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Sonnenuntergang

von Sternenschwester
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Mexica (Aztekenreich)->Meztli (schlanker, junger Mann; elegantes, schmales Gesicht; rötliche Augen; lange, glatte, schwarze Haare) Komplett anzeigen

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Sonnenuntergang
 

1522 - Irgendwo in Mittelamerika
 

Wie lange er nun hier unten schon saß konnte er nicht sagen.

Es könnten Wochen sein, oder nur ein paar Tage.

Zusammengekauert auf den Boden lauschte Meztli den Stimmen seiner Götter in der Unterwelt. Sie flüsterten zu ihm, säuselten ihn seine schlimmsten Befürchtungen ins Ohr und ergötzen sich an seinem Leid.

Doch keine Träne benetze den Boden. Diese Genugtuung gönnte er den Geistern nicht.

Seine langen schwarze Haare, waren völlig verdreckt und zusammengeklebt von einer unangenehmen Mischung aus Staub, Schweiß und sonstigem was. Man hatte ihm einst alles abgenommen und ihm nur ein Ledertuch als Schutz gelassen.

Doch auch der Kälte gegenüber empfand er nichts mehr. Es kam ihm auch vor, als würde ihn die Kühle einhüllen und ihn abschirmen vor all jenen Gefühlen, die ihn an den Rand der Verzweiflung gebracht hätten.

Seit einer geraumen Ewigkeit hatte ihn kein lebendes Wesen mehr aufgesucht, oder war er wenigstens mit Speis und Trank versorgt worden.

Doch das waren die Schattenseiten seiner Existenz, wie auch all jener, die sein Schicksal teilten. Sie konnten nicht verhungern, noch konnten sie an den Qualen, die ihnen ein solches Martyrium auferlegte, wahnsinnig werden.

Sein Schicksal war mehr als grausam mit ihm.

Er konnte nur zu gut spüren, wie schwach sein Volk wurde.

Wie sie unter der Herrschaft der Bleichgesichter starben wie die Fliegen, teils durch Gewalt, teils durch die fürchterlichen Krankheiten, die ihnen die Fremden gebracht hatten.
 

Plötzlich hörte er, wie von oben die Türe seines Loches geöffnet wurde und ein weiterer Lichtschein, als der kümmerliche Lichtstrahl von einem der oberen Löcher in der Wand, erhellte nur spärlich die Grotte, in der sie ihn geflissentlich vergessen hatten.

Ein kalter Windzug durchfuhr ihn und erinnerte ihn daran, dass es eine Welt außerhalb dieser Dunkelheit gab. Schritte kamen in seine Richtung und der schwache Schein stach ihm ungewohnt hell in die Augen.

Auch ohne aufzublicken, war er sich des Blickes der grünen Augen nur zu gut bewusst. Der Mann kniete sich zu ihm hinunter und er konnte seinen typischen Duft einatmen.

Seltsam, dachte er zu sich, das unsereins nicht nach Mensch riecht, als er den angenehmen Duft nach ihm unbekannten Blumen einatmete. Eine braugebrannte Hand fuhr ihm ohne groß zu zögern an den Hals und legte vorsichtig die Fingerkuppen an seiner Pulsader. Er zuckte vor der Berührung nicht einmal zusammen.

„Du lebst ja noch…“, war dann die recht dämliche Feststellung des anderen, als dieser seine Hand wieder zurückzog. „Du scheinst ja wirklich das zu sein, wofür du dich ausgibst.“

„Desssaparecer, hijo de puta!”, knurrte er, mühsam bemüht sich im Zaum zu halten und nicht plötzlich nach der spanischen Gurgel zu greifen. Er konnte ein paar Brocken dieser seltsamen Sprache aussprechen, doch die Möglichkeiten, dem anderen verbal die Grenzen zu zeigen hatte er sich schnell aneignet.

„Du nennst dich Meztli, oder? Das bedeutet Mond in eurer Sprache. Seltsam, wenn ich bedenke, dass ihr die Sonne ebenso verehrt, oder war das die andere im Süden?“

Er hörte das metallische Klirren als die Laterne neben ihm abgestellt wurde und sich der andere zu ihm hockte.

„Dein Volk stirbt.”, sprach das Bleichgesicht dann nüchtern weiter, so als würden sie eben über das Wetter sprechen und reagierte überhaupt nicht auf die vorige Beleidigung.

„Ach, berichtete mir mal wasss Neuesss.”

Angestrengt und völlig steif vom stundenlangen Verharren in der selben Position, drehte er den Kopf in die Richtung seines Kerkermeisters. Seine roten Augen trafen auf das unheimliche Grün, das ihm schon damals bei ihrer ersten Begegnung aufgefallen war. Kälte und kühles Kalkül lag in ihnen und ließ ihn nur erahnen, in wie weit die Situation draußen den Spanier berührte.

„Aber du lebst noch.“

Er krümmte sich und lachte auf. Es klang verzweifelt und zugleich schallt es von den Wänden, wie nicht von dieser Welt. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie das spanische Königreich sich leicht panisch umsah, so als würde es befürchten, dass die Schatten nach ihm greifen würden.

„Ich werde auch weiterhin leben, vertraue mir. Glaubssst du wirklich du könntessst mich so leicht vernichten?“, säuselte er dann still, mehr zu sich selbst als an den weißen Mann, der das Verderben über ihn und seinen Nachbarn gebracht hatte, gewandt. „Ich bin alt und habe viele Ssspuren auf der Welt hinterlassen. Glaubssst du wirklich, du könntest diesss mit einem Schlag wegwischen.“

Spanien schwieg und er wusste, dass er einen Punkt berührt hatte, der diesem unheimlich war. Wieder krümmte er sich ein wenig mehr zusammen und lauter als sonst durchfluteten ihn die Stimmen der Unterwelt. Sie berauschten ihn regelrecht und füllten ihn völlig aus. Ja, er würde sehnsüchtig den Tag erwarten, an dem auch sein Peiniger in die Knie gehen würde.

Mit einem Ruck richtete er sich auf und erfreute sich an dem Schmerz, den ihm Gelenke und Muskeln bereiteten.

Ja, er war am Leben und hatte auch vor, es weiterhin zu bleiben.

„So wie du mir die Sssonne gestohlen hassst, ssso wird sssie auch in deinem Reich einesss Tagesss untergehen und dann werde ich bereit stehen.“

Mit Genugtun sah er das Zucken des Fremden und das Grauen in seinen grünen Augen. Sie wussten doch beide, dass große Reiche zum Untergang bestimmt waren.



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