Irland und Pause
Nach dem Georgien sich kunstvoll vor dem Bildschirm verbeugt hat nachdem ihr wunderschönes Lied mit stürmischem Applaus geendet hatte, lief sie leichtfüssig wieder an ihren Platz. Nach Tradition, versammelten sich alle Nationen vor einem Bildschirm um den letzten Song, die Pause und die Punktevergabe gemeinsam zu schauen und um gemeinsam zu zittern. Da Georgien das vorletzte Lied präsentiert hatte, hockten sich die Nationen auf, neben und vor ihrer Couch hin. Als Trommeln ertönten, rannten die Nachzügler zur Gruppe hinüber und die letzten Unruhestifter wurden mit Ellbogenstössen, „schschschts“ oder mit einem bösen Blick zur Ruhe gebracht. Alle lauschten mehr oder weniger ruhig dem Song und als dieser endete, klopften nicht wenige Irland auf die Schulter.
Viele kicherten, lachten, schnaubten oder machten andere seltsame Geräusche beim Anblick des modisch gekleideten Kameramanns und ein gewisser Kerl mit weissen Haaren stiess einen Pfiff aus. Bei der Rückblende aller Songs wurde lautstark kommentiert: „Die geht ja ab!“ „Na? Hast du sie jetzt?“ „Tomatenkopf!“ „Diese Sängerin macht mir irgendwie Angst…“ „Wer zur Hölle hat sich diese roten Teufel ausgedacht?!“ „Na, England? Bereit wieder zu verlieren?“ „He! Island! Soll ich Norwegen mal was erzählen?“
Nachdem auch die letzte Nummer vom Bildschirm verschwand erzählte die Moderatorin und Komikerin einige Witze und kündigte dann die Siegerin des letzten Jahres an. Und wieder wurde die Bühne in Dunkel gehüllt und die Musik spielte. Es war ein Song welchen Loreen mit viel Kraft und Individualismus wiedergab. Und als sie mit der Bühne und ihren mehreren Metern Ikeastoffcape emporgehoben wurde, tobte die Halle. Die Länder zogen sich nun jeder in eine Ecke zurück um selbst per Telefon abstimmen zu können. Und wie die Regeln es vorsahen durften sie natürlich nicht für sich selbst abstimmen. Aber einige konnten auch ein wenig Einfluss auf die Abstimmungsergebnisse ihrer Länder nehmen. Immerhin waren sie die Reinkarnationen. Nicht nur die Menschen beeinflussten sie. Es war eher wie eine Wechselwirkung. Nur auf einer viel schwächeren Basis auf Seiten der Länder. Als sie den Countdown in der Arena abzählten waren wieder alle gespannt um die Sofagruppe versammelt. Es kam eine Zwischensequenz in der eigentlich die Sängerin des Landes, auf dessen Kanal man schaute, vorgestellt wurde. Doch da es eine Beleidigung gewesen wäre nur ein Land vorzustellen, liess man einfach die Liveversion vom Gastgeber laufen. Niemand schien es zu bemerken doch Schweden holte sich diskret ein Kissen hinter seinem Rücken hervor und drückte es fest an sich. Das Video war kurz und schmerzvoll. Und als das Filmchen zu Ende war stand die Moderatorin, in einem blau gelben Kleid mit einem weissen Pelzjäckchen auf der Bühne und fing langsam an den Takt mit ihren Fingern zu schnipsen. Und das Spektakel fing an. Das Land Schweden wurde sehr… speziell vorgestellt und mit jeder Sekunde, sank Schweden immer weiter in die weichen Kissen der Couch und drückte das Kissen. Das Gesicht zeigte keinerlei Scham doch es war ihm anzusehen dass es ihm zum Teil sehr peinlich war. Finnland, der neben ihm sass drückte seine Hand und lächelte ihn an. Er wusste genau dass schon das Video über Schweden ihm peinlich war, doch dieser Song schlug alles, auch wenn es nichts als die Wahrheit war. Schweden mochte seine Moderatorin sehr und er hatte ihr auch die ganze Showinszenierung überlassen doch für ihn war das zu viel. Er atmete kaum merklich auf als das Lied endlich zu Ende ging. Die nächste Videosequenz die gezeigt wurde war ein kleiner Ausschnitt aus der Geschichte des Contests. Einige Länder murrten, weil es noch immer nicht weiter ging, andere waren schwer zu halten da sie das frisch aufgestellte Pasta Büffet plündern wollten und wieder andere genossen und oder lachten über die zum Teil schönen zum Teil peinlichen Auftritte der vergangenen Jahre. Endlich wurde der Greenroom gezeigt. Man hörte ein Kichern aus der Ecke in der auffallend viele weibliche Länder versammelt waren. Bei der nächsten Darbietung lehnten sich nicht wenige sich gegenseitig an oder rückten ein Stück näher an ihre Partner und Freunde. Doch plötzliche spannten sich alle an. Die Punkte wurden verkündet. Was nun folgte waren sehr viele, lange und nervenzerreibende Minuten. Bekannte Persönlichkeiten der Länder präsentierten per Videoübertragung die Punkte. Mal stöhnten die Länder auf, viele bedankten sich gegenseitig oder einseitig und andere wiederum fragten mit gespieltem Vorwurf wo denn die Punkte bleiben würden. England hatte sich von irgendwo her Alkohol beschaffen können und trank mit jedem Land welches ihm keine Punkte schenkte einen Schluck. Es dauerte nicht lang, da hatte er schon einiges intus. Viele Punktesprecher hatten die Länderstereotypen mit Löffeln gegessen, andere waren im Vergleich eher international und wieder andere sagten vor Nervosität beinahe falsche Ergebnisse. Oder sie sagten die Flaschen. Als Irland seine Punkte präsentierte, torkelte England zu diesem herüber und umarmte ihn. „Danke, danke, danke! Du bist mein einziger Freund!“. Hier und da war ein „Ha-Ha“ zu hören. Langsam aber kristallisierte sich heraus wer gewinnen wird. Dänemark, Azerbaijan, Ukraine, Norwegen und Russland waren mittlerweile die Favoriten. Viele Songs waren überraschender Weise besser oder schlechter als erwartet. Doch dies war eigentlich immer so. Und dann endlich stand es fest! Der Gewinner wurde verkündet. Es war…
Dänemark reckte die Faust in die Luft: „JA!“ Er stand auf, zog in Euphorie Schweden und den Händen auf die Füsse. Dieser hatte Finnland auf dem Schoss der nun zwischen beiden stand. Norwegen stand langsam auf und wurde dann von einem Arm Dänemarks in die Umarmung eingeschlossen. Island sah sich unter Gruppendruck und schloss sich der Gruppe an. Dänemark schrie weiter und hüpfte auf und ab. Die anderen wurden von seiner Kraft mitgerissen und hüpften mehr oder weniger motiviert mit. Einige weitere Länder schlossen sich an und bald sassen sie alle in einem einzigen Ländergeknäuel auf dem Boden und die sitzengebliebenen Länder herrschten sie an still zu sein um den Rest auch noch mit verfolgen zu können. Doch der Däne konnte nicht mehr still sitzen und wippte vor und zurück. Ab und zu ein Giggeln oder ein trotzig-stolzer Blick in Richtung Schweden war nicht zu verhindern. Als endlich Emmelie de Forest den Final der Show bildete, standen alle auf, redeten, lachten und beglückwünschten sich gegenseitig. Viele standen am Büffet. Andere verabschiedeten sich oder beredeten wer jetzt mit wem in welches Hotel gehen soll oder möchte. Dänemark und die anderen Nordics sassen noch vor dem Fernseher und sahen sich den Song bis zum bitteren Ende an. Einige Länder wie der halbtrunkene England sassen noch bei ihnen. Der Bildschirm wurde zum letzten Mal schwarz und langsam standen auch die Letzten auf. Als alle gingen freuten sie sich schon auf ihre Auftritte im nächsten Jahr. Insofern sie sich das leisten konnten.
