

Seine ganzen Bewegungen waren merkwürdig. Irgendwie…ruckartig. Die meisten Menschen streckten nur selten den Arm komplett aus, er hingegen achtete sogar darauf, dass sein Arm einen rechten Winkel zu seinem Oberkörper bildete.

Es erinnerte mich an…einen Roboter.

„Bist du ein Mensch?“, fragte ich dann etwas neugierig und leuchtete ihn an, sodass ich ihn richtig betrachten konnte.

Er sah aus wie ein normaler Mensch. Sein linker Arm wurde von seinem Ärmel verdeckt und dem Handschuh, während sein rechter Arm frei war.

Asymmetrie.

Auf den Schultern waren Schulterpolster befestigt, die aus Metall zu sein schienen und auch an den Beinen hatte er vorne Rüstungsteile an. Sein Oberteil war komplett schwarz, wie seine Hose.

Irgendwie sah er komisch aus. Nicht wie ein normaler Mensch jedenfalls.

Auf meine Frage hin zögerte er kurz, ehe er leicht den Kopf schüttelte.

„Sag doch mal was!“, meinte ich dann etwas gereizter.

„Was?“

Als er mir sofort eine Antwort gab, runzelte ich erst mal verwundert die Stirn.

Wiederholte er nur das letzte Wort meiner Frage oder wollte er wissen, was er sagen sollte?

„Ähm…ich weiß nicht…wer bist du? Wie heißt du? Was hast du in diesem Tank gemacht? Und wenn du kein Mensch bist, was dann?“, erwiderte ich schließlich.

„Ich wurde versiegelt für den Krieg. Ich bin ein Prototyp.“, antwortete er kurz und seine Stimme klang irgendwie gleichgültig. Oder emotionslos.

„Was ist ein Prototyp?“

„Künstlich erschaffenes Lebewesen. Ich war ein Mensch. Jetzt bin ich es nicht mehr.“

„Ähm…und warum nicht?“

„Ich weise umfangreiche genetische Veränderungen auf. Ich bin nicht länger das, was man Umgangssprachlich als >Mensch< bezeichnen würde.“

Ich kniff die Augen zusammen und versuchte irgendetwas an ihm zu finden, dass nicht typisch menschlich war.

„Na ja, aber du siehst aus wie ein Mensch.“

„Korrigiere. Ich bin größer als ein Durchschnittsmensch.“

Erst jetzt fiel mir auf, dass er gut zwei Köpfe größer war als ich. Fast schon…2.20m?

„Es gibt aber auch Menschen die so groß sind. Glaube ich.“

„Tatsache.“, meinte er dazu nur und sein Kopf neigte sich nach unten, damit er mich ansehen konnte.

„Name?“

„Den habe ich doch schon gesagt…ich heiße Marik…“

„Nicht Euren. Meinen.“

Ich blinzelte kurz.

„Du…hast keinen Namen?“

„Korrekte Bezeichnung lautet PRT – A – 0029 – 2867. Für viele schwer zu merken.“

Bereits bei der Nummer 0029 hatte ich die Hälfte wieder vergessen.

Wenn dieser Kerl keinen Namen hat…

„Bist du zum ersten Mal draußen?“

„Nein. Im Krieg gegen Eggman bereits befreit worden, wurde bei Niederlage zurück gesperrt.“

„Also…wie haben sie dich denn damals genannt?“

„1.“

„Nur Eins?“

„Kein Wort. Eine Zahl. Keine Bedeutung.“

Irgendwie tat er mir leid. Anscheinend hatte man ihn wie ein Werkzeug behandelt…und nicht wie einen Menschen...oder was auch immer er war.

„Ich ähm…ich könnte dich Tank nennen…aber das wäre irgendwie fies…“

„Annehmbar.“

„Nein nein, das kann ich dir doch nicht antun…ich meine…du kommst doch aus einem Tank…da kann ich dich nicht danach benennen…“, winkte ich sofort ab, auch wenn ich den Namen an sich ganz witzig fände. Doch so etwas könnte ich ihm wohl wirklich nicht antun.

„Dann…wie wäre es mit Heriot?“

„Heriot?“, wiederholte er nur, während ich versuchte nicht zu der Taschenlampe zu schielen. Denn darauf stand >Made in Heriotza<.

Er schien nicht zu merken woher ich den Namen hatte, weswegen er wohl nickte und sagte:

„Mein Name ist Heriot. Befehle?“

„Befehle?“

„Eure Befehle für mich.“

„Was? Ich…ich gebe keine Befehle…“, mir wurde klar in was für einem Schlamassel ich steckte. Was wollte er von mir? Ich war keine Anführerin…

Hoffentlich meint er das nicht ernst. Wobei mir der Gedanke, ihn als Verbündeten zu haben, schon wesentlich besser gefiel als ihn als Feind zu haben.

„Warum sollte ich dir Befehle geben?“, fragte ich etwas zögerlich.

„Ihr habt mich befreit. Somit seid Ihr mein Befehlshaber.“

„Nein…bin ich nicht! Ich meine…ich bin keine Person, die Befehle gibt…und bitte duz mich einfach…“

„Das Verstößt gegen meine Vorschriften. Befehle, Herrin.“

Ich hatte das Gefühl, dass das Schicksal mich richtig auf den Arm nahm. Jetzt hatte ich einen Prototypen als Untergebenen, war in einem Dschungel mit lebenden Pflanzen eingesperrt und meine beiden Freunde saßen irgendwo im nirgendwo.

Haha.

„Ähm…ich will keine Befehle geben…und bitte nenn mich Marik…“

„Wie Ihr wünscht, Herrin Marik.“

„Nein, ohne das Herrin!“, ich seufzte und leuchtete zur Tür „Ach…egal. Weißt du wie man diese Tür auf bekommt? Und wie man aus diesem Labor raus kommt?“

„Soll ich die Tür öffnen?“

„Ja, bitte…“

Im nächsten Moment packte er mich an der Taille und hob mich mühelos hoch, ehe er mich einige Meter weiter weg von der Tür stellte. Bevor ich überhaupt reagieren oder protestieren konnte, trat er die Tür auf, die mit einem ohrenbetäubenden Krachen einige Meter weit durch den Gang schleifte, Ranken mit sich riss und schließlich gegen eine Wand prallte.

Ich hustete als Staub aufwirbelte und war heilfroh, ihn nicht als Gegner haben zu müssen.

Vor allem weil diese Tür aus massivem Metall bestand und die Scharniere erst…

„W-Wie hast du das gemacht???“, wollte ich wissen, als sich der Staub gelegt hatte und somit mein Husten. Auch wenn meine Augen noch etwas tränten.

„Treten.“

„Nein, ich meine…ach egal.“, die Konversation mit Heriot war wirklich anstrengend. Erst musste man sich so bemühen eine korrekt formulierte Frage zu stellen und dann kam nur so eine kurze Antwort.

Und er verstand die Fragen immer falsch!

„Kannst du uns raus bringen?“, wollte ich wissen und er nickte nur, ehe er mir die Hand hinhielt.

Ich brauchte einige Sekunden, ehe ich verstand, dass ich sie nehmen sollte. Zögerlich streckte ich sie ihm entgegen.

Heriot packte mein Handgelenk und schwang mich kurzerhand auf seine Arme. Meinen erschrockenen Aufschrei ignorierend, rannte er gleich los.

Ich wusste gar nicht, wie mir geschah. Die ganze Umgebung nahm ich nur verschwommen war und merkte nebenbei noch, wie er den Ranken leichtfüßig auswich als sie versuchten uns zu packen. Noch während ich mich fragte ob das verschwimmen an meiner Sehschwäche lag, oder ob er einfach so schnell rannte, hörte ich eine vertraute Stimme.

„HEY! MARIK, LEBST DU NOCH ODER HABEN DICH DIE PFLANZEN SCHON ERWÜRGT?“

Diese Frage konnte nur von Sichi kommen. Ich merkte, dass er das aus Spaß sagte, gleichzeitig aber große Sorge in seiner Stimme mitschwang.

Anscheinend hatten sie es geschafft ins Labor…

Nein. Wir waren nicht mehr im Labor.

„Aaaaaaah!“, ich stieß einen lang gezogenen, schrillen Schrei aus als Heriot vom Eingang des Labors herunter sprang. Das Labor…es war von Ranken durchwuchert und…schwebte gut einige Meter hoch in der Luft.

Die Pflanzen hatten es nach oben befördert.

Noch im Fall sah ich etwas, dass meine Aufmerksamkeit erregte: Unter dem Labor befand ich eine gigantische, dicke Ranke die aus vielen einzelnen bestand und praktisch den Boden der Einrichtung trug.

Und aus der Dunkelheit dieser vielen Ranken…

Schimmerte ein grünliches Licht.
 

„Halt! Stopp!“, schrie ich Heriot zu, der zu mir sah.

Und ich wettete, dass er jetzt fragend die Augenbrauen hob.

Das war auch logisch. Immerhin befanden wir uns mitten in der Luft, er konnte doch nicht mal eben abbremsen und stehen bleiben…

Plötzlich packte ihn eine Ranke am Fuß und ließ ihn kopfüber baumeln. Heriot ließ mich los und ich öffnete schon den Mund um zu schreien…als ich unversehrt auf einem Teppich aus Pflanzen landete.

Erst zuckte ich entsetzt zusammen, als ich das Grün unter meinen Füßen entdeckte, doch als sie mir nichts taten, beruhigte ich mich wieder etwas.

Heriot hatte die Pflanze durchtrennt und landete durch einen Salto sicher neben mir auf den Füßen.

„Angeber.“, hörte ich noch jemanden sagen und sah mich um.

Sichi und Shadow standen etwas weiter von mir entfernt auf dem Rankenteppich.

„Leute! Es geht euch gut!“, rief ich ehrleichtert.

„Dir anscheinend auch. Wer ist denn der Ninja neben dir?“, wollte Shadow sofort wissen und ich sah in seinen Augen einen Hauch von Misstrauen.

„Öhm…das ist Heriot. Er ist jetzt so was…wie mein Untergebener.“, antwortete ich etwas unbeholfen und Sichi starrte mich an.

„Untergebener!?“

„Ich habe ihn aus seinem Tank befreit…und jetzt…besteht er darauf, dass ich seine Herrin bin…“

Der Igel kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf.

„Er ist ein künstliches Lebewesen?“

„Ein Prototyp…oder so was.“

„Halt Mal, du willst den Kerl doch nicht etwa mit aufs Schiff schleppen, oder? Er könnte doch auch einfach nur so tun als wäre er dein Untergebener… und im Schlaf bringt er uns alle um.“, warf Sichi ein und ich konnte jetzt schon sehen, dass er ihn überhaupt nicht mochte.

Vielleicht hatte er ja Angst, dass Heriot ihn ersetzen könnte. Soweit ich es gesehen hatte, war er ein besserer Kämpfer als Sichi es je sein könnte.

„Also…ich weiß nicht. Ich kann ihn doch nicht einfach hier lassen…“, ich sah zu Heriot „Willst du mit aufs Schiff?“

„Ich folge Euch.“

„Das heißt wohl ja.“, murrte Sichi bloß.

„Das ist auch erst mal Nebensache! Seht mal, da oben sind die Splitter!“, lenkte ich vom eigentlichen Thema ab und zeigte auf den kleinen Spalt im Rankengewebe, aus dem es grünlich schimmerte.

„Toll und wie kommen wir da hoch?“

„Ich gehe.“, antwortete Shadow bloß. Im nächsten Moment ging er etwas in die Hocke, ehe er los sprintete und einfach das Rankengewebe hoch rannte.

„Hey, wir wollen mit!“, rief ich ihm noch nach, doch er ignorierte mich und wich den peitschenden Lianen aus.

„Dann heißt es Klettern…“, meinte Sichi bloß und fing sofort damit an. Ich sah zu den Pflanzen.

Wenn er klettern würde, würden sie ihn herunter schlagen.

„Sichi, so kommen wir nicht hoch…“, sagte ich deswegen und sah zu Heriot „Weißt du, wie wir hoch kommen könnten?“

„Soll ich Euch hochbringen?“

„Ja…also mich und Sichi…“

„Das geht nicht. Ich kann nicht zwei Menschen tragen. Und ich kann Euch nicht alleine lassen.“

„Was? Hey, wehe du lässt mich alleine hier unten!“, rief Sichi sofort „Entweder wir gehen Beide hoch oder Keiner von uns!“

„Es steht dir nicht zu, meiner Herrin Befehle zu erteilen“, meldete Heriot sich plötzlich zum ersten Mal selbstständig zu Wort. Jedoch klangen diese ungewöhnlich scharf und drohend.

Ich ahnte, dass gleich ein Streit entfachen würde – Oder eher gesagt ein kalter Krieg, denn Sichi hatte ein hitziges Temperament und Heriot…na ja, bis jetzt wirkte er ziemlich unterkühlt.

„Hört auf ihr Beiden. Wir kriegen das hin…“, mischte ich mich ein und sah die Ranken hoch. Aus dem Inneren hörte ich bereits die ersten Kampfgeräusche.

Doch ich traute mich nicht so Recht, Heriot zu befehlen mich hoch zu tragen. Das konnte ich doch nicht verlangen…ich wollte keinen Untergebenen…

Es fühlte sich komisch an Befehle zu geben. Ich…traute mich einfach nicht.

„Ach Sche*ß drauf, dann geh halt“, murrte Sichi schließlich doch noch.

Zwar wusste ich, dass er es nicht wollte und wenn ich gehen würde im Nachhinein stinksauer wäre, doch…

„Ich bringe Euch hoch.“, Heriot sah zu mir und löste seine verschränkten Arme „Wenn Ihr es wünscht.“

„Ähm…okay…und wie?“

Er ging etwas in die Hocke. Nach einigen Sekunden merkte ich, dass er wollte, dass ich ihm auf den Rücken kletterte.

So wirklich wohl fühlte ich mich nicht, als er mich Huckepack nahm und anfing zu klettern.

Sichi alleine hätte es schon nicht geschafft…wie schaffte Heriot es dann bitte?

Doch nach spätestens einer Minute wurde mir klar, dass ich unmöglich Heriot und Sichi vergleichen könnte. Während Sichi ein Waffenfreak war, eher schwach in der Ausdauer und generell ein schlechter Nahkämpfer, war Heriot das genaue Gegenteil von ihm. Stark im Nahkampf, Ausdauer ohne Ende und Schnelligkeit….vielleicht schwächelte er dafür im Fernkampf, wo Sichi ein wahrer Experte ist.

„P-Pass auf!“, ächzte ich erschrocken, als eine Ranke nach ihm schlug. Heriot zog meine Machete aus dem Hüfthalter und durchtrennte sie blitzschnell.

„Ich glaube sie sind wütend“, flüsterte ich, als weitere Pflanzen auf uns zuschossen, die ebenfalls von ihm zerteilt wurden.

Er nickte nur leicht als Antwort und kletterte blitzschnell weiter.

„Was kannst du eigentlich noch sonst so?“, wollte ich wissen, als der Spalt in den Ranken immer näher kam.

„Meine Fähigkeiten sind auf Stärke, Ausdauer, Schnelligkeit und dem Kampf ausgelegt. Mehr nicht.“

„Also…du kannst nicht fliegen? Oder…Laser aus deinen Augen schießen?“

„Wie soll ich das verstehen?“

„Ähm…wegen dieser Maske…“

„Sie sorgt für Neutralität und Aufmerksamkeit. Als Supersoldat muss ich mich auf meine anderen Sinne verlassen können. Der Mensch ist ein Augentier. Ich nicht.“

„Das heißt…du siehst wirklich nichts? Nicht das kleinste bisschen?“

„Nein.“, erwiderte er und klang nicht mal angestrengt, obwohl er klettern und gleichzeitig kämpfen musste.

Ich hätte ihm gerne geholfen…oder ihm die Machete abgenommen…aber ich wollte den Pflanzen nicht wehtun. Ich hatte noch immer das Gefühl, Mitleid mit ihnen haben zu müssen.

Sie hatten nie gewollt, dass es ihnen so erging. Daran waren nur die Menschen Schuld…

„Sollen wir rein?“, riss mich Heriots Stimme aus den Gedanken. Ich stellte fest, dass wir nun direkt vor dem Spalt standen und sogar hinein sehen konnten – Aber mehr als Dunkelheit und ein paar abgefeuerte Blitze von Shadow konnte ich nicht erkennen.

„Ähm…ja, gehen wir!“, antwortete ich zögerlich, aber entschlossen.

Heriot nickte wieder als Antwort und zog sich in den Spalt hinein.

Erstaunlicherweise landeten wir wieder auf einem Rankenteppich.

„Seltsam…“, murmelte ich dazu bloß und schnallte mir meine Taschenlampe wieder auf den Kopf, um etwas sehen zu können.

„Was, Herrin?“

„Warum ist hier Boden? Das sind doch auch Pflanzen…wenn sie uns töten wollen würden, müssten sie uns doch nur den Boden unter den Füßen wegziehen.“, behauptete ich nachdenklich und machte zögerlich einen Schritt nach vorne.
 

„Bist du hier um mich zu befreien…?“
 

Ich blinzelte.

„Hast du was gehört?“, fragte ich Heriot verwirrt.

„Die Kampfgeräusche Eures Freundes, Herrin. Sonst nichts.“, antwortete er nur und ich rieb mir die Ohren.

„Dann…war das nur wieder eine Einbildung…“
 

„So lange…so lange bin ich hier…bitte…“
 

Ich beschloss die Stimme zu ignorieren – Es war nur eine von Vielen, die in meinem Kopf herumspukte.

Auch wenn die Stimme…seltsam klang.

So traurig…und verloren…
 

„Ich will wieder blühen…“
 

„Da ist Shadow!“, ich zeigte auf die schwarze Silhouette, die gerade mit Blitzen und Tritten versuchte sich einen Weg durch die Ranken frei zu kämpfen.

Sofort lief ich in seine Richtung, als…
 

„Nicht da lang…“
 

Ich blieb stehen. Heriot drehte den Kopf in meine Richtung und schien darauf zu warten, was ich tat.
 

„Hier…hier bin ich…“
 

Ohne wirklich zu wissen warum, ging ich genau in die entgegengesetzte Richtung. Wie immer folgte Heriot mir wortlos und fragte nicht mal, wohin wir gingen.

Wohin genau wusste ich auch nicht…aber die Stimme…

Im nächsten Moment stand ich vor dem Herz der Pflanzen: Ein Wuchs in Form einer Kugel, aus der alle anderen Ranken zu kommen schienen. Sie bewegte sich…oder eher die Pflanzen bewegten sich.

Und aus ihrem Inneren leuchtete es schwach.

„Die Splitter…“, murmelte ich.

War das möglich? Hatte…der Geist der Splitter zu mir gesprochen?

Oder war das nur Einbildung?

Ich bildete mir so oft etwas ein. Aber komischerweise traf jede meiner Einbildungen zu…jede Stimme führte mich an einen bestimmten Ort…

Zögerlich streckte ich die Hand nach der Kugel aus. Sie war fast so groß wie ich selbst…

Als ich die Ranken berührte, fühlten sie sich schleimig an. Auch ihre Farbe war von einem kränklichen grün, dass mehr an Giftwasser erinnerte, als an das saftige Grün, dass ich bei den Holos gesehen hatte.

„Passt auf, sie zerquetschen ihre Hand, Herrin!“, hörte ich Heriot sagen und er klang diesmal wirklich besorgt.

Kaum zu glauben, dass er jetzt schon etwas für mich übrig hatte…oder er war darauf gepolt sich gut um seine Herren zu kümmern.

Ich vermutete eher zweites als erstes.

Er packte meinen Arm und hielt ihn fest.

„L-Lass mich los!“

„Nein.“

„Das war ein Befehl!“, sagte ich mit ungewohnt scharfer Stimme.

Heriot rührte sich dennoch nicht.

„Es ist mir erlaubt mich Befehlen zu widersetzen, wenn sie gegen das erste Gesetz verstoßen.“

„Und das wäre?“

„Beschütze den Herren um jeden Preis, auch wenn es erforderlich ist gegen seinen Willen zu handeln.“, antwortete er und ich schüttelte den Kopf.

„Ich bin nicht dein Herr! Außerdem…ich bin nicht in Gefahr. Oder haben die Pflanzen mich bis jetzt verletzt?“

Heriot zögerte lange. Doch schließlich ließ er langsam mein Handgelenk wieder los, blieb aber neben mir stehen um mich im Notfall wohl doch noch wegziehen zu können.

„Zerschneidet doch die Pflanzen.“

„Nein!“, erwiderte ich sofort „Nein…das kann ich nicht tun.“

Ich wandte mich wieder der pulsierenden Kugel zu und steckte meine Hand langsam in das Gewimmel aus Ranken.

Es fühlte sich wirklich eklig an. Als würde man in eine Schüssel mit Regenwürmern greifen…Igitt.

Doch ich schob mich langsam vor, bis ich einen elektrischen Schlag bekam.

Erschrocken zuckte ich zurück.

Was war das gerade?

Ich schob die Ranken auseinander, sodass ich in das Innere sehen konnte. Sofort wurde ich von hellem Licht geblendet und kniff die Augen zusammen.

Heriot hätte bestimmt keine Probleme damit…

Als sich meine Augen an das grelle Licht gewöhnt hatten, versuchte ich zu erkennen, von was ich den Schlag bekommen hatte.

Ein fast unsichtbares Schild bildete eine weitere, kleine Kugel, die fast Faustgroß war.

Erkennen konnte ich sie nur wegen der Energiewelle, die um sie herum zuckte.

Das war es also gewesen.

Der Vernunft zu trotz streckte ich erneut die Hand aus – Und wieder packte Heriot mich.

„Das ist gefährlich.“

„Heriot, lass mich! Ich muss das tun…“

„Ich kann es für Euch tun.“

„Nein, das ist nicht dasselbe.“, widersprach ich. Ich hatte das Gefühl, dass nur ich diese Splitter nehmen könnte.

„Lass sie in Ruhe“, hörte ich da Shadows Stimme und drehte mich um.

Wie es schien hatte er den Kampf gegen die Ranken sein lassen und war zu uns gekommen. Er sah zu der Energiekugel und dann zu mir.

„Marik kann das. Lass sie in Ruhe.“

Bevor Heriot widersprechen konnte, bekam er einen Blitz von Shadow ab.

Ich schrie erschrocken auf, doch im nächsten Moment ließ er mein Handgelenk los und schien mit dem Igel kämpfen zu wollen.

Jetzt verstand ich.

Heriot würde nie zulassen, dass ich das tat…deswegen lenkte Shadow ihn ab.

Hoffentlich würde er ihm nicht zu sehr wehtun.

Schnell wandte ich mich der Energiekugel zu und streckte die Hand aus.

Ein weiterer Schlag traf mich, dann noch einer und noch einer. Der Schmerz breitete sich erst in kleinen Wellen, dann in immer größeren Wellen aus. Es fing an meinen Fingerspitzen an, wo es sich anfühlte als würde man mir bei lebendigem Leibe die Haut abschälen bis er schließlich an meinem Herzen ankam. Es fing an schneller zu schlagen und schien fast schon zu explodieren.

Ich packte meinen Unterarm und schob ihn langsam weiter. Die Energiekugel schien mich abstoßen zu wollen, während die Blitze nun zunehmend aggressiver wurden und meine Haut an einigen Stellen sogar aufplatzte.

Ich biss mir so fest auf die Unterlippen, dass sie anfingen zu bluten und kniff meine tränenden Augen zusammen.

Nein! Nur nicht…nachgeben…es ist gleich…geschafft…

Blut lief an meinem Arm entlang und benetzte die Pflanzen auf dem Boden.

Diese fingen an sich zu bewegen, schlängelten untereinander weg und ließen die rote Flüssigkeit herunterfließen.

Ich öffnete die Augen wieder ein Stück und sah, dass schon mehr als die Hälfte der Energiekugel geschafft war.

Ich biss die Zähne zusammen, schloss die Augen – Und schob meine Hand ruckartig durch das letzte Stück.

Meine Hand blutete, war aufgeplatzt und die Haut verbrannt, doch trotzdem umschloss ich die kleinen Gegenstände in der Kugel und zog sie heraus.

Im nächsten Moment war das helle Licht erloschen.

Die Pflanzen bewegten sich nicht mehr, es war totenstill.
 

Auf einmal stürzte alles zusammen. Aus den ekligen, schleimigen Ranken wurden Äste mit Blüten. Der grüne Teppich wechselte einer Baumkrone und Blütenblätter wurden vom Wind davon geweht.

Doch all das konnte ich nicht genießen, da wir, durch den Verlust des Rankenbodens nun in die Tiefe stürzten.

Meine Mund öffnete sich zum Schreien, doch ich hielt weiterhin die Splitter fest in meinen Händen, welche ich an meine Brust gepresst hatte.

Plötzlich spürte ich, wie man mich auffing und wir landeten auf einem Ast nahe dem Boden.

Eigentlich rechnete ich mit Heriot.

„Uff…danke, Heriot…“, murmelte ich, ehe ich aufsah.

„Jaja, denkst sofort an deinen neuen Lover, was?“, meinte Sichi schnippisch und lachte, während ich ihn ungläubig anstarrte.

„Wie….hast du das gemacht?“

„Dich aufgefangen, ganz einfach.“, entgegnete er schlicht und stellte mich auf den Ast ab.

„Aber…ich bin doch zu schwer…“

„Komm schon, du bist ein Federgewicht. Du stolperst sogar über einen Marienkäfer.“

Bevor ich darauf etwas erwidern konnte, sah ich wie zwei Schatten an uns vorbei schossen und sich dabei noch bekämpften.

„Shadow! Heriot! Hört auf!“, befahl ich sofort. Die Beiden landeten etwas weiter unten auf einem Ast, der nur noch etwa 5m über dem Boden war.

Ich fing derweil an herunter zu klettern, genau wie Sichi, und war schon bald am Boden angekommen.

„Hast du die Splitter?“, wollte Shadow gleich wissen, als wir alle wieder festen Grund unter den Füßen hatten.

Zögerlich öffnete ich meine heile Hand.

Drei schwach leuchtende Splitter lagen darin.

Der Igel schnappte sie sich sofort und tat sie in die Box, weswegen Sichi keine Chance mehr hatte sie überhaupt nur anzusehen.

„Mann Marik, was ist denn dir passiert!?“, fragte er plötzlich entsetzt und ich verstand erst gar nicht, was los war.

Doch dann erinnerte ich mich an meine rechte Hand.

Ich sah zu ihr.

Die Haut war aufgeplatzt, blutete und war verbrannt. Zudem…

„Ich spüre meine Hand nicht mehr…“, flüsterte ich ängstlich. Hoffentlich war sie mir nicht abgestorben…

Heriot schien den Igel fast schon vorwurfsvoll anzustarren.

„Ich habe mich ablenken lassen.“, sagte er und ballte dabei leicht die Fäuste.

„Das passiert nicht noch einmal.“

„Es war die Sache wert.“, meinte ich nur um tapfer zu sein, doch innerlich schrie ich geradezu vor Panik. Am liebsten würde ich im Kreis rennen und schreien…oder nach Raimi rufen damit sie mich heilte…wobei ich bezweifelte, dass sie das wieder hinkriegen würde.

„Bringen wir sie ins Schiff.“, sagte Shadow nur und sah nochmal kurz auf meine Hand, ehe er eine Art Pieper aus seiner Hosentasche zog und drauf drückte.

„Ich gehe mit.“, fügte Heriot hinzu, ohne Widerworte zu dulden.

„Meinetwegen.“, knurrte er nur und ich sah zu meinem Beschützer, ehe ich noch einmal den Wald musterte.

Jetzt, da der dichte Urwald verschwunden war und nichts mehr das Mondlicht aufhielt, wirkte der ganze Wald viel heller. Statt der riesigen Rankensäule stand dort nun ein großer Baum mit Apfelblüten, die durch den Wind leicht aufgewirbelt wurden, miteinander tanzten und schließlich in die Welt hinausgeweht wurden. Vielleicht würde dieser Wald irgendwann bewohnbar sein. Von Mobianern oder Menschen, es war egal. Bei dem Anblick der Blätter, die im Mondlicht zu schimmern schienen, wirkte die Welt plötzlich friedlich und schön. Grünes Gras spross langsam aus dem vorher noch rissigen Boden, Bäume fingen an zu wachsen…noch immer in einem außergewöhnlichem Tempo, doch diesmal würde etwas Schönes entstehen.

Eine zweite Chance.

Eine Apfelblüte löste sich vom Baum und tanzte kurz vor meinem Gesicht, ehe sie auf meiner verbrannten Hand landete.
 

„Danke…“



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